BGH Beschluss v. - 2 StR 493/23

Instanzenzug: LG Aachen Az: 68 KLs 11/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „Besitzes von in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln, jeweils in nicht geringer Menge, in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

32. Hingegen hat der Strafausspruch keinen Bestand, weil die Strafzumessung der Einzelstrafen – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs – durchgreifende Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten aufweist.

4a) Die Strafkammer hat in den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe sowohl bei der Strafrahmenwahl als auch bei der konkreten Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt, dass es sich bei Amphetamin zwar nicht um die „denkbar härteste, aber eine auch nicht weiche Droge“ handele. Damit hat die Strafkammer verkannt, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Amphetamin auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, weshalb die Gefährlichkeit des Stoffes keinen wesentlichen Strafschärfungsgrund darstellt (vgl. etwa , juris Rn. 13 mwN).

5b) Ebenso rechtsfehlerhaft ist die bei der Strafrahmenwahl und konkreten Strafzumessung in Fall II. 2 der Urteilsgründe strafschärfende Berücksichtigung des Umstands, dass es sich bei den in der Wohnung gelagerten Betäubungsmitteln „teils um harte Drogen, namentlich Ecstasy“ gehandelt habe. Auch diese Wertung steht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach Ecstasy mit dem Wirkstoff MDMA auf der Gefährlichkeitsskala der Betäubungsmittel einen mittleren Platz einnimmt (vgl. etwa , juris Rn. 9, jeweils mwN).

6c) Die Rechtsfehler führen zur Aufhebung der in den Fällen II. 1 und 2 der Urteilsgründe festgesetzten Einzelstrafen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtlich zutreffender Würdigung jeweils auf eine mildere Einzelstrafe erkannt hätte. Die Aufhebung der Strafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Da lediglich Wertungsfehler vorliegen, können die getroffenen Feststellungen bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO); sie können um ihnen nicht widersprechende ergänzt werden.

73. Das Urteil hat auch keinen Bestand, soweit das Landgericht nicht geprüft hat, ob gegen den Angeklagten die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) anzuordnen ist, obwohl dies nach den Urteilsfeststellungen veranlasst war.

8Danach konsumierte der Angeklagte seit seinem 15. Lebensjahr täglich mindestens einen Joint pro Tag, begann „vor etwa zwei Jahren unter Entstehen einer körperlichen Abhängigkeit Opiate einzunehmen“ und „vor etwa einem halben Jahr, Heroin zu rauchen“, so dass der Konsum von Betäubungsmitteln „für den Angeklagten zur Lebensform geworden [war]“. Zwei Tage vor der Hauptverhandlung begab er sich in ein Methadon-Programm. Zur Tatzeit lag der tägliche Marihuana-Bedarf des Angeklagten bei 3 bis 5 Gramm, der Bedarf an Amphetamin bei 1 bis 3 Gramm. Für den Konsum musste er monatlich etwa 1.000 Euro aufbringen, die er unter anderem durch den gewinnbringenden Weiterverkauf von Betäubungsmitteln an etwa zehn Bekannte generierte.

9Dies legt auch nach der gemäß § 2 Abs. 6 StGB i.V.m. § 354a StPO zum Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts maßgeblichen, zum in Kraft getretenen Neufassung des § 64 StGB nahe, dass die Tat auf einen Hang des Angeklagten zum übermäßigen Konsum berauschender Mittel zurückzuführen ist (zum Begriff des Hangs nach der Neuregelung vgl. , NStZ-RR 2024, 50; Beschluss vom – 3 StR 455/23, juris Rn. 17). Das Landgericht hätte daher prüfen müssen, ob die (weiteren) Voraussetzungen für die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gegeben sind.

10Die angezeigte Prüfung war auch nicht dadurch entbehrlich, dass das Landgericht im Urteil seine Zustimmung gemäß „§ 35 StPO“ – gemeint war offenbar § 35 BtMG – erklärt hat. Denn die Unterbringung nach § 64 StGB geht der Zurückstellung der Strafvollstreckung vor (vgl. etwa , NStZ-RR 2017, 283 f. mwN; BeckOK BtMG/Bohnen, 21. Ed., § 35 Rn. 16).

11Über die Frage der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb – unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO) – neu verhandelt und entschieden werden. Dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, hindert die Nachholung der Unterbringungsanordnung nicht (vgl. , juris Rn. 3; Beschluss vom – 1 StR 349/23, juris Rn. 6). Er hat die Nichtanordnung der Maßregel auch nicht von seinem Rechtsmittelangriff ausgenommen (vgl. , juris Rn. 10 mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:140224B2STR493.23.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-71869