Ablehnung einer Terminverschiebung; Heilung Ausfertigungsmangel
Gesetze: Art 2 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 103 Abs 1 GG, § 108 Abs 2 VwGO
Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg Az: OVG 2 B 17.20 Urteilvorgehend Az: 4 K 2319/17
Gründe
1Die Beschwerde ist unzulässig. Sie verfehlt die Anforderungen, die § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO an die Bezeichnung und Darlegung der Revisionszulassungsgründe stellt.
2Die Revision kann nur zugelassen werden, wenn einer der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt. Nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO muss in der Beschwerdebegründung die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache dargelegt oder die Entscheidung, von der das Urteil abweicht, oder der Verfahrensmangel bezeichnet werden. Dem genügt die Beschwerde auch dann nicht, wenn man das Beschwerdevorbringen bei wohlwollender Auslegung als Verfahrensrüge versteht. Denn ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann bezeichnet, wenn er sowohl in den (vermeintlich) begründeten Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird ( 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Das leistet die Beschwerde nicht.
3Die Beschwerde macht sinngemäß geltend, das Oberverwaltungsgericht habe der als Reaktion auf den gerichtlichen Hinweis vom , dass der maßgebliche Bebauungsplan an einem Ausfertigungsmangel leide, mit Schriftsatz vom angebrachten und in der mündlichen Verhandlung am bekräftigten Bitte um Neuterminierung zum Zwecke einer zeitnahen Heilung des Mangels zu Unrecht nicht entsprochen. Das führt nicht auf einen Verfahrensfehler.
4Die Ablehnung eines Antrags auf Verlegung des Termins oder Vertagung der mündlichen Verhandlung kann den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) oder ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 19 Abs. 4 GG) verletzen, wenn die Verlegung/Vertagung aus erheblichen Gründen geboten ist (§ 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Liegen erhebliche Gründe vor, verdichtet sich das in § 227 Abs. 1 ZPO eingeräumte Ermessen zu einer Rechtspflicht, selbst wenn das Gericht die Sache für entscheidungsreif hält und die Erledigung des Rechtsstreits durch die Aufhebung oder Verlegung des Termins verzögert wird (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 4 BN 2.15 - juris Rn. 4 und vom - 1 B 8.13 - juris Rn. 13; - BFH/NV 2021, 1360 Rn. 4). Bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "erheblichen Gründe" ist einerseits dem im Verwaltungsprozess geltenden Gebot der Beschleunigung des Verfahrens (vgl. etwa § 87b VwGO) und der Intention des Gesetzes, die gerichtliche Entscheidung möglichst aufgrund einer einzigen mündlichen Verhandlung herbeizuführen (Konzentrationsgebot, vgl. § 87 Abs. 1 VwGO), andererseits den verfassungsrechtlichen Erfordernissen des rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens Rechnung zu tragen. Das Gebot rechtlichen Gehörs verlangt, den an einem gerichtlichen Verfahren Beteiligten Gelegenheit zu geben, sich zu dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt zu äußern und tatsächliche und rechtliche Argumente im Prozess vortragen zu können ( 9 C 55.88 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 23 S. 4 m. w. N.; Beschluss vom - 2 B 38.21 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 56 Rn. 28). Der Anspruch auf ein faires Verfahren gebietet insbesondere, dass das Gericht sich nicht widersprüchlich verhält, aus eigenen oder ihm zurechenbaren Fehlern keine Verfahrensnachteile für die Beteiligten ableitet und verpflichtet allgemein zur Rücksichtnahme gegenüber den Verfahrensbeteiligten in ihrer konkreten Situation (vgl. - BFH/NV 2023, 983 Rn. 11 m. w. N.). Eine Verlegung/Vertagung rechtfertigende "erhebliche Gründe" im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO sind in aller Regel solche, die auch und gerade zur Gewährleistung des rechtlichen Gehörs eine Zurückstellung des Beschleunigungs- und Konzentrationsgebotes erfordern (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom - 3 B 119.03 - juris Rn. 3 <insoweit nicht abgedruckt in Buchholz 428.8 § 2 BerRehaG Nr. 1> und vom - 2 B 38.21 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 56 Rn. 28 m. w. N.; - MDR 2024, 322 Rn. 14).
5Daran gemessen legt die Beschwerde einen Verfahrensfehler im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht dar. Dabei kann dahinstehen, ob das Oberverwaltungsgericht die protokollierte "Verfahrensrüge" des Beklagten in der mündlichen Verhandlung als Antrag im Sinne des § 227 Abs. 1 ZPO hätte verstehen bzw. ggfs. nachfragen müssen. Ungeachtet seiner Auffassung, es fehle bereits an einem "formalen" Antrag, hat es jedenfalls zutreffend angenommen, dass der Beklagte keinen "erheblichen Grund" dargetan hat (UA S. 10). Der Beklagte hat sein Ansinnen auf Neuterminierung damit begründet, dass der vom Oberverwaltungsgericht erkannte Ausfertigungsmangel von der Gemeinde mit Rückwirkung geheilt werden solle, wofür der Zeitraum von wenigen Tagen zwischen dem Hinweisschreiben und dem Verhandlungstermin nicht genüge. Die Beschwerde rügt, durch die Nichtverschiebung des Termins sei eine Entscheidung über die nach Heilung des Ausfertigungsmangels erneut entscheidungserheblichen Fragen unterblieben. Das berührt weder den Anspruch auf rechtliches Gehör noch auf ein faires Verfahren. Denn diese vermitteln kein Recht darauf, dass das Gericht zuwartet, bis solche Fragen entscheidungserheblich sind bzw. wieder werden, deren umfassende Klärung die Beteiligten für wünschenswert halten (vgl. zum Prüfungsumfang in Normenkontrollverfahren 4 CN 11.21 - UPR 2023, 521 Rn. 18).
6Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:110424B4B24.23.0
Fundstelle(n):
BAAAJ-67990