BGH Urteil v. - VIa ZR 1615/22

Instanzenzug: Az: I-7 U 305/21vorgehend LG Wuppertal Az: 1 O 176/21

Tatbestand

1Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2Sie erwarb im April 2018 ein Fahrzeug des Typs Seat Ateca mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor der Baureihe EA 288 (Euro 6). Die Klägerin verlangt im Wesentlichen, sie im Wege des Schadensersatzes so zu stellen, als habe sie den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die zuletzt gestellten Berufungsanträge weiter.

Gründe

3Die uneingeschränkt zugelassene (vgl. VIa ZR 1031/22, juris Rn. 10) und auch im Übrigen zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet.

I.

4Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

5Der Klägerin stehe kein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB zu. Es fehle bereits an einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten. Hierfür sprechende Anhaltspunkte habe die Klägerin nicht hinreichend aufgezeigt. Im Übrigen fehle ein erstattungsfähiger Schaden, denn angesichts verschiedener Verlautbarungen des Kraftfahrt-Bundesamtes könne nicht festgestellt werden, dass eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung auch nur latent drohe. Die Beklagte hafte auch nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, weil diese Normen keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB seien. Im Übrigen fehle es an einem der Klägerin aus der Verletzung eines etwaigen Schutzgesetzes entstandenen Schaden.

II.

6Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Revisionsverfahren im Ergebnis stand.

71. Es begegnet keinen revisionsrechtlichen Bedenken, dass das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten aus §§ 826, 31 BGB verneint hat. Zwar kann ein Schaden der Klägerin nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden (vgl. nur , BGHZ 225, 316 Rn. 19 ff., 52; Urteil vom - VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 10 bis 16). Das Berufungsgericht hat aber eine sittenwidrige Schädigung der Klägerin aufgrund einer tatrichterlichen Würdigung der von der Klägerin vorgetragenen Umstände und in Übereinstimmung mit den in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen (vgl. nur , NJW 2021, 921 Rn. 13 ff.; Beschluss vom - VII ZR 767/21, juris Rn. 10) rechtsfehlerfrei verneint. Die darauf bezogenen Verfahrensrügen der Revision hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

82. Eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung kann zwar nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden. Wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils entschieden hat, sind die Bestimmungen der § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, die das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller wahren, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, weil das Fahrzeug entgegen der Übereinstimmungsbescheinigung eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 aufweist (vgl. VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 29 bis 32). Auch kann ein Schaden der Klägerin nicht mit der Begründung des Berufungsgerichts verneint werden (vgl. aaO, Rn. 41, 71 ff.).

9Dennoch hält das angefochtene Urteil im Ergebnis revisionsrechtlicher Überprüfung auch insoweit stand. Eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV knüpft an die Erteilung einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung durch den Fahrzeughersteller an. Der Motorhersteller kann deshalb, weil er die Übereinstimmungsbescheinigung nicht ausgibt, nach den allgemeinen und durch das Unionsrecht unangetasteten Grundsätzen des deutschen Deliktsrechts weder Mittäter einer Vorsatztat des Fahrzeugherstellers noch mittelbarer (Vorsatz-)Täter hinter dem (gegebenenfalls fahrlässig handelnden) Fahrzeughersteller sein, weil ihm nicht die hierzu erforderliche Sonderpflicht obliegt ( VIa ZR 1119/22, NJW 2023, 3580 Rn. 20 mwN).

10Eine bei Sonderdelikten mögliche Beteiligung der Beklagten als Motorherstellerin im Sinne des § 830 Abs. 2 BGB an einer deliktischen Schädigung des Fahrzeugherstellers kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ebenfalls nicht in Betracht. Zwar kann Beihilfe auch zu Sonderdelikten geleistet werden, bei denen der Gehilfe nicht Täter sein kann. Voraussetzung ist allerdings nicht nur, dass der Gehilfe mit doppeltem Vorsatz hinsichtlich der fremden rechtswidrigen Tat und der eigenen Unterstützungsleistung gehandelt hat. Bedingung einer Beteiligung ist vielmehr weiter eine Vorsatztat des Fahrzeugherstellers ( VIa ZR 1119/22, NJW 2023, 3580 Rn. 21 mwN). Eine Haftung der Beklagten nach den Grundsätzen der sogenannten fahrlässigen Nebentäterschaft (vgl. dazu , NJW 1988, 1719, 1720 mwN) kommt entgegen der Auffassung der Revision bereits angesichts des planvollen, arbeitsteiligen Zusammenwirkens der Beklagten als Motorherstellerin mit der Fahrzeugherstellerin, ihrem Konzernunternehmen, nicht in Betracht. Dass der Fahrzeughersteller im konkreten Fall vorsätzlich eine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung durch eine vorsätzliche Hilfeleistung der Beklagten als Motorenherstellerin ausgegeben habe, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Eine darauf bezogene durchgreifende Verfahrensrüge erhebt die Revision nicht (§ 564 Satz 1 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:180624UVIAZR1615.22.0

Fundstelle(n):
PAAAJ-72607