Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung mit Hinweisen zur geltenden Rechtslage unterliegt nicht der Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses
Leitsatz
1. Im Verfahren der Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses ist eine Erörterung der Einwendungen nicht vorgesehen.
2. Einen vom Dienststellenleiter zu verantwortenden Verfahrensmangel bei der Einleitung eines Beteiligungsverfahrens kann der Gesamtvertrauenspersonenausschuss nur innerhalb der Frist aus § 43 Abs. 1 Satz 2 SBG wirksam rügen.
Gesetze: § 25 Abs 3 S 1 Nr 1 SBG 2016, § 25 Abs 3 S 1 Nr 10 SBG 2016, § 37 Abs 2 SBG 2016, § 38 Abs 3 SBG 2016, § 43 Abs 1 S 2 SBG 2016, § 80 Abs 1 Nr 1 BPersVG, § 8 BPersVG
Tatbestand
1Der Antragsteller rügt die Verletzung seiner Beteiligungsrechte bei der Entscheidung des Bundesministeriums der Verteidigung, bei Erkrankungen während einer genehmigten Dienst- bzw. Arbeitsbefreiung keine Zeitgutschrift zu gewähren.
2Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wies die obersten Bundesbehörden mit Schreiben vom darauf hin, dass eine Zeitgutschrift bei einer nachgewiesenen Erkrankung von Bundesbeamten und Tarifbeschäftigten des Bundes während einer genehmigten Dienst- bzw. Arbeitsbefreiung nicht zulässig sei. Etwas Anderes gelte nach § 9 Abs. 1 Satz 1 der Erholungsurlaubsverordnung (EUrlV) lediglich bei Erkrankungen während eines genehmigten Erholungsurlaubs; eine analoge Anwendung dieser Regelung komme aufgrund der unterschiedlichen Zielsetzungen von Arbeitszeit- und Urlaubsrecht nicht in Betracht.
3Unter dem übermittelte das Referat P II 6 des Bundesministeriums der Verteidigung dem Antragsteller den Entwurf eines Erlasses, mit dem die Vorgaben des Schreibens des Bundesinnenministeriums vom auch für die Soldatinnen und Soldaten umgesetzt werden sollen, und bat um eine Stellungnahme.
4Mit Schreiben vom lehnte der Antragsteller "den Vorgang" ab und berief sich hierbei u. a. auf Unterschiede zwischen Beamten und Soldaten bei der Anrechenbarkeit von Arztbesuchen als Dienstzeit, die Regelung in Nr. 242 der Zentralen Dienstvorschrift A-1420/34 zur Anwendung der Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten sowie Gründe des Arbeits- und Gesundheitsschutzes.
5Das Bundesministerium der Verteidigung teilte dem Antragsteller mit Schreiben vom mit, dass es dessen Ansicht nicht teile und begründete seine abweichende Auffassung. Das Anhörungsverfahren sei damit abgeschlossen. Vorsorglich wurde in dem Schreiben darauf hingewiesen, dass es sich bei der Angelegenheit um keinen Fall der Mitbestimmung nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SBG handele.
6Unter dem wies das durch den Leiter des Referats R II 6 vertretene Bundesministerium der Verteidigung an, die Vorgaben des Schreibens des Bundesinnenministeriums vom auch auf die Statusgruppe der Soldatinnen und Soldaten verbindlich anzuwenden. Dieser Erlass ist dem Antragsteller am selben Tag übermittelt worden.
7Mit Schreiben vom , beim Referat II 2 des Bundesministeriums der Verteidigung am eingegangen, beschwerte sich der Antragsteller, vertreten durch seinen Sprecher, beim Staatssekretär des Bundesministeriums der Verteidigung gegen die Verletzung seiner Beteiligungsrechte. Der Bevollmächtigte des Antragstellers hat mit Schreiben vom der Sache nach klargestellt, dass der Antragsteller einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat. Das Bundesministerium der Verteidigung legte ihn mit einer Stellungnahme vom dem Senat vor.
8Der Antragsteller macht geltend, eine ordnungsgemäße Anhörung sei unterblieben, weil die Angelegenheit nicht mit ihm nach § 21 SBG in einem Gespräch erörtert worden sei. Dort hätte die Möglichkeit bestanden, mit argumentativen Mitteln auf eine Entscheidung hinzuwirken. Sie hätte eröffnet werden müssen, weil der Dienstherr von Anfang an nicht beabsichtigt habe, die von ihm abgegebene Stellungnahme im Rahmen der Entscheidung zu berücksichtigen. Überdies sei für die begründete Entscheidung im Anhörungsverfahren der Bundesminister der Verteidigung zuständig gewesen. Das Schreiben eines Referatsleiters könne keinesfalls einen ordnungsgemäßen Gegenstand im Anhörungsverfahren darstellen. Ohnehin setze sich dieses Schreiben nicht mit den von ihm vorgetragenen Argumenten zum Arbeits- und Gesundheitsschutz auseinander. Es sei für ihn schon nicht erkennbar, ob diese Aspekte überhaupt zum Gegenstand der Prüfung gemacht worden seien. Keinesfalls könne ein nach Ablauf von zwei Jahren zugesandtes Schreiben eines Referates, in dem bereits die Umsetzung der Maßnahme angekündigt werde, als ausreichende Berücksichtigung der Stellungnahme gewertet werden. Die Auffassung, dass § 43 Abs. 1 SBG als speziellere Regelung eine Erörterung ausschließe, werde nicht geteilt. Mit Blick auf § 21 Satz 3 SBG könne zumindest im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit eine Erörterung mit der Leitung der Dienststelle verlangt werden.
9Ungeachtet dessen unterliege die hier in Rede stehende Regelung der Mitbestimmung. Das ergebe sich aus § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SBG, der auch die Beachtung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften bei der Festsetzung der Arbeitszeiten sicherstellen solle. Gegenstand der streitigen Maßnahme sei nicht lediglich die Anrechnung von nicht am Arbeitsplatz verbrachten Zeiten. Aus den Regelungen in den Nrn. 410, 414 und 416 der Allgemeinen Regelungen AR A1-2630/0-9802 ergebe sich, dass sich Soldaten im Falle ihrer Erkrankung im Dienst befänden und lediglich von der Dienstverrichtung befreit seien. Regelungen zur Berücksichtigung dieser Zeiten bei der täglichen Arbeitszeit seien daher mitbestimmungspflichtige Dienstzeitregelungen. Bestätigt werde diese Sichtweise durch § 4 SAZV, der den Rückschluss zulasse, dass ein Arztbesuch Dienstzeit sei. Die Maßnahme führe aber dazu, dass Dienst im Sinne der SAZV nicht als solcher anerkannt werden solle. Darüber hinaus zeige ein Vergleich mit dem Bundespersonalvertretungsrecht, dass die Berücksichtigung von Arztbesuchen für zivile Beschäftigte häufig Gegenstand von Dienstvereinbarungen zur gleitenden Arbeitszeit sei. Erst recht habe dies in dem hier zu entscheidenden Fall vor dem Hintergrund der Sonderregelungen für Soldaten zu gelten.
10Zudem sei der Mitbestimmungstatbestand des § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SBG erfüllt. Bei dem Arbeitszeitausgleich handele es sich um eine Maßnahme zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen, die dem Ziel diene, den einzelnen vor Überbelastung zu schützen. Dieser Schutz werde gefährdet, wenn krankheitsbedingt in der Freistellungsphase keine Erholung möglich sei. Ebenso, wie Urlaub der Erholung diene, stehe diese Erholung auch beim Abbau von zuvor bereits geleisteten Mehrarbeitsstunden im Vordergrund. Das Aufsuchen eines Truppenarztes im Falle einer Erkrankung sei auch ein wesentlicher Bestandteil des Gesundheitsschutzes. Die Pflicht zur Gesunderhaltung führe dazu, dass der Soldat im Falle einer Erkrankung detaillierte Vorgaben zu erfüllen habe. Deren zeitliche und dienstrechtliche Einordnung sowie die damit verbundenen Fragen (z. B. Versicherungsschutz bei Anfahrten) definierten die Rahmenbedingungen zur Verhütung von Gesundheitsschädigungen.
11Der Antragsteller beantragt,
festzustellen, dass der Abbruch des Beteiligungsverfahrens rechtswidrig war und das Verfahren daher fortzusetzen ist,
hilfsweise festzustellen, dass der Abbruch des Anhörungsverfahrens rechtswidrig war und das Anhörungsverfahren fortzusetzen ist.
12Das Bundesministerium der Verteidigung beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
13Der Antrag sei unbegründet. Die streitgegenständliche Maßnahme sei nicht mitbestimmungspflichtig gewesen. Dies ergebe sich insbesondere nicht aus § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SBG, der identisch mit der Bestimmung in § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG a. F. sei. Um deren Tatbestand zu erfüllen, müsse es sich um eine Regelung handeln, durch die eine generelle und unmittelbar verbindliche Verteilung der abzuleistenden Arbeitszeit auf die Arbeitstage der Woche oder deren Einteilung an den einzelnen Wochentagen vorgenommen werde. Eine Regelung, die sich damit befasse, inwieweit Arbeitszeit wieder gutzuschreiben sei, wenn der Betroffene im genehmigten Freistellungszeitraum erkranke, genüge diesen Anforderungen nicht. Bestimmungen, die lediglich eine Anrechnung bzw. Verrechnung von nicht am Arbeitsplatz verbrachten Zeiten vorsähen und die sich deshalb nicht auf den Beginn und das Ende und ebenso wenig auf die Verteilung der konkret am Arbeitsplatz zu verbringenden Arbeitszeit auswirkten, würden vom Schutzbereich des Mitbestimmungstatbestandes des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG a. F. nicht erfasst werden. Etwas Anderes ergebe sich auch nicht aus der AR A1-2630/0-9802, die jedenfalls keine Regelung enthalte, nach der sich ein Soldat im Krankheitsfall stets im Dienst befinde. In Kapitel 4 "Gesunderhaltung" Unterabschnitt 4.3 ("Ärztliche und zahnärztliche Versorgung") seien lediglich Festlegungen zum Verhalten erkrankter Soldaten (im und außer Dienst), zu den Aufgaben des Disziplinarvorgesetzten und zu den militärärztlichen Zuständigkeiten getroffen worden. Der Umstand, dass dienstliche Regelungen auch das außerdienstliche Verhalten von Soldatinnen und Soldaten berühren könnten, sei dem Wehrdienstverhältnis nicht fremd.
14Die Maßnahme sei auch nicht nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SBG mitbestimmungspflichtig gewesen, da die Regelung nicht die Modalitäten des Arztbesuches betreffe, sondern lediglich die Frage, wie arbeitszeitrechtlich mit einer Erkrankung während eines genehmigten Freistellungstages umzugehen sei. Der Arbeitszeitausgleich diene auch nicht der Vermeidung von gesundheitsschädlichen Überlastungen, sondern lediglich dem Ausgleich zu viel erbrachter Arbeitszeit.
15Das nach alledem lediglich erforderliche Anhörungsverfahren sei ordnungsgemäß durchgeführt worden. Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 4 SBG sei das Bundesministerium der Verteidigung im Anhörungsverfahren verpflichtet, dem Antragsteller die Gründe mitzuteilen, aus welchen Gründen dessen Stellungnahmen oder Anregungen bei der Entscheidung nicht berücksichtigt worden seien. Damit gehe die Verpflichtung einher, sich vor der Entscheidung mit den vorgebrachten Argumenten inhaltlich auseinanderzusetzen. Die hierfür erforderliche detaillierte Abwägung und Begründung der Abweichung sei mit dem abschließenden Schreiben vom erfolgt. Anders als der Antragsteller meint, habe es einer Erörterung nach § 21 SBG nicht bedurft. Es gelte vielmehr die in § 43 Abs. 1 Satz 4 SBG enthaltene Sonderregelung. Wäre § 21 SBG auch im Rahmen der Anhörung des Antragstellers anzuwenden, hätte dies in der Praxis zur Folge, dass die Amtsseite ihre beabsichtigte Entscheidung entgegen der Stellungnahme des Antragstellers stets mit dem gesamten Gremium erörtern müsste. Im Gegensatz zu einer Erörterung mit der Vertrauensperson, die in der Regel auch kurzfristig erfolgen könne, führe dies zu einer erheblichen Verzögerung des Beteiligungsverfahrens, da die Sitzungen des Antragstellers nur monatlich stattfänden. Dem habe der Gesetzgeber mit der spezielleren Regelung in § 43 Abs. 1 Satz 4 SBG Rechnung getragen.
16Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministeriums der Verteidigung hat dem Senat bei der Beratung vorgelegen.
Gründe
17Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat keinen Erfolg.
181. Haupt- und Hilfsantrag sind zwar zulässig. Der Antragsteller ist insbesondere antragsbefugt. Er macht geltend, dass das Bundesministerium der Verteidigung sein Beteiligungsrecht aus § 38 Abs. 3 i. V. m. § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 10 SBG verletzt habe, indem es ihn vor der Inkraftsetzung des Erlasses vom nicht ordnungsgemäß beteiligt habe. Für die Anträge fehlt es ihm auch nicht am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis. Ausweislich der Mitteilung des Bundesministeriums der Verteidigung mit Schreiben vom ist die Weisung, auf die sich hier die gerügten Beteiligungsmängel beziehen, weiterhin anzuwenden und hat sich nicht erledigt. Dem Antragsteller steht auch ein Feststellungsinteresse zur Seite. Das konkrete Anlassverfahren ist - über den Einzelfall hinaus - geeignet, die rechtlichen Anforderungen an das Beteiligungsrecht aus § 38 Abs. 3 i. V. m. § 25 Abs. 3 SBG weiter zu klären (vgl. 1 WB 33.21 - juris Rn. 30 m. w. N.).
192. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch insgesamt unbegründet.
20a) Der Hauptantrag bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung, die Verwaltungspraxis, nach der die Stunden eines Arbeitszeitausgleichs bei krankheitsbedingter Dienst- bzw. Arbeitsunfähigkeit wieder gutgeschrieben werden, nicht weiter aufrechterhalten wird, keine der Mitbestimmung des Antragstellers unterliegende Maßnahme gemäß § 38 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 10 SBG ist.
21aa) Der Anwendungsbereich des § 38 Abs. 3 SBG ist schon nicht eröffnet, weil es sich bei der Maßnahme nicht um eine Grundsatzregelung im Sinne dieser Norm handelt.
22Unter Grundsatzregelungen i. S. d. § 38 Abs. 3 SBG sind Regelungen mit allgemeingültigem Charakter zu verstehen, die das Bundesministerium der Verteidigung in Wahrnehmung seiner Aufgaben als Dienstherr oder Arbeitgeber gegenüber allen oder einer unbestimmten Anzahl von Beschäftigten erlässt und die für eine Vielzahl von Fällen gelten. Sie müssen Gestaltungswirkung haben, mithin auf eine Veränderung eines Rechtszustandes hinwirken. Die Gestaltungswirkung bzw. der Regelungscharakter fehlen, wenn die Anordnung lediglich Verwaltungsregeln erläutert, Hinweise auf die Rechtslage gibt, nur allgemeine Weisungen zur Erledigung der Dienstgeschäfte enthält oder bloße Rechtsansichten äußert bzw. bestehende dienstliche Verpflichtungen konkretisiert ( 1 WB 55.19 - BVerwGE 168, 97 Rn. 28).
23Der Erlass des Bundesministeriums der Verteidigung vom dient lediglich der Beendigung einer rechtswidrigen Verwaltungspraxis, auf die das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat die obersten Bundesbehörden unter Hinweis auf den Beschluss des für das Beamtenrecht zuständigen 2. Senats des 2 B 120.90 - juris Rn. 4) aufmerksam gemacht hatte. In der Gerichtsentscheidung ist ausgeführt worden, dass der nach § 3 Abs. 1 AZV gewährte Ausgleich von Mehrarbeit durch Minderarbeit (im Wege der Arbeits- bzw. Dienstbefreiung) auch dann verbraucht ist, wenn der Beamte in dieser Zeit erkrankt. Mit dem Erlass schließt sich das Bundesministerium der Verteidigung dieser Rechtsauffassung für den Bereich der Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr an, so dass er sich als bloßer Hinweis auf eine durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärte Rechtslage erschöpft, ohne dass sich mit ihm eine Gestaltungswirkung verbindet.
24bb) Darüber hinaus unterliegt die Maßnahme auch keinem Mitbestimmungstatbestand i. S. d. § 25 Abs. 3 SBG.
25(1) Ein Mitbestimmungsrecht ergibt sich nicht aus § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SBG.
26Hiernach besteht ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Nach der überzeugenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG a. F. (nunmehr § 80 Abs. 1 Nr. 1 BPersVG), der mit § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SBG nahezu (d. h. bis auf die Eingangsformulierung "die Festlegung") wortgleich übereinstimmt, unterfällt der Mitbestimmung nach dieser Norm jede Maßnahme, die eine generelle und unmittelbar verbindliche Verteilung der abzuleistenden Arbeitszeit auf die Arbeitstage der Woche oder deren Einteilung an den einzelnen Wochentagen vornimmt (vgl. 6 P 21.90 - BVerwGE 91, 346 <350>; s. auch 5 PB 7.20 - NZA-RR 2021, 270 Rn. 6). Irgendeine Einflussnahme auf die tatsächlich geleistete Arbeitszeit reicht allerdings nicht aus, um den Mitbestimmungstatbestand zu begründen (s. 5 PB 4.20 - juris Rn. 6).
27Die Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung, dass bei krankheitsbedingter Dienst- und Arbeitsunfähigkeit nicht die Stunden eines Arbeitszeitausgleichs wieder gutgeschrieben werden, enthält schon keine generelle Festlegung von Beginn und Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit; auf die entsprechende Verteilung der abzuleistenden Arbeitszeit auf die Arbeitstage der Woche nimmt sie keinen unmittelbaren Einfluss. Sie berührt allenfalls das - einer Mitbestimmung nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SBG nicht unterliegende - Volumen der zu leistenden Arbeitszeit, weil die geleistete Mehrarbeit nicht mehr durch eine entsprechende Minderarbeit ausgeglichen wird (vgl. zur Streichung eines arbeitsfreien Tages 60 PV 2.16 - juris Rn. 29; Rehak, in: Lorenzen/Gerold/Schlatmann u. a., BPersVG, Stand: November 2023, § 80 Rn. 35). Für die generelle Einteilung der Dienstzeit an einzelnen Wochentagen enthält die Weisung ebenfalls keine abstrakte Regelung, die mitbestimmungspflichtig wäre. Auch hier beeinflusst sie wegen des ausbleibenden Ausgleichs zuvor geleisteter Mehrarbeit allenfalls die Höhe der Dienstzeit für den jeweils betroffenen Soldaten an einzelnen Tagen, ohne dass sich hieraus ein vom Dienstherrn beabsichtigtes generelles und damit über den Einzelfall hinausweisendes Muster ableiten ließe.
28Soweit sich der Antragsteller auf seine im Zusammenhang mit dem Mitbestimmungstatbestand des § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SBG verbundene Aufgabe bezieht, auf die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften durch den Dienstherrn zu achten (vgl. 6 P 21.89 - juris Rn. 39), führt dies nicht weiter. Diese Zweckrichtung führt nicht zur Erweiterung des Mitbestimmungstatbestandes über die beschriebenen (fest umrissenen) Merkmale hinaus. Denn die Überwachung bezieht sich nur auf die Einhaltung der arbeitszeitrechtlichen Vorschriften über den Beginn und das Ende der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit bzw. über die generelle Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage.
29(2) Auch § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SBG greift nicht ein.
30Maßnahmen zur Verhütung von Dienst- und Arbeitsunfällen bzw. sonstigen Gesundheitsschädigungen sind lediglich solche Maßnahmen, die gezielt für Zwecke des Arbeits- und Gesundheitsschutzes eingeführt werden. Bloße arbeitsschützende Nebeneffekte lösen das Beteiligungsrecht nicht aus ( 1 WB 19.21 - juris Rn. 42 m. w. N.). Mithin unterliegen Maßnahmen, die in erster Linie andere Zwecke verfolgen, und sich nur mittelbar auf den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Soldaten auswirken, nicht dem Mitbestimmungsrecht § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SBG (vgl. 6 PB 10.12 - juris Rn. 5 m. w. N.). Die Frage, ob die vorgesehene Maßnahme auf die Verhütung von Dienst- oder Arbeitsunfällen oder von sonstigen Gesundheitsschädigungen abzielt oder ob sie auf die Erreichung anderer Zwecke gerichtet ist, ist nach dem objektiven Inhalt der Maßnahme und den in diesem Zusammenhang relevanten Umständen zu beurteilen. Motive und Erklärungen desjenigen, der die Maßnahme initiiert, sind nicht maßgeblich (s. 6 PB 10.12 - juris Rn. 7).
31Die hier in Rede stehende Maßnahme ist - anknüpfend an die Herstellung einer entsprechenden Praxis bei Beamten und Tarifbeschäftigten des Bundes - in erster Linie darauf gerichtet, eine im Ergebnis von Prüfungen des Bundesrechnungshofs gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit nach § 7 BHO verstoßende Verwaltungspraxis zu beenden; diesem Grundsatz entsprechend dürfen nur Personalausgaben geleistet werden, die rechtlich verpflichtend sind. Der daraus abgeleiteten Handlungsempfehlung des Bundesministeriums des Innern zur Korrektur der Verwaltungspraxis (vgl. Rundschreiben des Bundesministeriums des Innern vom ) folgt die Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung. Ziele des Gesundheits- und Arbeitsschutzes werden mit ihr erkennbar nicht verfolgt. Der Umstand, dass sie - wie der Antragsteller zu bedenken gibt - Rahmenbedingungen zur Verhütung von Gesundheitsschädigungen beeinflusst, genügt nicht, um die nach § 25 Abs. 3 Satz 1 Nr. 10 SBG erforderliche Finalität annehmen zu können, zumal sich ohnehin nicht ansatzweise erkennen lässt, dass die Maßnahme überhaupt mit einem arbeitsschützenden Effekt verbunden sein könnte.
32b) Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet.
33aa) Eine Anhörung nach § 38 Abs. 3 Satz 1 SBG kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es sich bei der Maßnahme - wie bereits erörtert - um keine Grundsatzangelegenheit im Sinne dieser Norm handelt. Soweit die Beteiligung nur im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit außerhalb einer Beteiligungspflicht erfolgt, gehen die Rechte des Antragstellers jedenfalls nicht weiter als bei einer beteiligungspflichtigen Maßnahme.
34Das Bundesministerium der Verteidigung war ungeachtet dessen nicht verpflichtet, den Antragsteller vor dem Erlass der Weisung im Wege der Erörterung nach § 21 Satz 3 SBG zu beteiligen. Diese Bestimmung wird von der spezielleren Norm des § 43 Abs. 1 SBG verdrängt. Das ergibt sich aus § 37 Abs. 2 SBG. Danach gelten die Bestimmungen über die Versammlungen der Vertrauenspersonen für die Vertrauenspersonenausschüsse - wie die in § 33 Abs. 7 Satz 3 i. V. m. § 21 SBG enthaltenen Regelungen über die Anhörung von Vertrauenspersonenversammlungen - entsprechend, "sofern nachfolgend nichts Anderes bestimmt ist." § 43 Abs. 1 SBG enthält eine "andere Bestimmung" i. S. d. § 37 Abs. 2 SBG. In dieser Norm ist das Verfahren der Anhörung von Gesamtvertrauenspersonenausschüssen abschließend geregelt; die Anhörung erschöpft sich danach in einem lediglich schriftlichen Verfahren (so zutreffend Meder, in: Wolf/Meder, SBG, Stand Juni 2023, § 43 Rn. 10). Die gegenteilige Auffassung, die unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte eine Erörterungspflicht annimmt (vgl. Gronimus, Die Beteiligungsrechte der Vertrauenspersonen in der Bundeswehr, 10. Aufl. 2023, § 43 Rn. 9; wohl ebenso zur Vorgängernorm, allerdings ohne nähere Begründung Stauf, Wehrrecht I, 1. Aufl. 2002, § 38 Rn. 2), überzeugt nicht. Sie spricht eher für das Gegenteil. Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung soldatenbeteiligungs- und personalvertretungsrechtlicher Vorschriften wurde mit dem Passus "und umfassend" eine Ergänzung in § 43 Abs. 1 Satz 1 SBG vorgenommen, um klarzustellen, "dass neben der rechtzeitigen auch eine umfassende Unterrichtung der Gremien - wie in § 21 Satz 1 geregelt und vergleichbar dem Personalvertretungsrecht - zu erfolgen hat" (Gesetzesbegründung der Bundesregierung, BT-Drs. 18/8298, S. 47). Dieser Klarstellung hätte es nicht bedurft, wenn anzunehmen wäre, dass § 21 SBG - einschließlich der dort in Satz 3 geregelten Erörterungspflicht - ohnehin (einschränkungslos) auch für das Verfahren der Beteiligung der Gesamtvertrauenspersonenausschüsse Geltung beansprucht. Unabhängig davon kann auf ein in der Gesetzesbegründung oder im Gesetzesverfahren geäußertes subjektives Verständnis nur abgestellt werden, wenn es objektiv im Gesetz einen Niederschlag gefunden hat ( - BGHZ 197, 21 Rn. 36 f.). Daran fehlt es.
35bb) Der Senat kann dahinstehen lassen, ob der Antragsteller - wie er vorträgt - in einem aus dem allgemeinen Verhaltensgebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit (vgl. § 2 BPersVG) abgeleiteten Anhörungsrecht verletzt worden sein könnte, weil diese Beteiligung nicht - wie etwa in § 43 Abs. 5 SBG i. V. m. § 8 BPersVG für das Verfahren der Beteiligung des Gesamtvertrauenspersonenausschusses ausdrücklich vorgesehen - durch den Minister der Verteidigung, den Staatssekretär oder den Leiter der für das Personal zuständigen Abteilung des Bundesministeriums der Verteidigung erfolgt ist. Dabei ist freilich klarstellend darauf hinzuweisen, dass das Verhaltensgebot lediglich die Art und Weise der Zusammenarbeit regelt, ohne die nach dem Soldatenbeteiligungsgesetz bestehenden Befugnisse der Soldatenvertretungen zu erweitern (vgl. zu § 2 Abs. 1 BPersVG 6 P 2.78 - BVerwGE 57, 151 <156 f.>), etwa mit Blick auf ein über § 43 Abs. 1 SBG hinausgehendes Erörterungsrecht.
36Mit dem vorgetragenen Anhörungsmangel kann der Antragsteller jedenfalls deshalb nicht mehr gehört werden, weil er dessen Verletzung nicht rechtzeitig beanstandet hat. Der Gesamtvertrauenspersonenausschuss ist nach dem Grundsatz der vertrauensvollen Zusammenarbeit dazu verpflichtet, dem Dienststellenleiter formelle Fehler bei der Einleitung des Verfahrens innerhalb der vierwöchigen Ausschlussfrist des § 43 Abs. 1 Satz 2 SBG mitzuteilen. Versäumt er das, dann verliert er sein Rügerecht mit der Folge, dass der Mangel im weiteren Verlauf des Beteiligungsverfahrens und eines gegebenenfalls anschließenden gerichtlichen Verfahrens von ihm nicht mehr beanstandet werden kann (vgl. zum Bundespersonalvertretungsrecht 6 P 11.86 - BVerwGE 78, 72 <76 f.> m. w. N.). Dieser Rügeverlust ist hier eingetreten, weil der Antragsteller den Mangel erst mit Schreiben vom und damit deutlich nach der noch im Dezember 2020 ablaufenden Vier-Wochen-Frist geltend gemacht hat.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:200324B1WB26.22.0
Fundstelle(n):
OAAAJ-69665