BAG Urteil v. - 2 AZR 95/23

Widerspruch eines Arbeitnehmers gegen Betriebs- oder Betriebsteilübergang auf neuen Inhaber

Leitsatz

1. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass ein „Betrieb“ oder ein „Betriebsteil“ durch Rechtsgeschäft auf einen neuen Inhaber übergeht. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist darunter der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit zu verstehen. Der Begriff der Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Demnach sind vom Anwendungsbereich der RL 2001/23/EG nur solche Fälle betroffen, in denen die übertragene Einheit bereits vor dem Übergang über eine ausreichende funktionelle Selbständigkeit verfügte. Da die Richtlinie aber nur eine teilweise Harmonisierung auf dem betreffenden Gebiet vornimmt, sind weitergehende nationale Regelungen möglich. Jedenfalls ist es unionsrechtlich unerheblich, wie lange die wirtschaftliche Einheit beim Veräußerer vor dem Betriebsübergang bereits bestanden hat. Sie kann auch allein zum Zweck der Ermöglichung eines Betriebs(teil)übergangs geschaffen werden, lediglich „betrügerische oder missbräuchliche“ Fälle haben außer Betracht zu bleiben.

2. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger habe sein Recht verwirkt, die Rechtsunwirksamkeit einer Versetzung in den übergegangenen Betriebsteil geltend zu machen, da er mehr als ein Jahr habe verstreichen lassen, bis er sich auf die Unwirksamkeit der Versetzung berufen und in dieser Zeit nach dem Betriebsübergang, ohne neue Beanstandungen zu erheben, bei S weitergearbeitet habe. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Die Sache ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht selbst entscheiden. Es fehlen jegliche Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, ob der Kläger wirksam dem übergegangenen Betriebsteil zugeordnet wurde.

Gesetze: ArbGG § 73, BGB § 613a, ZPO § 562, ZPO § 563

Instanzenzug: ArbG Darmstadt Az: 7 Ca 271/20 Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht Az: 5 Sa 1581/21 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten über den Fortbestand des zwischen ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisses.

2Der Kläger war langjährig bei der Beklagten - einer Kraftfahrzeugherstellerin - beschäftigt. Diese betrieb ua. in R und D ein Entwicklungszentrum (im Folgenden: ITEZ) mit etwa 6.000 Beschäftigten.

3Die Beklagte und die S GmbH (im Folgenden: S) schlossen Ende 2018/Anfang 2019 eine Vereinbarung (Master Asset Purchase Agreement) über die Übernahme eines Teils des ITEZ. Dies betraf schwerpunktmäßig den Bereich Fahrzeug- und Antriebsstrangentwicklung sowie die dazugehörigen Testanlagen, Gebäude, IT-Hardware und Software sowie Büromöbel- und Ausstattung in R. Darüber hinaus pachtete S von der Beklagten deren Teststrecke in D. In dem bei der Beklagten verbleibenden Teil des ITEZ führt diese weiterhin Tätigkeiten im Bereich Design, Seats, Restraint, ADAS und TDO aus. Zu diesem Zeitpunkt waren bei S rund 30 Beschäftigte tätig.

4Im März 2019 vereinbarte die Beklagte mit dem bei ihr bestehenden Gesamtbetriebsrat „ein mehrstufiges Verfahren mit einem vorgeschalteten Freiwilligenprogramm“. Dort war ua. vorgesehen, dass die Beklagte die Beschäftigten dem auf S übergehenden Betrieb zuordnen kann, wenn bei weniger als 2.030 Beschäftigten Bereitschaft für einen Wechsel zu S besteht.

5Vor dem Hintergrund der Vereinbarungen mit S ergriff die Beklagte in den Betriebsstätten R bzw. D personelle und organisatorische Maßnahmen und baute eine darauf bezogene Organisation auf. Die Tätigkeit in dem übergehenden Teil, der einen eigenen Leiter hatte, setzte sich aus den Bereichen Propulsion, Vehicle und Powertrain Testing zusammen, denen jeweils eigene Leiter vorstanden. Zur Koordination der Aufgaben und Projekte in den drei Bereichen fanden seit regelmäßige „Leadership Conferences“ statt. Ferner ordnete die Beklagte die zur Erbringung von Ingenieurleistungen im Bereich Fahrzeug- und Antriebsstrangentwicklung erforderlichen Mess- und Testsysteme einschließlich der Prüfstände sowie Räumlichkeiten bzw. Immobilien zu und machte sie durch Zaunabsicherungen, Drehkreuze, Markierungen auf dem Boden, Türanlagen und Security Container optisch kenntlich.

6Mit Schreiben vom wurde der Kläger über den geplanten Betriebsübergang auf S zum informiert. Dieser erhob frühestens mit Schreiben vom November 2020 Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses.

7Die Beklagte unterrichtete den Kläger zudem mit Schreiben vom über seine Versetzung in die auf S übergehende betriebliche Einheit. Mit Schreiben vom teilte der Kläger mit, dass er der Versetzung nur unter Vorbehalt nachkomme und die Wirksamkeit gerichtlich überprüfen lasse.

8Nach Veräußerung der Wirtschaftsgüter und Übertragung der betrieblichen Leitungsmacht am setzte S die Erbringung von Ingenieur- und Testleistungen im Bereich Fahrzeug- und Antriebsstrangentwicklung ohne nennenswerte Unterbrechung und ohne eine wesentliche Änderung der vormals bei der Beklagten bestehenden Arbeitsorganisation fort.

9Gegen die Versetzung und einen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf S hat sich der Kläger mit seiner Klage vom September 2020 gewandt und geltend gemacht, mit der Beklagten bestehe weiterhin ein Arbeitsverhältnis. Mangels übergangsfähiger wirtschaftlicher Einheit liege kein Betriebsübergang iSv. § 613a BGB vor. Jedenfalls sei sein Arbeitsverhältnis nicht der übergegangenen Einheit zugeordnet gewesen, da die Versetzung rechtswidrig gewesen sei. Schließlich sei auch das Unterrichtungsschreiben fehlerhaft gewesen, sodass er einem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auch noch im November 2020 habe widersprechen können.

10Der Kläger hat beantragt

11Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und insbesondere gemeint, der Kläger verhalte sich rechtsmissbräuchlich, wenn er sich erst nach über einem Jahr auf eine Rechtswidrigkeit der Versetzung berufe.

12Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt er seinen Antrag weiter.

Gründe

13Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat seine Berufung gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil unter Verletzung einer Rechtsnorm zurückgewiesen (§ 73 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Das Berufungsurteil ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann aufgrund fehlender tatrichterlicher Feststellungen nicht über den Bestand des Arbeitsverhältnisses der Parteien entscheiden.

14I. Soweit sich die Revision gegen die Abweisung eines Beschäftigungsantrags durch das Landesarbeitsgericht wendet, ist sie schon deshalb begründet, weil das Berufungsurteil gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO verstößt. Eine Verletzung des Antragsgrundsatzes liegt nicht nur dann vor, wenn einer Partei ohne ihren Antrag etwas zugesprochen wird, sondern auch, wenn ihr ein Anspruch aberkannt wird, den sie nicht zur Entscheidung gestellt hat (vgl.  - Rn. 7; - 2 AZR 6/21 - Rn. 42). Ausweislich des Tatbestands des angefochtenen Urteils hat der Kläger keinen Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung gegen die Beklagte geltend gemacht.

15II. Die Klage ist zulässig.

16Für den Feststellungsantrag liegt das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse vor, da die Beklagte einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit dem Kläger über den hinaus in Abrede stellt (vgl.  - Rn. 26, BAGE 161, 378).

17III. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien nicht verneinen.

181. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den von S übernommenen Betriebsstätten in R bzw. D um eine übergangsfähige wirtschaftliche Einheit iSd. Richtlinie (im Folgenden: RL) 2001/23/EG und damit des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB handelt.

19a) § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass ein „Betrieb“ oder ein „Betriebsteil“ durch Rechtsgeschäft auf einen neuen Inhaber übergeht.

20aa) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist darunter der Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit zu verstehen. Der Begriff der Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung ( - [NC (Transfert d’une étude notariale espagnole)] Rn. 33; - C-298/18 - [Grafe und Pohle] Rn. 22; vgl. auch  - Rn. 17; - 2 AZR 99/22 - Rn. 21).

21bb) Dabei ist entscheidend, dass die wirtschaftliche Einheit ihre schon vor der Übernahme bestandene Identität „bewahrt“. Nur wenn eine wirtschaftliche Einheit bereits vor dem Übergang vorhanden ist, kann sich die Frage der Wahrung ihrer Identität und damit die Frage eines Betriebs(teil)übergangs überhaupt stellen ( - Rn. 46; - 6 AZR 235/19 - Rn. 60, BAGE 170, 244). Der Übergang muss dem Erwerber die dauerhafte Fortsetzung der Tätigkeiten oder bestimmter Tätigkeiten des Veräußerers erlauben ( - [Ellinika Nafpigeia] Rn. 54).

22cc) Demnach sind vom Anwendungsbereich der RL 2001/23/EG nur solche Fälle betroffen, in denen die übertragene Einheit bereits vor dem Übergang über eine ausreichende funktionelle Selbständigkeit verfügte. Da die Richtlinie aber nur eine teilweise Harmonisierung auf dem betreffenden Gebiet vornimmt, sind weitergehende nationale Regelungen möglich (vgl.  - [Amatori ua.] Rn. 42). Jedenfalls ist es unionsrechtlich unerheblich, wie lange die wirtschaftliche Einheit beim Veräußerer vor dem Betriebsübergang bereits bestanden hat. Sie kann auch allein zum Zweck der Ermöglichung eines Betriebs(teil)übergangs geschaffen werden, lediglich „betrügerische oder missbräuchliche“ Fälle haben außer Betracht zu bleiben (vgl.  - [Ellinika Nafpigeia] Rn. 50).

23b) Das Landesarbeitsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise das Vorliegen einer übergangsfähigen wirtschaftlichen Einheit bejaht.

24aa) Mit der Aufteilung und Untergliederung des ITEZ und der damit einhergehenden Organisationsänderung in personeller und räumlicher Hinsicht hat die Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts im Bereich Fahrzeug- und Antriebsstrangentwicklung eine hinreichend organisierte, abgrenzbare und selbständige Einheit geschaffen, die in der Lage war, eine wirtschaftliche Tätigkeit mit eigenem Zweck zu verfolgen. Innerhalb des betrieblichen Gesamtzwecks des ITEZ - Erbringung von Ingenieur- und Testleistungen bei der Gesamtfahrzeugentwicklung - kam dem Bereich Fahrzeug- und Antriebsstrangentwicklung zumindest ein arbeitstechnischer Teilzweck zu (vgl. dazu  - Rn. 45). Die erforderliche organisatorische Selbständigkeit hat die Beklagte zum einen durch die Trennung und Zuordnung von bestimmten Wirtschaftsgütern und Funktionen geschaffen. Zudem hat sie eine personelle Trennung vorgenommen und die in den Bereich Fahrzeug- und Antriebsstrangentwicklung „versetzten“ Arbeitnehmer einer neu geschaffenen betrieblichen Leitung unterstellt. Hierzu hat die Beklagte den abgespaltenen Teil nochmals in drei Bereiche untergliedert (Propulsion, Vehicle und Powertrain Testing) und diese so geschaffenen Bereiche wiederum einer eigenständigen Leitung unterstellt, welche befugt war, den ihnen zugeordneten Arbeitnehmern Weisungen zu erteilen.

25bb) Der Übergang hat S die dauerhafte Fortsetzung bestimmter Tätigkeiten der Beklagten erlaubt. S hat auf der Grundlage des mit der Beklagten geschlossenen Vertrags nicht nur bestimmte Entwicklungs- und Testtätigkeiten für die Fahrzeug- und Antriebsstrangentwicklung fortgeführt, sondern nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das sachkundige Personal mit seinem Know-how einschließlich dem der Führungskräfte fast vollständig übernommen, wobei nur etwa 27 Arbeitnehmer dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse widersprochen haben. S hat zudem komplett ausgestattete Gebäude, Hard- und Software, die Teststrecke sowie Verträge mit der Beklagten über die Erbringung bestimmter Entwicklungs- und Testdienstleistungen erhalten. Eine wesentliche Änderung der Arbeitsorganisation sowie des Zwecks der wirtschaftlichen Einheit hat nicht stattgefunden. Vielmehr wurde die Tätigkeit nahtlos fortgesetzt. Zudem hat die Beklagte S nach Maßgabe der Auslastungswerte einen Finanzierungsbeitrag bis zu insgesamt 190.000.000,00 Euro vertraglich zugesagt. Vor diesem Hintergrund war die Annahme berechtigt, dass die übergehende Einheit dauerhaft ihre Geschäftstätigkeit fortsetzen kann. Das wird durch den bis heute aktiven Geschäftsbetrieb bestätigt.

26cc) Es ist rechtlich ohne Belang, dass die Beklagte den Betriebsteil als wirtschaftliche Einheit erst etwa einen Monat vor seinem Übergang durch eine Aufteilung und Untergliederung des ITEZ geschaffen hat. Den Feststellungen des Berufungsgerichts sind keine Umstände zu entnehmen, die auf ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten schließen lassen.

272. Diese ausgegliederte wirtschaftliche Einheit ist mit Wirkung zum auf S gemäß § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB „durch Rechtsgeschäft“ im Rahmen eines sog. Asset-Deal übergegangen. Sie wurde identitätswahrend fortgeführt, indem das Unternehmen materielle und immaterielle Vermögensgegenstände der Beklagten sowie die Verantwortlichkeit für den Betrieb und die ihm zugeordnete Hauptbelegschaft übernommen hat.

283. Entgegen der Ansicht des Klägers scheitert ein Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf S nicht schon im Rahmen einer analogen Anwendung von § 613a Abs. 4 Satz 1 BGB, weil er wegen des Betriebs(teil)-übergangs in die übergehende wirtschaftliche Einheit versetzt worden ist. Es fehlt an den Voraussetzungen für eine solche Analogie.

29a) Zu den anerkannten Methoden der Auslegung gehört auch die wortsinnübersteigende Gesetzesanwendung durch Analogie (vgl.  - Rn. 23, BAGE 163, 160). Hierzu bedarf es einer besonderen Legitimation. Die analoge Anwendung einer Norm setzt voraus, dass eine vom Gesetzgeber unbeabsichtigt gelassene Lücke besteht und diese Planwidrigkeit aufgrund konkreter Umstände positiv festgestellt werden kann. Anderenfalls könnte jedes Schweigen des Gesetzgebers - also der Normalfall, wenn er etwas nicht regeln will - als planwidrige Lücke aufgefasst und diese im Weg der Analogie von den Gerichten ausgefüllt werden. Analoge Gesetzesanwendung erfordert darüber hinaus, dass der gesetzlich ungeregelte Fall nach Maßgabe des Gleichheitssatzes und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen nach der gleichen Rechtsfolge verlangt wie die gesetzessprachlich erfassten Fälle ( - Rn. 34, BAGE 152, 147; - 9 AZR 51/13 - Rn. 23, BAGE 146, 384). Richterliche Rechtsfortbildung darf nicht dazu führen, dass ein Gericht seine eigene materielle Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setzt. Die Aufgabe der Rechtsprechung beschränkt sich darauf, den vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck eines Gesetzes auch unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung zu bringen oder eine planwidrige Regelungslücke mit den anerkannten Auslegungsmethoden zu füllen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den Wortlaut des Gesetzes hintanstellt und sich über den klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers hinwegsetzt, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein ( - Rn. 19).

30b) Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat mit dem in § 613a Abs. 6 BGB geregelten Widerspruchsrecht eine Möglichkeit für den Arbeitnehmer eröffnet, zu verhindern, dass er einen neuen, von ihm nicht gewollten Arbeitgeber durch den Betriebsübergang bekommt. Angesichts dessen ist schon nicht erkennbar, dass der Fall einer „Zuordnungsversetzung“ für den Betriebsübergang in § 613a Abs. 4 BGB vom Gesetzgeber „vergessen“ worden sein könnte. Unabhängig davon betrifft die gesetzliche Regelung des § 613a Abs. 4 BGB eine andere Interessenlage. Mit dieser Norm - und der RL 2001/23/EG - soll die Kontinuität bereits zugeordneter Arbeitsverhältnisse sichergestellt werden ( - [NC (Transfert d’une étude notariale espagnole)] Rn. 52;  - Rn. 25). Der Betriebsübergang als solcher soll nicht zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen. Demgegenüber wird durch eine dem Betriebsübergang vorgelagerte Versetzung in den übergehenden Betrieb der Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht in Frage gestellt. Vor einer vom Arbeitnehmer nicht gewünschten Auswechselung des Arbeitgebers schützt dagegen das Widerspruchsrecht des § 613a Abs. 6 BGB (vgl.  - Rn. 21).

31c) Dies könnte nur dann anders zu beurteilen sein, wenn ein Arbeitnehmer wegen einer vorangegangenen Zuordnungsentscheidung nicht von einem Betriebs(teil)übergang betroffen ist und in einem wirtschaftlich nicht lebensfähigen Restbetrieb verbleibt. Dann könnte sich die Frage nach einer etwaigen Rechtsmissbräuchlichkeit der Zuordnungsentscheidung stellen, da den zurückbleibenden Arbeitnehmern - anders als den übergehenden - nicht die Möglichkeit eines Widerspruchs nach § 613a Abs. 6 BGB zusteht. Dies ist vorliegend aber nicht der Fall.

324. Die Klage kann - entgegen dem Berufungsurteil - nicht mit der Begründung abgewiesen werden, der Kläger habe sein Recht verwirkt, sich auf eine Unwirksamkeit der Versetzung in die übergegangene Einheit zu berufen. Ob der Kläger dieser wirksam zugeordnet war, steht mangels entsprechender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht fest.

33a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger habe sein Recht verwirkt, die Rechtsunwirksamkeit einer Versetzung in den übergegangenen Betriebsteil geltend zu machen, da er mehr als ein Jahr habe verstreichen lassen, bis er sich auf die Unwirksamkeit der Versetzung berufen und in dieser Zeit nach dem Betriebsübergang, ohne neue Beanstandungen zu erheben, bei S weitergearbeitet habe. Das hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

34aa) Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB). Mit ihr wird die illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie beruht auf dem Gedanken des Vertrauensschutzes und trägt dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Rechnung. Die Verwirkung verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner bereits dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger seine Rechte längere Zeit nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, sodass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment). Hierbei muss das Erfordernis des Vertrauensschutzes auf Seiten des Verpflichteten das Interesse des Berechtigten derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist (vgl.  - Rn. 26).

35bb) Die Beurteilung der Frage, ob ein Anspruch oder ein Recht verwirkt ist, obliegt grundsätzlich den Tatsachengerichten. Das Revisionsgericht prüft lediglich, ob die Vorinstanz die von der Rechtsprechung entwickelten rechtlichen Voraussetzungen der Verwirkung beachtet sowie alle erheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt hat und ob die Bewertung dieser Gesichtspunkte von den getroffenen tatsächlichen Feststellungen getragen wird (vgl.  - Rn. 28).

36b) Das Berufungsurteil hält auch einer solchen eingeschränkten revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Das Recht des Klägers, sich auf eine Unwirksamkeit der Versetzung zu berufen, ist nicht verwirkt.

37aa) Das Landesarbeitsgericht ist schon bei der Bestimmung des Zeitmoments für eine Verwirkung von einem rechtlich fehlerhaften Maßstab ausgegangen. Es sieht einen Zeitraum von „mehr als ein[em] Jahr“, den der Kläger habe verstreichen lassen, bis er sich auf die Unwirksamkeit der Versetzung berufen habe, als erheblich an und bezieht sich dabei auf die Rechtsprechung zur Ausübung des Widerspruchsrechts gegen einen Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 6 BGB. Damit blendet das Landesarbeitsgericht den Umstand aus, dass der Kläger bereits mit Schreiben vom - also weniger als einen Monat nach der Versetzungsanordnung - der Beklagten mitgeteilt hat, dass er sich gegen eine Versetzung wehre und dieser nur unter Vorbehalt nachkomme. Darüber hinaus ist die Rechtsprechung zu § 613a Abs. 6 BGB kein geeigneter Maßstab für die Frage, ob eine „längere Zeit“ verstrichen ist, bis der Kläger sein Recht geltend gemacht hat. Das Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB ist ein gesetzlich normiertes Gestaltungsrecht, bei dem der Gesetzgeber eine kurze Frist von einem Monat für dessen Geltendmachung vorgesehen hat. Angesichts dieser gesetzlichen Regelung ist für die Verwirkung des Widerspruchsrechts ein relativ kurzer Zeitraum anzunehmen, zumal die Ausübung des Rechts keiner Begründung bedarf und sie an keine weiteren Bedingungen geknüpft ist (vgl.  - Rn. 35). Für die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer Versetzung fehlt es hingegen an einer gesetzlich normierten Frist.

38bb) Unabhängig davon liegt kein Umstandsmoment für eine Verwirkung vor. Das würde voraussetzen, dass der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und sich darauf eingerichtet hat, dieser werde sein Recht auch künftig nicht mehr geltend machen ( - Rn. 47). Hierfür bestehen nach den nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanz keine Anhaltspunkte. Insbesondere liegt entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts kein widersprüchliches Verhalten des Klägers vor.

39(1) Dieser hat mit seinem Schreiben vom ausdrücklich angekündigt, dass er sich gegen die Versetzung wehre und dieser nur unter dem Vorbehalt nachkomme, ihre Wirksamkeit gerichtlich überprüfen zu lassen. Genau das hat er gemacht. Irgendeine Art von „Widersprüchlichkeit“ ist in diesem Verhalten nicht zu erkennen.

40(2) Soweit das Landesarbeitsgericht darauf abstellt, der Kläger habe bei der Erwerberin weitergearbeitet, ohne dieser gegenüber den Vorbehalt zu wiederholen, er habe deren Arbeitgebereigenschaft anerkannt und die zugewiesenen Arbeiten „widerspruchslos“ ausgeführt, blendet das wesentliche Umstände des Falls aus. Der Kläger hat seinen „Versetzungsvorbehalt“ mit Schreiben vom erklärt, drei Wochen nach der Versetzungsanordnung der Beklagten mit Schreiben vom und rund drei Wochen nach dem Unterrichtungsschreiben über den beabsichtigten Betriebsübergang mit Schreiben vom . Mit den beiden letztgenannten Schreiben war klargestellt, dass die Versetzung des Klägers und der Übergang seines Arbeitsverhältnisses zusammenhängen. Wenn der Kläger sich dann drei Wochen später gegen die Versetzung wendet, geschieht das offenkundig vor dem Hintergrund des wenige Tage später stattfindenden Betriebsübergangs. Angesichts dessen stellt der Betriebsübergang auch keine „Zäsur“ dar, die es nahegelegt hätte, dass der Kläger nunmehr gegenüber der Erwerberin seinen Vorbehalt erneut zu erklären hätte, unbeschadet der Frage, welche Bedeutung dies für die Beklagte überhaupt hätte haben können. Vielmehr war schon bei der Vorbehaltserklärung offenkundig, dass diese sich der Sache nach allein auf die Weiterarbeit bei der Erwerberin bezieht. Vorliegend hatte der Kläger mit seinem Schreiben hinreichend deutlich gemacht, dass sich sein „Vorbehalt“ gerade auf eine Tätigkeit bei der Erwerberin bezieht, weshalb er diesen nach dem Betriebsübergang nicht „erneuern“ musste.

41(3) Für ein schutzwürdiges Vertrauen der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen. Es vermengt in seinen Ausführungen vielmehr das Umstands- mit dem Zeitmoment und benennt keinen Grund, inwieweit sich die Beklagte darauf eingerichtet haben könnte, der Kläger werde seine Versetzung nicht mehr gerichtlich überprüfen lassen. Dies kann insbesondere auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der Kläger einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses erst nach mehr als einem Jahr erklärt hat. Der Widerspruch betrifft die Arbeitgeberstellung, während die vorangegangene Versetzungsanordnung der Beklagten die tatsächliche Zuordnung zu einer betrieblichen Einheit zum Gegenstand hat.

42IV. Die Sache ist an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Der Senat kann nicht selbst entscheiden. Es fehlen jegliche Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, ob der Kläger wirksam dem übergegangenen Betriebsteil zugeordnet wurde.

431. Es ist weder der Inhalt des Arbeitsvertrags des Klägers, seine vormals ausgeübte Tätigkeit, deren räumliche und inhaltliche Ausgestaltung oder die nach der Versetzungsanordnung ausgeübte Tätigkeit festgestellt. Deshalb kann weder beurteilt werden, ob die Weisung der Beklagten mit Schreiben vom von ihrem Recht aus § 106 GewO umfasst ist - oder andere vertragliche Vereinbarungen der Parteien entgegenstehen - noch, ob die Ausübung des Weisungsrechts die Grenzen billigen Ermessens wahrt. Die Ausführungen der Beklagten hierzu legen die Annahme nahe, dass jedenfalls in der letzten Stufe der Zuordnungsentscheidung keine arbeitsplatzbezogenen Sachkriterien herangezogen wurden. Eine Zuordnung zu einem übergehenden Betriebsteil wäre jedenfalls nicht nach den Kriterien einer „sozialen Auswahl“ vorzunehmen (vgl.  - Rn. 25). Das schlösse eine ermessensfehlerfreie Entscheidung allerdings nicht zwingend aus, da es insoweit nur auf das Ergebnis ankommt, nicht aber auf den dorthin beschrittenen Weg (vgl.  - Rn. 39).

442. Erst wenn die vormals und die nach der Versetzungsanordnung ausgeübte Tätigkeit festgestellt sind, lässt sich im Übrigen beurteilen, ob eine Versetzung iSv. § 95 Abs. 3 BetrVG vorliegt und diese betriebsverfassungsrechtlich wirksam erfolgt ist.

453. Der Senat kann auch nicht nach § 563 Abs. 3 ZPO selbst entscheiden und der Klage stattgeben, weil - selbst bei einer wirksamen Versetzung in den übergegangenen Betrieb - der Kläger jedenfalls dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses wirksam gemäß § 613a Abs. 6 BGB widersprochen hat. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei angenommen, der Widerspruch sei verspätet - weil außerhalb der Monatsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB - erfolgt, und es liege auch kein Fall einer unrichtigen oder unvollständigen Unterrichtung iSv. § 613a Abs. 5 BGB vor, sodass die Monatsfrist nicht in Lauf gesetzt worden wäre. Soweit die Beklagte in ihrer Revisionserwiderung hervorhebt, der Kläger habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses nicht widersprochen, sondern ausschließlich einen Vorbehalt gegen seine Versetzung erklärt, ist das ohne Belang. Das Landesarbeitsgericht hat in seinem Berufungsurteil festgestellt, dass der Kläger einen solchen Widerspruch erklärt hat. An diese Feststellungen ist der Senat gebunden (vgl. § 559 ZPO). Die Beklagte hat diesbezüglich keine Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beantragt (vgl.  - Rn. 23).

46a) Das Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB steht nach der Konzeption von § 613a BGB in einem wechselseitigen Bezug zur Unterrichtungspflicht nach § 613a Abs. 5 BGB (vgl. BT-Drs. 14/7760 S. 12). Danach haben der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform über die in § 613a Abs. 5 Nr. 1 bis Nr. 4 BGB aufgeführten Umstände zu unterrichten. Die Unterrichtung ist teleologisch auf das Widerspruchsrecht ausgerichtet. Sie soll den Arbeitnehmer in die Lage versetzen, eine sachgerechte Entscheidung darüber zu treffen, ob er dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den neuen Betriebs(teil)inhaber widersprechen will. Deshalb haben Veräußerer und/oder Erwerber den Arbeitnehmer so zu informieren, dass dieser sich über den Gegenstand des Betriebs(teil)übergangs und die Person des Übernehmers sowie über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände „ein Bild machen“ kann. Dem Arbeitnehmer soll auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich weitergehend zu erkundigen und ggf. beraten zu lassen, um dann auf dieser Grundlage über einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu entscheiden (vgl.  - Rn. 25).

47b) Der Inhalt der Unterrichtung richtet sich nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und des Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung. Ob eine erfolgte Unterrichtung den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entsprochen hat, unterliegt im Ausgangspunkt der gerichtlichen Überprüfung ( - Rn. 24). Genügt die Unterrichtung zunächst formal den gesetzlichen Anforderungen und ist sie nicht offensichtlich fehlerhaft, so ist es Sache des Arbeitnehmers, der sich auf die Unzulänglichkeit der Unterrichtung beruft, einen behaupteten Mangel näher darzulegen. Hierzu ist er im Rahmen einer abgestuften Darlegungslast nach § 138 Abs. 3 ZPO verpflichtet. Dem bisherigen Arbeitgeber und/oder dem neuen Inhaber - je nachdem, wer die Unterrichtung vorgenommen hat - obliegt dann die Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Erfüllung der Unterrichtungspflicht, indem mit entsprechenden Darlegungen und Beweisangeboten die Einwände des Arbeitnehmers entkräftet werden ( - aaO). Kommt der Arbeitnehmer seiner abgestuften Darlegungslast nicht nach, gilt, abgesehen von einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit der Unterrichtung, das tatsächliche Vorbringen des Arbeitgebers iSv. § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden und die Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB als rechtsfehlerfrei. Eine offensichtlich fehlerhafte und damit unzureichende Unterrichtung liegt nur dann vor, wenn sie über die Person des Betriebserwerbers und/oder in Bezug auf einen in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstand fehlt bzw. unverständlich oder auf den ersten Blick mangelhaft ist ( - Rn. 25).

48c) Nach diesem Maßstab ist das Unterrichtungsschreiben vom nicht zu beanstanden und der vom Kläger mit Schreiben vom November 2020 erklärte Widerspruch verspätet, weil außerhalb der Monatsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB erfolgt.

49aa) Das Unterrichtungsschreiben ist entgegen der Ansicht der Revision nicht deswegen fehlerhaft, weil aus ihm nicht hervorgeht, welche geschäftliche Tätigkeit der Betriebserwerberin und welche der Konzernobergesellschaft zuzuordnen ist (vgl. hierzu  - Rn. 22, BAGE 131, 258).

50(1) Im Unterrichtungsschreiben vom führt die Beklagte aus, dass es sich bei der Betriebserwerberin um eine Gesellschaft der S Gruppe, nämlich eine indirekte Tochter der Konzernobergesellschaft S Sàrl, handelt, die am gerade für den Abschluss des Master Asset Purchase Agreement und die sich anschließende Übernahme des hier interessierenden Betriebsteils der Beklagten erworben wurde, nachdem sie zuvor als Vorratsgesellschaft gegründet worden war. Hieran anknüpfend wird erläutert, dass die S Gruppe ein weltweit tätiger Konzern im Bereich des Engineerings, insbesondere in der Automobilindustrie ist.

51(2) Aufgrund der erteilten Informationen konnte der Kläger sowohl die bisherige und künftige Geschäftstätigkeit der Betriebserwerberin als auch ihre Positionierung im erwerbenden Konzern erkennen und wird im Hinblick auf einen etwaigen Widerspruch in die Lage versetzt, diesbezüglich eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Mit dem Verweis auf das Master Asset Purchase Agreement und den anstehenden Betriebsübergang wird deutlich, dass die Erwerberin als Teil der S Gruppe in der Automobilindustrie, vornehmlich im Bereich der Fahrzeug- und Antriebsstrangentwicklung, geschäftlich tätig werden wird.

52bb) Das Unterrichtungsschreiben ist auch nicht deswegen fehlerhaft, weil die Beklagte den Kläger nicht ausreichend über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB unterrichtet hat (vgl. hierzu  - Rn. 26). Jedenfalls fehlt es an der Ursächlichkeit eines etwaigen Unterrichtungsmangels für die Willensbildung betreffend die Ausübung des Widerspruchsrechts.

53(1) An den Inhalt der Unterrichtung über die rechtlichen Folgen des Betriebsübergangs dürfen keine im praktischen Leben kaum erfüllbaren Anforderungen dahingehend gestellt werden, wonach das Unterrichtungsschreiben „keinen juristischen Fehler“ enthalten darf (so aber noch  - Rn. 29). Zudem darf nicht verkannt werden, dass der Lauf der Widerspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB zwar grds. an eine ordnungsgemäße Unterrichtung iSv. § 613a Abs. 5 BGB anschließt, die Unterrichtung aber teleologisch auf das Widerspruchsrecht ausgerichtet ist (Rn. 46). Deshalb führen Fehler, die für den Willensbildungsprozess der Arbeitnehmer, ob sie einem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen, regelmäßig ohne Belang sind, nicht dazu, dass die Widerspruchsfrist nicht zu laufen beginnt (vgl.  - Rn. 22). Letzteres kann der Senat selbst dann ohne eine darauf bezogene Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV entscheiden, wenn der Inhalt der nach § 613a Abs. 5 BGB den einzelnen vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer zu erteilenden Unterrichtung unionsrechtlich determiniert sein sollte (aA  - Rn. 43 mwN, BAGE 157, 317; - 8 AZR 538/08 - Rn. 53, BAGE 131, 258). Jedenfalls bei dem Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB handelt es sich um zugunsten der Arbeitnehmer weitergehendes nationales Recht ohne jede Entsprechung im Unionsrecht (vgl. EuArbRK/Winter 5. Aufl. RL 2001/23/EG Art. 7 Rn. 21), was Art. 8 RL 2001/23/EG auch zulässt.

54(2) Im Unterrichtungsschreiben vom hat die Beklagte auf den gesetzlichen Eintritt der Betriebserwerberin in die Rechte und Pflichten aus dem im Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB zum hingewiesen und auch über die Haftungsverteilung nach § 613a Abs. 2 BGB informiert. Dies ermöglichte dem Kläger, im Bedarfsfall Rechtsrat darüber einzuholen, wer und ggf. in welchem Umfang für die Ansprüche aus dem übergehenden Arbeitsverhältnis haftet. Die Informationspflicht beinhaltet darüber hinaus keine umfassende Rechtsberatung. Der Inhalt der Unterrichtung soll den Arbeitnehmer nicht über alle ihn möglicherweise treffenden individuellen Folgen des Betriebsübergangs informieren. Die Beklagte hat in dem Schreiben die maßgeblichen Tatsachen benannt. Es oblag dem Kläger, diese zu subsumieren oder weitere Erkundigungen einzuholen ( - Rn. 39). Die Annahme der Revision, dem Kläger hätte als juristischen Laien auch erklärt werden müssen, wann ein Anspruch „entsteht“ und wann er „fällig“ wird, geht deswegen fehl.

55cc) Auch die weiter vom Kläger behaupteten Mängel begründen keine Fehlerhaftigkeit des Unterrichtungsschreibens, die ein Nichtanlaufen der Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB zur Folge hätte.

56(1) Soweit der Kläger rügt, das Unterrichtungsschreiben suggeriere mit der Angabe, dass auf Grundlage eines bestimmten Tarifvertrags Flex-Konten für die Arbeitszeit eingerichtet „werden“, zu Unrecht, dass S tarifvertraglich hierzu verpflichtet sei, obwohl dies im Belieben der Betriebsparteien stehe, wäre ein etwaiger Darstellungsmangel für den Willensbildungsprozess des Arbeitnehmers regelmäßig ohne Belang. Auch im vorliegenden Fall hat sich der Kläger - ungeachtet der Frage, ob dies überhaupt beachtlich wäre - nicht konkret auf Abweichendes berufen. Sein bloßer Hinweis im Berufungsverfahren, bei der Arbeitszeit handele es sich um eine wesentliche Vertragsbedingung, führt zu keiner anderen Betrachtung.

57(2) Mit dem Hinweis im Unterrichtungsschreiben auf das auch nach dem Betriebsübergang fortbestehende und durch die ursprüngliche Spaltung entstandene betriebsverfassungsrechtliche Übergangsmandat iSv. § 21a BetrVG hat die Beklagte vertretbar angenommen, dass der Betriebsteil auch nach dem Betriebsübergang auf die Betriebserwerberin identitätswahrend, und somit ohne Eingliederung in den bei der Betriebserwerberin bestehenden Betrieb, fortbestehen werde (vgl. hierzu Fitting BetrVG 32. Aufl. § 1 Rn. 211 und Rn. 223 ff.). Eine Unterrichtung über komplexe Rechtsfragen ist dann nicht fehlerhaft, wenn der Arbeitgeber nach angemessener Prüfung der Rechtslage eine rechtlich vertretbare Position einnimmt ( - Rn. 25; - 8 AZR 430/10 - Rn. 41).

58V. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht zu beachten haben, dass der Kläger (bisher) keinen Antrag auf Beschäftigung gestellt hat.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:210324.U.2AZR95.23.0

Fundstelle(n):
BB 2024 S. 1459 Nr. 25
DB 2024 S. 2095 Nr. 34
IAAAJ-68215