Steuerrechtliche Behandlung von Aufwendungen der Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter des Landes Schleswig-Holstein der Laufbahngruppen 1.2 (LG 1.2) und 2.1 (LG 2.1) und Aufstiegsbeamtinnen und Aufstiegsbeamte aus LG 1.2 nach LG 2.1
Einkommensteuer-Kurzinformation Nr. 2024/6
Bezug: BStBl 2020 I S. 1228
Bezug: BStBl 2023 I S. 71
Die Einstellungen von Polizeianwärterinnen und Polizeianwärtern in den Vorbereitungsdienst erfolgt auf Widerruf in die Laufbahngruppe 1.2 bzw. 2.1. Sie können in diesem Widerrufsverhältnis nicht abgeordnet werden, da sie weder ein Amt im abstrakt-funktionellen noch im konkret-funktionellen Sinne innehaben. Diese Anwärterinnen und Anwärter haben lediglich aus Gründen der Personalbewirtschaftung ihre Stammdienststelle bei der Polizeidienststelle für Aus- und Fortbildung und für die Bereitschaftspolizei in Eutin (PD AFB Eutin). Sie werden ab den Einstellungen 2023 durch ein Einberufungsschreiben einem ersten Dienstort zugeordnet (steuerrechtlich: erste Tätigkeitsstätte). Alle weiteren Dienstorte, an denen die Anwärterinnen und Anwärter während ihrer Ausbildung tätig werden, werden nach Aushändigung von (zeitlich befristeten) Dienstortzuweisungen von diesen aufgesucht (steuerrechtlich: beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit).
1. Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter der LG 1.2 (Berufseinsteiger)
Die Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter der LG 1.2 werden durch ein Einberufungsschreiben der PD AFB Eutin zugeordnet (erster Dienstort). Infolgedessen haben sie dort ihre erste Tätigkeitsstätte.
In Rahmen der Einkommensteuerveranlagung können die Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und der PD AFB Eutin nur mit der Entfernungspauschale als Werbungskosten berücksichtigt werden.
Für die Ausbildungsabschnitte in der PD AFB Eutin haben die Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter Anspruch auf amtlich unentgeltliche Unterbringung und verbilligte Verpflegung. Insoweit können für Unterbringung und für Verpflegung keine Werbungskosten berücksichtigt werden; nur in den Fällen der doppelten Haushaltsführung können Werbungskosten in Höhe der Zuzahlungen berücksichtigt werden.
Ob und inwieweit die Gestellung von unentgeltlicher Unterbringung und verbilligter Verpflegung als geldwerter Vorteil lohnsteuerlich zu erfassen ist oder Zuzahlungen als Werbungskosten abzugsfähig sind, ist davon abhängig, ob den Polizeianwärterinnen und Polizeianwärtern Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung entstanden wären oder entstanden sind, die als Werbungskosten nach R 9.11 LStR 2023 abziehbar wären oder abziehbar sind.
Bei Polizeianwärterinnen und Polizeianwärtern der LG 1.2 (Berufseinsteiger) wird für die verpflichtende Teilnahme an der Gemeinschaftsverpflegung in der PD AFB Eutin eine Vorauszahlungspauschale von 120,00 Euro vom Nettogehalt einbehalten. Die Verpflegungspreise für die Pflichtteilnehmerinnen und -teilnehmer betragen in 2023 für Frühstück 1,50 Euro, für Mittagessen 3,00 Euro und für Abendessen 2,00 Euro. Die Abrechnung erfolgt halbjährig nach Mitteilung der PD AFB Eutin durch das Dienstleistungszentrum Personal des Landes Schleswig-Holstein (DLZP SH). Für die steuerrechtliche Beurteilung maßgebend sind die gezahlten Verpflegungspreise für die Pflichtteilnehmerinnen und -teilnehmer nach Endabrechnung durch das DLZP SH.
Fallkonstellation: keine doppelte Haushaltsführung
Die Gestellung verbilligter Mahlzeiten ist ab Aufnahme der Beschäftigung an der ersten Tätigkeitsstätte mit dem Differenzbetrag zwischen den amtlichen Sachbezugswerten und den von den Polizeianwärterinnen und Polizeianwärtern gezahlten Verpflegungspreisen zu versteuern. Die Zuzahlungen zu den Mahlzeiten dürfen nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Der Wert der Mahlzeiten, die im Kalenderjahr 2023 gewährt werden, ist dem BStBl I 2023 S. 71 zu entnehmen.
Die Gestellung unentgeltlicher Unterbringung ist ab Aufnahme der Beschäftigung an der ersten Tätigkeitsstätte mit den amtlichen Sachbezugswerten zu versteuern. Der Wert der Unterkunft bei Angehörigen der Polizei des Landes Schleswig-Holstein, die im Kalenderjahr 2023 gewährt wird, ist dem Er-lass des FM SH vom – VI 302 – S 2334 – 1754/2023 zu entnehmen.
Fallkonstellation: doppelte Haushaltsführung
Liegt eine doppelte Haushaltsführung vor, ist die Gestellung von unentgeltlicher Unterkunft und verbilligter Verpflegung nicht als geldwerter Vorteil lohnsteuerlich zu erfassen, soweit entsprechende Aufwendungen der oder des Beschäftigten nach R 9.11 LStR 2023 als Werbungskosten abziehbar wären.
Daher ist die Gestellung von verbilligter Verpflegung im selben Ausbildungsabschnitt in der PD AFB Eutin nach Ablauf von drei Monaten mit dem Differenzbetrag zwischen den amtlichen Sachbezugswerten und den von den Polizeianwärterinnen und Polizeianwärtern gezahlten Verpflegungspreisen zu versteuern. Nach Ablauf der Dreimonatsfrist dürfen die Zuzahlungen zu den Mahlzeiten nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Innerhalb der Dreimonatsfrist dürfen die Zuzahlungen zu den Mahlzeiten hingegen als Werbungskosten abgezogen werden (§ 9 Absatz 4a Satz 10 EStG). Für die Abziehbarkeit von Verpflegungsmehraufwendungen als Werbungskosten und den Ablauf der Dreimonatsfrist gelten dieselben Grundsätze wie bei Dienstreisen (§ 9 Absatz 4a Satz 12 EStG). Es Bei Berechnung der Dreimonatsfrist ist eine rein zeitliche Bemessung der Unterbrechungsregelung vorzunehmen. Eine Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte führt zu einem Neubeginn der Dreimonatsfrist, wenn sie mindestens vier Wochen dauert. Der Grund der Unterbrechung ist unerheblich; es zählt nur die Unterbrechungsdauer.
Die Fachausbildung findet außer in der PD AFB Eutin noch in einer Dienststelle des polizeilichen Einzeldienstes in Schleswig-Holstein statt. Diesem Dienstort wird die oder der Beschäftigte (zeitlich befristet) zugewiesen. Hier handelt es sich um eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit, so dass die oder der Beschäftigte Werbungskosten nach Reisekostengrundsätzen geltend machen kann. Hat die oder der Beschäftigte vom Arbeitgeber ggf. Reisekostenvergütungen oder Trennungsgeldentschädigungen steuerfrei erstattet bekommen, sind diese auf die Werbungskosten anzurechnen.
Im Ausbildungsabschnitt der Fachausbildung, die außerhalb der PD AFB Eutin durchgeführt worden ist, haben die Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter keinen Anspruch auf amtlich unentgeltliche Unterbringung und verbilligte Verpflegung.
2. Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter der LG 2.1 (Berufseinsteiger)
Die Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter der LG 2.1 werden durch ein Einberufungsschreiben der Fachhochschule für Verwaltung und Dienstleistungen in Altenholz (FHVD Altenholz) zugeordnet (erster Dienstort). Infolgedessen haben sie dort ihre erste Tätigkeitsstätte.
In Rahmen der Einkommensteuerveranlagung können die Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und der FHVD Altenholz nur mit der Entfernungspauschale als Werbungskosten berücksichtigt werden. Darüber hinaus können nur Werbungskosten berücksichtigt werden, wenn Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung entstanden sind (R 9.11 LStR 2023). Für die Semester an der FHVD Altenholz wird seitens des Arbeitgebers weder Trennungsgeld gezahlt noch unentgeltliche Unterkunft und Verpflegung gestellt.
Das Grundpraktikum findet bei der PD AFB Eutin und das Hauptpraktikum in einer Dienststelle des polizeilichen Einzeldienstes in Schleswig-Holstein statt. Diesen Dienstorten wird die oder der Beschäftigte (zeitlich befristet) zugewiesen. Hier handelt es sich um eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit, so dass die oder der Beschäftigte Werbungskosten nach Reisekostengrundsätzen geltend machen kann. Hat die oder der Beschäftigte vom Arbeitgeber ggf. Reisekostenvergütungen und Trennungsgeldentschädigungen steuerfrei erstattet bekommen, sind diese auf die Werbungskosten anzurechnen.
Im Ausbildungsabschnitt „Grundpraktikum“ in der PD AFB Eutin haben die Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter einen Anspruch auf amtlich unentgeltliche Unterbringung und Verpflegung. Hier unterbleibt bis zu drei Monaten die Versteuerung der unentgeltlich zur Verfügung gestellten Mahlzeiten, da die oder der Beschäftigte für die auswärtige Tätigkeit Verpflegungspauschalen als Werbungskosten abziehen könnte. Durch den Besteuerungsverzicht können keine Werbungskosten berücksichtigt werden. Die Gestellung von unentgeltlicher Verpflegung im selben Ausbildungsabschnitt führt nach Ablauf von drei Monaten zur Versteuerung mit den amtlichen Sachbezugswerten. Für den Ablauf der Dreimonatsfrist ist eine rein zeitliche Bemessung der Unterbrechungsregelung vorzunehmen. Eine Unterbrechung der beruflichen Tätigkeit an derselben Tätigkeitsstätte führt zu einem Neubeginn der Dreimonatsfrist, wenn sie mindestens vier Wochen dauert. Der Grund der Unterbrechung ist unerheblich; es zählt nur die Unterbrechungsdauer.
Die Unterkunftskosten wären vollumfänglich als Werbungskosten im Rahmen der Auswärtstätigkeit abziehbar. Auch hier erfolgt ein Besteuerungsverzicht. In der Folge können keine Werbungskosten berücksichtigt werden.
Im Ausbildungsabschnitt „Hauptpraktikum“ in einer Dienststelle des polizeilichen Einzeldienstes in Schleswig-Holstein haben die Polizeianwärterinnen und Polizeianwärter keinen Anspruch auf amtlich unentgeltliche Unterbringung und Verpflegung.
3. Aufstiegsbeamtinnen und Aufstiegsbeamte aus der LG 1.2 nach LG 2.1
Aufstiegsbeamtinnen und Aufstiegsbeamte werden im Regelfall ausschließlich aus personalwirtschaftlichen Gründen an die PD AFB Eutin versetzt. Sie haben dort ihre (neue) Stammdienststelle. Diese Dienststelle ist für die gesamte Ausbildungszeit ihre Stammdienststelle. Da die Zuordnung zur (neuen) Stammdienststelle ausschließlich aus personalwirtschaftlichen Gründen erfolgt, ist die PD AFB Eutin in diesen Fällen steuerrechtlich keine erste Tätigkeitsstätte i. S. d. § 9 Absatz 4 EStG (vgl. Rn. 7 des BStBl 2020 I S. 1228).
Im Zuge der Versetzung erfolgt dienstrechtlich unmittelbar eine Abordnung zur FHVD Altenholz. Für die Zeit der Abordnung an die FHVD Altenholz haben Aufstiegsbeamtinnen und Aufstiegsbeamte eine beruflich veranlasste Auswärtstätigkeit.
Nach § 11 Absatz 3 der Landesverordnung über die Laufbahnen der Polizei im Lande Schleswig-Holstein (Polizeilaufbahnverordnung – PolLVO) leisten Aufstiegsbeamtinnen und Aufstiegsbeamte im Regelaufstieg eine 18-monatige Qualifizierungsmaßnahme ab, die drei fachtheoretische Semester/Studienabschnitte an der FHVD Altenholz umfasst. Das 18-monatige Studium ist nicht modular ausgerichtet und erfolgt in Vollzeit. Es gibt keine Unterbrechungszeiten (außer Urlaub). In weiteren Dienststellen werden sie während der Ausbildungszeit nicht tätig. Erst nach Ableistung des Studiums werden die verbeamteten Personen wieder dem polizeilichen Einzeldienst auf freie Planstellen durch Versetzung zugewiesen.
Die steuerrechtlichen Folgen der Abordnung (entspricht in Tz. 1 und 2 der dienstrechtlichen Zuweisung) ergeben sich aus Tz. 1 oder Tz. 2.
Es gibt allerdings besonders gelagerte Fallkonstellationen, in denen Aufstiegsbeamtinnen und Aufstiegsbeamte eine erste Tätigkeitsstätte i. S. d. § 9 Absatz 4 EStG an der PD AFB Eutin haben. Aufgrund besonderer polizeilicher Einsatzlagen (z. B. G 20-Gipfel, Protestcamps) können Aufstiegsbeamtinnen und Aufstiegsbeamte unter Zurückstellung ihres Studiums an die PD AFB Eutin abberufen werden, um von dort aus polizeiliche Einsätze wahrzunehmen. In derartigen Fallkonstellationen werden die Aufstiegsbeamtinnen und Aufstiegsbeamte zumindest im geringen Umfang auch an der PD AFB Eutin tätig und haben somit dort ihre erste Tätigkeitsstätte.
4. Regelungen bis Veranlagungszeitraum 2022 (VZ 2022)
In den vergangenen Jahren sind aufgrund der Hygienevorschriften in der Corona-Pandemie abweichende Festlegungen in Bezug auf den ersten Dienstort getroffen worden. In einzelnen Ausbildungsabschnitten – dies gilt auch für die Ausbildungsabschnitte in der PD AFB Eutin und in der FVHD Altenholz - ist die Aufnahme der Tätigkeit ausschließlich nach Aushändigung von (zeitlich befristeten) Dienstortzuweisungen erfolgt. Bis einschließlich VZ 2022 müssen daher – unter Beachtung der RMS-Grundsätze – Unterlagen zur Prüfung der Zuordnung oder der Zuweisung zum jeweiligen Dienstort angefordert werden (Kopien des Einberufungsschreibens, der Verfügungen zu den Dienstortzuweisungen). Anhand dieser Unterlagen ist zu entscheiden, ob eine erste Tätigkeitsstätte i. S. d. § 9 Absatz 4 EStG oder Auswärtstätigkeit i. S. d. § 9 Absatz 4a Satz 2 EStG vorliegt.
Finanzministerium des Landes
Schleswig-Holstein v. - VI 308-S 2353-128
Fundstelle(n):
OAAAJ-70873