Kürzung einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung um einen versorgungsausgleichsbedingten Abschlag - Wegfall des sog Rentnerprivilegs bei nach dem eingeleiteten Abänderungsverfahren
Gesetze: § 76 SGB 6, § 101 Abs 3 SGB 6 vom , § 101 Abs 3 SGB 6 vom , § 268a Abs 2 SGB 6, § 48 VersAusglG, § 51 VersAusglG, § 52 VersAusglG, § 224 FamFG, § 226 FamFG, Art 14 GG
Instanzenzug: Az: S 24 R 386/16 Urteilvorgehend Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: L 2 R 67/19 Urteil
Tatbestand
1Streitig ist die Neuberechnung der Erwerbsminderungsrente des Klägers nach rechtskräftiger Abänderung eines Versorgungsausgleichs sowie die Erstattung von Rentenzahlungen.
2Die Beklagte bewilligte dem 1958 geborenen Kläger ab Juni 2009 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Rentenberechnung legte sie 46,6380 Entgeltpunkte zugrunde. Auf Antrag des Klägers vom März 2009 wurde mit Urteil des Amtsgerichts Ahaus - Familiengericht - vom (rechtskräftig seit ) seine im Jahr 1979 geschlossene Ehe geschieden. Es wurde ein Versorgungsausgleich nach dem bis zum geltenden Recht durchgeführt. Von seinem Versichertenkonto wurden Rentenanwartschaften auf das ebenfalls bei der Beklagten geführte Versichertenkonto der geschiedenen Ehefrau bezogen auf den übertragen. Da die geschiedene Ehefrau noch keine Rente bezog, kam das sog "Rentnerprivileg" für den Kläger zur Anwendung und seine Rente wurde weiterhin auf der Grundlage von 46,6380 Entgeltpunkten ungekürzt geleistet.
3Im Juni 2015 beantragte der Kläger beim Amtsgericht Ahaus - Familiengericht - erfolgreich die Abänderung des Versorgungsausgleichs. Zur Anwendung kam nunmehr das seit dem geltende Recht. Mit Beschluss des Familiengerichts vom (rechtskräftig seit dem ) wurde der Versorgungsausgleich für die Zeit ab dem dahingehend geändert, dass bezogen auf den vom Versicherungskonto des Klägers bei der Beklagten ein Anrecht iHv 16,1332 Entgeltpunkten auf das Konto der geschiedenen Ehefrau und vom Versicherungskonto der geschiedenen Ehefrau ein Anrecht iHv 7,3363 Entgeltpunkten auf das Konto des Klägers übertragen wurden. Daraufhin berechnete die Beklagte die Rente des Klägers ab dem neu und berücksichtigte erstmalig einen Abschlag aus dem Versorgungsausgleich iHv 8,7969 Entgeltpunkten. Für die Zeit vom bis zum stellte sie eine Überzahlung iHv 820,08 Euro fest und forderte deren Erstattung (Bescheid vom ; Widerspruchsbescheid vom ).
4Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom ). Das LSG hat die Berufung des Klägers mit der Begründung zurückgewiesen, bei dem Abänderungsverfahren über den Versorgungsausgleich handele es sich um ein antragsabhängiges eigenständiges Verfahren. Das Rentnerprivileg ende, wenn ab dem ein solches Verfahren eingeleitet und der Versorgungsausgleich unter Anwendung des ab diesem Zeitpunkt geltenden Rechts geändert werde. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Übergangsregelung in § 268a Abs 2 SGB VI und der Gesetzesbegründung zur Abschaffung des Rentnerprivilegs. Weder Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes noch verfassungsrechtliche Bedenken stünden dieser Auslegung entgegen (Urteil vom ).
5Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom BSG zugelassenen Revision (Beschluss vom - B 5 R 312/21 B). "Das Verfahren" iS des § 268a Abs 2 SGB VI sei bereits vor dem eingeleitet worden. Da nur ein Versorgungsausgleich zwischen den Parteien des Scheidungsverfahrens existiere, sei das Abänderungsverfahren lediglich als Fortsetzung des Erstverfahrens über den Versorgungsausgleich zu qualifizieren. Zudem verstoße § 268a Abs 2 SGB VI in der vom LSG vorgenommenen Auslegung gegen Art 14 Abs 1 Satz 1 GG. Der Kläger habe auf den Fortbestand der ursprünglichen Rentenhöhe vertraut.
6Der Kläger beantragt,die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom und des Sozialgerichts Münster vom sowie den Bescheid der Beklagten vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom aufzuheben.
7Die Beklagte beantragt,die Revision des Klägers zurückzuweisen.
8Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. § 268a Abs 2 SGB VI sei als Übergangsvorschrift eng auszulegen. Das Abänderungsverfahren müsse als eigenständiges familiengerichtliches Verfahren angesehen werden. Da in diesem Verfahren eine Totalrevision stattfinde, werde insgesamt über den Versorgungsausgleich neu entschieden. Die Vorschrift konkretisiere in verhältnismäßiger und damit verfassungsmäßiger Weise iS von Art 14 Abs 1 Satz 2 GG Inhalt und Schranken des Eigentums.
Gründe
9Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Zutreffend hat das LSG seine Berufung gegen das Urteil des SG zurückgewiesen.
10Der Bescheid vom in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
111. Zu Recht hat die Beklagte bei der Rente des Klägers den geänderten Versorgungsausgleich ab dem gemäß § 101 Abs 3 SGB VI in der seit dem geltenden Fassung des Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs - VAStrRefG - vom (BGBl I 700) berücksichtigt.
12Ist nach Beginn der Rente ein Versorgungsausgleich durchgeführt, wird die Rente der leistungsberechtigten Person nach dieser Vorschrift von dem Kalendermonat an um Zuschläge oder Abschläge an Entgeltpunkten verändert, zu dessen Beginn der Versorgungsausgleich durchgeführt ist (§ 101 Abs 3 Satz 1). Der Rentenbescheid ist mit Wirkung von diesem Zeitpunkt an aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches sind nicht anzuwenden (Satz 2). Bei einer rechtskräftigen Abänderung des Versorgungsausgleichs gelten die Sätze 1 und 2 mit der Maßgabe, dass auf den Zeitpunkt nach § 226 Abs 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) abzustellen ist (Satz 3).
13Gemessen daran ist der streitbefangene Bescheid rechtmäßig. Insbesondere bedurfte es gemäß § 101 Abs 3 Satz 2 Halbsatz 2 SGB VI keiner Anhörung gemäß § 24 Abs 1 SGB X. Auch die materiellen Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger bezieht seit dem eine volle Erwerbsminderungsrente von der Beklagten. Mit seit dem rechtskräftigem Beschluss des Amtsgerichts Ahaus - Familiengericht - vom wurde die Abänderung des Versorgungsausgleichs wirksam (§ 224 Abs 1 FamFG). Nach § 52 Abs 1 VersAusglG iVm § 226 Abs 4 FamFG wirkt die Abänderung ab dem ersten Tag des Monats, der auf den Monat der Antragstellung folgt. Da der Antrag des Klägers auf Abänderung des Versorgungsausgleichs aus Juni 2015 stammte, war die Rente gemäß § 101 Abs 3 Satz 3 SGB VI ab dem zu ändern.
14Die Beklagte hat die Höhe der Erwerbsminderungsrente zutreffend ermittelt. Nach § 76 Abs 7 SGB VI ist, wenn eine Rente um einen Zuschlag oder Abschlag aus einem durchgeführten Versorgungsausgleich zu verändern ist, von der Summe der bisher der Rente zugrunde liegenden Entgeltpunkte auszugehen. Vor dem Abänderungsverfahren betrug die Summe aller Entgeltpunkte 46,6380. Aufgrund des abgeänderten Versorgungsausgleichs ergibt sich im Wege interner Teilung nach Verrechnung (vgl § 10 VersAusglG) zulasten des Klägers ein Abschlag iHv 8,7969 Entgeltpunkten mit der Folge, dass die Summe aller Entgeltpunkte nunmehr 37,8411 beträgt. Unter Berücksichtigung des persönlichen Zugangsfaktors (vgl § 77 Abs 3 SGB VI) von 0,892 sind der Rentenberechnung demnach 33,7543 persönliche Entgeltpunkte zugrunde zu legen, die multipliziert mit dem Rentenartfaktor und dem maßgeblichen Rentenwert in dem streitbefangenen Zeitraum zu einer Erwerbsminderungsrente iHv monatlich 985,96 Euro bzw nach Abzug des Beitragsanteils bzw Beitrags zur Kranken- und Pflegeversicherung einem monatlichen Zahlbetrag von 881,95 Euro führen.
152. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass § 101 Abs 3 SGB VI in der bis zum geltenden Fassung Anwendung findet und der Berechnung seiner Rente weiterhin 46,6380 Entgeltpunkte zugrunde gelegt werden. Die Voraussetzungen der Übergangsregelung in § 268a Abs 2 SGB VI sind nicht gegeben.
16Nach § 268a Abs 2 SGB VI ist § 101 Abs 3 SGB VI in der bis zum geltenden Fassung weiterhin anzuwenden, wenn vor dem das Verfahren über den Versorgungsausgleich eingeleitet worden ist und die aufgrund des Versorgungsausgleichs zu kürzende Rente begonnen hat. Die Vorschrift wurde mit dem VAStrRefG vom (BGBl I 700) zum eingeführt und stellt eine Übergangsregelung zur Abschaffung des Rentnerprivilegs im Zuge der Neuregelung des Versorgungsausgleichsrechts dar (vgl Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs, BT-Drucks 16/10144, S 102 zu Nr 15).
17a) Das Rentnerprivileg war in § 101 Abs 3 SGB VI in der bis zum geltenden Fassung wie folgt geregelt: Wurde nach Beginn der Rente eine Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich zulasten des Versicherten wirksam, wurde die Rente oder eine unmittelbar anschließende gleich hohe oder niedrigere Rente erst zu dem Zeitpunkt um einen Abschlag verändert, zu dem bei einer Rente aus der Versicherung des Ausgleichsberechtigten ein Zuschlag berücksichtigt wurde (Satz 1). Bei einer unmittelbar anschließenden höheren Rente wurde der Abschlag schon vor diesem Zeitpunkt vorgenommen, soweit dies nicht zu einer Unterschreitung der vorangegangenen Rente führte (Satz 2). Entsprechendes galt, wenn sich aufgrund einer Abänderung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich der Zuschlag des Ausgleichsberechtigten minderte (Satz 3). In diesen Fällen war der Rentenbescheid des Leistungsberechtigten bei rückwirkender oder erst nachträglich bekannt werdender Rentenleistung aus der Versicherung des anderen Ehegatten oder Lebenspartners mit Wirkung vom Zeitpunkt des Beginns dieser Rente aufzuheben; die §§ 24 und 48 des Zehnten Buches waren nicht anzuwenden (Satz 4). Vergleichbare Vorschriften fanden sich nach der bis zum geltenden Rechtslage zur Beamtenversorgung in § 57 Abs 1 Satz 2 BeamtVG aF und zur Soldatenversorgung in § 55c Abs 1 Satz 2 SVG aF (sog "Pensionistenprivileg").
18Mit dem Rentnerprivileg durchbrach der Gesetzgeber den Grundsatz der sofortigen und endgültigen Vollziehung des Versorgungsausgleichs. Dies wurde mit dem Schutz des Besitzstands und damit begründet, dass für den Ausgleichsverpflichteten nicht mehr die Möglichkeit bestand, die Minderung seiner Rentenanwartschaften ganz oder teilweise durch Entrichtung von Beiträgen auszugleichen (vgl ua - BVerfGE 53, 257, 302 = SozR 7610 § 1587 Nr 1 - juris RdNr 172). Nach der Rechtsprechung des BVerfG war die Einführung des Rentnerprivilegs verfassungsrechtlich zwar vertretbar, aber nicht geboten (vgl - juris RdNr 16 unter Hinweis auf - juris RdNr 20 f, 27).
19b) Die besonderen Voraussetzungen für eine Fortgeltung der Vorschrift des § 101 Abs 3 SGB VI in der bis zum geltenden Fassung nach der Übergangsregelung sind nicht erfüllt. Es fehlt an dem Erfordernis, dass das Verfahren über den Versorgungsausgleich vor dem eingeleitet worden ist. Das vom Kläger im Juni 2015 eingeleitete Abänderungsverfahren ist keine Fortsetzung des ersten, noch nach dem bis zum geltenden Recht durchgeführten Verfahrens zum Versorgungsausgleich. Es handelt sich vielmehr um ein eigenständiges Verfahren, das zu einer neuen Gestaltung des Versorgungsausgleichs führte. Für die Frage, wann ein "Verfahren über den Versorgungsausgleich" iS des § 268 Abs 2 SGB VI eingeleitet worden ist, ist daher auf die Einleitung des Abänderungsverfahrens abzustellen.
20aa) Hierfür sprechen bereits die Formulierung im Gesetzestext "das Verfahren über den Versorgungsausgleich" und systematische Erwägungen. So wird in § 101 Abs 3 Satz 3 SGB VI nunmehr das Abänderungsverfahren als gesondertes Verfahren vorausgesetzt, wenn dort bestimmt wird, dass auf die Abänderung eines Versorgungsausgleichs die Regelungen der Sätze 1 und 2 zum Versorgungsausgleich anwendbar sind und lediglich eine Modifikation hinsichtlich des maßgeblichen Zeitpunkts erfahren.
21Die familienrechtlichen Regelungen des FamFG und des VersAusglG zeigen, dass es nicht lediglich "das" eine Verfahren über den Versorgungsausgleich gibt. § 111 FamFG erfasst als Familiensachen unter Nr 7 die "Versorgungsausgleichssachen". Die entsprechenden Regelungen finden sich im 8. Abschnitt des FamFG (§§ 217 ff FamFG). Dessen Überschrift "Verfahren über Versorgungsausgleichssachen" weist bereits auf eine Mehrzahl von möglichen Verfahren hin. § 217 FamFG definiert sodann den Begriff der "Versorgungsausgleichssachen" als Verfahren, die den Versorgungsausgleich betreffen, und erfasst die Auskunftsverfahren iS des § 4 VersAusglG zur Ermittlung der dem Versorgungsausgleich unterliegenden Anrechte, die Verfahren zum Wertausgleich bei Scheidung und bei Aufhebung der Ehe gemäß den §§ 9 bis 19, 29 VersAusglG, die Verfahren zum Wertausgleich nach der Scheidung gemäß den §§ 20 bis 26 VersAusglG (schuldrechtliche Ausgleichsleistung - Rente und Kapital), die Verfahren zur Anpassung des Versorgungsausgleichs nach Rechtskraft wegen Unterhalt gemäß §§ 33, 34 VersAusglG und schließlich die Verfahren zur Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich nach den §§ 225, 226, 227 iVm § 48 FamFG sowie nach den Übergangsvorschriften gemäß §§ 51, 52 VersAusglG (vgl auch die Aufstellung von Borth in Dutta/Jacoby/Schwab, FamFG, 4. Aufl 2021, § 217 RdNr 2).
22Wie auch im Falle des Klägers im Jahr 2009 wird der Versorgungsausgleich in erster Linie im Scheidungsverfahren im Rahmen des Zwangsverbundes von Amts wegen durchgeführt (§ 137 Abs 1, Abs 2 Nr 1 FamFG; bis §§ 623 Abs 1, 621 Abs 1 Nr 6 ZPO). Der Verbund stellt keine Verfahrensverbindung dar. Trotz gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung bleiben die Verfahren selbstständig. Das Verfahren über den Versorgungsausgleich wird durch Endentscheidung, die mit Eintritt der formellen Rechtskraft wirksam wird (vgl § 224 Abs 1 FamFG; bis § 53g Abs 1 FGG), beendet. In Entscheidungen über den Versorgungsausgleich im Verbund kann lediglich die Rechtskraft nicht vor der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs eintreten (vgl § 148 FamFG; bis § 629d ZPO).
23Indem der Kläger im Juni 2015 ein Abänderungsverfahren gemäß §§ 51, 52 VersAusglG iVm § 226 FamFG beantragte, leitete er ein selbstständiges Verfahren über den Versorgungsausgleich nach § 111 Nr 7 iVm den §§ 217 ff FamFG ein. Dabei wird im Falle einer wesentlichen Wertänderung eine auf der Grundlage des bis zum geltenden Rechts und damit als Einmalausgleich aller Anrechte über die gesetzliche Rentenversicherung getroffene Entscheidung über den Versorgungsausgleich rückgängig gemacht. An ihrer Stelle wird ein sog "Hin- und Her-Ausgleich" nach dem ab dem geltenden Recht durchgeführt.Hiervon ist nicht nur das von der Wertänderung betroffene Anrecht erfasst, sondern es sind iS einer Totalrevision sämtliche in die Erstentscheidung einbezogenen Anrechte nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG neu und innerhalb des jeweiligen Versorgungssystems zu teilen (vgl - juris RdNr 23 = FamRZ 2015, 1688; - juris RdNr 9 = FamRZ 2016, 697; - juris RdNr 22 ff; Wick, Der Versorgungsausgleich, 5. Aufl 2023, RdNr 1253 und 1264).Die alte Entscheidung wird mithin durch die neue ersetzt (vgl auch Ruland, Der Versorgungsausgleich, 4. Aufl 2015, RdNr 1088).
24So war es auch im Falle des Klägers, bei dem zunächst mit Urteil des Amtsgerichts Ahaus vom iS eines Einmalausgleichs allein von seinem bei der Beklagten geführten Versichertenkonto Rentenanwartschaften auf das Versichertenkonto der geschiedenen Ehefrau übertragen wurden. Unter Berücksichtigung weiterer Entgeltpunkte aufgrund der zum in Kraft getretenen sog "Mütterrente I" (vgl Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung - RV-Leistungsverbesserungsgesetz vom , BGBl I 787) wich der Wert der Rentenanwartschaft der früheren Ehefrau wesentlich von dem Wert ab, der der Erstentscheidung zugrunde lag. Auf den Antrag des Klägers hat das Familiengericht daher die ursprüngliche Entscheidung abgeändert und ab Juli 2015 einen Versorgungsausgleich nach neuem Recht iS eines Hin- und Her-Ausgleichs durchgeführt. Hierdurch wurden im Wege interner Teilung zulasten des Anrechts des Klägers bei der Beklagten zugunsten der Ehefrau ein Anrecht von 16,1332 Entgeltpunkten auf ihr Konto bei der Beklagten und zulasten des Anrechts der Ehefrau bei der Beklagten zugunsten des Klägers ein Anrecht von 7,3363 Entgeltpunkten auf das Konto des Klägers übertragen.
25bb) Für das Verständnis, dass die Übergangsvorschrift in § 268a Abs 2 SGB VI allein auf das vor dem eingeleitete Verfahren über den Versorgungsausgleich abstellt, das durch ein Abänderungsverfahren nicht fortgesetzt wird, streitet auch ihr Sinn und Zweck unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte. Danach soll Besitzschutz grundsätzlich nur denjenigen Rentnern gewährleistet werden, deren Versorgungsausgleich nach dem bis zum geltenden Recht durchgeführt wurde.
26Die Bundesregierung begründete in ihrem Gesetzentwurf die Neufassung des § 101 Abs 3 SGB VI damit, dass das Rentnerprivileg als Ausnahmevorschrift bereits seit längerem in der Kritik gestanden habe. Die Regelung habe zu schwer zu rechtfertigenden Belastungen des Versorgungsträgers der ausgleichspflichtigen Person geführt, weil diese übergangsweise so behandelt worden sei als wäre der Versorgungsausgleich nicht durchgeführt worden. Zusätzlich habe der Versorgungsträger des Ausgleichsberechtigten später die erhöhten Kosten für dessen Versorgung zu tragen gehabt. Mit der vorgesehenen neuen Struktur des Versorgungsausgleichs, insbesondere mit dem mit dem Grundsatz der internen Teilung aller Anrechte, könne das Rentnerprivileg nicht aufrechterhalten werden. Nach dem ab dem geltenden Recht sei es möglich, dass eine Person zwar bezogen auf Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung ausgleichspflichtig, im Hinblick auf Anrechte aus anderen Versorgungssystemen jedoch zugleich ausgleichsberechtigt sein könne (Grundsatz der internen Teilung). Die zeitweise Aussetzung einer Kürzung der Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung dürfe jedoch nicht dazu führen, dass gleichzeitig Leistungen aus anderen Anrechten bezogen werden könnten, die im Versorgungsausgleich erworben worden seien (vgl Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs, BT-Drucks 16/10144, S 100 zu Nr 5).
27Vor diesem Hintergrund sollte das Rentnerprivileg grundsätzlich nur zugunsten derjenigen Versicherten beibehalten werden, bei denen ein Versorgungsausgleich nach dem bis zum geltenden Recht durchgeführt wurde. Die ursprünglich im Gesetzesentwurf enthaltenen Formulierung des § 268a Abs 2 SGB VI sah vor, das Rentnerprivileg weiterhin anzuwenden, wenn vor Inkrafttreten des neuen Versorgungsausgleichsrechts die zunächst nicht aufgrund des Versorgungsausgleichs gekürzte Rente begonnen hat und die Entscheidung über den Versorgungsausgleich bereits wirksam, dh rechtskräftig geworden ist (vgl Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleich, BT-Ducks 16/10144, S 22 und S 102 zu Nr 15). Der Text wurde zwar während des Gesetzgebungsverfahrens geändert und die Fortgeltung des Rentnerprivilegs daran geknüpft, dass das Verfahren über den Versorgungsausgleich vor dem eingeleitet worden ist. Dies war aber nur dem Umstand geschuldet, dass der Besitzschutz nicht von der von den Beteiligten nur begrenzt beeinflussbaren und oft von Zufälligkeiten abhängigen Verfahrensdauer vor den Familiengerichten abhängig sein sollte (siehe dazu auch Göhde, FamFR 2010, 555, 556). Schließlich erfolgte die Gesetzesformulierung in § 268a Abs 2 SGB VI ausdrücklich "in Anlehnung an die […] Übergangsregelungen zum Versorgungsausgleich in § 48 Abs 1 VersAusglG" (vgl Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drucks 16/11903, S 60 zu Nr 15). Danach ist in Verfahren über den Versorgungsausgleich, die vor dem Inkrafttreten der Reform eingeleitet worden sind, neben dem bis dahin geltenden Verfahrensrecht das materielle Recht zum Einmalausgleich weiterhin anzuwenden (zur umstrittenen Anwendung des Rentnerprivileg unter Geltung des neuen Rechts in den Sonderfällen des § 48 Abs 2 und 3 VersAusglG vgl Ruland, FamFR 2009, 37, 38; Borth, FamRZ 2010, 1210, 2013; Kuklok in GK-SGB VI, Stand Oktober 2022, § 268a RdNr 36; Göhde, FamFR 2010, 555, 557; Jenner in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand Juli 2022, § 268a RdNr 17 ff; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, SGB VI, Stand September 2010, § 268a RdNr 9).
28c) § 268a Abs 2 SGB VI schützt entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht generell das Vertrauen in den dauerhaften Fortbestand der bisherigen Rentenhöhe. Die durch das Rentnerprivileg gewährte Vergünstigung war seit jeher zeitlich begrenzt und reichte stets nur bis zum Beginn der Rentenleistung an den ausgleichsberechtigten Ehegatten. Das Ende lag mithin von vornherein außerhalb des Einflussbereichs des ausgleichsverpflichteten Ehegatten und hing von den individuellen Umständen des Einzelfalls ab. Dies galt auch zunächst im Fall des Klägers, nachdem das Verfahren über den Versorgungsausgleich bei Ehescheidung bereits vor dem eingeleitet worden war. Mangels Rentenbezugs der ausgleichberechtigten Ehefrau wurde deshalb bei der Erwerbsminderungsrente des Klägers der Abschlag aus dem Versorgungsausgleich mit Urteil des Familiengerichts vom (rechtskräftig seit ) zunächst noch nicht berücksichtigt, sodass der Kläger sogar noch mehrere Jahre bis zum vom Rentnerprivileg profitierte. Erst durch seinen im Juni 2015 beim Familiengericht gestellten Antrag auf Abänderung des Versorgungsausgleichs hat der Kläger selbst eine neue Rechtslage geschaffen.
293. Diesem Ergebnis steht Verfassungsrecht nicht entgegen.
30a) Ein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG ist nicht ersichtlich. Das BVerfG hat bereits entschieden, dass die Abschaffung des Rentner- bzw Pensionistenprivilegs nicht gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG verstößt, weil die Regelungen über den Versorgungsausgleich in mit dem GG grundsätzlich vereinbarer Weise Inhalt und Schranken des verfassungsrechtsrechtlichen Eigentums an Renten und Versorgungsanwartschaften bestimmen. Insbesondere das Prinzip des sofortigen und endgültigen Vollzugs des Versorgungsausgleichs ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Auch ist es verfassungsrechtlich zulässig, die Kürzung der Versorgungsbezüge nicht an den tatsächlichen Beginn des Rentenbezugs des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu koppeln (BVerfG Nichtannahmebeschluss vom - 1 BvR 1485/12 - juris RdNr 15 f mwN; zum Wegfall des Pensionistenprivilegs im BayBeamtVG siehe auch Bayerischer Verfassungsgerichthof Entscheidung vom - Vf. 17-VII-12).
31b) Ein vom Kläger geltend gemachter Verstoß gegen das Rückwirkungsgebot ist ebenfalls nicht gegeben. Mit § 268a Abs 2 SGB VI hat der Gesetzgeber schon nicht nachträglich in einen abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingegriffen, sodass eine sog echte Rückwirkung nicht in Betracht kommt (vgl zu den Anforderungen die stRspr des BVerfG; zB ua - BVerfGE 127, 1, 16 f; - BVerfGE 156, 354 = juris RdNr 134). Er hat es vielmehr mit § 268a Abs 2 SGB VI gerade für Altfälle, dh für alle den Versorgungsausgleich betreffenden Verfahren, die vor dem eingeleitet wurden und in denen die aufgrund des Versorgungsausgleichs zu kürzende Rente zu diesem Zeitpunkt bereits begonnen hat, bei dem alten Recht belassen. Diese Regelung kam auch dem Kläger zugute, bis er mit seinem im Jahr 2015 beim Familiengericht gestellten Antrag auf Abänderung des Versorgungsausgleichs selbst eine neue Rechtslage herbeiführte.
324. Der Erstattungsanspruch der Beklagten in Höhe von 820,08 Euro folgt aus § 50 Abs 1 und 3 SGB X. Die Höhe der Erstattung ergibt sich aus der Differenz des für die Zeit vom bis zum ursprünglich geleisteten Rentenzahlbetrags, der monatlich 1086,97 Euro betrug, und des neu berechneten Rentenzahlbetrags in Höhe von monatlich 881,95 Euro.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2024:220224UB5R1222R0
Fundstelle(n):
NAAAJ-72343