BVerwG Beschluss v. - 1 WB 13/23

Tatbestand

1Der Antragsteller wendet sich gegen die Feststellung eines Sicherheitsrisikos in seiner erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3).

2Der ... geborene Antragsteller ist seit dem Jahre 2016 Soldat auf Zeit in der Laufbahn der Offiziere des Truppendienstes. Seine Dienstzeit endet voraussichtlich am . Zuletzt wurde der Antragsteller mit Wirkung vom zum Oberleutnant befördert. Am begann er ein Studium der ... an der Universität ... in ... Seit dem wird der Antragsteller als Kompanieeinsatzoffizier im ...bataillon ... in ... verwendet.

3Am wurde der Antragsteller von zwei Zeugen dabei beobachtet, wie er in alkoholisiertem Zustand von einem fremden Pkw eine Tankklappe abriss, diesen Gegenstand gegen das Fahrzeug warf und damit eine Delle in der Motorhaube verursachte. Der Eigentümer des beschädigten Pkw verzichtete auf die Stellung eines Strafantrags. Das gegen den Antragsteller von Amts wegen eingeleitete Ermittlungsverfahren, in dem der Antragsteller die Tat abstritt, stellte die Staatsanwaltschaft ... mit Verfügung vom zunächst gemäß § 153a Abs. 1 Nr. 5 StPO ein. Nachdem der Versuch eines Täter-Opfer-Ausgleichs gescheitert war, weil der Geschädigte auf mehrere Kontaktversuche der Schlichtungsstelle nicht reagiert hatte, stellte die Staatsanwaltschaft ... das Verfahren nach § 153 Abs. 1 StPO mit der Begründung ein, ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung sei nicht gegeben, die Schuld wäre als gering anzusehen, der Antragsteller sei nicht vorbestraft und habe sich um eine Wiedergutmachung des Schadens bemüht.

4Der Antragsteller wurde am vom Amtsgericht ... wegen des Missbrauchs von Notrufen und der Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln in zwei Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen zu je 70 € verurteilt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts habe der Antragsteller am wissentlich und willentlich die Glasscheibe eines Notrufmelders in einem Gebäude der Universität ... eingeschlagen und den Notruf betätigt, ohne dass ein Notfall vorgelegen habe. Der Antragsteller habe ferner am aus einem Gebäude der Universität ... einen Feuerlöscher aus der Halterung entfernt und dieses Gerät kurz darauf an einem anderen Ort abgestellt. Am verhängte der Disziplinarvorgesetzte gegen den Antragsteller wegen der Vorgänge eine Disziplinarbuße in Höhe von 1 000 €.

5Am leitete der Sicherheitsbeauftragte der Universität ... unter Hinweis auf einen beabsichtigten Wechsel des Antragstellers in den ...studiengang "..." eine erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü 3) ein. Der Antragsteller gab am selben Tage eine Sicherheitserklärung ab, in der er unter Ziffer 6.2 auf die Frage, ob in den letzten Jahren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn erfolgt seien, das Kästchen mit der Antwortmöglichkeit "Nein" angekreuzt hat. Unter dem wurde der Antragsteller von Mitarbeitern des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) befragt. Dabei gab er an, dass gegen ihn eine Pfändung wegen eines rückständigen Rundfunkbeitrages betrieben worden sei; dazu sei es aber nicht gekommen, weil er den fälligen Betrag beglichen habe.

6Mit Schreiben vom , dem Antragsteller zugestellt am , informierte der Geheimschutzbeauftragte beim Bundesministerium der Verteidigung den Antragsteller darüber, dass über ihn sicherheitserhebliche Erkenntnisse vorlägen, die seine Zuverlässigkeit in Zweifel zögen und die Feststellung eines Sicherheitsrisikos rechtfertigten. Der Geheimschutzbeauftragte bezog sich dabei auf das eingestellte strafrechtliche Ermittlungsverfahren, auf die vom Amtsgericht ... abgeurteilten Straftaten sowie auf unwahre Angaben in der Sicherheitserklärung zur Frage erfolgter Pfändungen.

7In seiner persönlichen Anhörung am erhielt der Antragsteller Gelegenheit, sich zu den ihm mitgeteilten sicherheitserheblichen Erkenntnissen zu äußern. Auf den Inhalt des Protokolls wird verwiesen. Mit Schreiben vom ergänzte er seine Angaben in der Anhörung. Auf diese Unterlage wird ebenfalls Bezug genommen.

8Am eröffnete der Geheimschutzbeauftragte des Bundesministeriums der Verteidigung dem Antragsteller die Mitteilung vom , dass die erweiterte Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen Umstände ergeben habe, die ein Sicherheitsrisiko darstellten.

9Mit Bescheid vom , dem Antragsteller am zugestellt, schloss der Geheimschutzbeauftragte beim Bundesministerium der Verteidigung die Sicherheitsüberprüfung mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos ab. Es bestünden in der Gesamtschau Zweifel an der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers hinsichtlich der Ausübung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit. So habe er Straftaten und Dienstvergehen begangen, die ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung erkennen ließen. Außerdem habe der Antragsteller unwahre Angaben in seiner Sicherheitserklärung gemacht, weil er die Pfändung durch die GEZ gegen ihn unerwähnt gelassen habe. Im Sicherheitsüberprüfungsverfahren habe er ferner unwahre Angaben hinsichtlich des Auslösens eines Feueralarms und der Sachbeschädigung gemacht und versucht, sein Fehlverhalten günstiger darzustellen, indem er sich an Einzelheiten vorgeblich nicht mehr habe erinnern können. Die vorliegenden sicherheitserheblichen Erkenntnisse wögen schwer. Die durch den Antragsteller gezeigte fehlende Sorgfalt, das fehlende Bewusstsein für sicherheitliche Belange sowie insbesondere sein nicht kalkulierbares Verhältnis zur Wahrheit erlaubten zurzeit keine positive Prognose, dass der Antragsteller in Zukunft über das erforderliche Maß an Zuverlässigkeit im Umgang mit Verschlusssachen verfügen werde. Es könne derzeit nicht ausgeschlossen werden, dass der Antragsteller in Zukunft seiner Wahrheits- und Offenbarungspflicht hinsichtlich sicherheitsrelevanter Aspekte nicht vollumfänglich nachkommen werde. Zu berücksichtigen sei im vorliegenden Zusammenhang auch, dass der Antragsteller als Student des Studiengangs "..." Zugang zu Verschlusssachen der höchsten Geheimhaltungsstufe erhalten solle. Eine uneingeschränkte Zuverlässigkeit sei hier grundlegende Voraussetzung. Durchgreifende und der Person des Antragstellers liegende Belange, die geeignet wären, von der Feststellung eines Sicherheitsrisikos abzuweichen seien nicht erkennbar. Unter Berücksichtigung aller für und gegen den Antragsteller sprechenden Umstände und der persönlichen Anhörung werde eine Wirkungsdauer der Feststellung von drei Jahren als ausreichend erachtet.

10Mit Verfügung vom wurde der Antragsteller in die ...schule der Bundeswehr versetzt.

11Gegen die Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung erhob der Antragsteller mit Schreiben vom Beschwerde, die er am im Personalbüro der Universität ... in ... abgegeben und von der der Disziplinarvorgesetzte am Kenntnis genommen hat. Das Bundesministerium der Verteidigung hat den von ihm als Antrag auf gerichtliche Entscheidung gewürdigten Rechtsbehelf mit einer Stellungnahme vom dem Senat vorgelegt.

12Der Antragsteller macht geltend, der Geheimschutzbeauftragte habe seinen Beurteilungsspielraum bereits dadurch überschritten, dass er das wegen Missbrauchs von Notrufen und der Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln durchgeführte Disziplinarverfahren neben dem sachgleichen Strafverfahren und damit "in doppelter Hinsicht" zu seinen Lasten gewertet habe. Ferner habe er es unabsichtlich versäumt, die gegen ihn durchgeführte Pfändung in der Sicherheitserklärung zu erwähnen. Er habe diese Maßnahme dann im Gespräch mit den Mitarbeitern des BAMAD mitgeteilt, weil ihm die Bedeutung dessen nicht klar gewesen sei. In dem Disziplinarverfahren wegen der Straftaten habe er zwar Schutzbehauptungen "angebracht", die er aber im Gespräch mit dem BAMAD wieder revidiert habe. In seiner Anhörung durch den Geheimschutzbeauftragten und einem späteren ergänzenden Schreiben dazu habe er angegeben, dass er keine vollumfassenden Angaben zu den drei Jahre zurückliegenden Vorgängen machen könne und sich seine Erinnerungen aus dem Studium der Prozessakte ergäben.

13Die von dem Geheimschutzbeauftragten getroffene Prognoseentscheidung erachtet der Antragsteller im Ergebnis als substanzlos. Dort seien die von ihm vorgetragenen und insbesondere für ihn sprechenden Umstände nicht berücksichtigt worden, wie etwa mit den Verfahren verbundene Belastungen und die für sein Studium eingetretenen Folgen. Der Geheimschutzbeauftragte habe sich darauf beschränkt, von den Vorwürfen auf eine für ihn ungünstige Einschätzung seines künftigen Verhaltens zu schließen. Außer Acht gelassen worden sei, dass die straf- bzw. disziplinarrechtlich relevanten Geschehnisse in den Jahren 2018 und 2019 angesiedelt gewesen seien, er sich in den besagten Verfahren von Anfang an kooperativ gezeigt habe und seit den Vorfällen nicht mehr straf- oder disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten sei. Nicht gewürdigt worden sei ferner, dass er sich mit Blick auf die ihm angelastete Sachbeschädigung um einen Täter-Opfer-Ausgleich bemüht habe, der am Desinteresse des Opfers, nicht aber an ihm gescheitert sei. Vor dem Hintergrund dieser Bemühungen könne keine Rede davon sein, dass er ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung habe. Der Geheimschutzbeauftragte habe sich zudem nicht damit auseinandergesetzt, dass die Disziplinarbuße nur deshalb 1 000 € betragen habe, weil er - "durch das Verfahren wachgerüttelt" - versprochen habe, sich fortan keine weitere Verfehlung zu Schulden kommen zu lassen. Überdies seien alle ihm vorgeworfenen Taten unter Alkoholeinfluss begangen worden, weswegen er seinen Umgang mit Alkohol seit Tatbegehung drastisch verändert habe.

14Soweit der Geheimschutzbeauftragte auf den Umstand abgehoben habe, dass er in dem von ihm gewählten Studium Einsicht in Verschlusssachen erhalten würde, sei dies für die Prognose ohne Bedeutung, da es sich hierbei um eine Tatsachenfrage handele und die Sicherheitseinstufung ohnehin nur für den Zugang zu einem Lehrgebäude auf dem ... Gelände des ... benötigt werde. Unbeachtet lasse der Geheimschutzbeauftragte, dass er sich inzwischen bewährt habe. So seien ihm im Juli 2022 Tätigkeiten übertragen worden, bei denen er sich mit Patientenakten habe beschäftigen müssen. Im Zeitraum von März bis Ende April 2023 sei er in der zentralen Waffenkammer seiner Einheit mit verschiedenen Arbeiten betraut worden, zu denen auch Inventuren gezählt hätten, für die nach seiner Kenntnis eine Ü 2-Freigabe erforderlich gewesen sei. Nach alledem sei ein vollständiger Ausfall des Prognoseermessens festzustellen. Schließlich erscheine es als fraglich, inwiefern die Erteilung einer positiven Erklärung im Sicherheitsüberprüfungsverfahren nicht durch Fürsorge- oder andere Maßnahmen wie etwa Auflagen hätte erfolgen können.

15Der Antragsteller beantragt,

die Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten beim Bundesministerium der Verteidigung vom aufzuheben.

16Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

17Das Bundesministerium trägt vor, der Antrag sei bereits verfristet. Die Frist des § 6 Abs. 1 WBO habe mit der am gegenüber dem Antragsteller erfolgten Eröffnung der Mitteilung vom über die Feststellung eines Sicherheitsrisikos zu laufen begonnen. Eingedenk dessen sei die Frist am abgelaufen. Der Umstand, dass der Mitteilung keine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt gewesen sei, weise zwar auf einen unabwendbaren Zufall im Sinne des § 7 Abs. 2 WBO. Das Hindernis sei aber mit Schreiben vom mit der Folge beseitigt worden, dass dem Antragsteller nach Eröffnung des Schreibens am wenigstens zwei Wochen verblieben seien, um den Antrag zu stellen. Der dann eingelegte Rechtsbehelf sei nach Ablauf der Frist und damit verspätet eingegangen.

18Darüber hinaus sei der Antrag auch unbegründet. Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG sei materiell nicht zu beanstanden. Das dem Antragsteller vorgeworfene straf- und disziplinarrechtlich relevante Fehlverhalten sei zwar in einem niedrigschwelligen Bereich angesiedelt und rufe nicht unmittelbar Sicherheitsbedenken hervor. Der Antragsteller sei jedoch mehrfach in dieser Weise in Erscheinung getreten, sodass ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung zumindest nicht ausgeschlossen werden könne. Dass das Strafverfahren wegen Sachbeschädigung durch die Staatsanwaltschaft ... nach § 153 Abs. 1 StPO wegen fehlenden öffentlichen Interesses eingestellt worden sei, ändere nichts. Die dem Geheimschutzbeauftragten vorliegenden strafrechtlichen Unterlagen belegten eine Tatbegehung durch den Antragsteller. Diese Würdigung sei durch das Antwortverhalten des Antragstellers in der persönlichen Anhörung gestützt worden. Dieser habe sich dort auf vermeintliche Erinnerungslücken zurückgezogen, die im Gesamtkontext der Anhörung als nicht glaubhaft hätten bewertet werden können.

19Davon losgelöst begründeten auch die durch den Antragsteller getätigten unwahren Angaben im Rahmen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens schon eigenständig ein Sicherheitsrisiko. Neben der unzutreffenden Angabe zu vergangenen Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in der Sicherheitserklärung, die deshalb Relevanz entfalte, weil sie vertiefte Ermittlungen des BAMAD zu dieser Thematik erschwere, seien auch die im Rahmen der persönlichen Anhörung getroffenen Aussagen entscheidungsrelevant. Zwar sei es möglich und menschlich, sich nach einigen Jahren nicht mehr an Abläufe und Situationen erinnern zu können; die Aussagen zu der Betätigung des Brandmelders und dem Grund dafür seien jedoch von Widersprüchen geprägt, die nach Überzeugung des Geheimschutzbeauftragten nicht auf Erinnerungslücken zurückzuführen seien, sondern auf den Versuch, negative Konsequenzen des Sicherheitsüberprüfungsverfahrens von sich abzuwenden. Dies gelte auch für die Einlassungen des Antragstellers zur Sachbeschädigung. Es sei nicht davon auszugehen, dass es sich um alkoholbedingte Gedächtnislücken handele, da der Antragsteller die weiteren Rahmenumstände des Abends noch habe detailliert wiedergeben können. Die Aussagen seien als Schutzbehauptungen zu qualifizieren.

20Im Rahmen der Prognose habe im Hinblick auf das hier zumindest nicht auszuschließende gestörte Verhältnis zur Rechtsordnung positiv einbezogen werden können, dass das hier zugrunde gelegte Fehlverhalten von niedrigschwelliger Natur sei und bereits einige Jahre zurückliege. Die unwahren Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren lägen allerdings noch nicht ausreichend lange zurück, um von einer Charakteränderung des Antragstellers ausgehen zu können. Für den Antragsteller sprechende Umstände, die auch in dem in der persönlichen Anhörung hinterlassenen Gesamteindruck sowie der glaubhaften Beteuerung zu erblicken seien, die disziplinar- und strafrechtlichen Verfahren als Weckruf verstanden zu haben, seien unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit mit einer Herabsetzung der Frist für eine Wiederholungsüberprüfung auf drei Jahre gewürdigt worden. Eine weitere Verringerung oder eine Auflagenentscheidung kämen wegen der im Sicherheitsüberprüfungsverfahren festgestellten unwahren Angaben nicht in Betracht; dieser Umstand hätte grundsätzlich auch ein Ausschöpfen der Fünfjahresfrist gerechtfertigt.

21Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung und die Personalgrundakte des Antragstellers haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

Gründe

22Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.

231. Der Antrag ist zwar zulässig. Entgegen der Ansicht des Bundesministeriums der Verteidigung ist er insbesondere nicht verfristet.

24a) Zwar ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht innerhalb der maßgeblichen Antragsfrist bei einer zuständigen Stelle, nämlich dem nächsten Disziplinarvorgesetzten oder dem Bundesminister der Verteidigung, gestellt worden. Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung innerhalb eines Monats nach Zustellung des zurückweisenden Beschwerdebescheids einzulegen. Richtet sich der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ohne ein vorangehendes Beschwerdeverfahren unmittelbar gegen den Bundesminister der Verteidigung, beginnt die Frist mit der Bekanntgabe seiner Entscheidung oder dienstlichen Maßnahme gegenüber dem Soldaten. Zutreffend hat das Bundesministerium der Verteidigung angenommen, dass die erforderliche Bekanntgabe der Entscheidung über die Feststellung eines Sicherheitsrisikos bereits mit der förmlichen Eröffnung dieser Feststellung am erfolgt (vgl. 1 WB 62.06 - juris Rn. 21) und der Antrag auf gerichtliche Entscheidung erst nach der am abgelaufenen Monatsfrist bei dem nächsten Disziplinarvorgesetzten eingegangen ist.

25b) Der Antragsteller kann sich jedoch mit Erfolg auf § 7 Abs. 2 WBO berufen. Nach dieser Vorschrift begründet eine unterbliebene oder unrichtig erteilte Rechtsmittelbelehrung die unwiderlegbare Vermutung eines unabwendbaren Zufalls. Auf diese Bestimmung kann sich der Antragsteller nach ständiger Rechtsprechung des Senats (nur) berufen, wenn eine gesetzliche Verpflichtung bestand, ihm eine Rechtsmittelbelehrung zu erteilen oder wenn - wie hier - eine solche im Hinblick auf eine nicht vorauszusetzende Kenntnis der Frist verfassungsrechtlich geboten war. Die Mitteilung vom über das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung enthält als truppendienstliche Erstmaßnahme keine Rechtsbehelfsbelehrung. Art. 19 Abs. 4 GG verlangt jedoch, wenn die truppendienstliche Erstmaßnahme unmittelbar vom Bundesministerium der Verteidigung erlassen wird und dem Antragsteller nur der Antrag auf gerichtliche Entscheidung zu Gebote steht, eine ausdrückliche Belehrung darüber, dass ein solcher innerhalb der Frist von einem Monat gestellt werden muss (vgl. zur Einstellung eines Sicherheitsüberprüfungsverfahrens 1 WB 15.05 - BVerwGE 125, 56 Rn. 26 f.). Eine solche Belehrung ist zunächst unterblieben.

26Eine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung ist dem Antragsteller auch nicht mit der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten beim Bundesministerium der Verteidigung vom erteilt worden. Denn sie erweist sich als unrichtig im Sinne des § 7 Abs. 2 WBO, weil sie irreführend und dadurch generell geeignet ist, bei dem Betroffenen einen Irrtum hervorzurufen, und ihn dadurch davon abhalten kann, den Rechtsbehelf überhaupt oder rechtzeitig einzulegen (vgl. 1 WB 3.12 - juris Rn. 14; Urteil vom - 1 C 6.18 - BVerwGE 163, 26 Rn. 15). Das ist hier der Fall. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass sich die nachgeholte Rechtsbehelfsbelehrung auf die Mitteilung über die Feststellung eines Sicherheitsrisikos vom beziehen soll. Das erschließt sich aus der Belehrung des Bescheides vom 2o. Juli 2022 nicht. Dort heißt es lediglich, dass der Antrag "innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung" einzulegen sei. Damit wird für einen unbefangenen Leser der Eindruck vermittelt, dass es sich bei der Entscheidung um den Bescheid vom handelt. Verstärkt wird dies durch die am Anfang dieses Bescheides enthaltene Aussage des Geheimschutzbeauftragten, "angesichts der vorliegenden tatsächlichen Anhaltspunkte und im Interesse der militärischen Sicherheit schließe ich Ihre Sicherheitsüberprüfung mit der Feststellung eines Sicherheitsrisikos ab." Auch hierdurch wird der Anschein erweckt, als handele es sich bei dem Bescheid um die abschließende Entscheidung und die vorausgehende Mitteilung über die Feststellung eines Sicherheitsrisikos sei gewissermaßen nur eine Zwischeninformation.

27Ist das Hindernis nach alledem nicht beseitigt worden, blieb auch die Frist des § 17 Abs. 4 Satz 1 i. V. m. § 21 Abs. 2 Satz 1 WBO weiter gehemmt mit der Folge, dass die Einlegung des Antrags auf gerichtliche Entscheidung bei dem Disziplinarvorgesetzten am noch rechtzeitig erfolgt ist.

282. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung vom ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten.

29a) Maßgeblich für die gerichtliche Kontrolle ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Vorlage des Antrags (stRspr, vgl. z. B. 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 35). Bis zu diesem Zeitpunkt können in Ergänzung der Entscheidung des Geheimschutzbeauftragten und mit dessen Zustimmung tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Sicherheitsrisikos, einschließlich der dabei zu treffenden Prognose, in das Verfahren eingeführt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WDS-VR 7.07 - juris Rn. 23, vom - 1 WB 47.13 - juris Rn. 29 und vom - 1 WB 3.19 - juris Rn. 22).

30Die Überprüfung von Angehörigen der Bundeswehr auf Sicherheitsbedenken ist eine vorbeugende Maßnahme, die Sicherheitsrisiken nach Möglichkeit ausschließen soll (stRspr, vgl. z. B. 1 WB 37.07 - BVerwGE 130, 291 Rn. 23 m. w. N.). Dabei obliegt es der zuständigen Stelle - hier: dem Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung - aufgrund einer an diesem Zweck der Sicherheitsüberprüfung orientierten Gesamtwürdigung des Einzelfalls die ihr übermittelten Erkenntnisse im Hinblick auf die vorgesehene Tätigkeit zu bewerten (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 14 Abs. 3 Satz 1 und 2 SÜG).

31Dem Geheimschutzbeauftragten steht bei der Entscheidung, ob in der Person eines Soldaten ein Sicherheitsrisiko festzustellen ist, ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich darauf, ob der Geheimschutzbeauftragte von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften verstoßen hat (stRspr, z. B. 1 WB 12.11 - BVerwGE 140, 384 Rn. 24 ff. m. w. N.).

32Wegen der präventiven Funktion der Sicherheitsüberprüfung und wegen des hohen Ranges der zu schützenden Rechtsgüter liegt ein Sicherheitsrisiko bereits dann vor, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für einen der Tatbestände des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 SÜG bestehen. Dabei hat im Zweifel das Sicherheitsinteresse Vorrang vor anderen Belangen (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG). Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die zugleich eine Prognose über die künftige Zuverlässigkeit und Integrität des Soldaten darstellt, darf sich jedoch nicht auf eine vage Vermutung oder eine rein abstrakte Besorgnis stützen. Dabei gibt es keine "Beweislast", weder für den Soldaten dahingehend, dass er die Sicherheitsinteressen der Bundeswehr bisher gewahrt hat und künftig wahren wird, noch für die zuständige Stelle, dass der Soldat diesen Erwartungen nicht gerecht geworden ist oder ihnen künftig nicht gerecht werden wird (stRspr, z. B. 1 WB 58.11 - juris Rn. 30; vgl. auch - BVerfGE 39, 334 <353>).

33b) Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung eines Sicherheitsrisikos durch den hierfür zuständigen Geheimschutzbeauftragten im Bundesministerium der Verteidigung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 SÜG) nicht zu beanstanden.

34aa) Der angefochtene Bescheid leidet nicht an formellen Mängeln. Der Antragsteller hatte insbesondere Gelegenheit, sich vor Feststellung des Sicherheitsrisikos zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen persönlich zu äußern (§ 14 Abs. 3 Satz 4 SÜG i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 SÜG; vgl. hierzu 1 WB 57.12 - BVerwGE 148, 267 Rn. 54 ff.). Davon hat er am Gebrauch gemacht und sich unter dem auch noch ergänzend schriftlich geäußert.

35bb) Die Feststellung eines Sicherheitsrisikos, die auf Zweifeln an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG) gründet, ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden.

36Ausgehend von den Erwägungen in dem angefochtenen Feststellungsbescheid und den mit Zustimmung des Geheimschutzbeauftragten beim Bundesministerium der Verteidigung angestellten ergänzenden Ausführungen des Bundesministeriums der Verteidigung im Vorlageschreiben vom nähren sich die Zuverlässigkeitszweifel nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG jeweils selbständig tragend einerseits aus dem straf- und disziplinarrechtlich relevanten Fehlverhalten des Antragstellers und andererseits aus dessen unwahren Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren. Der Senat teilt diese Ansicht und erachtet auch die darauf - der Sache nach auf eine Gesamtschau - gestützte Prognose für gerechtfertigt.

37(1) Der zuständige Geheimschutzbeauftragte ist nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.

38(a) Die mit Urteil des Amtsgerichts ... vom sanktionierten Straftaten des Missbrauchs von Notrufen und der Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln in zwei Fällen leugnet der Antragsteller im hiesigen Verfahren nicht.

39(b) Soweit sich der Geheimschutzbeauftragte auf die Geschehnisse vom um die Sachbeschädigung eines Fahrzeugs bezieht, geht er ebenfalls von keinem unzutreffenden Sachverhalt aus. Die Begehung der Tat durch den Antragsteller wird durch die bei den Akten befindlichen glaubhaften Aussagen zweier Zeugen bestätigt. Der Antragsteller bestreitet dies jedenfalls in dem hiesigen Verfahren nicht mehr, sondern beschränkt sich insoweit lediglich darauf, das Interesse des Geschädigten wie auch das öffentliche Interesse an einer Verfolgung dieser Straftat in Abrede zu stellen, um deren Bedeutung als sicherheitserhebliche Erkenntnis zu relativieren. Dass das Ermittlungsverfahren wegen der besagten Sachbeschädigung nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden ist, hat der Geheimschutzbeauftragte berücksichtigt und in Ermangelung tatsächlicher gerichtlicher Feststellungen zum Sachverhalt eigene Ermittlungen anhand der herangezogenen polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsunterlagen vorgenommen.

40(c) Auch der Vorhalt des Geheimschutzbeauftragten, dass der Antragsteller in seiner Sicherheitserklärung vom zu einem wesentlichen Punkt eine falsche Angabe gemacht hat, beruht auf einem zutreffend ermittelten Sachverhalt. Der Antragsteller hat unter Nr. 6.2 der Sicherheitserklärung zu der Frage, ob in den letzten fünf Jahren Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn erfolgt sind, das Kästchen mit der Antwortmöglichkeit "Nein" angekreuzt. Hierbei handelt es sich um eine unzutreffende Angabe. Denn in seiner späteren Befragung durch Mitarbeiter des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst wie auch in seiner persönlichen Anhörung durch den Geheimschutzbeauftragten hat der Antragsteller eingeräumt, dass er in einem Schreiben eines Gerichtsvollziehers aus dem Jahre 2016 anlässlich einer gegen ihn betriebenen Pfändung aufgefordert worden sei, von der Gebühreneinzugszentrale der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten geltend gemachte rückständige Rundfunkbeiträge in Höhe von 145 € zu zahlen. Dieser Sachverhalt wird als solcher vom Antragsteller nicht bestritten, sondern lediglich abweichend bewertet.

41(d) Der angegriffene Bescheid geht ferner beanstandungsfrei davon aus, dass der Antragsteller in seiner Befragung durch das Bundesamt für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) am und seiner persönlichen Anhörung durch den Geheimschutzbeauftragten am angegeben habe, sich an die Geschehnisse im Zusammenhang mit der Sachbeschädigung eines Fahrzeugs am und dem Missbrauch eines Notrufmelders am nicht mehr erinnern zu können. Diese Angaben sind ebenso dokumentiert wie die sich im Verlauf der persönlichen Anhörung verändernden Einlassungen des Antragstellers zu den Umständen des Missbrauchs eines Notrufmelders, die der Antragsteller auf mehrmaliges Nachfragen des Geheimschutzbeauftragten gemacht hat: So hat er zunächst vorgetragen, "vielleicht" gedacht zu haben, "irgendetwas wäre im Haus" geschehen und deshalb den Alarmknopf der Brandmeldeanlage gedrückt zu haben. In der Folge gab der Antragsteller an, es könne vielleicht ein Streich gewesen sein, um dann darauf hinzuweisen, nach dem Vorfall ausgesagt zu haben, dass es ein Irrtum gewesen sei. Inhalt und Verlauf des beschriebenen Aussageverhaltens sind von dem Antragsteller im hiesigen Verfahren jedenfalls nicht in Zweifel gezogen worden. Er bewertet das gezeigte Aussageverhalten lediglich anders, wenn er meint, jedenfalls im Disziplinarverfahren noch Schutzbehauptungen aufgestellt zu haben, die er dann aber in seinen Einlassungen gegenüber dem BAMAD wieder "revidiert" habe.

42(2) Dem Geheimschutzbeauftragten ist auch darin zu folgen, dass mit dem straf- und disziplinarrechtlich relevanten Verhalten einerseits und den unwahren Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren andererseits sicherheitserhebliche Erkenntnisse verbinden, die die Feststellung eines Sicherheitsrisikos jeweils für sich betrachtet rechtfertigen können.

43(a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats können sich tatsächliche Anhaltspunkte, die Zweifel an der Zuverlässigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG begründen, unter anderem daraus ergeben, dass der Betroffene eine Straftat oder ein Dienstvergehen begangen hat, die - ggf. auch ohne speziellen Bezug zu Geheimhaltungsvorschriften oder zur dienstlichen Tätigkeit - ein gestörtes Verhältnis zur Rechtsordnung erkennen lassen (vgl. 1 WB 29.16 - juris Rn. 36 m. w. N.). Es ist demgemäß nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte zunächst das straf- und wehrdisziplinarrechtlich sanktionierte Fehlverhalten des Antragstellers als Grundlage für die Feststellung eines Sicherheitsrisikos aufgegriffen hat ( 1 WB 35.22 - juris Rn. 40).

44Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist es auch nicht als rechtsfehlerhaft zu betrachten, dass die Beurteilung des zuständigen Geheimschutzbeauftragten mit Blick auf die Verfehlungen des Missbrauchs von Notrufen und der Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln in zwei Fällen sowohl an die insoweit erfolgte strafgerichtliche Verurteilung durch das Amtsgericht als auch an die - dem bereits vorausgegangene - disziplinarrechtliche Ahndung mit einer Geldbuße durch den Disziplinarvorgesetzten anknüpft. Diese "Doppelverwertung" ist nicht etwa unzulässig, sondern trägt dem Umstand Rechnung, dass der Antragsteller mit dem sanktionierten Verhalten nicht nur strafrechtlich relevantes Unrecht begangen, sondern auch gegen seine Dienstpflichten als Soldat verstoßen hat. So wie es nicht gegen das Verbot der "Doppelbestrafung" nach Art. 103 Abs. 3 GG verstößt, wenn neben eine Kriminalstrafe eine Disziplinarmaßnahme tritt (s. - BVerfGE 21, 391 <400 ff.>; ebenso zum Beamtenrecht 2 B 46.21 - juris Rn. 13), erweist es sich nicht als beurteilungsfehlerhaft, die Annahme eines gestörten Verhältnisses zur Rechtsordnung auf die mit dem Fehlverhalten verbundene Einordnung als Straftat und als Dienstvergehen zu stützen. Vielmehr ist dem Umstand angemessen Rechnung zu tragen, dass das Fehlverhalten des Antragstellers nicht nur allgemeine Strafgesetze, sondern zugleich auch Pflichten eines Soldaten verletzt, die sich aus dem Soldatengesetz ergeben.

45(b) Es unterliegt auch keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, dass der Geheimschutzbeauftragte seine Feststellung überdies mit einem Verhalten des Antragstellers gerechtfertigt hat, das Gegenstand eines Strafverfahrens war, welches von der Staatsanwaltschaft nach § 153 Abs. 1 StPO eingestellt worden ist; eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums lässt sich daraus nicht ableiten. Denn mit dieser Entscheidung verbindet sich der unmissverständliche sachliche Hinweis, dass zum Zeitpunkt der Einstellung für eine Sachbeschädigung des Fahrzeugs durch den Antragsteller eine solche Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung bestand, die es ausschloss, eine Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO aus Mangel an Beweisen vorzunehmen (vgl. 1 WB 17.05 - NZWehrr 2006, 153 <153 f.>). Auch diese Tat offenbart, dass der Antragsteller Rechtsnormen nicht ausnahmslos einhält.

46(c) Ferner unterliegt es keinen rechtlichen Einwänden, dass der Geheimschutzbeauftragte in den unwahren Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren selbständig tragende Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers bei der Wahrnehmung einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG) erkannt hat. Mit dieser Einschätzung hat er weder den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich frei bewegen kann, verkannt noch allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt.

47(aa) Falsche Angaben im Sicherheitsüberprüfungsverfahren sind grundsätzlich geeignet, die Feststellung eines Sicherheitsrisikos im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SÜG nach sich zu ziehen ( 1 WB 18.21 - NVwZ-RR 2021, 1060 <1063> m. w. N.). Zu den der Wahrheitspflicht unterliegenden dienstlichen Angelegenheiten im Sinne des § 13 Abs. 1 SG gehören auch die im Überprüfungsverfahren abzugebende Sicherheitserklärung sowie sonstige Äußerungen der betroffenen Person im Sicherheitsüberprüfungsverfahren (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 28.11 - juris Rn. 35 m. w. N. und vom - 1 WB 32.13 - juris Rn. 34 ff.).

48(bb) Ohne Rechtsfehler hat der Geheimschutzbeauftragte zunächst in der unzutreffenden Angabe in der Sicherheitserklärung einen vorwerfbaren gravierenden Verstoß gegen die Wahrheitspflicht erkannt. Im Hinblick darauf, dass der Antragsteller mit seiner Unterschrift auf der Sicherheitserklärung bestätigt hat, die Ausfüllanleitung bei seinen Angaben beachtet zu haben, hat er aus Sicht des Senats vorsätzlich gehandelt. Denn nach der Ausfüllanleitung fallen unter die in Nr. 6.2 der Sicherheitserklärung erwähnten Zwangsvollstreckungsmaßnahmen auch Pfändungen etwa des Arbeitslohnes, in andere Rechte oder von beweglichem Vermögen. Eingedenk dessen erachtet der Senat die Erklärung des Antragstellers, er habe die Pfändung nicht als Zwangsvollstreckungsmaßnahme angesehen, als fernliegende Fehlinterpretation und daher unglaubhafte Schutzbehauptung, die nicht geeignet ist, den Verstoß in einem anderen Licht erscheinen zu lassen.

49Die gegenüber dem BAMAD und dem Geheimschutzbeauftragten vorgetragene Einlassung des Antragstellers, sich weder an die Sachbeschädigung eines Fahrzeugs am noch an die Geschehnisse unmittelbar im Zusammenhang mit dem Missbrauch der Brandmeldeanlage am erinnern zu können, konnten ebenfalls durch den Geheimschutzbeauftragten beurteilungsfehlerfrei als Schutzbehauptung bewertet werden. Das ergibt sich - worauf der Geheimschutzbeauftragte plausibel hingewiesen hat - bereits aus einer Gesamtschau mit den detaillierten Aussagen des Antragstellers zum Verlauf der Ereignisse vor und nach der jeweiligen Tat, die die behaupteten Erinnerungslücken als unwahrscheinlich erscheinen lassen. Mit Blick auf den Vorwurf des Missbrauchs der Brandmeldeanlage konnte der Geheimschutzbeauftragte auch deshalb von Verstößen gegen die Wahrheitspflicht ausgehen, weil der Antragsteller im Verlauf der Anhörung durch den Geheimschutzbeauftragten seine angeblichen Motive mit wechselndem Vortrag zu begründen versucht hat.

50(3) Rechtlich unbedenklich ist schließlich, dass der zuständige Geheimschutzbeauftragte aus dem zuvor erörterten Verhalten prognostisch auf Zweifel an der Zuverlässigkeit des Antragstellers geschlossen hat und dass der damit einhergehenden Gefährdung von Sicherheitsinteressen Vorrang vor den Interessen des Antragstellers gegeben worden ist.

51(a) Dabei ist nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte seine - durch das Bundesministerium der Verteidigung mit seinem Vorlageschreiben zulässig ergänzte - negative Prognose vornehmlich auf die in zeitlicher Hinsicht jüngeren Umstände im Zusammenhang mit den im Sicherheitsüberprüfungsverfahren getätigten unwahren Angaben des Antragstellers gestützt hat.

52Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt der Pflicht, in dienstlichen Angelegenheiten die Wahrheit zu sagen (§ 13 Abs. 1 SG), ein besonderes Gewicht für die sicherheitsrechtliche Beurteilung zu (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 1 WB 13.10 - BeckRS 2010, 150823 Rn. 29 und vom - 1 WB 24.17 - NVwZ 2019, 65 Rn. 30). Nicht nur, aber gerade auch im Umgang mit geheimhaltungsbedürftigen Tatsachen, Gegenständen oder Erkenntnissen muss sich die militärische Führung auf die Richtigkeit abgegebener Meldungen, Erklärungen und Aussagen sowie auf die unaufgeforderte Erfüllung von Meldepflichten jederzeit und grundsätzlich ohne weitere Nachprüfung verlassen können.

53Hiernach begegnet die von dem Geheimschutzbeauftragten getroffene Einschätzung, die gezeigte fehlende Sorgfalt in dienstlichen Dingen, das fehlende Bewusstsein für sicherheitliche Belange sowie das nicht kalkulierbare Verhältnis des Antragstellers zur Wahrheit erlaube keine positive Prognose, dass er in Zukunft das erforderliche Maß an Zuverlässigkeit im Umgang mit Verschlusssachen haben werde, keinen durchgreifenden Bedenken. Soweit der Antragsteller die Erwähnung des Umgangs mit Verschlusssachen rügt, weil es sich hierbei um keine Frage der Prognose, sondern um eine Tatsachenfrage handele, führt dies schon deshalb nicht weiter, weil die Prognose die Frage beantworten muss, wie sich die betroffene Person mit Blick auf die beabsichtigte sicherheitsempfindliche Tätigkeit voraussichtlich verhalten werde; die Art der Tätigkeit kann dabei nicht ausgeblendet werden. Der weitere Einwand des Antragstellers, die "Sicherheitseinstufung" werde nicht für die Einsicht in Dokumente, sondern für den Zugang zu Lehrgebäuden auf dem Gelände des ... in ... benötigt, ignoriert den von der Universität ... erteilten Auftrag zur Durchführung einer Sicherheitsüberprüfung, der die sicherheitsempfindliche Tätigkeit u. a. mit "Zugang zu STRENG GEHEIM oder vergleichbar eingestufter VS" umschreibt.

54(b) Die Prognoseentscheidung des Geheimschutzbeauftragten war auch ausgewogen. Denn er hat dem straf- und disziplinarrechtlich relevantem Fehlverhalten ein gegenüber den unwahren Angaben geringeres, wenn auch nicht zu vernachlässigendes Gewicht eingeräumt, weil dieses Verhalten als niederschwellig anzusehen sei und bereits einige Jahre zurückliege. Diese Umstände hat der Geheimschutzbeauftragte mithin zu Gunsten des Antragstellers gewürdigt.

55(c) Konkrete und praktikable Möglichkeiten, statt der Feststellung eines Sicherheitsrisikos lediglich Auflagen, Einschränkungen oder personenbezogene Sicherheitshinweise festzusetzen (Nr. 2605 Abs. 1 und 2602 ZDv A-1130/3) oder dem vorliegenden Sicherheitsrisiko durch Fürsorgemaßnahmen zu begegnen (Nr. 2608 ZDv A-1130/3), sind weder vom Antragsteller konkret aufgezeigt noch sonst ersichtlich. Insoweit ist daher nicht zu beanstanden, dass der Geheimschutzbeauftragte dem Sicherheitsinteresse Vorrang eingeräumt hat (§ 14 Abs. 3 Satz 3 SÜG, Nr. 2605 Abs. 4 ZDv A-1130/3).

56(d) Den für den Antragsteller sprechenden Gesichtspunkten, wie etwa seinen Bemühungen um einen Täter-Opfer-Ausgleich mit dem von der Sachbeschädigung Betroffenen, dem von ihm in der persönlichen Anhörung gezeigten Gesamteindruck und der vom Geheimschutzbeauftragten als glaubhaft erachteten Beteuerung, die disziplinar- und strafgerichtlichen Verfahren als Weckruf verstanden zu haben, ist durch die Verkürzung der grundsätzlich fünfjährigen Wirkungsdauer der Feststellung (Nr. 2609 ZDv A 1130/3) auf drei Jahre hinreichend Rechnung getragen worden. Vor diesem Hintergrund ist der Einwand des Antragstellers, die Prognose sei im Ergebnis substanzlos, weil sie keine tatsächliche Abwägung der für und gegen den Antragsteller sprechenden Erwägungen enthalte, nicht berechtigt. Dass der Geheimschutzbeauftragte eine weitere Verringerung der Wirkungsdauer mit Blick auf die unwahren Angaben des Antragstellers nicht in Erwägung gezogen hat, erachtet der Senat als unbedenklich. Die Verkürzung um zwei Jahre begünstigt den Antragsteller bereits spürbar, sodass auch die von ihm angesprochenen Verwendungen in einer Waffenkammer und bei der Bearbeitung von Patientenakten als Belege für eine zwischenzeitliche Bewährung keine weitere Milderung erfordern.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:200624B1WB13.23.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-72800