BGH Beschluss v. - 6 StR 158/24

Instanzenzug: LG Dessau-Roßlau Az: 8 KLs 29/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten von dem Vorwurf freigesprochen, Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz zuwider gehandelt zu haben, weil er die Taten im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen habe. Zudem hat es die Unterbringung des Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine auf die Sachrüge gestützte Revision hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

2Das Landgericht hat keine ausreichenden Feststellungen zur rechtlichen Wirksamkeit der einstweiligen Gewaltschutzanordnung getroffen. Den Urteilsgründen lässt sich lediglich entnehmen, dass es dem Angeklagten durch einstweilige Anordnungen des Amtsgerichts Zerbst vom und untersagt war, zu der Nebenklägerin und der Nebenklägervertreterin „Verbindung, auch unter Verwendung von Fernkommunikationsmitteln, aufzunehmen“. Hiergegen verstieß der Angeklagte, indem er diesen drei Briefe übersandte. Die Annahme einer rechtswidrigen Tat nach § 4 Satz 1 GewSchG wegen einer Zuwiderhandlung gegen eine Anordnung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GewSchG setzt jedoch voraus, dass das Strafgericht selbst die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüft und dabei eigenständig deren tatbestandliche Voraussetzungen ohne Bindung an die amtsgerichtliche Entscheidung feststellt (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 40/13, BGHSt 59, 94; vom – 2 StR 270/16; vom – 6 StR 19/23, StV 2024, 124). Dies ist nicht geschehen.

3Zudem belegen die Feststellungen nicht, dass die getroffenen Anordnungen des Familiengerichts im Sinne des § 4 Satz 1 GewSchG schon „vollstreckbar“ waren. Dies setzt grundsätzlich die Zustellung der Entscheidung nach § 87 Abs. 2 FamFG voraus (vgl. , BGHSt 51, 257; Beschluss vom – 1 StR 578/15, NStZ-RR 2016, 155); die bloße Kenntnis des Angeklagten vom Inhalt der Anordnung steht dem nicht gleich (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 122/12, NStZ 2013, 108; vom – 4 StR 137/20). Außerdem kann die Zulässigkeit der Vollstreckung auch nach § 53 Abs. 2 Satz 1 oder § 216 Abs. 2 FamFG angeordnet werden (vgl. , NStZ 2013, 108; BeckOGK/Schulte-Bunert, GewSchG, , § 4 Rn. 7). Feststellungen zum Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen enthält das Urteil indes nicht.

4Auch der Freispruch ist aufzuheben. Der Umstand, dass allein der Angeklagte Revision eingelegt hat, steht dem nicht entgegen. Wird die Anordnung einer Unterbringung nach § 63 StGB auf eine Revision des Angeklagten hin aufgehoben, hindert das Schlechterstellungsverbot des § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO das neue Tatgericht nicht, an Stelle einer Unterbringung nunmehr eine Strafe zu verhängen (§ 358 Abs. 2 Satz 2 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:280524B6STR158.24.0

Fundstelle(n):
LAAAJ-69439