BGH Urteil v. - 6 StR 374/23

Instanzenzug: Az: 4 KLs 2/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und mit Besitz „verbotener Waffen“ freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützten Revision. Das vom Generalbundesanwalt nicht vertretene Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.

I.

21. Mit der Anklage hat die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten zur Last gelegt, am in seiner Wohnung Betäubungsmittel – unter anderem rund 3,7 kg Cannabisblüten und 31,7 g Kokain – gelagert zu haben, die überwiegend zum gewinnbringenden Weiterverkauf durch ihn bestimmt gewesen seien. Zudem habe er in Griffweite der Betäubungsmittel verschiedene Waffen und waffenähnliche Gegenstände aufbewahrt, darunter eine mit Stahlkugeln geladene Druckgaspistole, eine Armbrust, eine Machete und einen Teleskopschlagstock, die zur Absicherung seiner Betäubungsmittelgeschäfte gedient hätten.

32. Das Landgericht hat zum Anklagevorwurf keine näheren Feststellungen getroffen. Der Angeklagte hat sich auf sein Schweigerecht berufen. Die Ergebnisse einer bei ihm durchgeführten Wohnungsdurchsuchung hat die Strafkammer für unverwertbar erachtet.

4a) Hierzu hat sie in dem angegriffenen Urteil festgestellt, dass der Zeuge KHK M.    und weitere Polizeibeamte am Vormittag des , einem Freitag, zur Vollstreckung eines Durchsuchungsbeschlusses wegen des Verdachts des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge die vermeintliche Wohnanschrift des Angeklagten aufsuchten. Seine dort lebende Mutter teilte den Beamten mit, dass ihr Sohn nicht mehr bei ihr wohne. Nachdem ihr der Grund der beabsichtigten Durchsuchung erläutert und sie über ihr Zeugnisverweigerungsrecht belehrt worden war, erklärte sie, Angaben machen zu wollen, weil ihr Sohn schon längere Zeit Probleme habe. Sie teilte seine neue – etwa vier Kilometer entfernte – Anschrift mit und versicherte den Beamten, dass sie ihn nicht über den polizeilichen Einsatz informieren werde. Zudem erklärte sie sich damit einverstanden, dass Polizeibeamte bei ihr bleiben könnten, bis die Wohnung ihres Sohnes durch die Polizei gesichert sei. Zwei Polizeibeamte blieben sodann bei ihr.

5Vor Antritt der etwa fünfminütigen Fahrt zur neuen Anschrift des Angeklagten teilte der Zeuge KHK M.    die neuen Erkenntnisse zur Wohnanschrift des Angeklagten telefonisch der zuständigen Dezernentin der Staatsanwaltschaft mit, die sogleich die sofortige Durchsuchung der neuen Wohnung des Angeklagten wegen Gefahr im Verzug anordnete. Die Gründe für die Annahme von Gefahr im Verzug wurden nicht in der Akte dokumentiert.

6b) Die Strafkammer hat die Ergebnisse der Wohnungsdurchsuchung für unverwertbar erachtet, weil ein bewusster und schwerwiegender Verstoß gegen den Richtervorbehalt nach Art. 13 Abs. 2 GG und § 105 Abs. 1 Satz 1 StPO vorliege. Für die Annahme von Gefahr im Verzug habe es keine ernsthaften Anknüpfungstatsachen gegeben. Zudem sei ausreichend Zeit und Gelegenheit gewesen, zumindest telefonisch einen Ermittlungsrichter zu erreichen; dies sei aber noch nicht einmal versucht worden.

II.

7Die Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.

81. Die von der Beschwerdeführerin erhobenen Aufklärungsrügen, die jeweils darauf abzielen, das Landgericht hätte wegen unzutreffender Annahme eines Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverbot weitere Beweise erheben müssen, genügen nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO und erweisen sich deshalb als unzulässig.

9a) Die Beschwerdeführerin hat es jeweils versäumt, den polizeilichen Durchsuchungsbericht vom vorzulegen. Dessen hätte es jedoch bedurft, um dem Senat die erforderliche eigene umfassende Überprüfung des Verfahrens im Hinblick auf den behaupteten Rechtsfehler zu ermöglichen. Der Inhalt des anlässlich der Durchsuchung gefertigten polizeilichen Vermerks ist sowohl für die Annahme von Gefahr im Verzug als auch für die Beurteilung des Gewichts eines eventuellen Verfahrensverstoßes von wesentlicher Bedeutung (vgl. , Rn. 6; vom – 3 StR 140/14, Rn. 16; Beschlüsse vom – 5 StR 373/21; vom – 5 StR 10/16, Rn. 4; vom – 4 StR 493/11; vom – 4 StR 464/10; KK-StPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 105 Rn. 23; MüKo-StPO/Hauschild, 2. Aufl., § 105 Rn. 45).

10b) Die Vorlage des polizeilichen Durchsuchungsvermerks durch die Beschwerdeführerin war auch nicht deshalb entbehrlich, weil sie zudem die Sachrüge erhoben und das Landgericht im Rahmen seiner schriftlichen Urteilsgründe nähere Ausführungen zu dem nach seiner Ansicht bestehenden Beweisverwertungsverbot gemacht hat. Denn es ist für den Senat nicht sicher erkennbar, ob die in den Urteilsgründen – in nicht gebotener Weise (vgl. , Rn. 6; vom – 6 StR 340/21, Rn. 19) – dargestellten Verfahrenstatsachen die für die Annahme von Gefahr im Verzug und die Verwertbarkeit der Durchsuchungs-erkenntnisse maßgebliche Beweislage vollständig wiedergeben; Zweifel daran bestehen schon deshalb, weil die Revision weitere Inhalte des Telefonats vom zwischen dem Zeugen KHK M.    und der Dezernentin der Staatsanwaltschaft behauptet, die nicht Eingang in das Urteil gefunden haben.

11Das Landgericht hat lediglich die von ihm für wesentlich erachteten Beweisergebnisse dargestellt und in erster Linie unter deren Würdigung seine Auffassung begründet, es liege ein Beweisverwertungsverbot vor. Die Kenntnisnahme des maßgebenden Akteninhalts durch den Senat selbst kann aber nicht durch die Darstellung vom Landgericht ausgewählter Teile ersetzt werden (vgl. , Rn. 17; Beschluss vom – 1 StR 235/14, Rn. 50).

122. Mit ihrer in allgemeiner Form erhobenen Sachrüge dringt die Beschwerdeführerin ebenfalls nicht durch.

13a) Die Urteilsgründe genügen den sich aus § 267 Abs. 5 Satz 1 StPO ergebenden formellen Anforderungen an ein freisprechendes Urteil (vgl. , Rn. 15; vom – 4 StR 568/19, Rn. 6). Das Landgericht hat den Anklagevorwurf dargestellt und in nachvollziehbarer Weise mitgeteilt, dass verwertbare Beweise zum Beleg des Tatvorwurfs nicht vorgelegen haben.

14b) Das Urteil genügt auch den sachlich-rechtlichen Anforderungen an einen Freispruch. Eine Prüfung, ob die Feststellungen und Wertungen des Landgerichts die Annahme eines Beweisverwertungsverbots und die deswegen unterbliebene weitere Beweiserhebung rechtfertigen, ist dem Senat auf die hier allein zulässig erhobene Sachrüge nicht eröffnet (vgl. , Rn. 19; vom – 2 StR 131/18, Rn. 15 ff.; Beschluss vom – 1 StR 60/11, Rn. 4; Mosbacher, NJW 2007, 3686; Schmidt, NStZ 2022, 595, 598; Ventzke, NStZ 2019, 171).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:150524U6STR374.23.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-68613