Instanzenzug: LG Hof Az: 1 KLs 4230 Js 8107/22
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen wegen Besitzes von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Dresden vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten und zwei Wochen sowie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt. Die auf die Freisprüche zu den Fällen VIII.1 bis 3 der Urteilsgründe wirksam beschränkte und vom Generalbundesanwalt vertretene Revision der Staatsanwaltschaft hat Erfolg.
I.
2Mit den zugelassenen Anklagen vom und legt die Staatsanwaltschaft dem Angeklagten insoweit zur Last, in drei Fällen mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gehandelt zu haben, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Anstiftung zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge. Der Angeklagte habe mit anderen den Kauf und die Übernahme von Marihuana und Haschisch vereinbart, um diese dann gewinnbringend weiter zu verkaufen. Entsprechend der Abrede seien dem Angeklagten in drei Fällen Betäubungsmittel per Post an von ihm benannte Adressen in Dresden übersandt worden. In zwei Fällen habe es sich um Meldeadressen des Angeklagten gehandelt. Vor der Auslieferung seien die Sendungen (449,58 und 596,12 Gramm Marihuana sowie 92,76 Gramm Haschisch) bei Zollkontrollen aufgefunden und sichergestellt worden. Das Landgericht hat den Angeklagten wegen dieser Vorwürfe aus tatsächlichen Gründen freigesprochen.
II.
3Die Freisprüche haben keinen Bestand. Die Beweiswürdigung des Landgerichts begegnet in diesen Fällen – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (vgl. , NStZ-RR 2022, 252; Beschluss vom – 3 StR 441/20, NJW 2021, 2896, 2897) – durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
41. Die Urteilsgründe lassen besorgen, dass das Gericht überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Gewissheit gestellt hat. So hat es zur Begründung der Freisprüche darauf hingewiesen, es habe sich nicht davon überzeugen können, dass der Angeklagte Besteller der an ihn adressierten Cannabislieferungen gewesen sei, damit habe Handel treiben oder einen etwaigen Handel durch Dritte durch Zurverfügungstellung seiner Adresse habe unterstützen wollen. Die Verurteilung des Angeklagten sei „nicht möglich gewesen“, weil die Strafkammer „nicht restlos ausschließen“ könne und es auch nicht „völlig abwegig“ sei, dass ein Freund oder ein unbekannter Dritter die Personalien des Angeklagten ohne dessen Wissen ausgenutzt hätte.
5Das ist rechtsfehlerhaft. Denn die Überzeugung des Tatgerichts von einem bestimmten Sachverhalt erfordert keine absolute, das Gegenteil denknotwendig ausschließende Gewissheit. Es genügt vielmehr ein nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt (vgl. , NStZ-RR 2023, 59, 60; LR/Sander, StPO, 27. Aufl., § 261 Rn. 8 mwN). Schlussfolgerungen müssen nur möglich, nicht aber zwingend sein (vgl. , NJW 2023, 2291, 2292; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 261 Rn. 12 mwN).
62. Die den Freisprüchen zugrundeliegende Beweiswürdigung ist zudem lückenhaft und weist damit einen weiteren revisionsrechtlich relevanten Rechtsfehler auf (vgl. BGH aaO). Ungeachtet dessen, ob für eine Dritttäterschaft überhaupt reale Anknüpfungspunkte vorlagen (vgl. , NStZ-RR 2022, 146, 147 f.; vom – 5 StR 79/15, Rn. 8 ff.), erschließt sich nicht, wie Dritte – ohne Wissen und ohne jedes Zutun des Angeklagten – in den Besitz der Postsendungen mit dem Cannabis hätten gelangen können. Die Urteilsgründe verhalten sich dazu nicht.
73. Das Urteil lässt ferner die erforderliche Gesamtwürdigung des Beweisstoffs vermissen. Ist eine Vielzahl einzelner Erkenntnisse angefallen, so ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen. Erst sie entscheidet letztlich darüber, ob der Richter die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten und den sie tragenden Feststellungen gewinnt. Auch wenn keine der Indiztatsachen für sich allein zum Nachweis der Täterschaft des Angeklagten ausreicht, besteht die Möglichkeit, dass sie in ihrer Gesamtschau dem Tatrichter die entsprechende Überzeugung vermitteln. Dabei müssen die Indizien zueinander in Bezug gesetzt und gegeneinander abgewogen werden (vgl. , NStZ-RR 2022, 213, 214; vom – 1 StR 513/01, NJW 2002, 2188, 2189; KK-StPO/Tiemann aaO Rn. 79).
8Eine solche Gesamtwürdigung der zahlreichen Indizien lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen. Vielmehr beschränkt sich das Landgericht auf die floskelhafte Formulierung, dass die „Indizien in ihrer Gesamtheit“ zwar für die Täterschaft des Angeklagten sprächen, eine Tatbegehung durch einen Dritten aber nicht ausgeschlossen werden könne.
94. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht bei rechtsfehlerfreier Beweiswürdigung die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gewonnen hätte. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Sollte das neue Tatgericht sich davon überzeugen können, dass der Angeklagte die ihm vorgeworfenen Taten begangen hat, wird es die durch das Inkrafttreten des Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften vom (BGBl. I Nr. 109) veränderte Rechtslage zu beachten haben (vgl. dazu ).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:140524U6STR458.23.0
Fundstelle(n):
GAAAJ-68515