BGH Urteil v. - I ZR 27/23

Gesamtvertrag Kabelweitersendung

Leitsatz

Gesamtvertrag Kabelweitersendung

1. Bei der Festsetzung eines Gesamtvertrags kann eine Indizwirkung für die Billigkeit einer Regelung nicht nur vergleichbaren Regelungen in anderen Gesamtverträgen, sondern auch vergleichbaren Regelungen in Verträgen zukommen, die eine Verwertungsgesellschaft mit einzelnen Unternehmen abgeschlossen hat, soweit nicht besondere Umstände gegen eine solche Annahme sprechen (Fortführung von , GRUR 2021, 604 [juris Rn. 20 bis 22] = WRP 2021, 644 - Gesamtvertragsnachlass).

2. Ist ein Referenzvertrag gekündigt worden, so kann seine etwaig fortdauernde Indizwirkung für die Festsetzung eines Gesamtvertrags nicht allein mit Blick auf die Kündigungserklärung, sondern nur in Ansehung der Umstände beurteilt werden, die zur Kündigung geführt haben. Diese Umstände liegen in der Darlegungs- und Beweislast derjenigen Partei, die die Unangemessenheit der bisherigen Regelung geltend macht (Fortführung von , GRUR 2021, 604 [juris Rn. 20 bis 22 und 24] = WRP 2021, 644 - Gesamtvertragsnachlass).

3. Der Begriff der angemessenen Vergütung im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2014/26/EU, dessen Umsetzung § 34 Abs. 1 Satz 2 VGG dient, bedarf zwar der einheitlichen Auslegung in dem Sinne, dass die Angemessenheit insbesondere anhand des wirtschaftlichen Werts der Nutzung und mit Blick auf die insbesondere in den Erwägungsgründen zum Ausdruck kommenden Ziele des einschlägigen Unionsrechts zu ermitteln ist, jedoch ist die Festsetzung der Kriterien innerhalb der vom Unionsrecht gezogenen Grenzen den Mitgliedstaaten vorbehalten (Anschluss an , Slg. 2003, I-1251, [juris Rn. 34 bis 37] = GRUR 2003, 325 - SENA; Urteil vom - C-192/04, Slg. 2005, I-7199 [juris Rn. 48 bis 50] = GRUR 2006, 50 - Lagardère Active Broadcast).

4. Bei der Kabelweitersendung mittels Internet Protocol (IP-TV) kann ein für die Bestimmung der angemessenen Vergütung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 VGG relevanter wirtschaftlicher Wert der Nutzung nicht bereits in der hierbei erfolgenden Erhebung von Nutzerdaten, sondern erst in deren wirtschaftlicher Verwertung durch die Kabelnetzbetreiber liegen.

5. Verzichtet das Oberlandesgericht in einem nach § 130 VGG festgesetzten Gesamtvertrag auf die Regelung über den Wegfall des Gesamtvertragsrabatts bei Einleitung behördlicher oder gerichtlicher Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit der vertraglichen Vergütung durch den Vertragspartner, so entspricht dies mit Blick auf dessen gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Justizgewährungsanspruch billigem Ermessen.

6. Hat sich die Schiedsstelle mit dem Gesichtspunkt der Laufzeit des Gesamtvertrags im Einigungsvorschlag befasst, führt der Umstand, dass der Kläger im anschließenden gerichtlichen Verfahren die Festsetzung einer längeren Laufzeit beantragt, nicht zur Unzulässigkeit des Antrags auf Festsetzung eines Gesamtvertrags.

Gesetze: Art 2 Abs 1 GG, Art 20 Abs 3 GG, § 20b UrhG, § 87 Abs 5 UrhG, § 34 Abs 1 S 2 VVG, § 35 VVG, § 37 VVG, § 39 Abs 1 VVG, § 105 Abs 3 S 1 VVG, § 130 S 1 VVG, Art 16 Abs 2 UAbs 1 S 1 EURL 26/2014

Instanzenzug: Az: I ZR 27/23 Beschlussvorgehend Az: 38 Sch 61/21 WG Urteil

Tatbestand

1Der Kläger ist eine Vereinigung von Unternehmen der deutschen Breitbandbranche, deren Mitglieder als Kabelnetzbetreiber etwa 17 Millionen von insgesamt etwa 18 Millionen deutschen Kabelhaushalten mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen versorgen. Zu den satzungsgemäßen Aufgaben des Klägers gehören die Verhandlung und der Abschluss urheberrechtlicher Gesamtverträge mit den Verwertungsgesellschaften insbesondere im Bereich der Weitersendung urheberrechtlich geschützter Fernseh- und Hörfunksendungen.

2Die Beklagte ist eine in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierte Verwertungsgesellschaft und nimmt als solche die originären und abgeleiteten Urheber- und Leistungsschutzrechte von privaten Fernseh- und Hörfunksendeunternehmen wahr.

3Zwischen den Parteien bestand seit dem Jahr 2003 bis Ende des Jahres 2016 ein Gesamtvertrag über die Kabelweitersendung von Fernseh- und/oder Hörfunkprogrammen (nachfolgend: ANGA-Vertrag), auf dessen Grundlage die Mitgliedsunternehmen des Klägers Einzelverträge mit der Beklagten zur Lizenzierung der von dieser verwerteten Weitersendungsrechte abschließen konnten. Gemäß § 4 des zuletzt gültigen Einzelvertrags zum ANGA-Vertrag waren die Mitgliedsunternehmen des Klägers zugleich berechtigt, die von ihnen weitergesendeten Programmsignale "rechtefrei" an andere an ihr Netz angeschlossene Kabelnetzbetreiber ("Netzebene-4-Betreiber") weiterzugeben. Die gemäß § 6 Ziffer 1 vereinbarte Vergütung betrug 1,25 % sämtlicher Brutto-Umsätze, die ein Kabelnetzbetreiber mit der Weitersendung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen einschließlich der Weitergabe des Programmsignals an Netzebene-4-Betreiber erzielt, vorausgesetzt, es wird kein Einspeise- oder Transportentgelt für die Weitersendung des Programmsignals von den Sendeunternehmen verlangt. Auf die hiernach geschuldete Vergütung wurde gemäß § 5 Ziffer 2 ein Gesamtvertragsrabatt in Höhe von 20 % gewährt.

4Nachdem sich die RTL-Mediengruppe entschlossen hatte, urheberrechtliche Weitersendungsrechte ab dem eigenständig zu verwerten, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom den mit dem Kläger bestehenden Gesamtvertrag. In dem von den Parteien daraufhin geführten Schiedsstellenverfahren hat die Schiedsstelle bei dem Deutschen Patent- und Markenamt am einen Einigungsvorschlag unterbreitet. Dieser beinhaltet den Text des den Parteien vorgeschlagenen Gesamtvertrags, nicht aber des von den Mitgliedern des Klägers auf Basis des Gesamtvertrags abzuschließenden Einzelvertrags. Der Einigungsvorschlag sieht für die Einspeisung und Weitersendung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen in Breitbandnetze einen Lizenzsatz von 0,97 % bei der Erhebung von Einspeiseentgelten vor und von 0,87 %, wenn der Netzbetreiber keine Einspeiseentgelte erhebt, ferner einen Gesamtvertragsnachlass von 20 % für Mitglieder des Klägers, der allerdings entfällt, wenn der Netzbetreiber die Angemessenheit der Vergütung vor der Schiedsstelle oder vor Gericht angreift. Der Einigungsvorschlag sieht ferner die Befugnis zur "rechtefreien" Weitergabe des Programmsignals an konzerninterne und konzernfremde Netzebene-4-Betreiber vor.

5Gegen den Einigungsvorschlag der Schiedsstelle hat die Beklagte Widerspruch eingelegt. Der Kläger, der selbst keinen Widerspruch eingelegt hat, hält den Einigungsvorschlag der Schiedsstelle in weiten Teilen für sachgerecht und angemessen, ist jedoch der Auffassung, dass einige Regelungen abweichend getroffen werden müssen.

6Der Kläger hat beantragt, zwischen ihm und der Beklagten für die leitungsgebundene Weitersendung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen der von der Beklagten vertretenen Wahrnehmungsberechtigten innerhalb der Bundesrepublik Deutschland einen Gesamtvertrag nebst anliegendem, zwischen dem jeweiligen Netzbetreiber und der Beklagten abzuschließenden Einzelvertrag mit einer Geltungsdauer vom bis festzusetzen.

7Das Oberlandesgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage einen Gesamtvertrag nebst anliegendem Einzelvertrag mit einer in § 6 Ziffer 1 Satz 1 des Gesamtvertrags und § 8 Ziffer 1 Satz 1 des Einzelvertrags geregelten Geltungsdauer vom bis festgesetzt. Der Einzelvertrag enthält zu den im Revisionsverfahren noch streitigen Gesichtspunkten folgende Regelungen:

§ 3 Vorbehaltene Rechte

1. Die dem Netzbetreiber durch diesen Vertrag eingeräumten Nutzungsrechte sind nicht übertragbar. Der Netzbetreiber ist jedoch befugt, die Programmsignale "rechtefrei" an andere an sein Netz angeschlossene Kabelnetzbetreiber ("Netzebene-4-Betreiber") weiterzugeben. (…)

§ 4 Vergütung

1. Die Vergütung für die Rechteeinräumung gemäß § 2 beträgt 0,90 Prozent der Bemessungsgrundlage (§ 5) bei der Erhebung von Einspeiseentgelten und 0,81 Prozent, wenn der Netzbetreiber von den in Anlage 2 genannten privaten Sendeunternehmen nachweislich keine Einspeiseentgelte oder sonstige Zahlungen erhebt.

Zusätzlich zu der Vergütung wird die gesetzliche Umsatzsteuer geschuldet.

2. Auf die Vergütung nach Absatz 1 wird ein Gesamtvertragsrabatt in Höhe von 20 Prozent gewährt, solange der Netzbetreiber Mitglied des ANGA ist. (…)

§ 5 Bemessungsgrundlage

1. Die Bemessungsgrundlage besteht aus den um die gesetzliche Umsatzsteuer bereinigten Umsätzen des Netzbetreibers, die er und die im Sinne von § 15 AktG mit ihm konzernverbundenen Netzebene-3- und Netzebene-4-Betreiber ("Verbundene Unternehmen") durch die Weitersendung erwirtschaften ("Entgelte"). Dies sind insbesondere die Umsätze, die entstehen, indem die Endkunden an den Netzbetreiber eine Vergütung entrichten. Weitere Umsätze in Zusammenhang mit der Nutzung sind mit einzubeziehen.

Mit einzubeziehen sind des Weiteren die Umsätze, die der Netzbetreiber aus der rechtefreien Zurverfügungstellung von Hörfunk- und Fernsehprogrammen an fremde Netzebene-4-Betreiber erwirtschaftet ("Signallieferungsentgelte"). Ähnliche geldwerte Vorteile stehen den Signallieferungsentgelten gleich.

Der Umsatz ist vom Netzbetreiber schriftlich nachzuweisen. Signallieferungsentgelte rechnet der Netzbetreiber auf Basis von mindestens EUR 5 pro Netzebene-4-Kunde und Monat ab. (…)

3. Werden Endkunden vom Netzbetreiber mit Fernseh- und Hörfunkprogrammen zu einem einheitlichen Preis mit Internetzugangsdienstleistungen oder Telefondiensten versorgt (Produktbündel), entspricht der für diese Endkunden des Netzbetreibers in die Bemessungsgrundlage einzustellende Betrag dem nach den für den jeweiligen Netzbetreiber und seine Organisationsform (GmbH, Verein, etc.) anwendbaren anerkannten Rechnungslegungsstandards auf die Kabelweitersendung entfallenden Anteil am Gesamtentgelt der so versorgten Endkunden. Soweit die vom Netzbetreiber abgerechnete, auf Fernseh- und Hörfunkprogramme entfallende Bemessungsgrundlage nicht mindestens EUR 8,75 pro Einzelnutzer-Endkunde und pro Monat beträgt, ist der Netzbetreiber verpflichtet, einem gemeinsam von den Parteien innerhalb eines Monats zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer die Herleitung und Aufstellung sämtlicher geldwerter Vorteile aus der Verwertung der Fernseh- und Hörfunkprogramme innerhalb dieser Umsatzgruppe nachzuweisen. Sollten sich die Parteien nicht innerhalb eines Monats auf einen Wirtschaftsprüfer verständigen, wird der Wirtschaftsprüfer von der Wirtschaftsprüferkammer festgelegt. Die Kosten des Wirtschaftsprüfers trägt der Netzbetreiber, falls die Abrechnung um mehr als 5 Prozent zu seinen Lasten korrigiert werden muss, andernfalls trägt die C.   M.  die Kosten.

Die vorgenannten Regelungen gelten entsprechend, wenn das Produktbündel neben Fernseh- und/oder Hörfunkprogrammen auch andere Zusatzleistungen zu einem einheitlichen Preis umfasst, z.B. Mobilfunk, Pay-TV, HD-Free-TV-Programme oder Video on Demand.

4. Für den Fall, dass der Netzbetreiber die Höhe der Entgelte nicht oder nicht schlüssig und objektiv nachvollziehbar schriftlich nachweist, ist eine pauschale Bemessungsgrundlage in Höhe von EUR 8,75 pro Endkunde und Monat als Entgelt zugrunde zu legen. (…)

§ 9 Abwicklungsregelung

Für die Klärung der vom Netzbetreiber für die Zeit ab dem geschuldeten Lizenzbeträge vereinbaren die Parteien folgendes Vorgehen:

1. Es wird zunächst der Gesamtleistungsbetrag ermittelt. Der Gesamtleistungsbetrag besteht aus

- mit oder ohne Vorbehalt an C.   M.  geleisteten Zahlungen (geleistete Zahlungen) sowie

- zugunsten von C.   M.  hinterlegten Beträgen.

2. Es wird der Schuldbetrag errechnet. Der Schuldbetrag ist der Betrag, den der Netzbetreiber nach Maßgabe dieses Einzelvertrags an C.   M.  zu zahlen hat.

3. Sodann wird die Differenz von Gesamtbetrag und Schuldbetrag (Differenzbetrag) ermittelt. Soweit sich ein Differenzbetrag zugunsten des Netzbetreibers ergibt (Gesamtbetrag > Schuldbetrag), ist der Differenzbetrag von C.   M.  dem Netzbetreiber zu erstatten, im umgekehrten Fall vom Netzbetreiber an C.   M.  zu leisten. Soweit der Netzbetreiber Beträge hinterlegt hat und der Schuldbetrag die geleisteten Zahlungen überschreitet, ist hierfür der hinterlegte Betrag so weit an C.   M.  auszukehren, als es zur vollständigen Begleichung des Schuldbetrages erforderlich ist. Darüber hinaus gehende hinterlegte Beträge sind von C.   M.  zugunsten des Netzbetreibers freizugeben.

4. Der Netzbetreiber ist verpflichtet, den Schuldbetrag gegenüber C.   M.  zum Zwecke der Klarstellung insgesamt vorbehaltlos zu stellen.

8Mit ihrer vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter.

Gründe

9A. Das Oberlandesgericht hat angenommen, über den zuvor zwischen den Parteien bestehenden Gesamtvertrag aus dem Jahr 2010 hinaus komme dem von der Beklagten mit dem FRK-Fachverband für Rundfunk- und Breitbandkommunikation (nachfolgend: FRK-Verband) geschlossenen Vertrag vom 23. und (nachfolgend: FRK-Vertrag), dem zwischen dem Kläger und der GEMA seit dem Jahr 2009 bestehenden Gesamtvertrag (nachfolgend: GEMA-Vertrag), dem zwischen der Beklagten und der zur    X     gehörenden Y     am geschlossenen Vertrag (nachfolgend: Y-Vertrag) und der zwischen der Beklagten und der ebenfalls zur  X   gehörenden    Z                   am geschlossenen Vergleichs- und Lizenzvereinbarung (nachfolgend: Z-Vertrag) für die Angemessenheit des vorliegend beantragten Gesamtvertrags Indizwirkung zu.

10Die zur Zahlung eines Signallieferungsentgelts verpflichtende Befugnis der Kabelnetzbetreiber, das von ihnen empfangene Programmsignal an dritte Netzebene-4-Betreiber "rechtefrei" weiterzugeben, die folglich keinen urheberrechtlichen Ansprüchen der Beklagten ausgesetzt seien, stelle eine angemessene Regelung dar.

11Bei der Bemessung der Vergütung sei nicht nach der Frage der Erhebung von Daten zu differenzieren. Die Datenerhebung erfolge nur bei Gelegenheit der Werknutzung, so dass es an dem für die Annahme der Vergütungspflicht notwendigen unmittelbaren Kausalzusammenhang fehle. Die erhobenen Daten allein stellten auch keinen geldwerten Vorteil dar. Eine pauschal an die Datenerhebung anknüpfende Vergütungsregelung verstoße wegen der höchst unterschiedlichen Art und Weise der Datenerhebung und Datennutzung gegen das der Beklagten obliegende Diskriminierungsverbot.

12Die Höhe der vom Kläger beantragten Lizenzsätze (0,90 % bei Verlangen eines Einspeiseentgelts, 0,81 %, wenn kein Einspeiseentgelt verlangt werde), die dem Tarifniveau 2012 entspreche, sei angemessen. An der Differenzierung von Tarifen mit und ohne Einspeiseentgelten sei festzuhalten.

13Bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage sei ein strenger Wirklichkeitsmaßstab ohne pauschalierende Vergütungsbestandteile zugrunde zu legen. Dies gelte nicht nur für das von direkten Endkunden erhaltene Entgelt, sondern auch für Bündelangebote ("Multiplay"; Kombination aus Fernsehen, Hörfunk, Internet und Telefon), bei denen einem Kabelnetzbetreiber eine qualifizierte Nachweispflicht bei Unterschreitung der Mindestbemessungsgrundlage von 8,75 € obliege. Angesichts der im Vertrag vorgesehenen Befugnis der Kabelnetzbetreiber, das Programmsignal an Netzebene-4-Betreiber weiterzugeben, sei eine Mindestbemessungsgrenze in einer Höhe von 5 € angemessen. Eine pauschalierte Bemessungsgrundlage von 8,75 € sei für den Fall vorzusehen, dass ein Netzbetreiber die Höhe der Entgelte nicht oder nicht schlüssig und nachvollziehbar schriftlich nachweise. Signallieferungsentgelte seien auf der Grundlage einer Mindestbemessungsgrenze in Höhe von 5 € abzurechnen.

14Der von der Schiedsstelle vorgeschlagene Wegfall des Gesamtvertragsrabatts bei Einleitung rechtsförmlicher Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit der vertraglichen Vergütung erscheine dem Senat - anders als dem seinerzeit zuständigen 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München - nicht angemessen.

15Angesichts des Ziels einer Befriedung der Parteien sei die festgesetzte Geltungsdauer des Vertrags bis zum angemessen.

16Die Abwicklungsklausel diene dem wohlverstandenen Interesse beider Parteien, weil ein nachvollziehbares und transparentes Prozedere für die Verrechnung der während des anhängigen Rechtsstreits gegebenenfalls erfolgten Vorbehaltszahlungen vereinbart werde.

17B. Die Revision der Beklagten hat teilweise Erfolg. Dem Oberlandesgericht sind bei der Auswahl der von ihm berücksichtigten Referenzverträge zwar keine Rechtsfehler unterlaufen (dazu nachfolgend B I). Rechtsfehlerfrei ist auch die Festsetzung der Befugnis des Netzbetreibers zur "rechtefreien" Weitergabe der Programmsignale an Netzebene-4-Betreiber (dazu nachfolgend B II). Die Annahme des Oberlandesgerichts, die Erhebung von Nutzerdaten durch Kabelnetzbetreiber bei der kabelgebundenen Weitersendung sei bei der Bemessung der urheberrechtlichen Vergütung nicht zu berücksichtigen, hält der rechtlichen Nachprüfung ebenso stand (dazu nachfolgend B III) wie die vom Oberlandesgericht vorgenommene Festsetzung der Vergütungshöhe (dazu nachfolgend B IV) und die Regelungen zur Bemessungsgrundlage (dazu nachfolgend B V). Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die vom Oberlandesgericht festgesetzten Regelungen zum Gesamtvertragsrabatt und seinem Wegfall (dazu nachfolgend B VI) sowie zur Abwicklung (dazu nachfolgend B VII). Erfolg hat die Revision allerdings hinsichtlich der Festsetzung der Geltungsdauer des Vertrags (dazu nachfolgend B VIII).

18I. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die vom Oberlandesgericht vorgenommene Berücksichtigung von Referenzverträgen.

191. Das Oberlandesgericht hat angenommen, für die Angemessenheit des vorliegend beantragten Gesamtvertrags komme über den ANGA-Vertrag hinaus dem FRK-Vertrag, dem GEMA-Vertrag, dem Y-Vertrag und dem Z-Vertrag Indizwirkung zu. Diese Verträge beträfen ebenfalls die Kabelweitersendung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen und seien zeitlich einschlägig. Soweit es sich bei den Mitgliedern des FRK-Verbands im Gegensatz zu den Mitgliedern des Klägers um Betreiber vorwiegend kleinerer Kabelnetze handele, stehe das der grundsätzlichen Vergleichbarkeit nicht entgegen, sondern wirke sich allenfalls bei der Beurteilung wirtschaftlicher Detailfragen aus. Dass der Y-Vertrag und der Z-Vertrag zwischenzeitlich gekündigt seien, stehe der Annahme einer indiziellen Wirkung nicht entgegen. Die Regelungen dieser Verträge gälten bis zum Inkrafttreten neuer vertraglicher Regelungen, an denen es bisher fehle, fort. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

202. Das Oberlandesgericht hat in revisionsrechtlich unbedenklicher Weise angenommen, dass dem ANGA-Vertrag, dem FRK-Vertrag, dem GEMA-Vertrag, dem Y-Vertrag und dem Z-Vertrag für den im Streitfall festzusetzenden Gesamtvertrag Indizwirkung zukommt.

21a) Nach § 130 Satz 1 VGG setzt das Oberlandesgericht den Inhalt der Gesamtverträge, insbesondere die Art und Höhe der Vergütung, nach billigem Ermessen fest. Für diese rechtsgestaltende Entscheidung ist dem Oberlandesgericht ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt. Sie kann vom Revisionsgericht - abgesehen von gerügten Verfahrensverstößen - nur darauf überprüft werden, ob das Oberlandesgericht sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Das ist nicht der Fall, wenn das Oberlandesgericht den Begriff der Billigkeit verkannt oder die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat oder von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensausübung versperrt hat. Die Begründung der festsetzenden Entscheidung muss dem Revisionsgericht die Möglichkeit geben, in eine solche - eingeschränkte - Überprüfung einzutreten. Insbesondere muss sich aus ihr ergeben, weshalb von vergleichbaren Regelungen in anderen Gesamtverträgen abgewichen oder Vorschlägen der Schiedsstelle nicht gefolgt wird (vgl. , GRUR 2021, 1181 [juris Rn. 31] = WRP 2021, 1160 - Gesamtvertrag USB-Sticks und Speicherkarten; zu § 16 Abs. 4 Satz 3 UrhWG vgl. , GRUR 2013, 1220 [juris Rn. 19] = WRP 2013, 1627 - Gesamtvertrag Hochschul-Intranet; Urteil vom - I ZR 215/12, GRUR 2015, 61 [juris Rn. 31] = WRP 2015, 56 - Gesamtvertrag Tanzschulkurse; Urteil vom - I ZR 151/13, GRUR 2016, 792 [juris Rn. 24] = WRP 2016, 1123 - Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik; Urteil vom - I ZR 212/14, GRUR 2017, 161 [juris Rn. 32] = WRP 2017, 193 - Gesamtvertrag Speichermedien).

22Bei der Festsetzung eines Gesamtvertrags können vergleichbare Regelungen in anderen Gesamtverträgen einen gewichtigen Anhaltspunkt für die Billigkeit einer Regelung bieten. Dies gilt insbesondere, wenn diese Verträge zwischen den Parteien oder unter Beteiligung einer der Parteien geschlossen worden sind (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2013, 1220 [juris Rn. 20] - Gesamtvertrag Hochschul-Intranet; , GRUR 2017, 694 [juris Rn. 58] = WRP 2017, 826 - Gesamtvertrag PCs; Urteil vom - I ZR 66/19, GRUR 2021, 604 [juris Rn. 20 bis 22] = WRP 2021, 644 - Gesamtvertragsnachlass).

23b) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, das Oberlandesgericht habe den Y-Vertrag, den Z-Vertrag und den ANGA-Vertrag in ermessensfehlerhafter Weise berücksichtigt.

24aa) Hinsichtlich der Bemessung der Vergütung, die für gemäß § 53 UrhG zulässige private Vervielfältigungen anfällt, hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass die Annahme der indiziellen Wirkung vereinbarter Gesamtverträge an den Umstand anknüpft, dass ein im Wege privatautonomer Verhandlungen zwischen sachkundigen Verhandlungspartnern erzieltes Vertragsergebnis ein angemessenes Abbild des den Urheberrechtsinhabern durch die privaten Vervielfältigungen tatsächlich entstehenden Schadens darstellt (vgl. BGH, GRUR 2021, 604 [juris Rn. 22] - Gesamtvertragsnachlass). Diese Erwägung gilt entsprechend für die Bestimmung der dem Urheber nach § 20b Abs. 2 UrhG für die Weitersendung zustehenden Vergütung, weil gleichermaßen anzunehmen ist, dass die Verhandlungsparteien bei der vertraglichen Festlegung Art und Umfang der durch die Weitersendung geschaffenen Nutzungsmöglichkeit sachkundig beurteilen und bei der Vergütungshöhe angemessen berücksichtigen.

25bb) Der von der Revision angeführte Umstand, dass es sich bei dem Y-Vertrag und dem Z-Vertrag nicht um mit einer Nutzervereinigung abgeschlossene Gesamtverträge, sondern mit einzelnen Unternehmen abgeschlossene Einzelverträge handelt, steht der Annahme ihrer Vergleichbarkeit im Streitfall nicht entgegen. Auch im Fall von Verträgen, die eine Verwertungsgesellschaft mit einzelnen Unternehmen abgeschlossen hat, ist anzunehmen, dass die darin getroffenen Regelungen Art und Ausmaß der Nutzung angemessen abbilden, soweit nicht besondere Umstände gegen eine solche Annahme sprechen. Gegen die Beurteilung des Oberlandesgerichts, es sei nicht ersichtlich, dass die überragende Marktmacht der Unternehmen der X       auf dem Endkundenmarkt im Falle des Y-Vertrags und des Z-Vertrags zur Vereinbarung von nicht marktgerechten Bedingungen geführt habe, bringt die Revision nichts Erhebliches vor. Zudem ist ein Einzelunternehmen, das über eine große Zahl von Endnutzern als Kunden verfügt, nicht anders als eine Nutzervereinigung in der Lage, mit Blick auf den Umfang der jeweils vertragsgegenständlichen Nutzung angemessene Bedingungen zu erzielen. Die Revision zeigt auch nicht auf, dass das Oberlandesgericht sonstigen Vortrag der Beklagten zu einem der Annahme der Vergleichbarkeit entgegenstehenden Einfluss individueller Interessen der beteiligten Einzelunternehmen übergangen hätte.

26cc) Ohne Erfolg wendet die Revision weiter ein, eine Berücksichtigung des Y-Vertrags, des Z-Vertrags und des ANGA-Vertrags komme nicht in Betracht, weil diese Verträge mittlerweile gekündigt seien.

27Zwar bringt ein Vertragspartner mit der Kündigungserklärung zum Ausdruck, dass er sich von den im Vertrag vorgesehenen Regelungen befreien möchte und kann dies mit der Wahrnehmung dieser Regelungen als nicht mehr angemessen zusammenhängen. Dem Umstand der Kündigungserklärung allein kommt aber bei der Beurteilung der Indizwirkung eines Referenzvertrags noch keine hinreichende Aussagekraft zu. Diese kann nur in Ansehung der Umstände beurteilt werden, die zur Kündigung geführt haben. Die Partei, die sich auf Umstände beruft, die gegen die Angemessenheit einer Regelung sprechen, ist hierfür darlegungs- und beweispflichtig (vgl. BGH, GRUR 2021, 604 [juris Rn. 24] - Gesamtvertragsnachlass; , ZUM-RD 2022, 200 [juris Rn. 29]). Dies gilt auch für die Behauptung, die Heranziehung eines Gesamtvertrags als Referenzvertrag sei wegen veränderter Umstände unangemessen. Die Revision macht nicht geltend, dass das Oberlandesgericht entsprechenden Vortrag der Beklagten übergangen habe.

28II. Rechtsfehlerfrei ist auch die Festsetzung der Befugnis der Kabelnetzbetreiber zur "rechtefreien" Weitergabe der Programmsignale an Netzebene-4-Betreiber.

291. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, die zur Zahlung eines Signallieferungsentgelts verpflichtende Befugnis der Kabelnetzbetreiber, das von ihnen empfangene Programmsignal an dritte Netzebene-4-Betreiber weiterzugeben, die folglich keinen urheberrechtlichen Ansprüchen der Beklagten ausgesetzt seien, stelle eine angemessene Regelung dar. Sie entspreche der bisherigen Vertragslage zwischen den Parteien und sei auch in den Referenzverträgen sowie im Einigungsvorschlag vorgesehen. Durch die Berücksichtigung einer solchen Weitersendungsbefugnis im Rahmen der Bemessungsgrundlage und die Vergütungspflicht partizipierten die Urheber in angemessener Weise. Eine quantitative Beschränkung sei, auch wenn Y-Vertrag, Z-Vertrag und FRK-Vertrag eine solche vorsähen, nicht geboten, da eine Trennung zwischen den Netzebenen 3 und 4 ohnehin deutlich zurückgegangen sei und die aus der Befugnis resultierenden Vorteile durch die Berücksichtigung der Signalweitergabe in der Bemessungsgrundlage vergütet würden. Diese Würdigung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

302. Die Revision greift die Beurteilung des Oberlandesgerichts ohne Erfolg mit der Begründung an, dieses habe abweichend von den Referenzverträgen keine quantitative Beschränkung der Weitergabebefugnis ausgesprochen, und damit verkannt, dass einem für die Beklagte nicht kontrollierbaren "Wildwuchs" der rechtefreien Weitersendung vorgebeugt werden müsse, wofür die Berücksichtigung der Signallieferungsentgelte in der Bemessungsgrundlage nicht gleichermaßen wirksam sei.

31Die Begründung des Oberlandesgerichts ist mit Blick darauf frei von Ermessensfehlern, dass eine quantitative Beschränkung der Signalweitergabe auch in dem bisher zwischen den Parteien bestehenden Gesamtvertrag sowie im GEMA-Vertrag nicht vorgesehen ist. Die Würdigung des Oberlandesgerichts, eine Beschränkung sei mit Blick auf den Rückgang der Trennung von Netzebene 3 und 4 nicht erforderlich und die aus der Signalweitergabe folgenden vergütungsrelevanten Vorteile würden durch die Berücksichtigung in der Bemessungsgrundlage erfasst, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Dass die Beklagte eine abweichende Würdigung bevorzugt, macht die Würdigung des Oberlandesgerichts nicht ermessensfehlerhaft. Die Revision vermag nicht auf Vortrag zu verweisen, den das Oberlandesgericht bei seiner Annahme, ein Missbrauch der Befugnis zur Signalweitergabe sei nicht konkret dargetan, übergangen hätte.

32III. Im Ergebnis ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Auffassung des Oberlandesgerichts, die Datenerhebung durch Kabelnetzbetreiber bei der kabelgebundenen Weitersendung sei bei der Bemessung der Vergütung nicht zu berücksichtigen.

331. Das Oberlandesgericht hat angenommen, bei der Vergütungshöhe sei nicht nach der Frage der Datenerhebung zu differenzieren. Eine Beteiligung des Urhebers am wirtschaftlichen Erfolg des Verwerters sei insoweit nicht geboten, weil die Datenerhebung bei der Weitersendung nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Werknutzung stehe, sondern nur bei Gelegenheit der Werknutzung erfolge. Auch der Übertragungszweckgedanke spreche gegen die Einbeziehung von Vorteilen, die nicht unmittelbar auf der Werknutzung beruhten. Die Erhebung von Daten in einer Form, die eine weitergehende wirtschaftliche Nutzung erlaube, beruhe auf einem über die Weitersendung hinausgehenden Willensakt des Kabelnetzbetreibers und sei zudem nur bei gesonderter Zustimmung der betroffenen Nutzer zulässig. Kunden der Netzbetreiber stellten ihre Stamm- und Vertragsdaten nicht als Gegenleistung für den Vertragsabschluss zur Verfügung. In der bloßen Erhebung von Daten liege noch kein urheberrechtlich vergütungspflichtiger geldwerter Vorteil, weil diese ihren eigentlichen Wert erst durch eine konkrete Verwendung erlangten. Auf die Berechnung eines konkreten Ertragswerts ziele aber auch die von der Beklagten vorgeschlagene Berechnungsweise nicht ab. Eine pauschale Erhöhung der Vergütung verstoße gegen das Diskriminierungsverbot, weil die pauschal an die Datenerhebung anknüpfende Erhöhung höchst unterschiedliche Fallgestaltungen erfasse und daher die Gefahr bestehe, dass ungleiche Fälle gleich behandelt würden. Die mit der Datenerhebung möglicherweise im Rahmen der individuellen Wertschöpfung eines Kabelnetzbetreibers verbundenen Vorteile könnten allenfalls auf der Ebene der Bemessungsgrundlage den jeweiligen individuellen Umständen entsprechend erfasst werden. Hierzu fehle aber der notwendige Sachvortrag. Soweit Kabelnetzbetreiber zunehmend im Zuge der IP-basierten Weitersendung Daten erhöben, stelle diese keine eigenständige Nutzungsart dar, für die ein zusätzliches Lizenzentgelt geschuldet sei.

34Diese Auffassung des Oberlandesgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

352. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 VGG ist die Verwertungsgesellschaft verpflichtet, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen. Nach § 34 Abs. 1 Satz 2 VGG müssen diese Bedingungen insbesondere objektiv und nichtdiskriminierend sein und eine angemessene Vergütung vorsehen.

36a) § 34 Abs. 1 Satz 1 und 2 VGG setzt Art. 16 Abs. 2 Unterabs. 1 Satz 1 und Unterabs. 2 Satz 1 der Richtlinie 2014/26/EU über die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten und die Vergabe von Mehrgebietslizenzen für Rechte an Musikwerken für die Online-Nutzung im Binnenmarkt um (vgl. Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2014/26/EU, BT-Drucks. 18/7223, S. 83 und 85), wonach die Lizenzbedingungen auf objektive und diskriminierungsfreie Kriterien zu stützen sind und die Rechtsinhaber eine angemessene Vergütung für die Nutzung ihrer Rechte erhalten.

37b) Den Begriff der angemessenen Vergütung definiert die Richtlinie 2014/26/EU nicht. Sie folgt damit dem Beispiel anderer unionsrechtlicher Regelungen zum Urheberrecht, die den Begriff der angemessenen Vergütung erwähnen, ohne ihn zu definieren.

38aa) Die Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft verwendet in ihrem verfügenden Teil den Begriff der angemessenen Vergütung nicht. In ihrem Erwägungsgrund 10 heißt es in den Sätzen 1 und 3 lediglich, wenn Urheber und ausübende Künstler weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein sollten, müssten sie für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung erhalten, was ebenso für die Produzenten gelte, damit diese die Werke finanzieren könnten; nur wenn die Rechte des geistigen Eigentums angemessen geschützt würden, könne eine angemessene Vergütung der Rechtsinhaber gewährleistet und ein zufriedenstellender Ertrag dieser Investitionen sichergestellt werden. Die von der Richtlinie befürwortete Sicherstellung der angemessenen Vergütung wird hier lediglich als Folgewirkung eines hinreichenden Schutzes der betroffenen Rechte erwähnt.

39bb) Die für die im Streitfall betroffene Weitersendung einschlägige Richtlinie 93/83/EWG zur Koordinierung bestimmter urheber- und leistungsschutzrechtlicher Vorschriften betreffend Satellitenrundfunk und Kabelweiterverbreitung verwendet den Begriff der angemessenen Vergütung im verfügenden Teil ebenfalls nicht. Sie sieht lediglich in Erwägungsgrund 17 vor, dass bei der Vereinbarung der Vergütung für die erworbenen Rechte die Beteiligten allen Aspekten der Sendung, wie der tatsächlichen und potentiellen Einschaltquote und der sprachlichen Fassung, Rechnung tragen sollten. Weiter wird in Erwägungsgrund 25 der Richtlinie ausgeführt, dass die leistungsschutzrechtlichen Vorschriften für die öffentliche Wiedergabe über Satellit an der Richtlinie 92/100/EWG auszurichten seien, wodurch sichergestellt werde, dass die ausübenden Künstler und Hersteller von Tonträgern für die öffentliche Wiedergabe ihrer Leistungen oder Tonträger über Satellit eine angemessene Vergütung erhielten.

40cc) Die Richtlinie (EU) 2019/789 mit Vorschriften für die Ausübung von Urheberrechten und verwandten Schutzrechten in Bezug auf bestimmte Online-Übertragungen von Sendeunternehmen und die Weiterverbreitung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen und zur Änderung der Richtlinie 93/83/EWG enthält ebenfalls keine Legaldefinition des Begriffs der angemessenen Vergütung. Sie sieht in Art. 3 Abs. 2 Unterabsatz 1 lediglich die Verpflichtung der Mitgliedstaaten vor, dafür Sorge zu tragen, dass die Parteien bei der Festsetzung der Vergütung für die in Absatz 1 der Vorschrift genannten Rechte alle Aspekte des ergänzenden Online-Dienstes, wie die Eigenschaften des Dienstes, einschließlich des Zeitraums, in dem die im Rahmen des Dienstes bereitgestellten Programme online verfügbar sind, das Publikum und die bereitgestellten Sprachfassungen berücksichtigen.

41dd) Art. 8 Abs. 2 Satz 1 der Richtlinie 92/100/EG zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums und der gleichlautende Art. 8 Abs. 2 Satz 1 ihrer gleichnamigen Nachfolgerichtlinie 2006/115/EG sehen für die Nutzung eines Tonträgers für drahtlos übertragene Rundfunksendungen oder eine öffentliche Wiedergabe die Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung durch den Nutzer und die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller vor, ohne den Begriff der angemessenen Vergütung zu definieren.

42c) Zu Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100/EG hat der Gerichtshof der Europäischen Union ausgeführt, in Ermangelung einer Gemeinschaftsdefinition der angemessenen Vergütung gebe es keine objektive Rechtfertigung dafür, dass der Gerichtshof die Festsetzung einer einheitlichen angemessenen Vergütung im Einzelnen regeln sollte, womit er sich zwangsläufig an die Stelle der Mitgliedstaaten setzen würde, denen die Richtlinie 92/100/EG kein bestimmtes Kriterium vorgebe. Es sei daher allein Sache der Mitgliedstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet die sachnahen Kriterien festzulegen, um innerhalb der vom Gemeinschaftsrecht, insbesondere der Richtlinie 92/100/EG gezogenen Grenzen die Beachtung dieses Gemeinschaftsbegriffs zu gewährleisten. Die Rolle des Gerichtshofes im Rahmen eines ihm vorgelegten Rechtsstreits müsse sich daher darauf beschränken, die Mitgliedstaaten aufzufordern, anhand der Ziele der Richtlinie 92/100/EG, wie sie insbesondere in den Begründungserwägungen dargelegt würden, innerhalb der Gemeinschaft den Begriff der angemessenen Vergütung möglichst einheitlich zu beachten. Dieser Begriff müsse es erlauben, zwischen dem Interesse der ausübenden Künstler und der Hersteller von Tonträgern, eine Vergütung für die Sendung eines bestimmten Tonträgers zu erhalten, und dem Interesse Dritter, diese Tonträger unter angemessenen Bedingungen senden zu können, ein angemessenes Gleichgewicht herzustellen. Die Angemessenheit dieser Vergütung, die die Gegenleistung für die Nutzung eines gewerblichen Tonträgers insbesondere für die Zwecke der Sendung darstelle, sei insbesondere anhand des wirtschaftlichen Werts der Nutzung zu ermitteln (, Slg. 2003, I-1251, [juris Rn. 34 bis 37] = GRUR 2003, 325 - SENA; Urteil vom - C-192/04, Slg. 2005, I-7199 [juris Rn. 48 bis 50] = GRUR 2006, 50 - Lagardère Active Broadcast; zum gleichermaßen nicht unionsrechtlich definierten Begriff der angemessenen Vergütung der ärztlichen Weiterbildung im Sinne des Anhangs der Richtlinie 75/363/EWG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Tätigkeiten des Arztes vgl. , ArztR 1999, 308 [juris Rn. 45] - Carbonari u.a.). Der Begriff der angemessenen Vergütung im Sinne der Richtlinie 92/100/EG sei mithin in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen und von jedem Mitgliedstaat umzusetzen, wobei dieser für sein Gebiet die Kriterien festsetze, die am besten geeignet seien, innerhalb der vom Gemeinschaftsrecht und insbesondere der Richtlinie gezogenen Grenzen die Beachtung dieses Gemeinschaftsbegriffs zu gewährleisten (EuGH, GRUR 2003, 325 [juris Rn. 38] - SENA).

43d) Die vorgenannten Erwägungen des Gerichtshofs der Europäischen Union gelten gleichermaßen für Art. 16 Abs. 2 Unterabsatz 1 Satz 1 der Richtlinie 2014/26/EU. Der darin genannte Begriff der angemessenen Vergütung bedarf zwar der einheitlichen Auslegung in dem Sinne, dass die Angemessenheit insbesondere anhand des wirtschaftlichen Werts der Nutzung und mit Blick auf die insbesondere in den Erwägungsgründen zum Ausdruck kommenden Ziele des einschlägigen Unionsrechts zu ermitteln ist, jedoch ist die Festsetzung der Kriterien innerhalb der vom Unionsrecht gezogenen Grenzen den Mitgliedstaaten vorbehalten.

44e) Für die Bestimmung der angemessenen Vergütung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 VGG ist danach der wirtschaftliche Wert der Nutzung von entscheidender Bedeutung. Dies entspricht dem urheberrechtlichen Beteiligungsgrundsatz, nach dem der Urheber oder Leistungsschutzberechtigte an jeder wirtschaftlichen Nutzung seiner Werke oder Leistungen tunlichst angemessen zu beteiligen ist (zu § 13 UrhWG vgl. , GRUR 2004, 669 [juris Rn. 17] = WRP 2004, 1057 - Musikmehrkanaldienst; Urteil vom - I ZR 125/10, GRUR 2012, 711 [juris Rn. 20] = WRP 2012, 945 - Barmen Live; Urteil vom - I ZR 175/10, GRUR 2012, 715 [juris Rn. 26] = WRP 2012, 950 - Bochumer Weihnachtsmarkt; Urteil vom - I ZR 162/11, GRUR 2013, 717 [juris Rn. 25] = WRP 2013, 911 - Covermount, jeweils mwN). Nicht anders als im Fall der nach § 39 Abs. 1 Satz 1 VGG mit Blick auf die durch die Verwertung erzielten geldwerten Vorteile vorzunehmenden Tarifgestaltung ist damit der wirtschaftliche Erfolg des Verwerters wesentliche Bezugsgröße der angemessenen Vergütung (vgl. Reinbothe in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 6. Aufl., § 34 VGG Rn. 5; Gerlach in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 6. Aufl., § 34 VGG Rn. 4; Raue in Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 34 VGG Rn. 11).

45f) Als wirtschaftlicher Wert der Nutzung sind grundsätzlich nur die geldwerten Vorteile anzusehen, die auf Nutzungen beruhen, die in den urheberrechtlichen Schutzbereich eingreifen. Hierbei ist allerdings keine strenge Kausalitätsbetrachtung anzustellen. So stellt es eine übliche Verwertung des Urheberrechts dar, wenn eine Verwertungsgesellschaft bei der Bemessung ihrer Tarife auf die mit dem Verkauf von Eintrittskarten für ein Festival erzielten Bruttoeinnahmen abstellt, auch wenn die Höhe der Bruttoeinnahmen nicht nur auf der Wiedergabe der Musikwerke, sondern auch auf Umständen beruht, die keinen Zusammenhang zu den aufgeführten Musikwerken aufweisen (zum Beispiel das Bemühen der Veranstalter, diese Festivals zu einem "vollkommenen Erlebnis" zu machen, angebotene Infrastruktur, Qualität der auftretenden oder ausführenden Künstler), sofern die verlangten Gebühren im Hinblick auf Art und Umfang der Nutzung der Werke, in Ansehung des durch diese Nutzung generierten wirtschaftlichen Werts und in Anbetracht des wirtschaftlichen Werts der von dieser Verwertungsgesellschaft erbrachten Leistungen nicht überhöht sind (zu Art. 102 AEUV vgl. , GRUR 2021, 95 [juris Rn. 36 bis 48 und 60] = WRP 2021, 316 - SABAM). Dies gilt gleichermaßen für die Bestimmung der angemessenen Vergütung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 VGG.

46Auch wenn also - wie das Oberlandesgericht angenommen hat - die wirtschaftliche Verwertung von anlässlich der Kabelweitersendung erhobenen Daten aufgrund diesbezüglich von den Kabelnetzbetreibern zu treffender Entscheidungen nicht als (adäquat) kausale Folge der Weitersendungshandlung anzusehen sein sollte, steht allein dies der Berücksichtigung bei der Bemessung der Vergütung nicht entgegen. Ebenso wenig scheitert eine Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verwertung erhobener Daten unter dem Gesichtspunkt der Kausalität daran, dass sie womöglich von einer datenschutzrechtlichen Einwilligung der Endkunden der Kabelnetzbetreiber abhängig ist.

473. Die Revision wendet sich jedoch im Ergebnis ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Oberlandesgerichts, die bloße Erhebung von Daten durch Kabelnetzbetreiber sei noch kein in die Bestimmung der angemessenen Vergütung gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 VGG einzubeziehender Umstand.

48a) Die Revision macht gegen die Würdigung des Oberlandesgerichts vergeblich geltend, Daten seien wie ein gewonnener Rohstoff schon mit ihrer Erhebung ein bei der Vergütung zu berücksichtigender geldwerter Vorteil. Die Revision vernachlässigt hierbei, dass das Oberlandesgericht durchaus gesehen hat, dass schon erhobenen Daten ein wirtschaftlicher Wert zukommen kann. Es hat allerdings zutreffend angenommen, dass von einem mit Blick auf die Werknutzung zu berücksichtigenden geldwerten Vorteil erst die Rede sein kann, wenn dieser Wert durch die Verwertung der Daten im konkreten Fall realisiert wird. Findet keine wirtschaftliche Verwertung der erhobenen Daten statt, fehlt es an der Realisierung eines geldwerten Vorteils und ist eine Beteiligung der Rechtsinhaber nicht angemessen.

49b) Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Würdigung des Oberlandesgerichts, dass eine pauschale Erhöhung des Lizenzsatzes bei einer Datenerhebung angesichts der Vielgestaltigkeit der möglichen Verwendung von Daten eine unangemessene Gleichbehandlung ungleicher Fälle und daher entgegen § 34 Abs. 1 Satz 2 VGG diskriminierend sei, und dass es an substantiiertem Vortrag der Beklagten für eine etwaige Berücksichtigung im Rahmen der Bemessungsgrundlage fehle.

50aa) Das Oberlandesgericht hat zu Recht dafürgehalten, dass eine starre Anknüpfung an die Erhebung von Daten ohne Rücksicht auf das Ob und Wie der Datennutzung diskriminierend ist.

51Das Diskriminierungsverbot, dem die Verwertungsgesellschaften nicht nur gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 VGG, sondern auch als Normadressaten des kartellrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes unterliegen, und dem durch die Indizwirkung anderer Gesamtverträge Rechnung getragen wird (vgl. BGH, GRUR 2021, 1181 [juris Rn. 53] - Gesamtvertrag USB-Sticks und Speicherkarten, mwN), entfaltet auch Binnenwirkung bezüglich der in einem Gesamtvertrag getroffenen Regelungen, die folglich relevant ungleiche Sachverhalte nicht gleich behandeln dürfen.

52Es würde eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung darstellen, sämtliche Kabelnetzbetreiber, die Daten erheben, ohne Rücksicht darauf einem einheitlich erhöhten Vergütungssatz zu unterwerfen, ob und gegebenenfalls in welchem Ausmaß die erhobenen Daten wirtschaftlich genutzt werden. Findet eine Nutzung der erhobenen Daten statt, kann sich ihr wirtschaftlicher Wert je nach Art der Nutzung und Qualität der Daten erheblich unterscheiden und eine Beteiligung der Rechtsinhaber in unterschiedlichem Ausmaß erfordern.

53Gegen diese Erwägungen des Oberlandesgerichts bringt die Revision nichts Durchgreifendes vor. Soweit sie sich darauf beruft, die Verwertungsgesellschaften hätten keine Kenntnis von Art und Umfang der Datennutzung, lässt sie außer Acht, dass sich aus den öffentlich zugänglichen Datenschutzerklärungen der Kabelnetzbetreiber konkrete Anhaltspunkte für eine Datennutzung ergeben können. Darüber hinaus kann dem von der Revision angeführten Informationsdefizit mit der vertraglichen Regelung von Auskunftspflichten begegnet werden, wie dies auch für den Umfang der Werknutzung im Übrigen erfolgt. Dem von der Revision angeführten Umstand, dass eine gesamtvertragliche Regelung in gewissem Maße eine pauschalierende Vorgehensweise erfordert, kann auch bei der gebotenen Differenzierung nach Nutzungsarten oder Datenqualität durch die Schaffung typisierter Kategorien Rechnung getragen werden.

54bb) In diesem Zusammenhang hat das Oberlandesgericht - entgegen der Auffassung der Revision - keine aus § 139 Abs. 2 ZPO folgende Hinweispflicht verletzt. Die Revision vermisst zu Unrecht einen Hinweis des Oberlandesgerichts darauf, dass eine pauschale Berechnung per se diskriminierend sei und dass es deshalb auf Vortrag zu aus der Datennutzung folgenden wirtschaftlichen Vorteilen mit Blick auf die Bemessungsgrundlage oder in Form eines umsatzabhängigen Aufschlags ankomme.

55Eines gerichtlichen Hinweises bedarf es, wenn das Gericht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen will, den es anders beurteilt als die Parteien und mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte (, GRUR 2022, 837 [juris Rn. 63] = WRP 2022, 720 - Kinderzahnärztin, mwN). So verhält es sich vorliegend nicht. Mit dem erstinstanzlichen Vorbringen des Klägers, eine Pauschalierung des Vergütungssatzes ohne Rücksicht darauf, ob dadurch Einnahmen erzielt würden, widerspreche der allgemeinen Vertragssystematik für Lizenzverträge und sei deshalb unzulässig, war das Fehlen einer Rechtfertigung der pauschalierten Vergütung der Datenerhebung und damit auch die Frage der Ungleichbehandlung hinreichend deutlich angesprochen, so dass für die Beklagte auch ohne einen gerichtlichen Hinweis Veranlassung bestanden hat, zur etwaigen konkreten wirtschaftlichen Verwertung erhobener Daten vorzutragen.

56cc) Das Oberlandesgericht war auch nicht gehalten, eine Differenzierung der Vergütung nach Art und Umfang der Datennutzung unabhängig von Vortrag oder Antrag der Beklagten vorzunehmen. Die Beklagte hat sich im Rahmen der Begründung ihres auf Abweisung der Klage gerichteten Antrags auf Sachvortrag beschränkt, mit dem sie für die Berücksichtigung der Datenerhebung durch pauschale Erhöhung des Lizenzsatzes plädierte. Die Angemessenheit einer von der tatsächlichen wirtschaftlichen Verwertung erhobener Daten losgelösten pauschalen Berücksichtigung der Datenerhebung bei der Vergütungsgestaltung stand zwischen den Parteien während des Verfahrens erster Instanz für die Beklagte erkennbar im Streit. Dennoch hat die Beklagte zu einer konkreten wirtschaftlichen Verwertung erhobener Daten keinen Vortrag gehalten (dazu Rn. 55). Bei dieser Sachlage erforderte es die ordnungsgemäße Ermessensausübung nicht, von den Parteien nicht erörterte Berechnungskriterien in Erwägung zu ziehen.

57c) Ohne Erfolg greift die Revision auch die Beurteilung des Oberlandesgerichts an, die IP-basierte Übertragung stelle auch mit Blick auf die hierbei erfolgende Datenerhebung keine von der herkömmlichen Kabelweitersendung zu unterscheidende, eigenständige Nutzungsart dar, für die ein zusätzliches Lizenzentgelt geschuldet sei.

58Das Oberlandesgericht hat in diesem Zusammenhang in erster Linie darauf abgestellt, dass die Regelung eines gesonderten Entgelts für die Weitersendung über IP-TV nach der eigenen Vertragspraxis der Beklagten (Y-Vertrag, Z-Vertrag und FRK-Vertrag) nicht angemessen sei. Diese Begründung ist frei von Rechtsfehlern.

59Im Übrigen ist durch § 20b Abs. 1 Satz 1 UrhG in der durch das Gesetz zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes vom (BGBl. I S. 1204) geänderten, seit dem geltenden Fassung klargestellt, dass das Recht der Kabelweitersendung als technologieneutrales Recht der Weitersendung ausgestaltet ist (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Binnenmarktes, BT-Drucks. 19/27426, S. 54) und folglich auch die IP-basierte Übertragung erfasst (vgl. BeckOK.Urheberrecht/Hillig/Oster, 41. Edition [Stand: ], § 20b UrhG Rn. 13; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 20b Rn. 2 und 4).

60IV. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Festsetzung der Vergütungshöhe durch das Oberlandesgericht.

611. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, die Höhe der vom Kläger beantragten Lizenzsätze (0,90 % bei Verlangen eines Einspeiseentgelts, 0,81 %, wenn kein Einspeiseentgelt verlangt werde), die dem Tarifniveau 2012 entspreche, sei angemessen. Soweit die Schiedsstelle mit Blick auf den Y-Vertrag und den Z-Vertrag eine abweichende Höhe vorgeschlagen habe, lasse dies unberücksichtigt, dass jene Verträge für den Rechtebestand ohne die - auch im Streitfall nicht mehr enthaltenen - Rechte der RTL-Mediengruppe einen um 36 % reduzierten Lizenzsatz vorsähen. Die Berücksichtigung des Wegfalls dieser Rechte sei auch nach der bisherigen Vertragspraxis der Beklagten geboten. Es sei nicht erkennbar, ob und in welchem Umfang die Beklagte die Entwertung ihres Rechtsbestands durch den Hinzugewinn zusätzlicher Sender habe ausgleichen können. An der Differenzierung von Tarifen mit und ohne Einspeiseentgelten sei festzuhalten, wie dies nicht nur im bisher zwischen den Parteien bestehenden Vertrag, sondern auch im FRK-Vertrag, dem Y-Vertrag, dem Z-Vertrag und im Einigungsvorschlag vorgesehen sei.

622. Entgegen der Auffassung der Revision sind dem Oberlandesgericht bei der Bestimmung der angemessenen Vergütungshöhe mit Blick auf den Einigungsvorschlag, den Y-Vertrag, den Z-Vertrag und den FRK-Vertrag keine Ermessensfehler unterlaufen.

63a) Die Erwägungen des Oberlandesgerichts, der von der Schiedsstelle angenommene annähernde Gleichlauf mit dem Y-Vertrag und dem Z-Vertrag ergebe sich nur, wenn man den in Ziffer 5.1 dieser Verträge genannten Vergütungssatz von 1,182 % (bei Erhebung eines Einspeiseentgelts) sowie 1,0638 % (bei Nichterhebung eines Einspeiseentgelts) um einen fiktiven Gesamtvertragsrabatt bereinige, diese Vergütungshöhe beruhe jedoch auf der Einbeziehung der Rechte der RTL-Mediengruppe, bei deren Wegfall gemäß Ziffer 5.2 der Verträge ein um 36 % reduzierter Vergütungssatz gelte, greift die Revision erfolglos an. Sie macht vergeblich geltend, das Oberlandesgericht habe zu Unrecht den um 36 % reduzierten Vergütungssatz nicht um den fiktiven Gesamtvertragsrabatt bereinigt. Dies ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil aus den Verträgen nicht hervorgeht, wie hoch der eingepreiste Aggregationsrabatt tatsächlich ist, so dass eine verlässliche Ermittlung des bereinigten Vergütungssatzes nicht möglich ist. Stattdessen hat das Oberlandesgericht in ermessensfehlerfreier Weise maßgeblich auf die Vertragspraxis der Beklagten abgestellt, die wegen des Wegfalls der Rechte der RTL-Mediengruppe seit dem einen auf 0,65 % (bei Nichterhebung eines Einspeiseentgelts) reduzierten Vergütungssatz berechnet, und diesen Satz um den Gesamtvertragsrabatt in Höhe von 20 % bereinigt ("bereinigen" heißt hier, dass der im Vergütungssatz von 1,182 %/1,0638 % bereits eingerechnete Rabatt von 20 % wieder auf den Vergütungssatz aufgeschlagen wird), so dass sich ein Vergütungssatz von 0,81 % ergibt. Der vom Oberlandesgericht herangezogene, nicht bereinigte Vergütungssatz (bei Nichterhebung eines Einspeiseentgelts) von 0,65 % unterschreitet den im Sinne der Revision um 36 % reduzierten entsprechenden Satz gemäß Ziffer 5.2 des Y-Vertrags und des Z-Vertrags (0,6808 %) nur geringfügig. Diese Unterschreitung ist im Hinblick darauf nicht ermessensfehlerhaft, dass das Oberlandesgericht hier auf die eigene Vergütungspraxis der Beklagten abgestellt hat. Es hat damit zugleich nachvollziehbar begründet, warum es dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle hier nicht folgt.

64b) Die von der Revision gerügte Abweichung von dem FRK-Vertrag hat das Oberlandesgericht mit der Erwägung begründet, dass im FRK-Verband kleine und mittelständische Kabelnetzbetreiber aus den Bereichen Handwerk und Wohnungswirtschaft organisiert seien, wohingegen es sich bei den Mitgliedern des Klägers um spezialisierte, überregional tätige Unternehmen der Breitbandbranche handele. Es hat damit ermessensfehlerfrei auf die Unterschiede in den betroffenen Sachverhalten abgestellt.

65V. Ohne Rechtsfehler hat das Oberlandesgericht auch die von der Revision beanstandeten Regelungen zur Bemessungsgrundlage festgesetzt.

661. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, bei Bündelangeboten seien sich die Parteien über das Erfordernis einer Mindestbemessungsgrenze einig, nur die angemessene Höhe sei umstritten. Angesichts der Regelungen im Y-Vertrag und Z-Vertrag erscheine auch vorliegend eine Höhe von 8,75 € angemessen. Mit einer höheren Mindestbemessungsgrenze würden die Mitgliedsunternehmen des Klägers im Wettbewerb mit den Unternehmen Y     und   Z     erheblich benachteiligt. Die von der Schiedsstelle angeführte GfK-Studie rechtfertige keine höhere Schwelle, weil sie keinen spezifischen Durchschnittswert, sondern nur einen Preiskorridor mit großer Bandbreite je nach betroffenem Produktpaket ermittelt habe.

67Angesichts der im Vertrag vorgesehenen Befugnis der Kabelnetzbetreiber, das Programmsignal an Netzebene-4-Betreiber weiterzugeben, müsse im Rahmen der Vergütungsberechnung sichergestellt werden, dass die mit dieser Weitergabe verbundenen Umsätze als sogenannte Signallieferungsentgelte in angemessener Weise in die Bemessungsgrundlage einflössen. Hier sei die Aufnahme einer Mindestbemessungsgrenze - anders als im Fall der direkten Endkunden - angemessen, und zwar in einer Höhe von 5 €. Dies sähen auch der FRK-Vertrag, der Y-Vertrag und der Z-Vertrag vor. Missbräuchliche Abrechnungspraktiken habe die Beklagte nicht substantiiert dargelegt.

68Wie von der Schiedsstelle vorgeschlagen, sei eine pauschalierte Bemessungsgrundlage von 8,75 € für den Fall vorzusehen, dass ein Netzbetreiber die Höhe der Entgelte für "Stand-Alone-Produkte" (TV-Pakete ohne Internet und Telefon) nicht oder nicht schlüssig und nachvollziehbar schriftlich nachweise. Zwar finde sich hierfür in der bisherigen Vertragspraxis kein Beispiel. Es sei aber zur Sicherstellung der an der tatsächlichen Werknutzung orientierten Vergütung angemessen, einer unzureichenden Einhaltung der Nachweispflicht des Nutzers dadurch vorzubeugen, dass im Falle der Verletzung der Nachweispflicht der Berechnung der geschuldeten Vergütung eine pauschalierte Berechnungsgrundlage zugrunde gelegt werde.

69Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

702. Die Revision macht ohne Erfolg Ermessensfehler des Oberlandesgerichts geltend.

71a) Dies betrifft zunächst die Bemessungsgrundlage für Bündelangebote ("Multi-Play").

72aa) Die Revision macht geltend, im Ausgangspunkt sei zwischen den Parteien zwar unstreitig, dass Bemessungsgrundlage gemäß § 5 Ziffer 1 des Einzelvertragsmusters die um die gesetzliche Umsatzsteuer bereinigten Umsätze des Netzbetreibers seien, die er und die mit ihm verbundenen Unternehmen durch die Weitersendung erwirtschafteten. Das Oberlandesgericht sei jedoch zu Unrecht von den im Einigungsvorschlag enthaltenen Mindestbemessungsgrundlagen abgewichen und habe an verschiedenen Stellen, an denen die Schiedsstelle 12 € als angemessene Bemessungsgrundlage angesehen habe, einen geringeren Betrag zugrunde gelegt.

73Die Revision führt weiter aus, die eine qualifizierte Nachweispflicht der Netzbetreiber auslösende Mindestbemessungsgrundlage bei "Multi-Play-Angeboten" habe das Oberlandesgericht abweichend auf 8,75 € festgesetzt und mit dem Hinweis auf Referenzverträge nicht überzeugend begründet. Der Y-Vertrag und der Z-Vertrag seien zur Erledigung jahrelanger Rechtsstreitigkeiten geschlossen worden und mittlerweile gekündigt. Die vom Oberlandesgericht zugrunde gelegte Fortgeltung gekündigter Verträge setze eine unangemessene Abwärtsspirale in Gang. Der FRK-Vertrag sehe zwar die Grenze der qualifizierten Nachweispflicht ebenfalls bei 8,75 €, allerdings gelte für Kabelnetzbetreiber, die Fernseh- und Hörfunk ausschließlich im Produktbündel anböten, ein Betrag von 12 € pro Endkunde und Monat. Die Schiedsstelle habe überzeugend begründet, dass die Mindestbemessungsgrenze den zusätzlichen geldwerten Vorteil abbilden müsse, den ein Anbieter durch die Bündelung von verschiedenen Angeboten erziele, indem er die Weitersendung von Fernseh- und Hörfunkprogrammen zwingend mit mindestens einer weiteren kostenpflichtigen Leistung koppele. Der vom Oberlandesgericht angenommene Näherungswert von 8,75 €, der diesen geldwerten Vorteil seiner Auffassung nach abbilde, sei hierfür nicht geeignet.

74Das Oberlandesgericht habe in sachwidriger Weise einzelne Regelungen verschiedener Gesamtverträge verglichen und sodann die Geltung der jeweils für die Kabelnetzbetreiber günstigsten Regelung gegenüber allen anderen Marktteilnehmern angenommen. Das Diskriminierungsverbot statuiere allerdings keine Meistbegünstigung im Hinblick auf jede Einzelregelung, weshalb auch der im Gesamtvertrag vorgesehene Grundsatz der Gleichbehandlung und Meistbegünstigung (§ 5 des Gesamtvertrags, § 7 des Einzelvertrags) unangemessen sei. Wettbewerbsnachteile der Mitgliedsunternehmen des Klägers gegenüber   Y    oder    Z     seien nicht zu befürchten, da sie die Mindestbemessungsgrenze von 12 € unterschreitende Umsätze nachweisen und ihrer Abrechnung zugrunde legen könnten.

75bb) Hiermit hat die Revision keinen Erfolg.

76Soweit die Revision sich gegen die Berücksichtigung des Y-Vertrags und des Z-Vertrags, die mittlerweile gekündigt sind, als Referenzverträge wendet, greift dies aus den bereits genannten Gründen nicht durch (hierzu s. Rn. 26 f.). Es unterliegt daher keinen Bedenken, dass sich das Oberlandesgericht maßgeblich an der in diesen Verträgen vorgesehenen Bemessungsgrundlage für Bündelangebote orientiert hat, auch wenn der FRK-Vertrag insoweit eine teilweise abweichende Regelung vorsieht. Das Oberlandesgericht hat sich zudem mit der von der Beklagten angeführten GfK-Studie befasst und nachvollziehbar dargelegt, warum dieser Studie kein verlässlicher Durchschnittswert zu entnehmen ist. Weiter hat das Oberlandesgericht ausführlich begründet, warum es den Vorschlag der Schiedsstelle, die Mindestbemessungsgrenze auf 12 € festzulegen, nicht für angemessen erachtet. Auch mit den übrigen Einwänden gegen die Würdigung des Oberlandesgerichts zeigt die Revision Ermessensfehler nicht auf. Mit ihrem Postulat, die Gewährleistung der Wettbewerbsgleichheit erfordere keine mit dem Y-Vertrag und dem Z-Vertrag gleichlaufende Mindestbemessungsgrenze, würdigt die Revision die Umstände lediglich abweichend, ohne einen Rechtsfehler des Oberlandesgerichts aufzuzeigen.

77b) Die Revision greift auch die Würdigung des Oberlandesgerichts zur Abrechnung von Signallieferungsentgelten vergeblich an.

78aa) Die Revision führt aus, von dem überzeugend begründeten Vorschlag der Schiedsstelle, als Mindestbemessungsgrundlage 12 € festzulegen, sei das Oberlandesgericht mit seiner Festsetzung von nur 5 € zu Unrecht abgewichen. Es habe nicht berücksichtigt, dass dem Interesse der Beklagten, eine angemessene Vergütung zu erlangen, besonders Rechnung getragen werden müsse, und widersprüchlich argumentiert, weil es einerseits eine die Beklagte benachteiligende Abrechnungspraxis nicht erkenne, andererseits aber selbst annehme, dass die Signallieferungsentgelte regelmäßig deutlich niedriger seien als die Endkunden direkt in Rechnung gestellten Nutzungsentgelte; gerade daraus ergebe sich eine die Beklagte benachteiligende Abrechnungspraxis. Es bestehe die Gefahr, dass die Netzebene-3-Betreiber den intensiven Wettbewerb um die Netzebene 4 durch die Einräumung vergünstigter Konditionen zulasten der Rechtsinhaber austrügen.

79bb) Hiermit zeigt die Revision Ermessensfehler des Oberlandesgerichts nicht auf.

80Die Revision vermag nicht auf Vortrag zu einem Missbrauch der Abrechnung bei Signallieferungsentgelten zu verweisen, den das Oberlandesgericht bei seiner Würdigung, die Beklagte habe hierzu nicht substantiiert vorgetragen, übergangen hätte. Die Würdigung, ein Missbrauch sei nicht zu erkennen, steht zu der weiteren Feststellung des Oberlandesgerichts, Signallieferungsentgelte seien regelmäßig niedriger als Endkundenpreise, nicht im Widerspruch. Eine Entwertung der von der Beklagten wahrgenommenen Rechte droht nicht, weil auch im Fall der Signallieferungsentgelte gemäß § 5 Ziffer 1 Abs. 1 des Einzelvertrags in erster Linie der tatsächlich erzielte Umsatz Grundlage der Vergütungsberechnung ist und der Schwellenwert nur bei ihn unterschreitenden Beträgen gilt.

81c) Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Festsetzung der pauschalen Bemessungsgrundlage bei fehlendem oder nicht schlüssigem Nachweis des Umsatzes.

82aa) Die Revision führt aus, es sei zwar zutreffend, dass eine pauschale Bemessungsgrundlage für den Fall eines fehlenden oder nicht schlüssigen Umsatznachweises Teil eines angemessenen Vergütungskonzepts sei. Die Verweisung des Oberlandesgerichts auf seine voranstehenden Ausführungen zur Mindestbemessungsgrundlage bei "Multi-Play-Angeboten" sei aber zur Begründung nicht geeignet. Es sei nicht belegt, dass "Stand-Alone-Angebote" stets gleichwertig oder günstiger angeboten würden als in "Multi-Play-Angeboten" enthaltene TV-Pakete. Die von der Beklagten vorgetragenen Preise für "Stand-Alone-Angebote" habe das Oberlandesgericht nicht berücksichtigt. Es sei nicht überzeugend, bei der pauschalierten Bemessungsgrundlage am unteren Ende der Wertbemessung von TV-Produkten anzusetzen. Denn es sei für die Mitgliedsunternehmen des Klägers ein Leichtes, die pauschalierte Abrechnung zu vermeiden, wohingegen die Überprüfung der Abrechnung durch die Beklagte für diese mit weiterem erheblichem Aufwand und Kosten verbunden sei.

83bb) Hiermit zeigt die Revision Ermessensfehler des Oberlandesgerichts nicht auf.

84Die vom Oberlandesgericht hier in Bezug genommenen Ausführungen zum Umsatz mit "Multi-Play-Angeboten" sind - wie dargelegt (s. Rn. 76) - ermessensfehlerfrei. Der Hinweis der Revision auf einzelne hochpreisige Angebote erschüttert nicht die mit dem Einigungsvorschlag der Schiedsstelle übereinstimmende Annahme des Oberlandesgerichts, erfahrungsgemäß seien "Stand-Alone-TV-Pakete", die im Wettbewerb mit "Multi-Play-Angeboten" stünden und daher einem besonderen Preisdruck ausgesetzt seien, gleichpreisig oder günstiger als die in "Multi-Play-Angeboten" enthaltenen TV-Angebote.

85VI. Ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die vom Oberlandesgericht festgesetzten Regelungen zum Gesamtvertragsrabatt und seinem Wegfall.

861. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung, den Wegfall des Gesamtvertragsrabatts für den Fall, dass ein Netzbetreiber die Angemessenheit der im Gesamtvertrag vorgesehenen Vergütung vor der Schiedsstelle oder gerichtlich angreift, nicht in den Gesamtvertrag aufzunehmen, wie folgt begründet:

87Der von der Schiedsstelle vorgeschlagene Wegfall des Gesamtvertragsrabatts bei Einleitung behördlicher oder gerichtlicher Verfahren zur Überprüfung der Angemessenheit der vertraglichen Vergütung erscheine dem Senat - anders als dem seinerzeit zuständigen 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München - nicht angemessen. Soweit der Rabatt eine Gegenleistung für die Vertragshilfe darstelle, werde diese nicht vom einzelnen Kabelnetzbetreiber, sondern vom Verband gewährt. Zudem könne dem Vertragspartner eines marktbeherrschenden Unternehmens, das einem Kontrahierungszwang unterliege, nicht die gerichtliche Kontrolle der Einhaltung angemessener Bedingungen verwehrt werden. Insbesondere die auf der Grundlage der Meistbegünstigungsregelung gemäß § 5 Ziffer 7 (richtig: § 7) des Einzelvertrags möglichen Ansprüche könne ein Nutzer nicht durchsetzen, ohne den Verlust des Gesamtvertragsrabatts zu riskieren. Damit liefe diese dem Schutz vor Diskriminierung dienende Regelung weitgehend leer. Ein sachlicher Grund, einzelne Netzbetreiber davon abzuhalten, die Berechnung der von ihnen geschuldeten Vergütung gerichtlich überprüfen zu lassen, sei nicht erkennbar. Der Verzicht auf den Wegfall des Rabatts benachteilige die Beklagte nicht unangemessen. Denn der Kabelnetzbetreiber bleibe auch im Falle eines Streits über die Angemessenheit der Vergütung dem Grunde nach zur Zahlung verpflichtet. Auch Abrechnungspflichten bestünden fort. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

882. Die Revision macht vergeblich geltend, die Beurteilung des Oberlandesgerichts sei ermessensfehlerhaft.

89a) Die Revision weist darauf hin, dass die Schiedsstelle den Wegfall des Gesamtvertragsrabatts bei einem verfahrensförmlichen Angriff auf die Angemessenheit in den Einigungsvorschlag aufgenommen habe. Die Rechtfertigung hierfür liege darin, dass der Zweck des Gesamtvertrags, den Verwaltungsaufwand der Verwertungsgesellschaft zu verringern, verfehlt werde, wenn ein Vertragspartner die Überprüfung des Tarifs im Einzelfall betreibe. Das Oberlandesgericht stelle hingegen einseitig auf die Interessen der Kabelnetzbetreiber ab, ohne die berechtigten Interessen der Beklagten angemessen zu berücksichtigen.

90b) Die Revision vermag Ermessensfehler des Oberlandesgerichts auch insoweit nicht aufzuzeigen.

91Das Oberlandesgericht hat den von der Beklagten angeführten Zweck der Bestimmung über den Wegfall des Gesamtvertragsnachlasses gewürdigt, ihn aber angesichts höherrangiger Rechte der Mitglieder des Klägers - namentlich wegen ihres gemäß Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Justizgewährungsanspruchs (vgl. BVerfG, NJW 2019, 3137 [juris Rn. 16]) - bei der vorzunehmenden Beurteilung der Angemessenheit der vertraglichen Regelung nicht für hinreichend gewichtig gehalten. Die an dieser Stelle zum Tragen kommende Bevorzugung der Interessen der Mitglieder des Klägers ist mithin grundrechtlich fundiert und entspricht billigem Ermessen im Sinne des § 130 Satz 1 VGG; sie stellt keine unangemessene Parteinahme zugunsten der Kabelnetzbetreiber dar. In rechtlicher Hinsicht liegt hierin keine Abweichung von der Senatsentscheidung "Gesamtvertragsnachlass" (BGH, GRUR 2021, 604 [juris Rn. 31]), die sich nicht mit dem Wegfall des Gesamtvertragsrabatts bei einem Angriff eines Vertragspartners auf die Angemessenheit der Vergütungsregelungen, sondern mit der Frage befasst, ob ein Unternehmen, das nicht Mitglied der Partei eines Gesamtvertrags ist, Anspruch auf Gewährung des im Gesamtvertrag vorgesehenen Rabatts hat.

92VII. Ohne Erfolg beanstandet die Revision die in § 9 des Einzelvertrags vorgesehene Abwicklungsregelung.

931. Die Revision meint, der Wortlaut der vom Oberlandesgericht festgelegten Regelung ermögliche es in Widerspruch zu § 37 VGG, dass Mitglieder des Klägers im Rahmen der endgültigen Abrechnung auch einen Teil der anerkannten und deswegen vorbehaltlos gezahlten Lizenzgebühren zurückfordern.

942. Hiermit dringt die Revision nicht durch. Die in § 9 des Einzelvertrags enthaltene Abwicklungsregelung ist in Übereinstimmung mit § 37 VGG dahingehend auszulegen, dass etwaige Rückzahlungen ausschließlich mit Blick auf die unter Vorbehalt gezahlten oder hinterlegten Beträge zu erfolgen haben, nicht jedoch mit Blick auf die vorbehaltlos gezahlten Beträge.

95VIII. Die Revision hat Erfolg, soweit sie die durch das Oberlandesgericht festgesetzte Vertragsdauer beanstandet.

961. Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, angesichts des Ziels einer Befriedung der Parteien sei die festgesetzte Geltungsdauer des Vertrags bis zum angemessen. Hierbei habe der Senat auch die Möglichkeit inflationsbedingter Preissteigerungen bedacht. Bei den festgesetzten Beträgen handele es sich um Mindestbemessungsgrundlagen; die Kabelnetzbetreiber seien aber verpflichtet, die darüber hinaus tatsächlich anfallenden Entgelte ihren Abrechnungen zu Grunde zu legen. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

972. Mit ihrer Rüge, die Festsetzung der Laufzeit über den hinaus sei unzulässig, dringt die Revision allerdings nicht durch.

98a) Die Revision verweist darauf, Gegenstand des Einigungsverfahrens vor der Schiedsstelle sei lediglich eine Laufzeit bis zum gewesen. Vor dem Oberlandesgericht habe der Kläger sodann eine Laufzeit bis zum beantragt und sei schon damit über den Gegenstand des Einigungsverfahrens hinausgegangen. Diesen Antrag habe er kurz vor Schluss der mündlichen Verhandlung auf die Festsetzung einer Laufzeit bis zum erweitert. Somit habe das Oberlandesgericht über einen in weiten Teilen anderen Streitgegenstand entschieden als die Schiedsstelle. Dies sei - ebenso wie im Falle der Hinzufügung von weiteren Nutzungsarten, über die die Schiedsstelle nicht entschieden habe - unzulässig.

99b) Im Streitfall haben die Parteien ein Verfahren vor der Schiedsstelle durchgeführt, das mit einem Einigungsvorschlag geendet hat, der infolge des fristgemäßen Widerspruchs der Beklagten nicht gemäß § 105 Abs. 3 Satz 1 VGG als angenommen gilt. Gegenstand des Verfahrens vor der Schiedsstelle war ein Gesamtvertrag über die kabelgebundene Weitersendung. Im Einigungsvorschlag hat sich die Schiedsstelle mit sämtlichen Gesichtspunkten befasst, über die die Parteien im gerichtlichen Verfahren weiter gestritten haben. Dazu gehört auch die Frage der Vertragslaufzeit, die im Einigungsvorschlag der Schiedsstelle auf vier Jahre (vom bis zum ) bemessen ist, nachdem der Kläger eine vierjährige Laufzeit angeregt hatte. Der Umstand, dass der Kläger im anschließenden gerichtlichen Verfahren die Festsetzung einer längeren Laufzeit beantragt hat, führt nicht zur Unzulässigkeit des Antrags, weil sich die Schiedsstelle mit dem Gesichtspunkt der Laufzeit im Einigungsvorschlag befasst hat und damit dem Sinn und Zweck des obligatorischen Schiedsstellenverfahrens Rechnung getragen ist.

1003. Mit ihrer Rüge, die vom Oberlandesgericht festgesetzte Vertragsdauer sei unangemessen lang, hat die Revision hingegen Erfolg.

101Die Festsetzung einer Laufzeit bis zum Ende des Jahres 2028 - insgesamt also zehn Jahre - ist ermessensfehlerhaft. Das Oberlandesgericht hat sich mit dem Umstand, dass - wie die Revision mit Erfolg geltend macht - sämtliche Referenzverträge lediglich eine Laufzeit von sechs Jahren vorsehen, nicht befasst. Im Hinblick darauf, dass die vom Oberlandesgericht in anderem Zusammenhang zu Recht als indiziell aussagekräftig anerkannten Referenzverträge hier einen einhelligen abweichenden Inhalt haben, liegt ein Ermessensfehlgebrauch des Oberlandesgerichts vor. Es ist angesichts der ungewissen zukünftigen technologischen und wirtschaftlichen Entwicklung schwer vorstellbar, dass eine sechs Jahre übersteigende Laufzeit noch angemessen ist.

102IX. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. 283/81, Slg. 1982, 3415 [juris Rn. 21] = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.; Urteil vom - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 [juris Rn. 43] - Doc Generici; Urteil vom - C-561/19, NJW 2021, 3303 [juris Rn. 32 f.] - Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi). Es stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist (dazu vorstehend Rn. 42 und 43).

103C. Die Revision führt danach zur Aufhebung des angefochtenen Urteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) soweit das Oberlandesgericht die Laufzeit gemäß § 6 Ziffer 1 des Gesamtvertrags und § 8 Ziffer 1 Satz 1 des Einzelvertrags auf die Zeit vom bis zum festgesetzt hat. Die übrigen Festsetzungen des Gesamtvertrags und des Einzelvertrags stehen mit der allein ermessensfehlerhaften Regelung der Vertragsdauer nicht in einem inhaltlichen oder redaktionellen Zusammenhang, der es erforderte, das Urteil hinsichtlich sämtlicher Bestimmungen des Gesamtvertrags aufzuheben (vgl. BGH, GRUR 2017, 161 [juris Rn. 109] - Gesamtvertrag Speichermedien, mwN). Da die in der Vertragsfestsetzung liegende Rechtsgestaltung dem Tatgericht vorbehalten ist (vgl. BGH, GRUR 2017, 161 [juris Rn. 109] - Gesamtvertrag Speichermedien, mwN), ist die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Festsetzung des Gesamtvertrags und zur Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:250724UIZR27.23.0

Fundstelle(n):
ZIP 2024 S. 4 Nr. 35
FAAAJ-72444