BAG Urteil v. - 5 AZR 235/23

Entgeltfortzahlung - symptomlose SARS-CoV-2-Infektion

Gesetze: § 3 Abs 1 S 1 EntgFG, § 275 Abs 1 BGB, § 56 Abs 1 IfSG, § 286 ZPO

Instanzenzug: ArbG Erfurt Az: 1 Ca 470/22 Urteilvorgehend Thüringer Landesarbeitsgericht Az: 1 Sa 41/23 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion.

2Die Klägerin ist seit Dezember 2020 bei der Beklagten, die Pflegeeinrichtungen betreibt, als Pflegefachkraft zu einem Bruttomonatsgehalt iHv. zuletzt 3.196,22 Euro beschäftigt. Die Zahlung der Vergütung erfolgt bis zum 15. Kalendertag des Folgemonats. Gemäß § 1 Abs. 2 des Arbeitsvertrags finden auf das Arbeitsverhältnis die Richtlinien für Arbeitsverträge des bpa Arbeitgeberverbandes e.V. idF vom (AVR) Anwendung. Nach § 9 Abs. 4 Satz 2 AVR ist § 616 BGB abbedungen.

3Bei der Klägerin, die sich keiner Schutzimpfung gegen das SARS-CoV-2-Virus (Coronavirus) unterzogen hatte, wurde am das Virus nachgewiesen. Daraufhin erließ der Landkreis G mit Schreiben vom eine Anordnung, mit der eine bereits am telefonisch ausgesprochene Anordnung bestätigt wurde, wonach für die Klägerin bis zum eine häusliche Absonderung verfügt wurde. Die Infektion verlief symptomlos. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung legte die Klägerin nicht vor. In der Zeit vom 16. bis zum nahm sie an einem Online-Lehrgang teil. Für November 2021 zahlte die Beklagte der Klägerin ein Arbeitsentgelt von 2.130,81 Euro brutto. Mit Schreiben vom machte die Klägerin gegenüber der Beklagten erfolglos den Differenzbetrag zu dem vereinbarten Bruttomonatsgehalt von 3.196,22 Euro iHv. 1.065,41 Euro brutto geltend.

4Mit ihrer der Beklagten am zugestellten Klage hat die Klägerin für die Zeit vom 6. bis zum die Zahlung des Differenzbetrags verlangt. Sie hat die Auffassung vertreten, ihr stehe ein Vergütungsanspruch nach § 616 BGB zu, weil sie eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit an der Arbeitsleistung verhindert gewesen sei. Die Beklagte könne sich nicht auf einen Ausschluss des § 616 BGB berufen, denn § 9 Abs. 4 AVR verstoße gegen AGB-Recht. Im Verlauf des Verfahrens hat die Klägerin den Zahlungsanspruch auch auf § 3 Abs. 1 EFZG gestützt und zudem geltend gemacht, ein solcher Anspruch folge auch aus § 56 IfSG, der durch die Beklagte als Arbeitgeberin zu erfüllen sei. Dieser Anspruch sei auch nicht gemäß § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG ausgeschlossen, weil die Schutzimpfung nicht vor der Infektion selbst, sondern allenfalls vor schweren Krankheitsverläufen schütze.

5Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

6Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, ein Anspruch gemäß § 616 BGB scheide aus, weil die Vorschrift wirksam abbedungen sei und nur unerhebliche Verhinderungszeiträume von maximal fünf Tagen umfasse. Die Klägerin könne sich auch nicht auf § 3 EFZG berufen, da die fehlende Impfung ein schuldhaftes Verhalten darstelle. Ein Anspruch aus § 56 IfSG scheide schon mangels Passivlegitimation der Beklagten und wegen des fehlenden Impfschutzes der Klägerin aus.

7Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision begehrt.

Gründe

8Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet.

9I. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung aus § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG iHv. 1.065,41 Euro brutto. Nach dieser Bestimmung hat ein Arbeitnehmer Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft.

101. Die Klägerin war im Streitzeitraum arbeitsunfähig erkrankt. Krankheit iSd. § 3 EFZG setzt einen regelwidrigen körperlichen oder geistigen Zustand des Arbeitnehmers voraus. Regelwidrig ist der Zustand, wenn er nach allgemeiner Erfahrung unter Berücksichtigung eines natürlichen Verlaufs des Lebensgangs nicht bei jedem anderen Menschen gleichen Alters und Geschlechts zu erwarten ist ( - Rn. 14, BAGE 157, 102; - 5 AZR 228/05 - Rn. 35; Staudinger/Oetker (2022) BGB § 616 Rn. 215 f.). Maßgeblich ist der jeweilige Stand der Wissenschaft. Auf die Behandlungsbedürftigkeit kommt es nicht an (vgl.  - Rn. 18 f., BAGE 148, 16; MHdB ArbR/Greiner 5. Aufl. Bd. 1 § 80 Rn. 13 f.; Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 98 Rn. 9; ErfK/Reinhard 24. Aufl. EFZG § 3 Rn. 5 ff.; BeckOK ArbR/Ricken Stand EFZG § 3 Rn. 7 ff., jeweils mwN). Die SARS-CoV-2-Infektion stellt hiernach einen regelwidrigen Körperzustand und damit eine Krankheit iSv. § 3 Abs. 1 EFZG dar.

112. Die Klägerin war im Streitzeitraum infolge der Krankheit arbeitsunfähig.

12a) Arbeitsunfähigkeit besteht, wenn der Arbeitnehmer infolge Krankheit seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose hierdurch verhindert oder verzögert würde ( - Rn. 14, BAGE 157, 102; - 10 AZR 637/13 - Rn. 21, BAGE 148, 16). Jedenfalls dann, wenn der Arbeitnehmer die geschuldete Arbeitsleistung objektiv nicht ausüben kann, wird ihm die Erbringung der Leistung unmöglich iSv. § 275 Abs. 1 BGB (vgl.  - Rn. 43, BAGE 177, 163; Canaris JZ 2001, 499, 504; Joussen NZA 2001, 745, 747; MüKoBGB/Ernst 9. Aufl. BGB § 275 Rn. 47, auch zur Abgrenzung zwischen Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit der Arbeitsleistung [§ 275 Abs. 1 und 3 BGB]; dazu eingehend Gotthardt Arbeitsrecht nach der Schuldrechtsreform 2. Aufl. Rn. 100 ff.; Gotthardt/Greiner DB 2002, 2106, 2107 ff.; Schlodder Der Arbeitsvertrag im neuen Schuldrecht S. 117 ff., jeweils mwN).

13b) Arbeitsunfähigkeit liegt aber auch dann vor, wenn der Arbeitnehmer wegen der Erkrankung aus rechtlichen Gründen die Arbeitsleistung nicht erbringen kann, etwa weil für ihn aufgrund der Erkrankung ein Beschäftigungsverbot besteht (Gotthardt/Greiner DB 2002, 2106, 2108). Gleiches gilt, wenn gegenüber einem Arbeitnehmer aufgrund einer ansteckenden Infektionskrankheit gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in der im Streitzeitraum geltenden Fassung behördlich die Isolierung (Quarantäne) oder Absonderung verfügt wurde (vgl. HWK/Vogelsang 11. Aufl. § 3 EFZG Rn. 43; Noack NZA 2021, 251, 252 f.; BeckOK ArbR/Ricken Stand EFZG § 3 Rn. 20; Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 98 Rn. 14; Staudinger/Oetker (2022) BGB § 616 Rn. 233; aA: Balkau NJW 2023, 1768, 1769; Fischinger SR 2022, 37, 39 f.; Greiner NZA 2022, 665, 672 f.; Preis/Mazurek/Schmid NZA 2020, 1137, 1138; Schmitt EFZG/L. Schmitt 9. Aufl. EFZG § 3 Rn. 67). Auch in einem solchen Fall war dem Arbeitnehmer die Erbringung der Arbeitsleistung aus krankheitsbedingten Gründen rechtlich unmöglich, weil eine Zuwiderhandlung gegen die angeordnete Absonderung nach § 73 Abs. 1a IfSG bußgeldbewehrt und unter weiteren Voraussetzungen sogar nach § 74 IfSG strafbewehrt war.

14c) Dem Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 EFZG steht der Grundsatz der Monokausalität nicht entgegen.

15aa) Danach besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung grundsätzlich nur dann, wenn die Arbeitsunfähigkeit die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung ist. Der Anspruch auf Arbeitsentgelt darf nicht bereits aufgrund anderer Ursachen entfallen. Der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt also voraus, dass der erkrankte Arbeitnehmer ohne die Arbeitsunfähigkeit einen Vergütungsanspruch gehabt hätte ( - zu I 3 a der Gründe; ebenso zuletzt  - Rn. 26 mwN). Angesichts dieses Kausalitätserfordernisses besteht damit grundsätzlich kein Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer im Falle der Nichterkrankung aus anderen Gründen nicht gearbeitet und kein Entgelt erhalten hätte (MHdB ArbR/Greiner 5. Aufl. Bd. 1 § 80 Rn. 31; MüKoBGB/Müller-Glöge 9. Aufl. EFZG § 3 Rn. 14 f.; BeckOK ArbR/Ricken Stand EFZG § 3 Rn. 21; Staudinger/Oetker (2022) BGB § 616 Rn. 249 f.; Schmitt EFZG/L. Schmitt 9. Aufl. EFZG § 3 Rn. 81 ff.).

16bb) Diese Grundsätze gelten ebenso, wenn sich der Arbeitnehmer infolge einer ansteckenden Krankheit aufgrund einer hierauf bezogenen behördlichen Anordnung in häusliche Isolierung (Quarantäne) begeben muss und dort seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Der Arbeitnehmer ist auch in diesem Fall arbeitsunfähig (Rn. 13). Die Absonderungsanordnung steht der Annahme, dass die Krankheit alleinige Ursache der Arbeitsunfähigkeit ist, nicht entgegen (vgl.  - zu 2 a der Gründe, zu einem Beschäftigungsverbot nach dem Bundesseuchengesetz gegenüber einem Schlachter infolge einer Erkrankung an ansteckungsfähiger Tuberkulose; ebenso zu Beschäftigungsverboten nach dem Infektionsschutzgesetz nach Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus: Knorr/Krasney in Entgeltfortzahlung - Krankengeld - Mutterschaftsgeld Stand Dezember 2023 § 3 EntgFG Rn. 58; MüKoBGB/Müller-Glöge 9. Aufl. EFZG § 3 Rn. 10; Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 98 Rn. 14; BeckOK ArbR/Ricken Stand EFZG § 3 Rn. 26; Schürgers/Marski BB 2022, 308, 309; Staudinger/Oetker (2022) BGB § 616 Rn. 233; aA: Preis/Mazurek/Schmid NZA 2020, 1137, 1138; Schmitt EFZG/L. Schmitt 9. Aufl. EFZG § 3 Rn. 94 iVm. Rn. 67; NK-GA/Sievers 2. Aufl. EFZG § 3 Rn. 112 f.). Der Kausalzusammenhang ist gewahrt, weil die Absonderungsanordnung ihrerseits unmittelbare Folge der Erkrankung ist. Sie ist kein weiterer, paralleler Umstand, der für sich allein gesehen Grund der Arbeitsverhinderung sein könnte (vgl. dazu  - zu I 1 der Gründe, BAGE 59, 62 [Arbeitsunfähigkeit während des Erziehungsurlaubs/Elternzeit];  - zu 2 der Gründe, BAGE 68, 299 [Arbeitsunfähigkeit während eines Arbeitskampfes]), sie war vielmehr nach der im streitgegenständlichen Zeitraum geltenden infektionsschutzrechtlichen Rechtslage zwingende Rechtsfolge bei einer SARS-CoV-2-Infektion. Der Grundsatz der Monokausalität stünde dem Entgeltfortzahlungsanspruch nur dann entgegen, wenn die Absonderungsanordnung unabhängig von der Erkrankung erfolgen würde. In diesem Fall käme ihr selbständige Bedeutung zu.

17d) Der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 3 Abs. 1 EFZG wird nicht durch einen Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG ausgeschlossen, wenn durch die zuständige Behörde eine infektionsschutzrechtliche Isolierung (Quarantäne) angeordnet wird und zeitgleich krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit iSd. § 3 EFZG besteht. Zwar wird im Schrifttum hierzu die Auffassung vertreten, entgeltfortzahlungsrechtlich fehle es in diesen Fällen bereits am Tatbestand der Arbeitsunfähigkeit, da diese durch das als vorrangig anzusehende infektionsschutzrechtliche Beschäftigungsverbot verursacht werde, welches zum Wegfall der Arbeitspflicht führe (so insbes. MHdB ArbR/Greiner 5. Aufl. Bd. 1 § 80 Rn. 41; ders. NZA 2022, 665, 671; Grimm DB 2020, 1177, 1178). Dies überzeugt jedoch nicht, weil der Entschädigungsanspruch gegenüber dem Entgeltfortzahlungsanspruch nachrangig ist.

18aa) Der Regelungszweck des § 56 Abs. 1 IfSG erschließt sich nicht unmittelbar aus den Materialien des Infektionsschutzgesetzes. In der Gesetzesbegründung heißt es in den Vorbemerkungen zum 12. Abschnitt des Gesetzes, die dort getroffenen Entschädigungsregelungen ersetzten umfassend den von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Aufopferungsanspruch, dem damit insoweit keine lückenschließende Funktion mehr zukomme. Zu § 56 IfSG wird in der Gesetzesbegründung lediglich darauf hingewiesen, dass diese Regelung im Wesentlichen § 49 BSeuchG entspreche (BT-Drs. 14/2530 S. 87 f.). In der Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten beim Menschen (Bundes-Seuchengesetz) vom zu dem im Entwurf noch als § 48 aufgeführten und späteren § 49 BSeuchG heißt es, die Vorschrift stelle eine Billigkeitsregelung dar. Sie bezwecke keinen vollen Schadensausgleich, sondern eine gewisse Sicherung der von einem Berufsverbot Betroffenen vor materieller Not. § 49 Abs. 4 BSeuchG sah des Weiteren klarstellend vor, dass eine Entschädigung nicht gewährt werde, solange derjenige, dem sie zustehen würde, die verbotene Tätigkeit wegen Arbeitsunfähigkeit nicht ausüben könne. Dieser Regelung lag nach der Gesetzesbegründung der Gedanke zu Grunde, dass für die Billigkeitsentschädigung kein Raum sei, wenn und solange nicht das Berufsverbot, sondern Arbeitsunfähigkeit, etwa infolge Krankheit, die Ursache dafür sei, dass der Betroffene einen Verdienstausfall erleide (BT-Drs. 3/1888 S. 27 f.). Dieses Regelungsziel hat der Gesetzgeber in neuerer Zeit in der Beschlussempfehlung und dem Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Fortgeltung der die epidemische Lage von nationaler Tragweite betreffenden Regelungen vom nochmals bestätigt (BT-Drs. 19/27291 S. 61).

19bb) Diese gesetzgeberische Zielsetzung hat ihren Niederschlag im Wortlaut des § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG gefunden. Danach ist Voraussetzung eines Entschädigungsanspruchs, dass der Arbeitnehmer einen Verdienstausfall erleidet. Dieser besteht nicht, wenn dem Arbeitnehmer für den fraglichen Zeitraum ein gesetzlicher oder vertraglicher Anspruch auf Fortzahlung seines Entgelts gegen den Arbeitgeber zusteht. Der auf Billigkeitserwägungen beruhende infektionsschutzrechtliche Entschädigungsanspruch ist deshalb nur subsidiär (ebenso zu § 49 BSeuchG  - zu 2 a der Gründe; - III ZR 43/77 - zu I 3 a der Gründe, BGHZ 73, 16; zu § 56 IfSG aus dem Schrifttum pars pro toto: BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse Stand IfSG § 56 Rn. 37; Hohenstatt/Krois NZA 2020, 413, 418; Kießling/Kümper IfSG 3. Aufl. § 56 Rn. 25; Kluckert Neues InfektionsschutzR/Temming 2. Aufl. § 16 Rn. 21 ff.; Preis/Mazurek/Schmid NZA 2020, 1137, 1139; BeckOK ArbR/Ricken Stand EFZG § 3 Rn. 26; Schmitt EFZG/L. Schmitt 9. Aufl. EFZG § 3 Rn. 96 f.). Eine gesetzliche Verpflichtung zur Fortzahlung der Vergütung bei Arbeitsunfähigkeit besteht nach § 3 Abs. 1 EFZG. Diese ist im Verhältnis zu Ansprüchen nach dem Infektionsschutzgesetz vorrangig.

20e) Nach diesen Grundsätzen gilt im vorliegenden Fall Folgendes: Die Klägerin war infolge ihrer SARS-CoV-2-Infektion in der streitgegenständlichen Zeit vom 6. bis zum krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Die Infektion stellte - auch wenn bei der Klägerin in dieser Zeit keine Symptome von COVID-19 vorlagen - eine Erkrankung iSv. § 3 Abs. 1 EFZG dar. Diese führte zur Arbeitsunfähigkeit. Denn die Klägerin befand sich infolge der wegen der Infektion am ausgesprochenen und durch das Schreiben vom schriftlich bestätigten Anordnung des Landkreises G bis zum in behördlich angeordneter Absonderung in häuslicher Umgebung und durfte ihre Arbeitsleistung als Pflegefachkraft bei der Beklagten nicht erbringen. Es war ihr damit - bußgeld- und strafbewehrt - rechtlich nicht möglich, die geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen (§ 275 Abs. 1 BGB). Für den Fall der Nichtbefolgung der Anordnung war ihr überdies in der behördlichen Anordnung die zwangsweise Unterbringung in einem Krankenhaus angedroht worden. Die in der Infektion liegende Erkrankung stellt auch die alleinige Ursache des Arbeitsausfalls dar. Die Absonderungsanordnung begründet keine eigenständige, parallele Ursache neben der Erkrankung. Vielmehr beruht das aus der Absonderungsverfügung resultierende Tätigkeitsverbot gerade unmittelbar auf der Infektion. Diese ist die nicht hinwegzudenkende Ursache für die nachfolgende Anordnung.

213. Die Klägerin hat die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nicht schuldhaft iSd. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG verursacht. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend angenommen, dass von einer Kausalität zwischen der unterlassenen Schutzimpfung und der Infizierung nicht ausgegangen werden kann. Es kann nicht mit der gebotenen Sicherheit festgestellt werden, dass die unterlassene Corona-Schutzimpfung ursächlich für die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit war.

22a) Schuldhaft iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG handelt nur der Arbeitnehmer, der in erheblichem Maße gegen die von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhaltensweise verstößt. Hierbei handelt es sich nicht um ein Verschulden iSv. § 276 BGB, der das Maß an Verhaltensanforderungen des Schuldners gegenüber Dritten bestimmt. Das Entstehen einer Krankheit und/oder die daraus resultierende Arbeitsunfähigkeit betrifft vielmehr die Person des Arbeitnehmers selbst. Es gilt deshalb festzustellen, ob ein „Verschulden gegen sich selbst“ vorliegt. Dabei ist - anders als bei der Haftung für Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten nach § 277 BGB - von einem objektiven Maßstab auszugehen. Erforderlich ist ein grober oder gröblicher Verstoß gegen das Eigeninteresse eines verständigen Menschen und damit ein besonders leichtfertiges oder vorsätzliches Verhalten ( - Rn. 35 f., BAGE 157, 102; - 10 AZR 99/14 - Rn. 13 f., BAGE 151, 159).

23b) Bei der Prüfung eines etwaigen Verschuldens ist der Zweck der Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit in den Blick zu nehmen. Mit § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG soll einerseits der Arbeitnehmer bei unverschuldeter krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit finanziell abgesichert werden, andererseits sollen Kostenrisiken zwischen Arbeitgeber und Krankenversicherung verteilt werden (vgl.  - Rn. 15, BAGE 151, 159; MHdB ArbR/Greiner 5. Aufl. Bd. 1 § 79 Rn. 5; MüKoBGB/Müller-Glöge 9. Aufl. EFZG § 3 Rn. 1 f.; Schmitt EFZG/L. Schmitt 9. Aufl. EFZG § 3 Rn. 24; Staudinger/Oetker (2022) BGB § 616 Rn. 180 ff.). Ausgehend von dieser gesetzgeberischen Zielsetzung ist das beim Verschulden zu berücksichtigende Eigeninteresse allein das Interesse des Arbeitnehmers, seine Gesundheit zu erhalten und zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankungen zu vermeiden. Ausschließlich dieses ist Bezugspunkt eines anspruchsausschließenden Verschuldens iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG ( - Rn. 37 mwN, BAGE 157, 102).

24c) Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines Verschuldens trägt der Arbeitgeber, denn er macht eine anspruchshindernde Einwendung geltend (st. Rspr., vgl.  - zu 2 der Gründe, BAGE 24, 36; - 5 AZR 410/90 - zu I der Gründe, BAGE 68, 196). Soweit die maßgeblichen tatsächlichen Umstände in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen und keine hinreichenden Erkenntnismöglichkeiten des Arbeitgebers bestehen, trifft den Arbeitnehmer nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast eine sekundäre Darlegungslast (vgl.  - zu II 2 a der Gründe; MHdB ArbR/Greiner 5. Aufl. Bd. 1 § 80 Rn. 51; MüKoBGB/Müller-Glöge 9. Aufl. EFZG § 3 Rn. 85; Schmitt EFZG/L. Schmitt 9. Aufl. EFZG § 3 Rn. 185; HWK/Vogelsang 11. Aufl. § 3 EFZG Rn. 72). Das Risiko der Unaufklärbarkeit der Ursachen einer Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit und eines möglichen Verschuldens des Arbeitnehmers verbleibt beim Arbeitgeber ( - Rn. 36, BAGE 157, 102; - 10 AZR 99/14 - Rn. 16, BAGE 151, 159).

25d) Der Maßstab für die richterliche Überzeugungsbildung hinsichtlich einer schuldhaften Verursachung der Arbeitsunfähigkeit ergibt sich aus § 286 ZPO. Aus § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG lassen sich für Fälle wie den vorliegenden im Rahmen von § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG keine erleichterten Kausalitätsanforderungen ableiten. § 286 ZPO verlangt vom Gericht weder, dass es mit unumstößlicher Gewissheit noch mit einer an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit von der Richtigkeit einer tatsächlichen Behauptung überzeugt ist. Vielmehr genügt ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (vgl.  - Rn. 34 mwN, BGHZ 219, 298). Diese tatrichterliche Beweiswürdigung unterliegt revisionsrechtlich nur einer eingeschränkten Überprüfung (vgl. dazu  - Rn. 18, BAGE 175, 358; - 5 AZR 505/18 - Rn. 25, BAGE 169, 117).

26e) Nach diesen Grundsätzen ist der Entgeltfortzahlungsanspruch der Klägerin nicht aufgrund eines schuldhaften Unterlassens der Corona-Schutzimpfung ausgeschlossen. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis rechtsfehlerfrei ausgehend vom Maßstab des § 286 ZPO angenommen, es könne unter Berücksichtigung der häufigen Impfdurchbrüche bereits im Herbst 2021 nicht von einer Kausalität der unterlassenen Corona-Schutzimpfung für die SARS-CoV-2-Infektion der Klägerin ausgegangen werden.

27aa) Ein Verschulden der Klägerin - soweit dies aufgrund der unterlassenen Schutzimpfung unterstellt würde - wäre nur dann ursächlich für die eingetretene SARS-CoV-2-Infektion, wenn durch die Inanspruchnahme der empfohlenen Impfung die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vermieden worden wäre (BeckOK ArbR/Ricken Stand. EFZG § 3 Rn. 37; vgl. auch Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 98 Rn. 40; HWK/Vogelsang 11. Aufl. § 3 EFZG Rn. 70; MüKoBGB/Müller-Glöge 9. Aufl. EFZG § 3 Rn. 42; Naber/Schulte NZA 2021, 81, 85; Schmidt-Lauber/Naber/Ruth NZA 2023, 1220, 1221). Es genügt nicht, dass das Unterlassen der gebotenen Handlung das Risiko des Erfolgseintritts erhöht. Vielmehr muss unter Beachtung des Maßstabs des § 286 Abs. 1 ZPO auszuschließen sein, dass die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit auch bei Vornahme der gebotenen Handlung - also die Inanspruchnahme der Schutzimpfung durch den Arbeitnehmer - eingetreten wäre. Hierbei sind die tatsächlichen Umstände zu würdigen.

28bb) Soweit im Schrifttum unter Verweis auf § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG die Auffassung vertreten wird, bei einer unterlassenen Schutzimpfung sei die Kausalität dieses schuldhaften Unterlassens für die eingetretene Arbeitsunfähigkeit zu vermuten (dafür Fischinger SR 2022, 37, 43; Krainbring NZA 2021, 247, 248 f.; ähnlich Schmidt-Lauber/Naber/Ruth NZA 2023, 1220, 1221) oder die Anforderungen an den Beweis der Kausalität seien herabzusetzen (dafür wohl Sievers/Kruppa jM 2022, 22, 28), wird nicht genügend berücksichtigt, dass § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG im Kontext mit dem Zweck dieser Regelung zu sehen ist. Wie oben ausgeführt (Rn. 18 f.) enthält § 56 IfSG eine Billigkeitsregelung, die nur subsidiär eingreift. Dieser Regelungszweck kann es rechtfertigen, besondere Anspruchsvoraussetzungen und Ausschlusstatbestände für den gegen den Staat gerichteten Entschädigungsanspruch zu normieren. Entsprechende Regelungen enthält das Entgeltfortzahlungsgesetz jedoch nicht. § 3 Abs. 1 EFZG regelt vielmehr ganz allgemein als Voraussetzung des Entgeltfortzahlungsanspruchs, dass den Arbeitnehmer an der Arbeitsunfähigkeit kein Verschulden treffen darf. Ausschließlicher Bezugspunkt eines anspruchsausschließenden Verschuldens iSv. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 EFZG ist das Interesse des Arbeitnehmers, seine Gesundheit zu erhalten und zur Arbeitsunfähigkeit führende Erkrankungen zu vermeiden. Ob ein schuldhaftes Tun oder Unterlassen kausal für die Arbeitsunfähigkeit geworden ist, beurteilt sich nach den allgemeinen zivilprozessualen Regeln der Beweiswürdigung. Es kann deshalb dahinstehen, ob die Kausalitätsanforderungen des § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG denen des § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG entsprechen (zu den Anforderungen in § 56 Abs. 1 Satz 4 IfSG vgl.  - Rn. 67 ff.; - 1 S 484/23 - Rn. 81 ff.; BeckOK InfSchR/Eckart/Kruse Stand IfSG § 56 Rn. 39; Kießling/Kümper IfSG 3. Aufl. § 56 Rn. 28).

29cc) In Anwendung des Maßstabs des § 286 ZPO ist das Landesarbeitsgericht im Ergebnis in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die Vornahme der Impfung nicht mit der gebotenen Sicherheit dazu geführt hätte, dass eine Infektion und damit eine Arbeitsunfähigkeit der Klägerin verhindert worden wäre.

30(1) Das Landesarbeitsgericht ist im Rahmen der Prüfung des Eigenverschuldens der Klägerin bei der Prüfung eines Anspruchs nach § 616 BGB davon ausgegangen, dass eine Impfung auch im November 2021 - noch vor Verbreitung der Omikronvariante - eine Infizierung mit dem Virus nicht effektiv verhindern konnte. Auch zur Kenntnis des Gerichts seien Impfdurchbrüche im Herbst 2021 so häufig gewesen, dass von einer Kausalität der Nichtimpfung für eine Infizierung nicht ausgegangen werden könne und auch der Bundestag und das Bundesministerium für Gesundheit seien zwischenzeitlich zu der Erkenntnis gelangt, dass eine Impfung die Ansteckung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht verhindern konnte, sondern allenfalls einen schweren Verlauf der Erkrankung.

31(2) Diese von der Beklagten nicht angegriffenen Feststellungen zu § 616 BGB sind bei der Prüfung der Kausalität eines etwaigen Verschuldens nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG durch eine unterlassene Schutzimpfung zu berücksichtigen. Beide Bestimmungen weichen zwar in ihrem Wortlaut zum Verschulden geringfügig voneinander ab, daraus folgt aber kein sachlicher Unterschied (vgl. Staudinger/Oetker (2022) BGB § 616 Rn. 263). Für das Verschuldenserfordernis nach § 616 Satz 1 BGB und § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG gilt ein einheitliches Begriffsverständnis (vgl.  - Rn. 14, BAGE 151, 159; - 5 AZR 195/81 - zu 3 der Gründe, BAGE 43, 348; ErfK/Preis/Greiner 24. Aufl. BGB § 616 Rn. 11; MüKoBGB/Henssler 9. Aufl. BGB § 616 Rn. 63; Schaub ArbR-HdB/Linck 20. Aufl. § 97 Rn. 28; Schmitt EFZG/L. Schmitt 9. Aufl. BGB § 616 Rn. 63; umfassend Staudinger/Oetker aaO Rn. 265 ff.).

32(3) Hiernach hat das Landesarbeitsgericht aus den von der Beklagten nicht mit Gegenrügen angegriffenen und den Senat daher nach § 559 Abs. 2 ZPO bindenden tatsächlichen Umständen in rechtlich nicht zu beanstandender Weise den Schluss gezogen, dass von einer Kausalität der unterbliebenen Impfung für die erfolgte Infizierung nicht ausgegangen werden könne. Diese Schlussfolgerung wird zudem durch Daten des Robert-Koch-Instituts, die Gegenstand der Feststellungen des Arbeitsgerichts waren und auf die das Landesarbeitsgericht im Berufungsurteil Bezug genommen hat, bestätigt. Die geschätzte Impfeffektivität gegenüber einer symptomatischen COVID-19-Erkrankung lag für den Gesamtbeobachtungszeitraum der Kalenderwochen 5/2021 bis 44/2021 in der für die Klägerin maßgeblichen Altersgruppe von 18 bis 59 Jahren bei ca. 82 vH und für den Zeitraum der Kalenderwochen 41/2021 bis 44/2021 bei ca. 72 vH. Im Gesamtbeobachtungszeitraum wurden 130.798 Impfdurchbrüche in der für die Klägerin relevanten Altersgruppe identifiziert (vgl. den „Wöchentlichen Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 [COVID-19]“ vom [Lagebericht] - abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-11-11.pdf?__blob=publicationFile - zuletzt abgerufen am ). Für den Zeitraum der Kalenderwochen 43/2021 bis 46/2021 lag die geschätzte Impfeffektivität bei ca. 68 vH. Die Zahl der Impfdurchbrüche in den Kalenderwochen 5/2021 bis 46/2021 lag in der für die Klägerin relevanten Altersgruppe bei 194.099 (vgl. den Lagebericht vom - abrufbar unter https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Wochenbericht/Wochenbericht_2021-11-25.pdf?__blob=publicationFile - zuletzt abgerufen am ).

334. Die Beklagte ist - soweit man ihr Ablehnungsschreiben vom dahingehend verstehen will - nicht gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern.

34a) Nach dieser Vorschrift ist der Arbeitgeber berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern, solange der Arbeitnehmer die von ihm nach § 5 Abs. 1 EFZG vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt. Daraus ergibt sich die Berechtigung des Arbeitgebers die Entgeltfortzahlung zu verweigern, wenn der Arbeitnehmer seinen im Tatbestand des § 7 Abs. 1 EFZG beschriebenen Obliegenheiten nicht nachkommt und er die Verletzung der Obliegenheiten zu vertreten hat. Der Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bedarf es nicht, wenn die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit unstreitig ist ( - zu III 1 der Gründe, BAGE 83, 168) oder anderweitig nachgewiesen wird ( - zu I 4 der Gründe; zum Ganzen ErfK/Reinhard 24. Aufl. EFZG § 7 Rn. 9; BeckOK ArbR/Ricken Stand EFZG § 7 Rn. 5). Die vorzulegende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung hat somit keine anspruchsbegründende Bedeutung ( - aaO). Die nicht rechtzeitige Vorlage oder die Nichtvorlage begründet kein endgültiges Leistungsverweigerungsrecht des Arbeitgebers ( - aaO; - 5 AZR 726/96 - zu III 1 der Gründe, BAGE 86, 357).

35b) Gemessen an diesen Grundsätzen war die Beklagte nicht berechtigt, die Entgeltfortzahlung der Klägerin zu verweigern. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin jedenfalls seit dem mit dem SARS-CoV-2-Virus infiziert war und sich aufgrund der fernmündlichen Anordnung des Landkreises G vom - bestätigt durch die schriftliche Anordnung vom  - bis zum in häusliche Absonderung begeben musste. Streit besteht nicht über das Vorliegen dieser Tatsachen, sondern lediglich über deren rechtliche Bewertung. Die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung ist aufgrund des anderweitigen Nachweises der Tatsachen, die zur krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit der Klägerin führten, entbehrlich.

365. Die Klägerin hat mit dem Geltendmachungsschreiben vom und - nach der Ablehnung durch die Beklagte mit Schreiben vom  - mit der beim Arbeitsgericht am eingegangenen und der Beklagten am zugestellten Klage jedenfalls die Ausschlussfrist des § 20 des Arbeitsvertrags gewahrt (§ 167 ZPO).

376. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 BGB. Der Klägerin stehen Zinsen seit Rechtshängigkeit der Klage, dh. nach § 187 Abs. 1 BGB ab dem Tag nach Klagezustellung, zu.

38II. Da der geltend gemachte Anspruch bereits nach § 3 Abs. 1 EFZG besteht, kann dahinstehen, ob sich ein Zahlungsanspruch auch aus § 616 BGB ergibt oder ein Anspruch auf Entschädigung gegen die Beklagte aus § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG in Betracht kommt.

39III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:200324.U.5AZR235.23.0

Fundstelle(n):
PAAAJ-69617