BGH Beschluss v. - 2 StR 436/23

Instanzenzug: Az: 110 KLs 4/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in Tateinheit mit versuchtem Betrug unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bocholt vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt und die dort angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen aufrechterhalten. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).

32. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs.

4a) Der Schuldspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nur teilweise stand.

5aa) Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei nachfolgende Feststellungen getroffen:

6Unter dem Vorwand, für einen Schweizer Investor ein Reitpferd zu einem Preis in Höhe von 500.000 Euro erwerben zu wollen, trafen sich der unter einem falschen Namen auftretende Angeklagte und der als Pferdewirt tätige Geschädigte am in einem Hotel in A.    . Wie vereinbart hatte der Geschädigte in einer Tasche einen Betrag in Höhe von 100.000 Euro „in kleinen Scheinen“ mitgebracht, der vor Ort – gegen eine fünfstellige Provision – in einen Betrag der gleichen Höhe, jedoch in einer Stückelung von 500 Euro-Scheinen, umgetauscht werden sollte, wobei der Geschädigte über die Echtheit des Tauschgeldes getäuscht werden sollte.

7Dem Angeklagten gelang es, den Geschädigten dazu zu veranlassen, mit ihm und der Tasche nebst Geld das Hotel durch einen Seiteneingang zu verlassen. Der Angeklagte begab sich zu einem am Seitenrand stehenden Fahrzeug, in dem abfahrbereit sein Mittäter saß, den der Geschädigte aufgrund vorangegangener Verkaufsverhandlungen als „J.     “ kannte. Der Angeklagte, der mittlerweile auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte, rief den Geschädigten zur Abwicklung des Geldtauschgeschäfts zu sich, der sodann an die geöffnete Beifahrertür herantrat. Beide hantierten „wechselseitig“ für 18 Sekunden an der geöffneten Tür, wobei die 100.000 Euro „zu dem Angeklagten gelangten“. Als sich der Geschädigte mit seinem Oberkörper in das Fahrzeug hineinbeugte, fuhr J.     – für den Geschädigten überraschend und unerwartet – mit sehr hoher Geschwindigkeit los. Auf der sich anschließenden rasanten Fahrt gelang es dem Geschädigten nicht, sich weiter festzuhalten. Er rutschte ab, geriet unter das Fahrzeug und erlitt erhebliche Verletzungen. Von dem erbeuteten Geld erhielt der Angeklagte später einen Anteil in Höhe von 30.000 Euro.

8Der Tatplan des Angeklagten und seines Mittäters war zwar vorrangig darauf gerichtet, dass der Geschädigte ihnen das Geld täuschungsbedingt freiwillig überlassen sollte; das Geld hätten sie gegebenenfalls jedoch auch dadurch in ihren Besitz bringen wollen, dass „man einen Überraschungsmoment ausnutzt“ und mit dem Auto und dem Geld davonfährt.

9Das Landgericht hat die Tat als Diebstahl (§ 242 Abs. 1 StGB) in Tateinheit mit versuchtem Betrug (§ 263 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB) gewertet. Ein vollendeter Betrug liege nicht vor, weil es zu einer Wegnahme des Geldes erst durch das überraschende Wegfahren des Mittäters, das sich der Angeklagte gemäß § 25 Abs. 2 StGB zurechnen lassen müsse, gekommen sei. Durch die vorangegangene täuschungsbedingte Aushändigung des Bargeldes sei nur eine Gewahrsamslockerung eingetreten, weil der Geschädigte seinen fortbestehenden Mitgewahrsam erst nach Abschluss des Tauschgeschäfts aufgeben wollte.

10bb) Während die Verurteilung wegen vollendeten Diebstahls nach § 242 Abs. 1 StGB keinen Bedenken begegnet, hält die tateinheitliche Verurteilung wegen versuchten Betruges sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand. Der Generalbundesanwalt hat insoweit u.a. zutreffend ausgeführt:

„Tateinheit [ist] zwischen dem vollendeten und dem versuchten Delikt etwa dann anzunehmen, wenn sich der Alternativvorsatz eines Täters auf die höchstpersönlichen Rechtsgüter verschiedener Rechtsgutsträger richtet (, BGHSt 65, 231). Dasselbe würde gelten, wenn er mit der Tat zwei sich gegenseitig ausschließende Erfolge – etwa den Tod oder die schwere Körperverletzung des Opfers – anstrebt (vgl. , NStZ-RR 2023, 247 [248]; Beschluss vom – 4 StR 126/12, juris Rn. 4; Urteil vom – 3 StR 522/96, NStZ 1997, 233 [234]). Hier kam es dem Angeklagten jedoch darauf an, durch eine gegen denselben Rechtsgutsträger gerichtete Tat einen identischen Taterfolg – nämlich die Erlangung von 100.000 Euro Bargeld – herbeizuführen. Sein Alternativvorsatz bezog sich somit allein auf die zur Erreichung dieses Erfolgs erforderlichen, sich gegenseitig ausschließenden Tathandlungen“.

11cc) Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

12b) Die Strafzumessung hat keinen Bestand und unterliegt der Aufhebung.

13aa) Wegen des veränderten Schuldspruchs kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Bewertung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Zwar ist die Strafkammer nach Widerlegung der Indizwirkung des § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StGB wegen des vertypten Milderungsgrundes des § 46a Nr. 1 StGB zur Anwendung des Regelstrafrahmens des § 263 Abs. 1 StGB gelangt, weil sie von einer Strafrahmenverschiebung nach §§ 23, 49 StGB im Hinblick auf den tatsächlich erfolgten Schadenseintritt abgesehen hat. Ob und inwieweit das Landgericht entsprechende Erwägungen auch bei einer Verurteilung allein wegen vollendeten Diebstahls vorgenommen hätte, insbesondere ob es wegen der hohen Schadenssumme einen unbenannten besonders schweren Fall (§ 243 Abs. 1 Satz 1 StGB) erörtert (vgl. , BGHSt 29, 319, 322) und diesen allein aufgrund des Täter-Opfer-Ausgleichs verneint hätte, bleibt letztlich spekulativ.

14bb) Zudem erweisen sich die Feststellungen hinsichtlich der nachträglichen Gesamtstrafenbildung mit der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bocholt vom als defizitär, da sich die Urteilsgründe schon nicht zur Dauer der Bewährungszeit verhalten und der Senat letztlich nicht prüfen kann, ob im Zeitpunkt des landgerichtlichen Urteils bereits eine Erlassentscheidung ergangen war.

15cc) Die Strafzumessung bedarf somit insgesamt erneuter Prüfung und Entscheidung. Die zugehörigen Feststellungen können bestehen bleiben, weil diese von den Wertungsfehlern nicht betroffen sind (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:140324B2STR436.23.0

Fundstelle(n):
TAAAJ-72782