BGH Beschluss v. - III ZB 72/23

Instanzenzug: Az: I-7 U 298/22vorgehend LG Duisburg Az: 10 O 362/20

Gründe

I.

1Die Klägerin und der Beklagte zu 1 haben als Geschwister zusammen mit einer weiteren Schwester ihre im März 2013 verstorbene Mutter beerbt. Sie streiten auf der ersten Stufe einer Stufenklage um einen Anspruch der Erbengemeinschaft auf Rechnungslegung über den Bestand des Nachlasses.

2Die Erblasserin erteilte dem Beklagten zu 1 am eine Vollmacht für alle ihre bestehenden und künftigen Konten und Depots bei der Stadtsparkasse Trier sowie im Januar 2011 eine nicht gemäß § 181 BGB beschränkte notarielle Generalvollmacht. Im Februar 2011 gründete der Beklagte zu 1 die Beklagte zu 2, deren alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er ist.

3In den Jahren 2010 bis 2012 veranlasste der Beklagte zu 1 unter Nutzung seiner Bankvollmacht mehrere Überweisungen von einem Konto der Erblasserin an sich selbst, seine Kinder und die Beklagte zu 2 sowie zur Bezahlung einer Dachsanierung seines eigenen Hauses. Außerdem veräußerte er aufgrund seiner Generalvollmacht im Mai 2012 zwei seiner Mutter gehörende Grundstücke an die Beklagte zu 2. Das Eigentum an einem weiteren, zunächst ebenfalls zum Verkauf an die Beklagte zu 2 vorgesehenen Grundstück der Erblasserin erwarb er im Wege einer - mit sich selbst vereinbarten - notariellen Schenkung selbst.

4Am verpflichtete sich der Beklagte zu 1 in einem im Erbscheinverfahren geschlossenen Teilvergleich unter anderem, das Konto bei der Sparkasse aufzulösen und das Guthaben auf ein zu errichtendes Erbengemeinschaftskonto zu überweisen sowie die Generalvollmacht nicht mehr zu verwenden. Mit Schreiben vom bestätigte die Urkundsnotarin, dass der Beklagte zu 1 die ihm erteilte Ausfertigung der Vollmachtsurkunde zurückgegeben habe.

5Auf die am zugestellte Klage hat das Landgericht den Beklagten zu 1 mit am verkündetem Teilurteil antragsgemäß "für den Zeitraum vom bis zur Rechtshängigkeit sowie fortlaufend" unter Vorlage von Belegen zur Rechnungslegung verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die Beklagte zu 2 richtete.

6Die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten zu 1 hat das Oberlandesgericht nach entsprechendem Hinweis vom durch Teilbeschluss vom mit der Begründung als unzulässig verworfen, der Wert der Beschwer übersteige 600 € nicht.

7Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten zu 1.

II.

8Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO ohne Rücksicht auf den Beschwerdewert statthafte (vgl. Senat, Beschluss vom - III ZR 259/10, FamRZ 2011, 1792 Rn. 5) sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Senats erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO). Das Rechtsmittel ist auch begründet. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt den Beklagten zu 1 (im Folgenden nur noch: Beklagter) in seinem aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Verfahrensgrundrecht auf wirkungsvollen Rechtsschutz, welches den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung vorgesehenen Instanz in unzumutbarer und aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise zu erschweren.

91. Das Berufungsgericht ist bei seiner Annahme, die Mindestbeschwer nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO sei nicht erreicht, davon ausgegangen, dass der maßgebliche, durch die Erfüllung der titulierten Rechnungslegungspflicht entstehende Gesamtaufwand des Beklagten mit lediglich 562,50 € zu bemessen sei. Dabei hat es für vergangene Zeiträume 475 € (19 Stunden à 25 €) angesetzt und die ausgeurteilte Pflicht zur künftigen Rechnungslegung mit 87,50 € (3,5 Stunden à 25 €) bewertet. Zur Begründung hat es ausgeführt:

10a) In Anlehnung an § 22 JVEG sei ein Kostenaufwand von 25 € pro Stunde angemessen, da der sich als selbständiger Volkswirt und Unternehmensberater bezeichnende Beklagte insoweit eine berufstypische Leistung zu erbringen habe.

11b) Zeitlich nehme die Erfüllung des zugesprochenen Anspruchs insgesamt jedenfalls nicht mehr als 24 Stunden in Anspruch, so dass unter Zugrundelegung des vorgenannten Stundensatzes die Berufungsgrenze von mehr als 600 € nicht erreicht werde:

12aa) Zwar habe der Beklagte für eine Rechnungslegung (allein) bis Rechtshängigkeit und damit über einen Zeitraum von etwa 11 Jahren einen Aufwand von mindestens 24 Stunden geltend gemacht. Tatsächlich seien dafür aber nur 19 Stunden anzusetzen. Der Rechnungslegungsanspruch umfasse die Verwendungszeiträume der Generalvollmacht von Januar 2011 bis September 2017 und der Kontovollmacht seit Oktober 2009. Für den Zeitraum bis Oktober 2014 falle im Hinblick auf vom Beklagten nach eigenem Vorbringen schon erteilte Auskünfte nur ein geringerer Aufwand für die Rechnungslegung an. Bezüglich der Kontobewegungen liege mit den Kontoauszügen bereits eine bloß noch zu erläuternde Übersicht über die Einnahmen und Ausgaben vor. Soweit Rechenschaft über die Verwendung der Generalvollmacht und damit auch über die Immobilienverwaltung abzulegen sei, entspreche es allgemeiner Lebenserfahrung, dass Unterlagen darüber schon aus steuerlichen Gründen vorhanden seien. Auch sei es dem Beklagten aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit möglich, die Rechnungslegung schneller zu erledigen als einer darin unerfahrenen Person. Nach alldem sei für jedes Jahr nur ein Zeitaufwand von einer Stunde zuzüglich eines einmaligen Zuschlags für die nachträgliche Erstellung von 8 Stunden anzusetzen.

13bb) Für die Erfüllung der Pflicht zur künftigen Rechnungslegung ergebe sich analog § 9 Abs. 1 ZPO danach ein Zeitaufwand von 3,5 Stunden.

14c) Diese Beschwer erhöhe sich nicht deshalb zusätzlich um die mit der Abwehr einer ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten, weil der Tenor des landgerichtlichen Teilurteils nicht vollstreckbar sei. Die erstinstanzliche Tenorierung, die den Beklagten dazu verpflichte, fortlaufend Rechnung zu legen, bezeichne einen auf einen bereits abgelaufenen Zeitraum zu beziehenden Anspruch. In der Rechtsprechung würden Klagen auf künftig wiederkehrende Rechnungslegung daher nach § 259 ZPO behandelt. Unabhängig davon, ob der Anspruch nur bis zu einem bestimmten Endzeitpunkt, hier bis zum Erlöschen der Kontovollmacht, hätte zugesprochen werden dürfen, könne er jedenfalls auch in der tenorierten Form erfüllt werden.

152. Jedenfalls im letztgenannten Punkt halten diese Ausführungen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

16Das Berufungsgericht hat, wie der Beklagte zu Recht beanstandet, ermessensfehlerhaft unberücksichtigt gelassen, dass die erstinstanzlich ausgeurteilte Rechnungslegungsverpflichtung keinen vollstreckbaren Inhalt hat und sich deshalb die Rechtsmittelbeschwer des Beklagten um die mit der Abwehr einer insoweit ungerechtfertigten Zwangsvollstreckung verbundenen Kosten erhöht (vgl. Senat, Beschluss vom - III ZB 96/15, BeckRS 2016, 3749 Rn. 9; BGH, Beschlüsse vom - XII ZB 376/20, NJW-RR 2021, 451 Rn. 12 und vom - XII ZB 116/19, NJW-RR 2019, 961 Rn. 13).

17a) Ein Vollstreckungstitel ist hinreichend bestimmt und zur Zwangsvollstreckung geeignet, wenn er den Anspruch des Gläubigers ausweist und Inhalt und Umfang seiner Leistungspflicht bezeichnet. Das Vollstreckungsorgan muss in der Lage sein, allein mit dem Titel ohne Verwertung der Gerichtsakten oder anderer Urkunden die Vollstreckung durchzuführen (, NJW-RR 2013, 1033 Rn. 17 und Beschluss vom - I ZB 60/13, NJW-RR 2014, 1210 Rn. 10). Der Zeitraum, auf den sich eine Auskunfts- und Rechnungslegungsverpflichtung bezieht, muss sich dabei - gegebenenfalls mittels Auslegung der tatbestandlichen Feststellungen und Entscheidungsgründe des Titels - klar feststellen lassen (vgl. Senat, Beschluss vom - III ZB 57/22, BeckRS 2023, 15484 Rn. 17). Die vorzulegenden Belege sind so bestimmt zu benennen, dass sie im Falle der Zwangsvollstreckung vom Gerichtsvollzieher allein anhand des Titels aus den Unterlagen des Auskunftspflichtigen ausgesondert und dem Berechtigten übergeben werden können. Dazu ist es nicht nur erforderlich, dass im Titel die Art der vorzulegenden Belege bezeichnet ist, sondern auch der Zeitraum, auf den sich die Vorlageverpflichtung erstreckt (vgl. BGH, Beschlüsse vom , aaO Rn. 15 und vom , aaO Rn. 14).

18b) Nach diesen Maßstäben ist die vorliegende erstinstanzliche Verurteilung unbestimmt und nicht vollstreckungsfähig.

19Ein Endzeitpunkt für die Verpflichtung des Beklagten zur Rechnungslegung und Belegvorlage ist weder im Tenor des Teilurteils angegeben noch dessen Entscheidungsgründen zu entnehmen und könnte - was gerade nicht genügt - auch aufgrund der Tenorierung "bis zur Rechtshängigkeit" nur durch Einsichtnahme in die Gerichtsakten datumsmäßig festgestellt werden. Ohne konkrete Angabe eines Endtermins kann aber das Vollstreckungsorgan nicht erkennen, ob beziehungsweise wann die titulierte Verpflichtung erfüllt ist und die Zwangsvollstreckung nicht mehr fortgesetzt werden darf. Zudem ist dem Teilurteil auch an keiner Stelle zu entnehmen, dass der vom Landgericht zugesprochene Rechnungslegungsanspruch, soweit die Verwendung der Generalvollmacht betroffen ist, zeitlich bis September 2017 begrenzt ist. Seine diesbezügliche Annahme vermag das Berufungsgericht daher nicht mit konkreten Bezugnahmen auf dessen Inhalt zu belegen; vielmehr stützt es sie erkennbar auf seine eigene, wenn auch unausgesprochene Würdigung, dass die Verpflichtung des Beklagten mit der Rückgabe der Generalvollmacht enden müsse.

20Der Hinweis des Berufungsgerichts darauf, dass die vorliegende Verurteilung zur "fortlaufenden" Rechnungslegung einen auf einen bereits abgelaufenen Zeitraum zu beziehenden Anspruch bezeichne, Klagen auf künftig wiederkehrende Rechnungslegung nach § 259 ZPO behandelt würden und deshalb ohne die Bestimmung eines Endzeitpunkts vollstreckt werden könne, ändert ebenfalls nichts an der Unbestimmtheit des landgerichtlichen Titels. Denn auch eine solche Verurteilung wäre nur vollstreckbar, wenn - woran es hier gleichfalls fehlt - ein kalendermäßig bestimmter oder bestimmbarer Termin (z.B. "jeweils am 31. Januar für das vorangegangene Kalenderjahr") angegeben wäre, zu dem die wiederkehrende Rechnungslegung fällig und zu erbringen ist. Das Vollstreckungsorgan kann demgegenüber bei der vorliegenden Tenorierung - entgegen der Auffassung der Beschwerdeerwiderung - nicht ohne weiteres erkennen, dass die ausgeurteilte Verpflichtung jeweils bis zum Zeitpunkt der aktuellen Vollstreckung fällig und zu erfüllen ist.

21c) Da das Berufungsgericht von einem nach dem Rechnungslegungsaufwand des Beklagten bemessenen Wert des Beschwerdegegenstands von 562,50 € ausgegangen ist, kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass die zusätzliche Berücksichtigung der mit der Abwehr einer Zwangsvollstreckung aus dem landgerichtlichen Teilurteil verbundenen Kosten, bei der sich der Beklagte anwaltlicher Hilfe bedienen kann (vgl. Senat, Beschluss vom , aaO), zu einem Wert des Beschwerdegegenstands von über 600 € führen würde.

223. Der angefochtene Teilbeschluss ist schon aus diesem Grund aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat hat daher keine Veranlassung, auf die mit der Rechtsbeschwerde weiter erhobenen Rügen einzugehen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:180424BIIIZB72.23.0

Fundstelle(n):
QAAAJ-69245