Maßgeblicher Liegenschaftszinssatz /maßgebliche Bewirtschaftungskosten für die Bedarfsbewertung eines Mietwohngrundstücks
in Berlin im typisierten Ertragswertverfahren auf einen im April 2019 liegenden Bewertungsstichtag 2019
Verfassungsmäßigkeit der von öffentlichem Gutachterausschuss in Berlin ermittelten Liegenschaftszinssätze
Leitsatz
1. Bei der Bedarfsbewertung eines Mietwohnungsgrundstücks in Berlin für Zwecke der Erbschaftsteuer auf einen vor dem
liegenden Bewertungsstichtag im Jahr 2019 sind für den Liegenschaftszinssatz (LZS) und die Höhe der Bewirtschaftungskosten
(§ 187 BewG) die Werte anzusetzen, die sich aus der Veröffentlichung der allgemeinen LZS 2019 des örtlichen Gutachterausschusses
ergeben, nicht aber die Werte aus der Veröffentlichung der auf Betrieben der Finanzbehörden zusätzlich erstellten steuerlichen
LZS 2018 des örtlichen Gutachterausschusses. Der Geeignetheit der steuerlichen LZS steht es entgegen, wenn ihnen eine Restnutzungsdauer
zugrunde gelegt wurde, die den Vorgaben von § 185 Abs. 3 Satz 3 BewG und Anlage 22 BewG alte Fassung entspricht.
2. § 188 Abs. 2 Satz 1 BewG, der auf von den örtlichen Gutachterausschüssen im Sinne der §§ 192 ff. BauGB ermittelte örtliche
LZS verweist, geht davon aus, dass der örtliche Gutachterausschuss bei der Ermittlung der LZS für die Restnutzungsdauer die
Bestimmungen der ImmoWertV 2010 und nicht § 185 Abs. 3 Satz 3 BewG anwendet. Allgemeine LZS sind daher für die Bewertung für
Zwecke der Erbschaftsteuer geeignet im Sinne des § 188 Abs. 2 Satz 2 BewG, wenn der örtliche Gutachterausschuss bei deren
Ermittlung die Restnutzungsdauer des Gebäudes nach der ImmoWertV 2010 und nicht nach § 185 Abs. 3 Satz 3 BewG bestimmt hat.
3. LZS des örtlichen Gutachterausschusses müssen für einen Zeitraum berechnet worden sein, der den Bewertungsstichtag umfasst;
der Auswertungszeitraum muss also den Bewertungsstichtag umfassen.
4. Der Ansatz der vom örtlichen Gutachterausschuss in Berlin veröffentlichten LZS 2019 ist nicht wegen Verstoßes gegen Art.
3 Abs. 1 GG verfassungswidrig, auch wenn sie deutlich niedriger sind als der gesetzliche LZS nach § 188 Abs. 2 Satz 2 Nr.
1 BewG und damit im Streitfall zu einer deutlich höheren Erbschaftsteuerbelastung führen. Insoweit liegt auch kein Verstoß
gegen das Bestimmtheitsgebot (Art. 2 Abs. 1 GG, 20 Abs. 3 GG) vor.
5. Es liegt kein strukturelles Vollzugsdefizit vor, das zur Verfassungswidrigkeit der Bewertung eines Grundstücks führen könnte.
Auch dass es für ausländische Grundstücke generell keinen von einem örtlichen Gutachterausschuss veröffentlichten LSZ gibt
und dass die Ermittlungsmöglichkeiten deutscher Behörden im Ausland eingeschränkt sind, kann dem Gesetzgeber nicht als normatives
Defizit eines widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts angelastet werden.
6. Der gesetzliche Auffang-LZS nach § 188 Abs. 2 Satz 2 BewG alte Fassung ist auch nicht aus verfassungsrechtlicher Sicht
in gleicher Weise zu bewerten wie der Zinssatz für die Nachzahlungszinsen nach § 233a AO und § 238 Abs. 1 AO alte Fassung.
7. Aus dem , ergibt sich nicht, dass jede Abweichung eines behördlich festgestellten
Verkehrswerts vom tatsächlichen Verkehrswert um mehr als 20 % oder auch empirisch das häufige Auftreten derartiger Abweichungen,
ohne Weiteres zur Verfassungswidrigkeit der zugrunde gelegten gesetzlichen Regelung führt.
8. Hat der örtliche Gutachterausschuss für die Umrechnung von Geschossflächenzahlen Umrechnungskoeffizienten mit vier Nachkommastellen
ausgewiesen, muss das Finanzamt bei der Ermittlung des Bodenwerts auch mit diesen vier Nachkommastellen rechnen und darf nicht
stattdessen mit auf zwei Nachkommastellen gerundeten Werten rechnen.
Fundstelle(n): ErbStB 2024 S. 216 Nr. 8 ErbStB 2024 S. 217 Nr. 8 PAAAJ-68885
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