BVerwG Beschluss v. - 2 B 24/23

Entfernung aus dem Beamtenverhältnis; Verbreitung der Privatmeinung zum Corona-Krisenmanagement

Leitsatz

Beamte können sich hinsichtlich ihrer dienstlichen Tätigkeit nicht auf die Grundrechte berufen. Sie dürfen ihre private Auffassung nicht als dienstliche Stellungnahme kennzeichnen.

Gesetze: § 60 Abs 1 S 2 BBG 2009, § 62 Abs 1 S 2 BBG 2009, § 63 Abs 2 S 1 BBG 2009, § 52 Abs 1 S 2 BDG vom , § 55 Abs 3 BDG vom , § 65 Abs 2 BDG vom , § 108 Abs 1 S 1 VwGO, Art 4 Abs 1 GG

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: 82 D 2/22 Urteilvorgehend Az: 85 K 7/21 OB

Gründe

1Der Beklagte wendet sich gegen seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

21. Der ... geborene Beklagte, ein Diplom-Politologe, steht als Oberregierungsrat (Besoldungsgruppe A 14 BBesO) im Dienst der klagenden Bundesrepublik und wird beim Bundesministerium des Innern und für Heimat verwendet. Er war seit Mitte 2013 im Referat "B" tätig. Mit E-Mail vom versandte der Beklagte an den Leiter und weitere Mitarbeiter seines Referats einen "1. Zwischenbericht zur Bewertung der Coronakrise aus der Perspektive Grundsatzfragen des Schutzes kritischer Infrastrukturen", in dem er die Auffassung vertrat, die Schutzmaßnahmen vor dem Virus drohten zu einer eigenen, ernsthaften Bedrohung der kritischen Infrastrukturen zu werden. Der Referatsleiter teilte dem Beklagten daraufhin mit, dass er keinen dienstlichen Bezug der Ausführungen zum Referat sehe und forderte ihn auf, die Überlegungen nicht als Auffassung des Referats zu kennzeichnen und nur im eigenen Namen zu transportieren. Nachdem sich der Beklagte mit seinem Anliegen an den Abteilungsleiter gewandt hatte, wies sein Referatsleiter ihn darauf hin, dass er nicht den Eindruck erwecken dürfe, er handle im Rahmen seiner dienstlichen Tätigkeit im Referat, und dass er etwaige Ausführungen als private Meinung zu kommunizieren habe. Nach einem erneuten Vorstoß des Beklagten wies ihn der Referatsleiter mit E-Mail vom ausdrücklich an: "Nochmals: Sie können mich in Ihrer Funktion als Referent beraten. Sie können und dürfen nicht aus dem Referat heraus und für das Referat im eigenen Namen agieren." Allerdings nahm das Referat des Beklagten dessen Bericht in die vom Krisenstab des Ministeriums erbetene Liste der vom Referat aus Anlass der Corona-Lage erstellten Arbeiten auf, jedoch mit dem Hinweis, dass es sich um eine ausschließlich vom Beklagten als Politologen erstellte, nur interne Analyse handele. Ende April 2020 übermittelte der Beklagte dem Leiter des Ministerbüros die "Aufarbeitung seiner Arbeitsergebnisse zu Fehlentwicklungen beim Krisenmanagement in der Coronakrise" und bat, diese dem Minister vorzulegen. Der Leiter des Ministerbüros lehnte eine Weitergabe ab und bot ein persönliches Gespräch in der kommenden Woche an. Da der Beklagte die Weitergabe seiner Erwägungen als "zeitkritisch" ansah und sein Referatsleiter ihm mitgeteilt hatte, dass ihm mit Wirkung vom 1. Mai eine andere Aufgabe übertragen worden sei, wandte sich der Beklagte erneut an den Abteilungsleiter. Dieser teilte ihm mit E-Mail vom mit, er könne nicht erkennen, warum die Ausarbeitung einer zeitkritischen Betrachtung unterliegen solle. Er sei auch nicht bereit, ein Papier anzunehmen, das vom früheren Referatsleiter nicht akzeptiert und referatsintern nicht abgestimmt worden sei. Er wies den Beklagten abschließend an, den Dienstweg einzuhalten und auf den neuen Referatsleiter, der in Kürze seinen Dienst antreten werde, zu warten.

3Am , der in Berlin ein Feiertag war, übermittelte der Beklagte seinem Abteilungsleiter einen überarbeiteten Auswertungsbericht und teilte diesem mit, es handle sich um eine offiziell im Referat abgestimmte Version. Gleichzeitig teilte er mit, da er Gefahr im Verzug sehe, werde er als gegenwärtiger Vertreter der Referatsleitung dem Krisenstab eine Zusammenfassung seiner Arbeitsergebnisse zukommen lassen. Vier Minuten später versandte der Beklagte die von ihm ausgearbeitete "Analyse des Corona-Krisenmanagements" an einen E-Mail-Verteiler, der sowohl Funktions- als auch persönliche E-Mail-Adressen des Bundesinnenministeriums enthielt; der "Analyse" war schlagwortartig vorangestellt "gravierende Fehlleistungen des Krisenmanagements", "Defizite im Regelungsrahmen für Pandemien" und "Coronakrise erweist sich wohl als Fehlalarm". Der neunseitigen Kurzfassung der Analyse waren ein 83-seitiger "Auswertungsbericht des Referats B (BMI)" mit dem Titel "Coronakrise 2020 aus Sicht des Schutzes kritischer Infrastrukturen, Auswertung der bisherigen Bewältigungsstrategie und Handlungsempfehlungen" und ein Anlagenband beigefügt. Anschließend übersandte der Beklagte die vorstehende E-Mail unter dem Absender "B" an verschiedene E-Mail-Adressen nachgeordneter Bundes- und Landesbehörden.

4Mit Pressemitteilung vom wies die Klägerin darauf hin, dass ein Mitarbeiter unter Verwendung des BMI-Briefkopfes und der dienstlichen Kommunikationskanäle seine Privatmeinung zum Corona-Krisenmanagement der Bundesregierung verbreitet habe. Die Ausarbeitung sei außerhalb seiner Zuständigkeit sowie ohne Auftrag und Autorisierung erfolgt. Am untersagte die Klägerin dem Beklagten die Führung der Dienstgeschäfte und erteilte ihm ein Hausverbot.

5In dem daraufhin eingeleiteten Disziplinarverfahren hat die Klägerin Ende Mai 2021 Disziplinarklage wegen des Vorwurfs erhoben, der Beklagte habe Ausarbeitungen zur Corona-Krise während seiner Dienstzeit erstellt, obwohl er dafür nicht zuständig gewesen und hierauf auch mehrfach hingewiesen worden sei. Zudem habe er sich mit seinem Papier, in dem er schwerwiegende Defizite der Bundesregierung bei der Bewältigung der Corona-Pandemie moniert habe, das jedoch keinen Bezug zur kritischen Infrastruktur aufweise, an die Öffentlichkeit gewandt.

6Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Aufgrund der konkreten Umstände könne zwar nicht festgestellt werden, dass der Beklagte für die Ausarbeitungen nicht zuständig gewesen sei und diese entgegen der Weisung seiner Vorgesetzten in der Dienstzeit erstellt habe. Der Bezug der Ausarbeitungen des Beklagten zu den kritischen Infrastrukturen sei allerdings nur sehr gering ausgeprägt gewesen. Der Beklagte sei jedoch jedenfalls nicht berechtigt gewesen, seine Ausführungen entgegen den Weisungen seiner Vorgesetzten im Namen des Referats in zwei aufeinanderfolgenden E-Mails an weitere Stellen im Bundesministerium und in den Ländern zu versenden. Der Beklagte habe damit nicht nur gegen die ihm obliegende Folgepflicht, sondern auch gegen seine Pflicht zur Loyalität gegenüber der eigenen Behörde verstoßen. Kontroverse Einschätzungen dürften nicht im Namen der Dienststelle unter Umgehung des Dienstwegs an einen breiten Adressatenkreis innerhalb der Behörde selbst und darüber hinaus an andere Behörden übermittelt werden. Durch den Inhalt und die Wortwahl habe der Beklagte gegen seine Pflicht zur Loyalität sowie die Pflicht zur politischen Mäßigung und zu einem achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten verstoßen.

72. Die allein auf Verfahrensmängel (§ 69 BDG und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde des Beklagten ist unbegründet.

8a) Die der Sache nach erhobene Rüge, die "Zusammenfassung der Analyseergebnisse" sowie die 83-seitige schriftliche Ausarbeitung, die der Beklagte mit den E-Mails vom versandt hat, hätten vollständig Gegenstand der Disziplinarklageschrift sein und das Oberverwaltungsgericht hätte der Klägerin zur Beseitigung dieses wesentlichen Mangels nach § 65 Abs. 2 und § 55 Abs. 3 Bundesdisziplinargesetz (im Folgenden: BDG a. F.) i. d. F. der Bekanntmachung vom (BGBl. I S. 1510), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 62 der Elften Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom (BGBl. I S. 1328) eine Frist setzen müssen, ist unbegründet. Die Disziplinarklageschrift vom genügt insoweit den Anforderungen des § 52 Abs. 1 Satz 2 BDG a. F.

9Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die Klageschrift die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird sowie die weiteren Tatsachen und Beweismittel, die für die Entscheidung bedeutsam sind, geordnet darstellen muss. Die Sachverhalte, aus denen das Dienstvergehen hergeleitet wird, müssen aus sich heraus verständlich geschildert werden. Ort und Zeit der einzelnen Handlungen müssen möglichst genau angegeben sowie die Geschehensabläufe nachvollziehbar beschrieben werden. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich der Beamte gegen die disziplinarischen Vorwürfe sachgerecht verteidigen kann. Auch tragen die gesetzlichen Anforderungen an die Klageschrift dem Umstand Rechnung, dass sie Umfang und Grenzen der gerichtlichen Disziplinarbefugnis festlegt. Denn gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 BDG a. F. dürfen nur Handlungen zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht werden, die dem Beamten in der Klage oder der Nachtragsklage als Dienstvergehen zur Last gelegt worden sind ( 2 A 3.05 - Buchholz 235.1 § 52 BDG Nr. 4 Rn. 27 f. und Beschlüsse vom - 2 B 59.11 - juris Rn. 5 m. w. N. und vom - 2 B 27.12 - Rn. 14 f.).

10Die Disziplinarklageschrift der Klägerin entspricht diesen Vorgaben. Aus der Klageschrift (S. 29 ff.) geht bei verständiger Lektüre in der erforderlichen Klarheit hervor, dass die Klägerin dem Beklagten nicht lediglich die Passagen aus dessen Ausarbeitungen anlastet, die in der Klageschrift wörtlich wiedergegeben sind. Vielmehr wird deutlich, dass sie dem Beklagten zur Last legt, er habe am seine Überlegungen mit den Bezeichnungen "B Analyse des Krisenmanagements (Kurzfassung)" und "Auswertungsbericht des Referat B (BMI), /" mit dem Az. ... mit einem Umfang von 83 Seiten und den dazugehörenden Anlagen um 14:35 Uhr an einen internen E-Mail Verteiler des Bundesinnenministeriums und um 15:34 Uhr an Dienststellen für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe außerhalb des Bundesinnenministeriums versandt. Dem Beklagten, der die Erstellung und die mehrfache Versendung dieser Ausarbeitungen in der Gestalt des in der Disziplinarakte befindlichen Ausdrucks (z. B. Heft 1, S. 66 ff.) nicht bestritten hat, war damit deutlich vor Augen geführt, dass ihm auch insoweit eine Verletzung seiner Dienstpflichten vorgeworfen wird. Die Akte des Disziplinarvorgangs (sechs Hefte) hat das Oberverwaltungsgericht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

11b) Die Beschwerde legt auch keinen Verstoß des Oberverwaltungsgerichts gegen den Überzeugungsgrundsatz nach § 108 Abs. 1 VwGO dar.

12Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Freiheit, die der Überzeugungsgrundsatz dem Tatsachengericht zugesteht, bezieht sich nicht auf die Auslegung des anzuwendenden Rechts, sondern auf die Bewertung der für die Feststellung des Sachverhalts maßgebenden Umstände ( 6 B 11.03 - Buchholz 448.0 § 9 WPflG Nr. 17). § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO verlangt, dass das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde legt. Daraus erwächst die Verpflichtung des Tatrichters, der Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Tatsachengericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist ( 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339 f.> und vom - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.> und Beschluss vom - 2 B 9.16 - juris Rn. 17). Dagegen ist die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung durch das Tatsachengericht nicht schon dann in Frage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht.

13aa) Unbegründet ist die im Hinblick auf § 108 Abs. 1 VwGO in mehrfachen Facetten erhobene Rüge, durch die unzureichende Einbeziehung der vom Beklagten am per E-Mail versandten Ausarbeitungen in die Disziplinarklageschrift habe das Oberverwaltungsgericht das Handeln des Beklagten nicht umfassend gewürdigt, weil ihm dies bereits verfahrensrechtlich verwehrt gewesen sei.

14Der genaue Gehalt der Kurzfassung wie auch des Auswertungsberichts mit 83 Seiten, in denen der Beklagte seine nachhaltige Kritik am bisherigen Management der Bundesregierung im Zuge der Corona-Pandemie gegenüber anderen Dienststellen des Bundesinnenministeriums sowie zahlreichen weiteren Behörden im Bundes- wie im Länderbereich zum Ausdruck gebracht hat, konnte vom Oberverwaltungsgericht eingehend disziplinarrechtlich gewürdigt werden, weil die Versendung dieser Berichte, wie dargelegt, dem Beklagten in der Disziplinarklageschrift verfahrensrechtlich ordnungsgemäß zum Vorwurf gemacht worden ist.

15bb) Unbegründet ist ferner der Vorwurf, das Oberverwaltungsgericht habe entgegen § 108 Abs. 1 VwGO die Motive des Beklagten für seine Annahme, zum Zeitpunkt der Versendung der Berichte am habe "Gefahr im Verzug" bestanden, nicht gewürdigt.

16Die Dringlichkeit der Versendung der Berichte hat der Beklagte in seinem Auswertungsbericht (S. 70 ff.) u. a. damit gerechtfertigt, die schweren Versäumnisse bei der Gefahrenanalyse und -bewertung müssten als methodisch-handwerkliche Fehlleistungen des bisherigen Krisenmanagements betrachtet werden und bezogen auf die Versorgung mit Dienstleistungen der kritischen Infrastrukturen seien Ende 2019 die gesundheitlichen Gefahren durch den Corona-Virus als niedrig bis sehr niedrig einzuschätzen gewesen, während seit etwa Mitte März 2020 die multiplen Gefahren unterschiedlicher Art, die durch zum Schutz vor den gesundheitlichen Gefahren ergriffenen Maßnahmen ausgelöst worden seien, hoch bis sehr hoch einzuschätzen seien. Im Gesundheitssystem z. B. habe die Kontrolle des Anstiegs der Fallzahlen Vorrang mit der Folge gehabt, dass abgesagte oder verschobene OP-Termine zu Schäden und Todesfällen geführt hätten.

17Diese allgemeinen, nicht auf das Datum bezogenen Erwägungen des Beklagten zur Versendung seiner Ausarbeitungen hat das Oberverwaltungsgericht berücksichtigt (z. B. UA S. 28). Bezugspunkt der Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts zum Gesichtspunkt der "Gefahr im Verzug" ist aber nicht die allgemeine Dringlichkeit der staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie, sondern das Handeln des Beklagten gerade am . Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe die Annahme von "Gefahr im Verzug" nicht plausibel erklären können, zielt darauf ab, dass der Beklagte den allein deshalb als Tag für die Versendung der Papiere gewählt habe, weil er an diesem Tag, einem Feiertag, die Möglichkeit gesehen habe, ungestört als amtierender Vertreter des Leiters des Referats B agieren und seine persönlichen Ansichten zum bisherigen Krisenmanagement der Bundesregierung in der Corona-Krise, entgegen ausdrücklicher Weisung, gegenüber zahlreichen Dienststellen im Bundes- wie im Länderbereich als in diesem Referat abgestimmte Ausarbeitung ausgeben zu können.

18cc) Soweit die Beschwerde auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom - 28274/08 - verweist, ist bereits nicht erkennbar, inwiefern damit ein Verfahrensmangel dargetan sein soll. Die auch in diesem Zusammenhang erhobene Rüge einer unzureichenden Tatsachengrundlage ist jedenfalls nicht substantiiert dargetan. Dass das Berufungsgericht die vollständige Ausarbeitung der Ausführungen zur Grundlage seiner Entscheidung machen durfte und gemacht hat, ist bereits dargelegt worden. Entsprechendes gilt für die vom Beklagten vorgetragenen Gesichtspunkte zu der von ihm angenommenen "Gefahr im Verzug". Schließlich betreffen auch die mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände hinsichtlich der vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht getätigten Aussage "er würde fast alles wieder so machen" die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichts. Einen damit verbundenen Verfahrensverstoß bezeichnet die Beschwerde nicht.

19c) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge des Verstoßes gegen § 86 Abs. 2 VwGO.

20Insoweit genügt die Beschwerdebegründung bereits nicht den Anforderungen des § 133 Abs. 3 VwGO. Die Aufklärungsrüge erfordert zum einen die substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände aus der materiell-rechtlichen Sicht des Berufungsgerichts Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern diese bei Zugrundelegung der materiell-rechtlichen Auffassung des Tatsachengerichts zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Entscheidung hätten führen können. Zum anderen muss dargelegt werden, dass bereits im Berufungsverfahren, insbesondere in der mündlichen Berufungsverhandlung, auf die Sachverhaltsaufklärung, deren Unterlassen nunmehr gerügt wird, hingewirkt worden ist oder dass sich dem Berufungsgericht die Notwendigkeit der bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätte aufdrängen müssen. Die Aufklärungsrüge ist kein Mittel, um Versäumnisse eines anwaltlich vertretenen Beteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren, vor allem wenn er es - wie hier - unterlassen hat, in der Berufungsverhandlung einen Beweisantrag zu stellen (stRspr, vgl. 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 <217 f.> und Beschlüsse vom - 7 B 261.17 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14, vom - 2 B 26.16 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 13 Rn. 7 f. und vom - 2 B 6.20 - NVwZ-RR 2021, 469 Rn. 7 f.).

21d) Schließlich zeigt die mit der Beschwerde geltend gemachte Verletzung von Art. 4 Abs. 1 GG sowie des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes einen Verfahrensmangel nicht auf. Auch in diesem Gewande rügt die Beschwerde in der Sache vielmehr nur die Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls durch das Berufungsgericht.

22Die Beschwerde legt damit auch keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar. Es ist in der Rechtsprechung vielmehr geklärt, dass sich der Beamte bei seiner dienstlichen Tätigkeit nicht auf die Grundrechte berufen kann (vgl. 2 C 73.86 - NJW 1988, 1747 juris Rn. 12). Die mit der Ausübung von Hoheitsgewalt verbundene Rechtsmacht wird dem Beamten nicht zur Verwirklichung eigener Vorstellungen oder Grundrechte verliehen; er nimmt die ihm übertragenen Aufgaben nicht als Privatperson, sondern als Amtsträger wahr. Der Beamte hat sein Amt daher treuhänderisch "zum Wohl der Allgemeinheit" zu führen, was als "Grundpflicht" des Beamten in § 60 Abs. 1 Satz 2 BBG ausdrücklich niedergelegt ist. Er unterliegt dabei der Weisungsbefugnis seines Vorgesetzten, die ein unentbehrliches Glied in der demokratischen Legimitationskette bildet, um den Amtswalter über die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung mit dem Volkssouverän zu verbinden (vgl. 2 C 24.13 - BVerwGE 150, 366 Rn. 31 m. w. N.). Als Ausfluss der Staatsgewalt legimitiert sich die Amtsführung aus dem Willen des Volkes, nicht aus den Grundrechten des als Amtswalter handelnden Beamten.

23Der Beamte kann eine Amtshandlung daher nicht unter Berufung auf seine abweichende Meinung, Weltanschauung oder Religion verweigern; ebenso wenig darf er sich bei seiner Amtsführung von entsprechenden privaten Vorstellungen leiten lassen. Er hat die dienstlichen Anordnungen seines Vorgesetzten zu befolgen und Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit im Wege der Remonstration geltend zu machen (vgl. 2 C 51.13 - BVerwGE 151, 114 Rn. 26 und vom - 2 C 45.17 - BVerwGE 163, 129 Rn. 19; hierzu auch - juris Rn. 16).

243. Die Kostenentscheidung folgt aus § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren streitwertunabhängig Gebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 78 BDG erhoben werden.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:020524B2B24.23.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-70750