BGH Beschluss v. - 3 StR 45/24

Instanzenzug: LG Osnabrück Az: 4 KLs 74/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt sowie die Einziehung des Wertes von Taterträgen angeordnet. Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die nicht ausgeführte allgemeine Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende materiellrechtliche Nachprüfung des Urteils hat insofern, als der Angeklagte im Fall B. 4. der Urteilsgründe wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und im Fall B. 8. der Urteilsgründe wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt worden ist, keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben.

32. Dagegen hält die Verurteilung des Angeklagten in den drei Fällen B. 1., B. 6. und B. 7. der Urteilsgründe der revisionsrechtlichen Kontrolle nicht stand.

4a) Nach den insgesamt rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen vermittelte der Angeklagte im Fall B. 1. der Urteilsgründe den Verkauf von einem Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von 100 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC). Zudem verkaufte er gewinnbringend eineinhalb Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 165 Gramm THC (Fall B. 6. der Urteilsgründe). Ferner verständigte er sich mit einem Abnehmer über den gewinnbringenden Verkauf von drei Kilogramm Marihuana mit einer Wirkstoffmenge von mindestens 150 Gramm THC; zur Durchführung der vereinbarten Lieferung kam es jedoch letztlich nicht (Fall B. 7. der Urteilsgründe).

5b) Der Schuldspruch in diesen Fällen (wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge sowie Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen) hat keinen Bestand, weil das Landgericht den Angeklagten für seinen Umgang mit Marihuana - entsprechend der zum Urteilszeitpunkt geltenden Rechtslage - nach dem Betäubungsmittelgesetz verurteilt hat. Am ist jedoch das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz - KCanG) vom in Kraft getreten (BGBl. 2024 I Nr. 109). Diese Rechtsänderung hat der Senat gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO zu berücksichtigen. Nach der Neuregelung unterfällt Cannabis nicht mehr dem Betäubungsmittelgesetz, sondern bestimmt sich die Strafbarkeit der hier zu beurteilenden Taten nach dem Konsumcannabisgesetz (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 1/24, juris Rn. 4; vom - 6 StR 24/24, juris Rn. 5).

6Unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes sind die Fälle B. 6. und B. 7. als Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG) und der Fall B. 1. als Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB) zu werten. Bei Marihuana handelt es sich um ein Produkt der Cannabispflanze, das nach den Begriffsbestimmungen dieses Gesetzes als „Cannabis“ erfasst wird (§ 1 Nr. 4 KCanG). Die Tathandlungen des § 34 Abs. 1 KCanG hat der Gesetzgeber ausdrücklich an die Begrifflichkeiten des Betäubungsmittelgesetzes angelehnt (vgl. BT-Drucks. 20/8704, S. 94). Handeltreiben mit Cannabis im Sinne von § 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG ist daher - entsprechend dem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (vgl. hierzu , juris Rn. 5 mwN) - jede eigennützige, auf den Umsatz von Cannabis gerichtete Tätigkeit. Ein (vollendetes) Handeltreiben liegt nicht erst vor, wenn es tatsächlich zu einem Cannabisumsatz kommt, sondern schon dann, wenn der Täter hierauf gerichtete konkrete Bemühungen entfaltet, etwa ernsthafte Ver- oder Ankaufsverhandlungen bezogen auf ein bestimmtes Umsatzgeschäft führt. Daher ist auch im Fall B. 7. der Urteilsgründe, in dem der vereinbarte Verkauf letztlich scheiterte, ein vollendetes Handeltreiben mit Cannabis gegeben. Dass sich die Taten auf Cannabis in nicht geringer Menge bezogen - diese ist auch unter dem Konsumcannabisgesetz bei einer Wirkstoffmenge von 7,5 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) erreicht (BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 153/24, juris Rn. 11 ff.; vom - 1 StR 106/24, juris Rn. 7 ff.; ebenso , juris Rn. 7) - und der Angeklagte ausweislich der Feststellungen gewerbsmäßig handelte, stellt lediglich jeweils ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 4 KCanG), der im Schuldspruch nicht zum Ausdruck zu bringen ist (vgl. , juris Rn. 5; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN).

7Die neue Rechtslage unter dem Konsumcannabisgesetz ist bei dem nach § 2 Abs. 3 StGB gebotenen konkreten Gesamtvergleich im Einzelfall (st. Rspr.; vgl. , NZWiSt 2024, 187 Rn. 70; vom - 5 StR 372/21, BGHSt 67, 130 Rn. 12 f. mwN; Beschluss vom - 3 StR 363/82, NStZ 1983, 80; Urteil vom - 3 StR 32/64, BGHSt 20, 74, 75; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 2 Rn. 9 f.; Schönke/Schröder/Hecker, StGB, 30. Aufl., § 2 Rn. 28 ff. mwN) angesichts der milderen einschlägigen Strafrahmen für den Angeklagten günstiger als die nach dem Tatzeitrecht (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG); sie ist daher gemäß § 2 Abs. 3 StGB in Verbindung mit § 354a StPO maßgeblich.

8c) Der Senat ändert den Schuldspruch deshalb in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO wie aus der Beschlussformel ersichtlich. Die Regelung des § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, weil sich der umfassend geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.

93. Die in den Fällen B. 1., B. 6. und B. 7. festgesetzten Einzelstrafen bedürfen der Aufhebung, weil § 34 Abs. 3 KCanG einen erheblich milderen Strafrahmen vorgibt als § 29a Abs. 1 BtMG. Es ist ungeachtet der - unter dem Konsumcannabisgesetz nicht mehr statthaften (vgl. , juris Rn. 5) - strafmildernden Berücksichtigung der im Vergleich zu anderen Drogen minderen Gefährlichkeit von Cannabis („weiche Droge“) durch das Landgericht nicht auszuschließen, dass die Strafkammer bei Anwendung des einschlägigen Strafrahmens des Konsumcannabisgesetzes niedrigere Einzelstrafen gegen den Angeklagten verhängt hätte (§ 337 Abs. 1 StPO). Die Einzelstrafen sind daher neu zu bemessen. Dies zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.

10Einer Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 Abs. 2 StPO). Soweit die Strafkammer zu Gunsten des Angeklagten gewertet hat, dass es sich bei Marihuana um eine weiche Droge handele, und damit einen unter der Geltung des Konsumcannabisgesetzes nicht mehr statthaften Strafzumessungsgrund herangezogen hat, handelt es sich um eine bloße Wertung und keine Tatsachenfeststellung. Das zur neuen Verhandlung und Entscheidung berufene Tatgericht kann ergänzende Feststellungen treffen, soweit diese den bisherigen nicht widerstreiten.

114. Die Einziehungsentscheidung ist frei von Rechtsfehlern; sie wird von der geänderten Rechtslage unter dem Konsumcannabisgesetz nicht berührt.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:140524B3STR45.24.0

Fundstelle(n):
NAAAJ-70924