Nach dem Policenmodell abgeschlossener Lebensversicherungsvertrag: Fehlerhafte Wiederspruchsbelehrung zum Fristbeginn; rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Rückabwicklungsanspruchs bei Einsatz der Lebensversicherung als Kreditsicherungsmittel
Gesetze: § 5a Abs 2 VVG vom , § 10a VAG, § 242 BGB, § 812 Abs 1 Alt 1 BGB
Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 3 U 163/22vorgehend LG Wiesbaden Az: 9 O 29/22
Tatbestand
1Der Kläger macht Ansprüche auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung von zwei Lebensversicherungsverträgen geltend. Er unterhielt bei der Beklagten zwei Kapitallebensversicherungsverträge. Beide Verträge wurden nach dem Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung abgeschlossen (VVG a.F.).
2Für den ersten der beiden Versicherungsverträge (Versicherungsnummer 3 ) vereinbarten die Parteien mit Versicherungsbeginn zum eine Laufzeit bis zum . Im Rahmen der Vertragsanbahnung übersandte die Beklagte dem Kläger mit Begleitschreiben vom den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation. In dem Begleitschreiben heißt es - ohne drucktechnische Hervorhebung - auf der ersten von zwei Seiten:
"Der beigefügte Versicherungsschein bietet Ihnen eine Übersicht über die wesentlichen Inhalte des Vertrages.
Sofern Sie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt dieser Unterlagen einen schriftlichen Widerspruch gegen den Vertrag an uns absenden, gilt dieser Vertrag als abgeschlossen."
3In den Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung findet sich in § 3 Abs. 1 u.a. folgende Regelung:
"(1) Sie können innerhalb einer Frist von 14 Tagen Ihrem Versicherungsvertrag schriftlich widersprechen. Die Frist ist gewahrt, wenn Sie die Widerspruchserklärung rechtzeitig absenden. …"
4Der Kläger trat die Ansprüche aus diesem Versicherungsvertrag am zur Besicherung eines Darlehens an eine Bank ab. Im Jahr 2012 wurden dem Kläger die Ansprüche von der Bank zurückabgetreten. Im Jahr 2020 kündigte der Kläger den Versicherungsvertrag und erhielt von der Beklagten einen Rückkaufswert in Höhe von 38.736 € ausbezahlt.
5Für den zweiten der beiden Versicherungsverträge (Versicherungsnummer 35 ) vereinbarten die Parteien mit Versicherungsbeginn zum eine Laufzeit bis zum . Im Rahmen der Anbahnung dieses Vertrages übersandte die Beklagte dem Kläger mit Begleitschreiben vom den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation. In dem Begleitschreiben heißt es - drucktechnisch hervorgehoben - auf der ersten von zwei Seiten:
"… sofern Sie nicht innerhalb von 14 Tagen nach Erhalt dieser Unterlagen einen Widerspruch in Textform an uns absenden, gilt dieser Vertrag als abgeschlossen."
6In den Allgemeinen Bedingungen für die kapitalbildende Lebensversicherung findet sich hier in § 3 Abs. 1 u.a. folgende Regelung:
"(1) Sie können innerhalb einer Frist von 14 Tagen Ihrem Versicherungsvertrag in Textform widersprechen. Die Frist ist gewahrt, wenn Sie die Widerspruchserklärung rechtzeitig absenden. Sie beginnt an dem Tag, an dem Sie den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen sowie die für den Vertrag maßgeblichen Verbraucherinformationen (…) erhalten."
7Nach Ablauf des Versicherungszeitraums zahlte die Beklagte dem Kläger eine Ablaufleistung in Höhe von 7.928,96 € aus.
82021 widersprach der Kläger beiden Versicherungsverträgen. Mit der Klage verlangt er im Wege der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung die Rückzahlung der eingezahlten Beiträge zuzüglich gezogener Nutzungen abzüglich der Risikokosten und der bereits ausgezahlten Rückkaufswerte bzw. Ablaufleistungen.
9Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren in vollem Umfang weiter.
Gründe
10Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
11I. Das Berufungsgericht hat bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsansprüche des Klägers verneint. Es ist der Ansicht, die im Zusammenhang mit dem Vertrag Nr. 35 erfolgte Belehrung habe den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung genügt. Nach der Belehrung im Policenbegleitschreiben sei der Lauf der Widerspruchsfrist zwar vom "Erhalt dieser Unterlagen" abhängig, wobei die Unterlagen erst in § 3 AVB genauer bezeichnet würden. Unter Einbeziehung des Gesamtinhaltes des Policenbegleitschreibens nebst Anlagen, insbesondere aufgrund des Umstandes, dass dem Schreiben als einzige Unterlagen der Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation beigefügt gewesen seien, mache die Widerspruchsbelehrung aber dennoch ausreichend deutlich, welche Unterlagen vorliegen mussten, damit die Widerspruchsfrist begann.
12Die im Zusammenhang mit dem Vertrag Nr. 3 erfolgte Belehrung sei demgegenüber schon mangels drucktechnischer Hervorhebung und aufgrund des unzutreffenden Hinweises auf die Schriftform inhaltlich fehlerhaft gewesen. Das Widerspruchsrecht des Klägers hinsichtlich des Vertrages Nr. 3 sei jedoch - ebenso wie das hinsichtlich des Vertrages Nr. 35 - nach § 242 BGB verwirkt. Der Versicherer könne schutzwürdiges Vertrauen für sich in Anspruch nehmen, wenn der Versicherungsnehmer über die normale Vertragsdurchführung hinaus durch sein Verhalten den Eindruck erweckt habe, das Widerspruchsrecht nicht mehr geltend zu machen, wobei dieses Verhalten als besonders gravierender Umstand zu werten sein müsse. Je länger der Versicherungsnehmer untätig bleibe, desto mehr werde der Versicherer in dem Vertrauen schutzwürdig. Aus der deshalb infolge des Zeitablaufs von 19 bzw. 17,5 Jahren deutlich erstarkten Schutzwürdigkeit des Versicherers folgten daher in der Zusammenschau mit den weiteren Umständen des Falles - namentlich die aktive Einwirkung durch Abtretung der Ansprüche aus dem Vertrag Nr. 3 zur Darlehensbesicherung, die nur geringfügige und ohne Auswirkungen bleibende Art des Belehrungsfehlers, die zwischenzeitliche Abwicklung der Verträge sowie dem vom Kläger mit dem Widerspruch missbräuchlich verfolgten Zweck der Renditeoptimierung - die für die Annahme des Umstandsmomentes ausreichenden gravierenden Umstände.
13II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
141. Die hiergegen gerichtete Revision ist zulässig, insbesondere gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht insgesamt statthaft. Eine Beschränkung der Revisionszulassung lässt sich dem Berufungsurteil - entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung - nicht entnehmen. Soweit das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, die Revision sei zuzulassen "wegen des Vorlageverfahrens vor dem LG Erfurt", liegt darin lediglich eine Begründung für die Zulassung der Revision (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 177/22, r+s 2023, 1059 Rn. 13 m.w.N.).
152. Die Revision ist auch begründet. Ein Anspruch auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann dem Kläger nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung versagt werden.
16a) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist ein solcher Anspruch nicht ausgeschlossen, weil es an einem wirksamen Widerspruch fehlt. Es kann hier dahinstehen, ob die Widerspruchserklärung durch Telefax-Schreiben der "h. GmbH" vom unwirksam ist wegen Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz. Denn jedenfalls liegt ein wirksamer Widerspruch vor aufgrund des Schreibens der Prozessbevollmächtigten des Klägers vom an die Beklagte, mit dem diese unter Hinweis auf die vorangegangene Widerspruchserklärung die Rückabwicklung der beiden Versicherungsverträge verlangt.
17b) Nach den revisionsrechtlich allerdings nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer den Kläger hinsichtlich des Vertrages Nr. 3 nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. Die Widerspruchsbelehrung in dem maßgeblichen Begleitschreiben ist schon deshalb fehlerhaft, weil sie drucktechnisch nicht deutlich hervorgehoben ist und im Fließtext untergeht (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 512/14, juris Rn. 23). Ob noch weitere Belehrungsmängel vorliegen, kann hier offenbleiben.
18c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts genügt die für den Vertrag Nr. 35 erteilte Belehrung jedoch ebenfalls nicht den sich aus § 5a Abs. 2 VVG a.F. ergebenden Anforderungen. Noch zutreffend hat das Berufungsgericht zwar festgestellt, dass diese Belehrung den drucktechnischen Anforderungen genüge. Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. setzt der Beginn der Widerspruchsfrist aber die Überlassung des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation nach § 10a VAG in der seinerzeit geltenden Fassung voraus. Die Widerspruchsbelehrung ist deshalb fehlerhaft, wenn sie diese fristauslösenden Unterlagen nicht unmissverständlich und zutreffend benennt (vgl. , VersR 2024, 488 Rn. 10 m.w.N.; vom - IV ZR 200/14, juris Rn. 11; vom - IV ZR 142/15, r+s 2016, 170 Rn. 12; vom - IV ZR 502/14, juris Rn. 10).
19Danach ist die Belehrung hier ebenfalls fehlerhaft. Das Begleitschreiben vom stellt in dem drucktechnisch hervorgehobenen Teil für den Fristbeginn auf den "Erhalt dieser Unterlagen" ab. In dem Satz, der diesem hervorgehobenen Teil unmittelbar vorangeht, wird aber nur auf den "beigefügten Versicherungsschein" verwiesen. Die Versicherungsbedingungen und die Verbraucherinformation finden im Begleitschreiben keine Erwähnung. Hierdurch wird der unzutreffende Eindruck erweckt, es komme für den Beginn der Widerspruchsfrist lediglich auf den Zugang des Versicherungsscheins an (anders insoweit Senatsurteil vom - IV ZR 19/23, VersR 2024, 346 Rn. 14). Ohne Belang ist dabei, ob dem Kläger in tatsächlicher Hinsicht mit dem Begleitschreiben die fristauslösenden Unterlagen zugegangen sind, denn dieser Umstand ändert nichts an der inhaltlichen Fehlerhaftigkeit der Belehrung, sondern betrifft allein die Auswirkung derselben auf den konkreten Fall. Für die Frage der Ordnungsgemäßheit der Belehrung kommt es auf derartige Kausalitätsfragen nicht an (, VersR 2024, 488 Rn. 16; vom - IV ZR 200/14, juris Rn. 11; vom - IV ZR 448/14, VersR 2015, 1104 Rn. 25). Dass die fristauslösenden Unterlagen daneben in § 3 der beigefügten AVB zutreffend aufgezählt werden, ist schon deshalb unbeachtlich, weil die Belehrung dort nicht drucktechnisch hervorgehoben ist (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 89/22, juris Rn. 16).
203. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind die geltend gemachten Rückforderungsansprüche nach dessen bisherigen Feststellungen nicht ausnahmsweise aufgrund des Vorliegens besonders gravierender Umstände nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) wegen rechtsmissbräuchlicher Ausübung des Widerspruchsrechts ausgeschlossen.
21a) Nach der Rechtsprechung des Senats kann auch bei einer fehlenden oder fehlerhaften Widerspruchsbelehrung die Geltendmachung des Widerspruchsrechts ausnahmsweise Treu und Glauben widersprechen und damit unzulässig sein, wenn besonders gravierende Umstände des Einzelfalles vorliegen, die vom Tatrichter festzustellen sind. Dementsprechend hat der Senat bereits tatrichterliche Entscheidungen gebilligt, die in Ausnahmefällen mit Rücksicht auf besonders gravierende Umstände des Einzelfalles auch dem nicht oder nicht ordnungsgemäß belehrten Versicherungsnehmer die Geltendmachung eines Bereicherungsanspruchs nach § 242 BGB verwehrt haben (Senatsurteil vom - IV ZR 268/21, BGHZ 238, 32 Rn. 9 m.w.N.; st. Rspr.). Allgemein gültige Maßstäbe dazu, ob und unter welchen Voraussetzungen eine fehlerhafte Belehrung der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Widerspruchsrechts entgegensteht, können nicht aufgestellt werden. Vielmehr obliegt die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben im Einzelfall dem Tatrichter. Auch in Fällen eines fortbestehenden Widerspruchsrechts kann die Bewertung des Tatrichters in der Revisionsinstanz nur daraufhin überprüft werden, ob sie auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage beruht, alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder von einem falschen Wertungsmaßstab ausgeht (Senatsurteil vom aaO Rn. 10 m.w.N.; st. Rspr.).
22b) Auf dieser Grundlage genügen die bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts aus Rechtsgründen nicht zur Annahme besonders gravierender Umstände.
23aa) Soweit das Berufungsgericht für den Vertrag Nr. 3 in seine Gesamtwürdigung eingestellt hat, der Belehrungsmangel sei verhältnismäßig geringfügig gewesen und habe sich im konkreten Fall nicht ausgewirkt, hat es einen Gesichtspunkt berücksichtigt, der zwar dazu führen kann, dass das Widerspruchsrecht unabhängig vom Vorliegen besonders gravierender Umstände wegen widersprüchlichen Verhaltens ausgeschlossen ist, der aber nicht zugleich einen besonders gravierenden Umstand im genannten Sinne darstellt. Nach den Grundsätzen, die der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom (Rust-Hackner u.a., C-355/18 bis C-357/18 und C-479/18, EU:C:2019:1123 = NJW 2020, 667) zur Fehlerhaftigkeit der Belehrung über das Vertragslösungsrecht aufgestellt hat und die auch der neueren Senatsrechtsprechung entsprechen (Urteil vom - IV ZR 353/21,BGHZ 236, 163 Rn. 14), wäre es unverhältnismäßig, es dem Versicherungsnehmer zu ermöglichen, sich von den Verpflichtungen aus einem in gutem Glauben geschlossenen Vertrag zu lösen, wenn ihm durch die fehlerhafte Belehrung nicht die Möglichkeit genommen wird, sein Rücktritts- bzw. Widerspruchsrecht im Wesentlichen unter denselben Bedingungen wie bei zutreffender Belehrung auszuüben ( aaO Rn. 79; Senatsurteil vom aaO).
24Führt die tatrichterliche Überprüfung der Widerspruchsbelehrung - wie hier - hingegen zu dem Ergebnis, dass der Versicherungsnehmer nicht nur geringfügig fehlerhaft in diesem Sinne belehrt worden ist, kann derselbe Belehrungsfehler auch keinen besonders gravierenden Umstand darstellen, der einen Ausschluss des Widerspruchsrechts nach Treu und Glauben rechtfertigt (Senatsurteil vom - IV ZR 297/22, VersR 2024, 488 Rn. 16). Es entspricht in diesem Zusammenhang gefestigter Senatsrechtsprechung, dass die - wie hier (auch in Bezug auf den Vertrag Nr. 3 ) - fehlende zutreffende Benennung der fristauslösenden Unterlagen keinen marginalen Fehler darstellt, sondern in § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. ausdrücklich gefordert wird und eine wesentliche Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Belehrung ist (vgl. aaO; - IV ZR 192/14, VersR 2016, 1484 [juris Rn. 19]; vom - IV ZR 201/14, juris Rn. 16; vom - IV ZR 384/14, VersR 2015, 1101 Rn. 27, 32; st. Rspr.). Aus denselben Gründen stellt auch hinsichtlich des Vertrages Nr. 35 die fehlerhafte Belehrung in dem Policenbegleitschreiben zum Lauf der Widerspruchsfrist keinen nur marginalen Mangel dar, der einer Ausübung des Widerspruchsrechts wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens entgegenstehen könnte.
25bb) Entgegen der Ansicht der Revision hat das Berufungsgericht zwar nicht verkannt, dass nach der Senatsrechtsprechung ein langer Zeitablauf nicht dazu führt, dass an das Umstandsmoment geringere Anforderungen zu stellen sind. Der lange Zeitablauf ist aber - anders als das Berufungsgericht meint - auch nicht im Rahmen der Gesamtwürdigung besonders gravierender Umstände, die ein Vertrauen der Beklagten in den Bestand des Versicherungsvertrages begründen und den erklärten Widerspruch als grob widersprüchliches Verhalten erscheinen lassen durften, miteinzubeziehen (Senatsurteil vom - IV ZR 297/22, VersR 2024, 488 Rn. 18).
26cc) Wie der Senat zwischenzeitlich entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist der vom Berufungsgericht herangezogene Umstand, der Versicherungsnehmer habe mit der Erklärung seines Widerspruchs vorwiegend den Zweck der Renditeoptimierung verfolgt, ebenfalls nicht geeignet, einen besonders gravierenden Umstand zu begründen (Senatsurteil vom - IV ZR 297/22, VersR 2024, 488 Rn. 17 m.w.N.).
27dd) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist ferner die Abwicklung der beiden Verträge vor Erklärung des Widerspruchs nicht geeignet, die Annahme besonders gravierender Umstände zu rechtfertigen.
28Soweit das Berufungsgericht darauf abgestellt hat, der Kläger habe hinsichtlich des Vertrages Nr. 35 eine den Wert seiner Beitragszahlungen übersteigende Ablaufleistung entgegengenommen, hat es einen Umstand herangezogen, der zur gewöhnlichen Vertragsdurchführung gehört und deshalb keinen besonders gravierenden Umstand darstellen kann (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZR 163/22, juris Rn. 16).
29ee) Zum Vertrag Nr. 3 hat das Berufungsgericht zwar hinsichtlich der im zeitlichen Zusammenhang mit dessen Abschluss erfolgten Abtretung aller Ansprüche aus dem Vertrag zur Sicherung eines Darlehens einen Umstand in seine Gesamtwürdigung einbezogen, der geeignet sein kann, einen besonders gravierenden Umstand zu begründen.
30Nach ständiger Senatsrechtsprechung kann ein schutzwürdiges Vertrauen des Versicherers auf den Bestand des Versicherungsvertrages etwa bei einem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und dessen Einsatz zur Kreditsicherung oder einer mehrfachen Abtretung angenommen werden (vgl. , VersR 2023, 1510 Rn. 11 f.; vom - IV ZR 268/21, BGHZ 238, 32 Rn. 11; Senatsbeschluss vom - IV ZR 506/15, NJW-RR 2018, 161 Rn. 15 m.w.N.). Allein der einmalige Einsatz der Lebensversicherung als Kreditsicherungsmittel ist aber in der Regel nicht als besonders gravierender Umstand zu werten, der dem Versicherungsnehmer die Geltendmachung seines Anspruchs verwehrt. Der Einsatz der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag zur Sicherung der Rechte eines Dritten aus einem Darlehensvertrag lässt keinen zwingenden Schluss darauf zu, dass der Versicherungsnehmer in Kenntnis seines Lösungsrechtes vom Vertrag an diesem festgehalten und von seinem Recht keinen Gebrauch gemacht hätte (Senatsurteil vom - IV ZR 40/21, VersR 2023, 631 Rn. 22 m.w.N.).
31Im Streitfall hat das Berufungsgericht seine Würdigung nicht entscheidend auf den engen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Abschluss des Versicherungsvertrages und der Abtretung aller Ansprüche aus diesem zur Sicherung eines Darlehens gestützt, sondern es hat seine Annahme gravierender Umstände vielmehr ausgehend vom langen Zeitablauf als maßgeblichem Umstand auf eine für beide Verträge zusammen erfolgte Gesamtwürdigung gegründet und hierbei - wie ausgeführt - mehrere Umstände mit einbezogen, die aus Rechtsgründen nicht geeignet sind, die Annahme besonders gravierender Umstände zu tragen. Aus den Ausführungen und Feststellungen des Berufungsgerichts erschließt sich nicht, dass es auch unabhängig vom Vorliegen der rechtsfehlerhaft in die Würdigung einbezogenen Umstände zu dem Ergebnis gekommen wäre, für den Vertrag Nr. 3 das Vorliegen besonders gravierender Umstände anzunehmen. Diesen lässt sich gerade nicht entnehmen, dass der Abtretung zu Sicherungszwecken im Rahmen der dem Berufungsgericht vorbehaltenen tatrichterlichen Gesamtschau (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZR 61/23, juris Rn. 14) eine gegenüber den anderen Gesichtspunkten hervorgehobene Bedeutung zugekommen wäre und sie aus seiner Sicht die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Klägers alleine getragen hätte, etwa weil der Kläger zwingend auf den Versicherungsvertrag als Sicherungsmittel angewiesen war oder die Abtretung auch die Todesfallleistungen umfasst hat.
32III. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht wird für beide Verträge getrennt - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats - nochmals Feststellungen dazu zu treffen haben, ob besonders gravierende Umstände vorliegen, die einer Ausübung des Widerspruchsrechts entgegenstehen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:190624UIVZR401.22.0
Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 9 Nr. 36
NJW-RR 2024 S. 1155 Nr. 18
SAAAJ-70555