BGH Beschluss v. - XIII ZB 2/22

Instanzenzug: Az: 34 T 157/21vorgehend Az: 507a XIV (B) 232/21

Gründe

1I. Der Betroffene, ein serbischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2011 erstmalig nach Deutschland ein und wurde im Februar 2018 nach Serbien abgeschoben. Trotz eines gegen ihn verhängten Einreiseverbots reiste er erneut in das Bundesgebiet ein. Im April 2018 wurde er festgenommen und verbüßte sodann eine Ersatzfreiheitsstrafe. Von einer mehrstündigen Vollzugsunterbrechung kehrte er nicht wieder zurück und tauchte in Folge mehrfach unter.

2Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das gegen den Betroffenen Sicherungshaft bis zum angeordnet. Die nach Abschiebung des Betroffenen auf Feststellung gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

3II. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

41. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Haftanordnung sei nicht deshalb rechtswidrig, weil das Amtsgericht die Begründung des Haftantrags der beteiligten Behörde wortgleich übernommen habe.

52. Das hält rechtlicher Überprüfung stand. Der Beschluss des Amtsgerichts leidet im Hinblick auf die Dauer der angeordneten Haft, anders als die Rechtsbeschwerde meint, unter keinem Begründungsmangel.

6a) Die Haftgerichte sind nach Art. 20 Abs. 3, Art. 104 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 GG verfassungsrechtlich und nach § 26 FamFG einfachrechtlich verpflichtet, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht umfassend zu prüfen. Die Freiheitsgewährleistung des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG setzt auch insoweit Maßstäbe für die Aufklärung des Sachverhalts und damit für die Anforderungen in Bezug auf die tatsächliche Grundlage der richterlichen Entscheidungen. Es ist unverzichtbare Voraussetzung eines rechtsstaatlichen Verfahrens, dass Entscheidungen, die den Entzug der persönlichen Freiheit betreffen, auf zureichender richterlicher Sachaufklärung beruhen und eine in tatsächlicher Hinsicht genügende Grundlage haben, die der Bedeutung der Freiheitsgarantie entspricht. Der Richter hat nach Art. 104 Abs. 2 Satz 1 GG die Verantwortung für das Vorliegen der Voraussetzungen der von ihm angeordneten oder bestätigten Haft zu übernehmen. Dazu muss er die Tatsachen feststellen, die die Freiheitsentziehung rechtfertigen (, NVwZ-RR 2020, 801 Rn. 48 ff.; BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 14/19, juris Rn. 14; vom - XIII ZB 5/20, juris Rn. 12 mwN). Die wörtliche Übernahme von Teilen eines Haftantrags durch den Haftrichter erlaubt (allein) nicht die Annahme, eine eigenverantwortliche Prüfung durch den Richter habe nicht stattgefunden. Durch seine Unterschrift bezeugt der Haftrichter vielmehr, dass er den von der Unterschrift gedeckten Text geprüft und in seinen Willen aufgenommen hat und damit als Richter verantwortet. Die gegenteilige Annahme kann nur bei Vorliegen hinreichender und konkreter Anhaltspunkte - etwa der nicht korrigierten Übernahme sinnentstellender sprachlicher Fehler oder sonst offenkundiger Mängel - begründet sein (, NJW 2015, 851 Rn. 18 f. zu einer Durchsuchungsanordnung; vgl. auch LG Paderborn, NZWiSt 2021, 366 Rn. 11). Nicht hinnehmbar ist es, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände die Notwendigkeit der Erörterung eines offensichtlichen Problems aufdrängen musste und gleichwohl eine Prüfung vollständig fehlt (, NJW 2009, 2516 Rn. 29 zu einer Durchsuchungsanordnung; , z.Veröff.best. Rn. 16 f.).

7b) Nach diesen Maßstäben ist der Beschluss des Amtsgerichts nicht zu beanstanden. Zureichende Anhaltspunkte dafür, dass eine eigenständige Prüfung nicht stattgefunden hat, sind nicht ersichtlich. Solche zeigt auch die Rechtsbeschwerde nicht auf. Sie macht lediglich geltend, sämtliche Ausführungen des Amtsgerichts beruhten auf einer wortwörtlichen Übernahme des Haftantrags. Das rechtfertigt aber für sich genommen nicht die Annahme, das Gericht habe sich inhaltlich nicht mit dem Haftantrag auseinandergesetzt, den Sachverhalt nicht gewürdigt und keine eigenständige Prüfung der Haftvoraussetzungen vorgenommen.

83. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:260324BXIIIZB2.22.0

Fundstelle(n):
VAAAJ-68403