BGH Beschluss v. - 4 StR 187/24

Instanzenzug: LG Detmold Az: 21 KLs 28/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Herstellens von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Zudem hat es eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Nach den Feststellungen führte der Angeklagte gemeinsam mit dem nicht revidierenden Mitangeklagten K.  auf einer „Marihuana-Indoor-Plantage“, die unbekannte Täter eingerichtet hatten, spätestens ab Mitte Juli bis zum die Aufzucht der Marihuanapflanzen sowie deren tägliche Pflege (Bewässerung, Sicherstellung ordnungsgemäßer Beleuchtung und Belüftung) durch. Beide nutzten hierfür über mehrere Wochen die in den Urteilsgründen näher beschriebenen technischen Anlagen der Plantage. Dabei waren ihnen die für deren Betrieb vorgenommenen baulichen Veränderungen an dem Gebäude bekannt, in dem sie für den Tatzeitraum zudem ihren Aufenthalt begründet hatten. Zu einer Ernte des Cannabis kam es bis zum Zugriff der Ermittlungsbehörden nicht.

32. Die auf die Sachrüge veranlasste Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuld- und zur Aufhebung des Strafausspruchs.

4a) Der Schuldspruch kann keinen Bestand haben. Dies gilt bereits deshalb, weil am das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) in Kraft getreten ist (BGBl. I Nr. 109), das der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB i.V.m. § 354a StPO zu berücksichtigen hat; nach der Neuregelung unterfällt der Umgang mit Cannabis nicht mehr dem BtMG, sondern allein dem – milderen – KCanG (vgl. Rn. 6 mwN; Beschluss vom – 6 StR 116/24 Rn. 2; Beschluss vom – 5 StR 1/24 Rn. 4).

5b) Das vom Landgericht festgestellte Tatgeschehen ist als verbotener Anbau von Cannabispflanzen (§ 34 Abs. 1 Nr. 2b) KCanG) zu bewerten.

6aa) Die Tathandlungen des § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber an die Begrifflichkeiten des BtMG angelehnt. Die in § 34 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 Nr. 2 KCanG beschriebene Tathandlung des „Anbaus“ ist daher grundsätzlich wie im Rahmen des BtMG auszulegen (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94). Demnach umfasst der Anbau von Cannabispflanzen in Form der Aufzucht sämtliche gärtnerischen oder landwirtschaftlichen Bemühungen, um ein Wachstum der Pflanzen zu erreichen (vgl. zum BtMG Rn. 8 mwN; 4 St RR 27/09 Rn. 38; OLG Dresden, NStZ-RR 1999, 372, 373; Weber in Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 54). Hierzu zählen etwa das Bewässern, Düngen und Belichten. Nach den Feststellungen hat der Angeklagte mithin durch die längere eigenhändige Bewirtschaftung der Plantage – insbesondere durch die regelmäßige Bewässerung der Marihuanapflanzen sowie die Sicherstellung ihrer Beleuchtung und Belüftung – die Begehungsvariante des Anbaus als (Mit-)Täter erfüllt (vgl. hierzu Rn. 8; Beschluss vom – 3 StR 118/22 Rn. 7 f.; jew. zum BtMG).

7Hingegen liegt kein Herstellen von Cannabis vor. Denn erst bei der dem Anbau folgenden Ernte könnte es sich um die Gewinnung des Cannabis im Sinne eines Herstellens handeln (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 4 BtMG; ferner Rn. 12 f.; Weber in Weber/Kornprobst/Maier, BtMG, 6. Aufl., § 2 Rn. 55 f. mwN; s. zum KCanG aber auch Sobota, NJW 2024, 1217 Rn. 9 ff.).

8bb) Der zugleich von dem Angeklagten täterschaftlich verwirklichte Besitz von mehr als drei lebenden Cannabispflanzen nach § 34 Abs. 1 Nr. 1c) KCanG tritt auf Konkurrenzebene zurück. Der Senat folgt daher dem Antrag des Generalbundesanwalts nicht, den Schuldspruch (allein) auf diesen Gesetzesverstoß umzustellen.

9Im Rahmen von § 34 KCanG hat sich auch die konkurrenzrechtliche Bewertung gegenüber den bisherigen Grundsätzen nicht geändert (vgl. Rn. 5). Hiervon ausgehend ist der verbotene Besitz von Cannabis ein Auffangtatbestand, der nur zum Tragen kommt, wenn sich der Umgang mit der Cannabismenge in Form umfassenderer Tatmodalitäten nicht nachweisen lässt (vgl. für den Besitz von Betäubungsmitteln etwa Rn. 14; Beschluss vom – 3 StR 210/22 Rn. 2; Beschluss vom – 3 StR 95/22 Rn. 6).

10Auch im vorliegenden Fall ist der Besitz von Cannabis subsidiär. Zwar wird im Rahmen des BtMG der Tatbestand des Anbaus durch den infolge der Sachherrschaft über die Pflanzen zugleich gegebenen Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verdrängt (vgl. nur Rn. 12; Beschluss vom – 5 StR 555/10 Rn. 12). Die Rechtfertigung hierfür liegt in diesem Fall aber darin, dass lediglich der mengenqualifizierte Besitz den Verbrechenstatbestand des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG erfüllt, während der Anbau insoweit nur als Vergehen (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG) ausgestaltet ist. Eine vergleichbare Konstellation besteht im Rahmen von § 34 KCanG nicht. Die Norm erfasst vielmehr in ihrem Grundtatbestand des Abs. 1 wie auch bei dem hier relevanten Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall nach § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG (nicht geringe Menge) den verbotenen Anbau von Cannabispflanzen. Daher ist nach den oben genannten Grundsätzen für einen Schuldspruch (auch) wegen verbotenen Besitzes von mehr als drei lebenden Cannabispflanzen kein Raum.

11cc) Der Senat hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO auf verbotenen Anbau von Cannabispflanzen umgestellt. Des Zusatzes „nicht zum Eigenkonsum“ bedurfte es im Tenor nicht. Ein privater Eigenanbau (vgl. dazu BT-Drucks. 20/8704, S. 101) kann nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, § 9 KCanG erlaubt sein. Insoweit ist daher die Überschreitung der zulässigen Anzahl angebauter Cannabispflanzen, die die Strafbarkeit nach § 34 Abs. 1 Nr. 2a) KCanG begründet, in den Tenor aufzunehmen (vgl. ). Erfolgt dies nicht, wird bereits dadurch hinreichend deutlich, dass der Anbau nicht dem Eigenkonsum diente. Dass sich die Tat auf Cannabis in nicht geringer Menge bezog (vgl. zum Grenzwert von 7,5 g THC näher Rn. 11 ff.; Beschluss vom – 1 StR 106/24 Rn. 7 ff.), stellt lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 KCanG), das im Schuldspruch keinen Ausdruck findet. Der Schuldspruchänderung steht § 265 StPO nicht entgegen, weil sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

12c) Der Strafausspruch kann keinen Bestand haben, weil der Strafrahmen des § 34 Abs. 3 KCanG gegenüber § 29a Abs. 1 BtMG milder ist. Der Aufhebung von Feststellungen bedarf es insoweit nicht (vgl. § 353 Abs. 2 StPO).

133. Eine Erstreckung der Urteilsaufhebung auf den nicht revidierenden Mitangeklagten gemäß § 357 Satz 1 StPO kommt nicht in Betracht. Denn die Aufhebung beruht nicht auf einer Gesetzesverletzung bei Erlass des Urteils, sondern auf einer nachträglichen Rechtsänderung (vgl. Rn. 3 mwN; Urteil vom – 1 StR 358/64, BGHSt 20, 77). Diese hatte der Senat als das mildere Gesetz der Überprüfung des Schuldspruchs zugrunde zu legen. Die zugehörigen Feststellungen hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei getroffen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:170624B4STR187.24.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-71789