BGH Urteil v. - X ZR 104/22

Berechnung des durch ein patentverletzendes Angebot entstandenen Schadens: Berücksichtigung von Gewinnen aus der Durchführung eines in ursächlichem Zusammenhang mit dem patentverletzenden Angebot stehenden Vertrags im patentfreien Ausland; Schadensberechnung auf der Grundlage eigenen entgangenen Gewinns oder einer angemessenen Lizenzgebühr; Einwand rechtmäßigen Alternativerhaltens; fehlende Lizenzierungspraxis; unentgeltliche Gestattung von Angeboten im Inland - Verdampfungstrockneranlage

Leitsatz

Verdampfungstrockneranlage

1. Gewinne aus der Durchführung eines Vertrags, der in ursächlichem Zusammenhang mit einem patentverletzenden Angebot steht, dürfen bei der Berechnung des durch dieses Angebot verursachten Schadens nicht schon deshalb unberücksichtigt bleiben, weil die in Durchführung dieses Vertrags vorgenommenen Handlungen im patentfreien Ausland stattgefunden haben.

2. Liegt ein hinreichender ursächlicher Zusammenhang vor, so steht es dem Geschädigten grundsätzlich frei, seinen Schaden auch auf der Grundlage entgangenen eigenen Gewinns oder einer angemessenen Lizenzgebühr zu berechnen.

3. Bei einer Patentverletzung kann der Einwand, dasselbe wirtschaftliche Ergebnis hätte auch durch nicht patentverletzende Handlungen erzielt werden können, grundsätzlich nicht zum Ausschluss eines Schadensersatzanspruchs führen.

4. Die Berechnung des Schadens auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es in der Branche keine einschlägige Lizenzierungspraxis gibt.

5. Der geringe Schutz, den ein allein das Anbieten des geschützten Erzeugnisses betreffendes Verbot bieten mag, ist aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Rechtsinhabers kein zureichender Grund, Angebote im Inland unentgeltlich zu gestatten und so auf einen Teil des ihm zustehenden Schutzes zu verzichten.

Gesetze: § 9 PatG, § 139 Abs 2 PatG, § 249 BGB, §§ 249ff BGB

Instanzenzug: OLG Braunschweig Az: 2 U 128/21vorgehend LG Braunschweig Az: 9 O 2474/19

Tatbestand

1Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung von Schadensersatz wegen Patentverletzung.

2Die Klägerin ist ausschließliche Lizenznehmerin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 070 223 (Klagepatents), das eine Anlage zum Trocknen durch überhitzten Dampf betrifft. Das Klagepatent ist ursprünglich auch mit Wirkung für das Königreich Schweden erteilt worden, insoweit aber mit Ablauf des erloschen.

3Im Jahr 2012 bot die Beklagte von ihrem Sitz in B.      aus einer in Schweden ansässigen Gesellschaft die Errichtung einer Wirbelschicht-Verdampfungstrockneranlage in Schweden an. Nach Errichtung der Anlage stellte die Beklagte den Kaufpreis in Rechnung und vereinnahmte die Zahlung.

4Aufgrund dieses Verhaltens hat die Klägerin unter anderem sinngemäß die Feststellung beantragt, dass die Beklagte alle Schäden zu ersetzen hat, die der Klägerin durch das Herstellen, Anbieten, Inverkehrbringen, Gebrauchen, Einführen und Besitzen patentgemäßer Anlagen entstanden sind. Das Landgericht Düsseldorf hat die begehrte Feststellung ausgesprochen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat sie auf die Benutzungsform des Anbietens beschränkt und die weitergehende Klage abgewiesen (, GRUR-RS 2017, 109833).

5Nunmehr begehrt die Klägerin Zahlung von 1.986.000 Euro nebst Zinsen. Diesen Anspruch stützt sie auf den Gewinn, den die Beklagte nach ihrem Vortrag durch die Errichtung der Anlage erzielt hat, hilfsweise auf entgangenen eigenen Gewinn und höchst hilfsweise auf eine angemessene Lizenzgebühr.

6Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

7Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Gründe

8Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

9I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen wie folgt begründet:

10Es fehle an dem erforderlichen Zurechnungszusammenhang zwischen dem patentverletzenden Angebot und dem geltend gemachten Schaden. Dieser liege aufgrund des Territorialitätsgrundsatzes nicht im Schutzbereich der Norm. Das von der Beklagten vereinnahmte Entgelt stelle ein Äquivalent für die in Schweden erfolgte Lieferung und Errichtung des geschützten Gegenstands dar, nicht hingegen für das Anbieten dieses Gegenstands. Ein entgangener Gewinn der Klägerin wäre gegebenenfalls in Schweden erzielt worden. Auch die Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr könne sich nicht an einem im patentfreien Ausland erzielten Umsatz ausrichten. Eine abweichende Beurteilung liefe auf die Pönalisierung eines Gewinns hinaus, der durch patentfreie Handlungen generiert worden sei.

11Unbeschadet dessen scheitere ein Anspruch auf eine fiktive Lizenzgebühr unter den besonderen Bedingungen des Streitfalls jedenfalls daran, dass die Parteien nach freier Überzeugung des Gerichts nach § 287 Abs. 1 ZPO eine solche nicht vereinbart hätten. Lizenzgebühren für die bloße Abgabe eines Angebots an einen einzelnen potentiellen Kunden seien nicht üblich. Es entspreche bereits dem Vortrag der Klägerin, dass es keine Lizenzierungspraxis für Angebote gebe. Dies sei auch nicht zu erwarten, da sich die Beklagte ohne Aufwand oder sonstige Nachteile patentgemäß hätte verhalten können, indem sie das Angebot etwa über ihr Tochterunternehmen in Schweden hätte abgeben können. Kein wirtschaftlich denkender Kaufmann würde, um dies zu vermeiden und das Angebot von Deutschland aus versenden zu können, mit der Klägerin in Lizenzverhandlungen eintreten und eine Lizenzgebühr entrichten. Umgekehrt würde ein vernünftiger Patentinhaber in einer solchen Situation eine Lizenzgebühr weder verlangen noch redlicherweise erwarten. Die bloße Vorbereitung eines Angebots am inländischen Sitz stelle noch kein Anbieten im Sinne des Patentgesetzes dar.

12Aus dem gleichen Grund sei ein Schadensersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt rechtmäßigen Alternativverhaltens ausgeschlossen.

13II. Diese Entscheidung hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand.

141. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem patentverletzenden Angebot und dem geltend gemachten Schaden schon aufgrund des Schutzzwecks der Norm ausgeschlossen ist.

15a) Wie der Senat vor kurzem im Zusammenhang mit Gewinnen aus Zusatzgeschäften entschieden hat, sind bei der Berechnung des aus einer Patentverletzung entstandenen Schadens auf der Grundlage des vom Verletzer erzielten Gewinns grundsätzlich alle Gewinne zu berücksichtigen, die mit der Verletzung des Patents in ursächlichem Zusammenhang stehen (, GRUR 2024, 273 Rn. 18 - Polsterumarbeitungsmaschine).

16Für einen ursächlichen Zusammenhang in diesem Sinne reicht allerdings eine adäquate Kausalität nicht aus. Vielmehr muss auch ein innerer Zusammenhang zwischen der Verletzungshandlung und dem erzielten Gewinn bestehen. Bei Gewinnen aus dem Inverkehrbringen patentgemäßer Vorrichtungen ist diese Voraussetzung erfüllt, wenn der erzielte Gewinn auf den mit dem verletzten Schutzrecht zusammenhängenden Eigenschaften des veräußerten Gegenstands beruht (, GRUR 2024, 273 Rn. 24 - Polsterumarbeitungsmaschine).

17Entsprechendes gilt für Gewinne aus Zusatzgeschäften, die in Kausalzusammenhang mit der Verletzungshandlung stehen. Solche Gewinne sind bei der Schadensberechnung auch dann zu berücksichtigen, wenn das Zusatzgeschäft für sich gesehen keine patentverletzende Handlung darstellt, aber einen Bezug zu patentverletzenden Gegenständen aufweist - etwa deshalb, weil ein zusätzlich gelieferter Gegenstand zusammen mit dem patentverletzenden Gegenstand genutzt oder weil eine zusätzlich erbrachte Dienstleistung an diesem Gegenstand erbracht wird (, GRUR 2024, 273 Rn. 28 ff. - Polsterumarbeitungsmaschine).

18b) Nach diesen Grundsätzen dürfen Gewinne aus der Durchführung eines Vertrags, der in ursächlichem Zusammenhang mit einem patentverletzenden Angebot steht, bei der Berechnung des durch dieses Angebot verursachten Schadens nicht schon deshalb unberücksichtigt bleiben, weil die in Durchführung dieses Vertrags vorgenommenen Handlungen im patentfreien Ausland stattgefunden haben.

19aa) Wie das Berufungsgericht im Ansatz zutreffend angenommen hat, fallen die im Ausland vorgenommenen Handlungen zwar nicht in den Schutzbereich des Patents. Nach den oben aufgezeigten Grundsätzen können Gewinne aus Handlungen, die keine Patentverletzung darstellen, aber in die Berechnung eines Schadens einzubeziehen sein, wenn der erforderliche ursächliche Zusammenhang mit einer Verletzungshandlung gegeben ist.

20Der hierfür erforderliche Zusammenhang ist bei Gewinnen aus der Durchführung eines Vertrags, der aufgrund eines patentverletzenden Angebots zustande gekommen ist, in der Regel gegeben.

21bb) Dem steht nicht entgegen, dass dem Rechtsinhaber bei einem unberechtigten Anbieten als solchem grundsätzlich noch kein Schaden entsteht.

22Der Senat hat mehrfach entschieden, dass ein patentverletzendes Anbieten als solches typischerweise noch nicht zu einem Schaden führt (dazu , BGHZ 170, 115 = GRUR 2007, 221 Rn. 12 - Simvastatin; Urteil vom - X ZR 169/04, BGHZ 167, 374 = GRUR 2006, 927 Rn. 19 - Kunststoffbügel). Er hat in diesem Zusammenhang aber bereits klargestellt, dass ein Schaden jedenfalls dann eintritt, wenn es infolge des Anbietens tatsächlich zu Geschäftsabschlüssen oder Lieferungen kommt, die den geschützten Gegenstand betreffen, und dass solche Schäden von der Ersatzpflicht des anbietenden Verletzers umfasst sind (, BGHZ 167, 374 = GRUR 2006, 927 Rn. 19 - Kunststoffbügel).

23Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt eine Ersatzpflicht des anbietenden Verletzers unter diesem Gesichtspunkt nicht nur dann in Betracht, wenn die dem Angebot nachfolgende Lieferung ihrerseits eine Patentverletzung darstellt. Der für die Verpflichtung zum Schadensersatz erforderliche Zusammenhang wird vielmehr schon dadurch begründet, dass ein Erzeugnis geliefert worden ist, das Gegenstand des patentverletzenden und zum Vertragsschluss führenden Angebots war.

24c) Führt ein patentverletzendes Angebot zu Lieferungen oder sonstigen Handlungen im Ausland, gilt nicht deshalb etwas anderes, weil es der Patentinhaber in der Hand hätte, dort ebenfalls Patentschutz zu erlangen.

25aa) Sofern der Patentinhaber den Verletzer auch wegen der im Ausland begangenen Handlungen in Anspruch nehmen kann, kann dies zwar zur Folge haben, dass diese Handlungen mehrfach in die Schadensberechnung einfließen. Eine vergleichbare Lage kann aber auch dann entstehen, wenn eine Handlung mehrere Schutzrechte innerhalb desselben Landes verletzt.

26Auch wenn nur ein Schutzrecht verletzt wird, ist wertend zu bestimmen, ob und in welchem Umfang der erzielte Gewinn auf den mit dem jeweils verletzten Schutzrecht zusammenhängenden Eigenschaften des veräußerten Gegenstands oder anderen Faktoren beruht ( - GRUR 2024, 273 Rn. 25 - Polsterumarbeitungsmaschine; Urteil vom - X ZR 51/11, BGHZ 194, 194 = GRUR 2012, 1226 Rn. 20 - Flaschenträger; Beschluss vom - X ZR 130/12, GRUR 2013, 1212 Rn. 5 - Kabelschloss).

27Bei Verletzung mehrerer Schutzrechte ist entsprechend dazu wertend abzugrenzen, welche Teile des Gewinns auf die einzelnen Schutzrechte entfallen. Konsequenterweise ist bei mehreren Verletzungshandlungen ebenfalls eine wertende Zuordnung zwischen dem erzielten Gewinn und den einzelnen Handlungen vorzunehmen.

28Diese Grundsätze müssen auch dann Anwendung finden, wenn nur einzelne der Handlungen, die in ihrer Gesamtheit zu dem erzielten Gewinn geführt haben, das maßgebliche Schutzrecht verletzen. Unter den genannten Voraussetzungen ist zwar jede dieser Handlungen für den Gewinn ursächlich. Dennoch ist es möglich und geboten, die Beiträge der einzelnen Handlungen zu gewichten und in wertender Betrachtung einem bestimmten Teil des Gewinns zuzuordnen.

29bb) Diese Beurteilung führt nicht zu einer dem Territorialitätsprinzip widersprechenden räumlichen Erweiterung des Patentschutzes.

30Als Anknüpfungspunkt für eine Pflicht zum Schadensersatz kommen ausschließlich Verletzungshandlungen in Betracht, die im räumlichen Geltungsbereich des Patents begangen worden sind. Damit und durch die Begrenzung der Ersatzpflicht auf denjenigen Teil des Schadens, der in wertender Betrachtung der verletzenden Handlung zuzuordnen ist, ist dem Territorialitätsprinzip hinreichend Rechnung getragen.

31d) Liegt ein ursächlicher Zusammenhang im aufgezeigten Sinne vor, steht es dem Geschädigten grundsätzlich frei, seinen Schaden auch auf der Grundlage entgangenen eigenen Gewinns oder einer angemessenen Lizenzgebühr zu berechnen.

32Wie der Senat bereits in Zusammenhang mit Zusatzgeschäften ausgeführt hat, besteht der aufgrund einer Patentverletzung zu ersetzende Schaden darin, dass der Verletzer die durch das immaterielle Schutzgut vermittelten konkreten Marktchancen für sich nutzt und sie damit zugleich der Nutzung durch den Schutzrechtsinhaber entzieht. Zu ersetzen ist der wirtschaftliche Wert des Schutzrechts und der in ihm verkörperten Marktchance. Dieser wird durch den erwarteten, aber entgangenen Gewinn des Schutzrechtsinhabers, durch den tatsächlichen Gewinn des Verletzers oder durch die Gewinnerwartung erfasst, die vernünftige Vertragsparteien mit dem Abschluss eines Lizenzvertrags über die Nutzung des Schutzrechts verbunden hätten ( - GRUR 2024, 273 Rn. 20 f. - Polsterumarbeitungsmaschine; Urteil vom - X ZR 51/11, BGHZ 194, 194 = GRUR 2012, 1226 Rn. 15 f. - Flaschenträger).

33Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die in dem Schutzrecht verkörperte Marktchance durch ein patentverletzendes Angebot genutzt wird, das im weiteren Verlauf zur Lieferung eines patentgemäßen Erzeugnisses im Ausland führt.

34Bei der Schadensberechnung anhand einer angemessenen Lizenzgebühr ist in solchen Fällen allerdings zu berücksichtigen, dass Handlungen im patentfreien Ausland keiner Lizenz bedürfen. Maßgeblich ist deshalb, welche Lizenzgebühr vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrags über das (bloße) Anbieten von patentgemäßen Erzeugnissen im Inland vereinbart hätten.

35e) Die Entscheidungen im vorangegangenen Verletzungsrechtsstreit stehen dem Klagebegehren nicht entgegen.

36aa) Die Abweisung des Antrags auf Feststellung, dass die Beklagte zum Ersatz von Schäden aufgrund des Inverkehrbringens der Anlage verpflichtet ist, hat nicht zur Folge, dass dieser Vorgang bei der Bemessung des rechtskräftig festgestellten Anspruchs auf Ersatz des Schadens aus dem unbefugten Anbieten außer Betracht zu bleiben hat.

37Ausgeschlossen ist aufgrund der Entscheidung im vorangegangenen Rechtsstreit lediglich die Geltendmachung desjenigen Schadens, der bei wertender Betrachtung allein auf die dem Angebot nachfolgenden Handlungen im patentfreien Ausland entfällt, nicht aber der Anspruch auf Ersatz des Schadens, der nach einer der in Frage kommenden Berechnungsmethoden bereits dem patentverletzenden Angebot zuzuordnen ist.

38f) Dass das Oberlandesgericht Düsseldorf einen Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes zur Durchsetzung des Anspruchs auf Rechnungslegung zum erzielten Gewinn mit der Begründung abgelehnt hat, die erteilte Nullauskunft sei zur Erfüllung dieses Anspruchs ausreichend, steht dem Klagebegehren ebenfalls nicht entgegen.

39Diese Beurteilung steht zwar in Widerspruch zu der oben aufgezeigten Rechtslage. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts betrifft aber weder denselben Streitgegenstand wie die vorliegende Klage noch eine dafür präjudizielle Frage und entfaltet deshalb keine Bindungswirkung.

40g) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ergeben sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs der europäischen Union zu Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Rom II für die hier in Rede stehende Konstellation keine abweichenden Schlussfolgerungen.

41Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist bei der Bestimmung des anzuwendenden Rechts für außervertragliche Schuldverhältnisse aus einer Verletzung von gemeinschaftsweit einheitlichen Rechten des geistigen Eigentums nicht auf jede einzelne dem Schuldner vorgeworfene Verletzungshandlung abzustellen. Vielmehr ist eine Gesamtwürdigung des Verhaltens vorzunehmen, um den Ort zu bestimmen, an dem die ursprüngliche Verletzungshandlung, auf die das vorgeworfene Verhalten zurückgeht, begangen worden ist oder droht (, GRUR 2017, 1120 Rn. 103 - Nintendo).

42Im Streitfall geht es nicht um eine Verletzung eines gemeinschaftsweit einheitlichen Rechts, sondern um die Verletzung eines unter anderem mit Wirkung für Deutschland erteilten europäischen Patents durch ein Angebot im Inland. Solche Sachverhalte fallen nicht unter Art. 8 Abs. 2 Rom II.

432. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Klageanspruch nicht der Einwand des rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegen.

44a) Der Einwand, der Schaden wäre auch bei einer ebenfalls möglichen, rechtmäßigen Verhaltensweise entstanden, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für die Zurechnung eines Schadenserfolgs beachtlich sein. Die Erheblichkeit des Einwands richtet sich nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Norm (, NJW 2017, 1104 Rn. 24; Urteil vom - X ZR 51/11, BGHZ 194, 194 = GRUR 2012, 1226 Rn. 35 - Flaschenträger).

45Bei einer Patentverletzung kann der Einwand, dasselbe wirtschaftliche Ergebnis hätte auch durch nicht patentverletzende Handlungen erzielt werden können, danach grundsätzlich nicht zum Ausschluss eines Schadensersatzanspruchs führen.

46Ein Patent schließt nicht aus, dass Dritte mit dem Berechtigten durch das Angebot nicht patentverletzender Erzeugnisse in Wettbewerb treten. Anbieten und Inverkehrbringen des geschützten Gegenstands ist aber dem Rechtsinhaber vorbehalten. Die schuldhafte Verletzung dieses Ausschließlichkeitsrechts muss zur Folge haben, dass der Verletzer zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens auch dann verpflichtet ist, wenn er andere Erzeugnisse hätte anbieten können.

47b) Diese Grundsätze gelten auch für das patentverletzende Anbieten eines Erzeugnisses.

48Nach § 9 PatG ist dem Rechtsinhaber nicht nur das Herstellen und Inverkehrbringen geschützter Erzeugnisse vorbehalten, sondern auch deren Anbieten. Wer dieses Recht schuldhaft verletzt, darf einem Anspruch auf Schadensersatz nach dem Schutzzweck der Norm nicht entgegenhalten, dass er auch ein nicht patentverletzendes Angebot hätte abgeben können.

493. Ein Anspruch auf Schadensersatz auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr kann auch nicht mit den vom Berufungsgericht insoweit angestellten zusätzlichen Erwägungen verneint werden.

50a) Die Beurteilung der Frage, inwiefern eine Kompensation des Schadens durch Zahlung einer Lizenzgebühr angemessen ist, ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters.

51Die Beurteilung des Tatrichters ist revisionsrechtlich nur darauf zu überprüfen, ob er erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (statt aller , NJW 2023, 1718 Rn. 54).

52b) Im Streitfall beruht die Beurteilung durch das Berufungsgericht auf unzutreffenden rechtlichen Maßstäben.

53aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die Berechnung des Schadens auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil es in der Branche keine einschlägige Lizenzierungspraxis gibt.

54Die Schadensberechnung auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr ist überall dort zulässig, wo die Überlassung von Ausschließlichkeitsrechten zur Benutzung durch Dritte gegen Entgelt rechtlich möglich und verkehrsüblich ist. Für die Verkehrsüblichkeit kommt es nicht auf die Verhältnisse in der Branche an, in der die Beteiligten tätig sind, sondern darauf, ob bei einem Ausschließlichkeitsrecht dieser Art ganz allgemein die Erteilung von Lizenzen genutzt wird und genutzt werden kann (, GRUR 2006, 143, 145 - Catwalk; , GRUR 2010, 239 Rn. 23 - BTK; , GRUR 2022, 229 Rn. 81 - ÖKO-TEST III).

55Dass die Erteilung einer Lizenz für das Anbieten patentgeschützter Gegenstände allgemein nicht in Betracht kommt, ergibt sich aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht.

56Das Berufungsgericht hat lediglich festgestellt, dass solche Lizenzen nicht üblich sind. Dies steht nach der oben aufgezeigten Rechtsprechung einer Schadensberechnung auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr, wie sie fiktive Lizenzvertragsparteien vernünftigerweise vereinbaren würden, nicht entgegen.

57bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist eine Berechnung des Schadens auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr auch nicht unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens ausgeschlossen.

58(1) Wie bereits oben dargelegt wurde, reicht der Umstand, dass die Beklagte anstelle des patentverletzenden Angebots ein nicht unter den Tatbestand von § 9 PatG fallendes Angebot im Ausland hätte unterbreiten können, nicht aus, um die Zurechnung des entstandenen Schadens zu der Verletzungshandlung zu verneinen.

59(2) Vor diesem Hintergrund kann die Befugnis zur Nutzung des geschützten Gegenstands nicht allein wegen der Möglichkeit eines rechtmäßigen Alternativverhaltens als wirtschaftlich wertlos angesehen werden.

60Die Möglichkeit, ein nicht patentverletzendes Angebot im Ausland abzugeben, mag dazu führen, dass das Verbot eines Angebots im Inland dem Rechtsinhaber nur vergleichsweise geringen Schutz bietet. Selbst wenn dies die Annahme rechtfertigen würde, dass ein Dritter nicht bereit wäre, sich für die Erlaubnis, solche Angebote zu unterbreiten, um eine Lizenz zu bemühen, steht dies der Berechnung des aufgrund eines rechtswidrigen Angebots entstandenen Schadens anhand einer fiktiven Lizenzgebühr nicht entgegen.

61Wie bereits oben dargelegt wurde, reicht es für die Zulässigkeit dieser Berechnungsmethode aus, wenn die Erteilung von Lizenzen für solche Handlungen allgemein in Betracht kommt. Letzteres kann auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht ausgeschlossen werden.

62Der geringe Schutz, den ein allein das Anbieten des geschützten Erzeugnisses betreffendes Verbot bieten mag, rechtfertigt auch nicht die Schlussfolgerung, dass ein vernünftiger Rechtsinhaber eine Lizenz zur Vornahme solcher Handlungen unentgeltlich erteilen würde. Der Umstand, dass Angebote nur im patentfreien Ausland unterbreitet werden können, mag für einen Wettbewerber nur geringe Beeinträchtigungen mit sich bringen. Dies ist aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Rechtsinhabers aber kein zureichender Grund, Angebote im Inland unentgeltlich zu gestatten und so auf einen Teil des ihm zustehenden Schutzes zu verzichten.

63III. Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO).

641. Im wieder eröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht der Frage nachgehen müssen, ob zwischen dem patentverletzenden Angebot und dem nachfolgenden Vertragsschluss und den in dessen Gefolge erbrachten Leistungen ein ursächlicher Zusammenhang im oben aufgezeigten Sinne besteht.

652. Bejahendenfalls wird das Berufungsgericht in wertender Betrachtung bestimmen müssen, welcher Teil des erzielten oder entgangenen Gewinns der Verletzungshandlung zuzuordnen ist.

66a) Hierbei wird das Berufungsgericht wie in Fällen eines Inverkehrbringens im Inland zunächst zu klären haben, inwieweit die Gewinne auf mit der Patentverletzung zusammenhängenden Eigenschaften des veräußerten Gegenstands oder auf anderen Faktoren beruhen (, BGHZ 194, 194 = GRUR 2012, 1226 Rn. 20 - Flaschenträger; Beschluss vom - X ZR 130/12, GRUR 2013, 1212 Rn. 5 - Kabelschloss).

67b) Sodann wird zu beurteilen sein, welcher Teil des so ermittelten Gewinns dem patentverletzenden Anbieten zuzuordnen ist.

68Hierfür können Umfang und Intensität der patentverletzenden Angebotshandlungen in Deutschland von Bedeutung sein, aber auch die Vorteile, die sich der Verletzer von dem patentverletzenden Verhalten erhoffen durfte. Zu den insoweit relevanten Handlungen gehören neben der Abgabe eines Angebots gegebenenfalls auch Vertragsverhandlungen und sonstige Kommunikation mit dem potentiellen Kunden, die auf den Abschluss eines Vertrags gerichtet ist. Den aus solchen Handlungen resultierenden Vorteilen kann insbesondere dann großes Gewicht zukommen, wenn der potentielle Kunde auf Vertragsverhandlungen in Deutschland besonderen Wert legt oder wenn sich das Anbieten in Deutschland für den Verletzer unter organisatorischen oder finanziellen Aspekten einfacher gestaltet als eine entsprechende Tätigkeit im Ausland.

69c) Eine Berechnung anhand entgangenen eigenen Gewinns der Klägerin setzt voraus, dass das Berufungsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Klägerin den Auftrag zur Errichtung der Anlage erhalten hätte, wenn die Beklagte von einem Anbieten im Inland abgesehen hätte.

70In diesem Zusammenhang kann dem Umstand, dass die Beklagte die Möglichkeit zu einem Angebot im Ausland gehabt hätte, Bedeutung zukommen.

71Wie oben dargelegt wurde, schließt dieser Umstand eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zwar nicht aus. Ein Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns setzt aber voraus, dass ohne die Patentverletzung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen des Einzelfalls mit Wahrscheinlichkeit (§ 252 Satz 2 BGB) ein Gewinn des Berechtigten erwartet werden konnte. Hierfür ist der hypothetische Kausalverlauf, der ohne die Patentverletzung zu erwarten war, von Bedeutung.

72d) Die Schadensberechnung auf der Grundlage einer angemessenen Lizenzgebühr kann ähnlich wie die Berechnung anhand des Verletzergewinns in der Weise erfolgen, dass die Lizenz anhand des Umsatzes mit den Erzeugnissen berechnet wird, die Gegenstand des patentverletzenden Angebots waren, der Lizenzsatz jedoch reduziert wird, wenn nur das Anbieten, nicht aber das Inverkehrbringen der Erzeugnisse eine Patentverletzung darstellt (zu einer ähnlichen Konstellation bei Markenrechtsverletzungen vgl. , GRUR 2022, 82 Rn. 38 f. - Layher).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:070524UXZR104.22.0

Fundstelle(n):
ZIP 2024 S. 4 Nr. 28
QAAAJ-70197