Betäubungsmittelrecht: Besitz von Cannabis nach KCanG; Anforderung der Durchsuchung von Räumen
Gesetze: § 102 StPO, § 105 StPO, § 29a Abs 1 BtMG, § 2 Abs 1 Nr 1 KCanG, § 2 Abs 3 Nr 2 KCanG, § 3 Abs 2 S 1 Nr 1 KCanG, § 34 Abs 1 Nr 1b KCanG, § 34 Abs 1 Nr 4 KCanG
Instanzenzug: Az: 547 KLs 10/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf zwei Verfahrensbeanstandungen und die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Den Verfahrensrügen bleibt der Erfolg versagt. Unbeschadet der in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgezeigten Bedenken gegen ihre zulässige Erhebung (vgl. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), weil mehrere im jeweiligen Rügevorbringen in Bezug genommene Schriftstücke aus der Verfahrensakte nicht mitgeteilt werden, wären sie auch unbegründet:
3a) Die Rüge einer Unverwertbarkeit der Angaben des Angeklagten bei seiner polizeilichen Vernehmung infolge von nicht nachgewiesen ordnungsgemäßen, weil mittels des Programms „Google-Translator“ übersetzten Belehrungen scheiterte jedenfalls daran, dass ein Verwertungsverbot ausscheidet, wenn der Beschuldigte trotz eines Belehrungsfehlers sein Recht zu schweigen gekannt hat (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom – 5 StR 190/91, BGHSt 38, 214, 224 f.; vom – 1 StR 531/04, NStZ 2005, 392, 393; vgl. auch Mitsch, NStZ 2008, 49 f.; KK-StPO/Diemer, 9. Aufl., § 136 Rn. 26). So verhält es sich hier, denn der Angeklagte berief sich nach beiden – auf Deutsch inhaltlich auch nach dem Revisionsvorbringen nicht zu beanstandenden – Belehrungen jeweils auf sein Schweigerecht und machte im Nachgang dazu nach der zweiten Belehrung wegen des Vorwurfs des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln Angaben zu seinem vermeintlichen Hintermann, dem die Betäubungsmittel „gehörten“. Darauf, dass dieses Einlassungsverhalten des Angeklagten nicht den „zwingenden“ Schluss auf die „Vollständigkeit“ der Übersetzung zulasse, wie die Revision in der Gegenerklärung ausgeführt hat, kommt es danach nicht an.
4Im Übrigen würde das Urteil auf einem Belehrungsverstoß auch nicht beruhen. Denn die im Hinblick auf den Schuldspruch zu seinen Ungunsten verwerteten Angaben, er habe von den Betäubungsmitteln in der Wohnung Kenntnis gehabt, tätigte der Angeklagte nach – ordnungsgemäßer – Belehrung auch gegenüber der psychiatrischen Sachverständigen, die die Strafkammer dazu als Zeugin vernommen hat.
5b) Die Rüge, die bei der Wohnungsdurchsuchung sichergestellten Beweismittel seien wegen eines Verstoßes gegen den Richtervorbehalt (§ 105 StPO) unverwertbar, ist mit der Stoßrichtung erhoben, die Durchsuchungsmaßnahme sei bereits in dem – nicht ausschließlich der Gefahrenabwehr oder der Eigensicherung dienenden – Hineinleuchten mit einer Taschenlampe in das kleine, dunkle Zimmer innerhalb der Wohnung zu sehen. Sie kann damit keinen Erfolg haben, weil ein solches Verhalten schon keine Durchsuchung im Sinne von § 102 StPO darstellt: Eine Durchsuchung erfordert das Betreten eines geschützten Raums, das der ziel- und zweckgerichteten Suche nach Personen oder Sachen dient und mit einem entsprechenden Augenschein verbunden ist (Dürig/Herzog/Scholz/Papier, GG, 103. EL, Art. 13 Rn. 22 mwN; MüKo-StPO/Hauschild, 2. Aufl., § 102 Rn. 6 mwN; Meyer-Goßner/Schmitt/Köhler, StPO, 67. Aufl., § 102 Rn. 1; vgl. auch – zu nicht strafprozessualen Durchsuchungen – , NJW 2000, 943, 944; , NJW 2006, 3352, 3353). Danach lag in dem Leuchten und Hineinschauen in das Zimmer schon deshalb keine Durchsuchung, weil damit kein physisches Eindringen in das Zimmer mit der beschriebenen Zwecksetzung verbunden war; der Aufenthalt im Flur der Wohnung war den Polizisten, die infolge der Anzeige „randalierender Personen“ beim Angeklagten geklingelt hatten, gestattet, nachdem der Angeklagte sie hineingebeten hatte. Es kommt deshalb nicht mehr darauf an, dass Beweismittel auch dann verwertbar sein können, wenn sie rechtmäßig aufgrund einer Maßnahme erlangt werden, die – lediglich – „auch“ der Gefahrenabwehr dient (sogenannte doppel-funktionale Maßnahmen, vgl. , BGHSt 62, 123; KK-StPO/Henrichs/Weingast, 9. Aufl., § 102 Rn. 1 mwN).
62. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Nachprüfung des Urteils führt zur Änderung des Schuld- und zur Aufhebung des Strafausspruchs:
7a) Nach den Feststellungen des Landgerichts bewahrte der Angeklagte in dem kleineren Zimmer der von ihm bewohnten Wohnung für einen unbekannt gebliebenen Dritten, der mit den Betäubungsmitteln Handel trieb, neben knapp 300 g Kokain auch gut 11,7 kg Marihuana und etwa 4,7 kg Haschisch (Wirkstoffgehalt insgesamt 2,6 kg THC) sowie Verpackungsutensilien wie Feinwaagen und ein Laminiergerät auf. Daneben hielt er in dem größeren Zimmer, das er zu Wohnzwecken nutzte, rund 39 g Marihuana für den Eigenkonsum vorrätig.
8b) Soweit der Angeklagte wegen der Aufbewahrung von Kokain verurteilt worden ist, ist der Schuldspruch rechtsfehlerfrei. Er kann aber insoweit keinen Bestand haben, als der Angeklagte für seinen Umgang mit Marihuana und Haschisch wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt worden ist. Denn am ist das Gesetz zum Umgang mit Konsumcannabis (Konsumcannabisgesetz – KCanG) in Kraft getreten (BGBl. I Nr. 109), was der Senat nach § 2 Abs. 3 StGB zu berücksichtigen hat; nach der Neuregelung unterfällt der Umgang mit Cannabis nicht mehr dem BtMG, sondern allein dem – milderen – KCanG (; vgl. insoweit zur nicht geringen Menge und zur Tenorierung ).
9Das vom Landgericht insoweit festgestellte Tatgeschehen ist nunmehr als Beihilfe zum Handeltreiben mit Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 4 KCanG, § 27 StGB) in Tateinheit mit Besitz von mehr als 60 Gramm Cannabis (§ 34 Abs. 1 Nr. 1 b) KCanG) zu würdigen. Dass sich die Tat auf Cannabis in nicht geringer Menge bezog, stellt lediglich ein Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall dar (§ 34 Abs. 3 Nr. 4 KCanG), der im Schuldspruch keinen Ausdruck findet (KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 260 Rn. 31 mwN). Der Senat stellt den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 iVm § 354a StPO um. Die Regelung des § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Soweit sich der Schuldspruch wegen Besitzes von Betäubungsmitteln auch auf die zum Eigenkonsum vorrätig gehaltene Menge von rund 39 g Marihuana bezog, ist das Handeln des Angeklagten nicht mehr verboten und damit nicht mehr strafbar (§ 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 2, § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 34 Abs. 1 Nr. 1 b) KCanG).
10c) Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Der Senat kann angesichts der im Verhältnis zum Kokain großen Menge Cannabis nicht ausschließen, dass die Tathandlungen des Angeklagten in Bezug auf diese Droge für das Landgericht bei der Bestimmung des Schuldumfangs und damit bei der Findung der verhängten Strafe mitentscheidend waren. Auch wenn die Strafe aus dem Strafrahmen des § 29a Abs. 1 BtMG zuzumessen war (vgl. § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB), ist durch die gesetzgeberische Wertung, die sich mit Blick auf die in § 34 Abs. 3 KCanG gegenüber § 29a Abs. 1 BtMG vorgesehene mildere Strafdrohung ergibt, der Strafe die Grundlage entzogen.
11d) Die Feststellungen zum Strafausspruch sind von der Aufhebung nicht betroffen; sie können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO) und gegebenenfalls durch solche ergänzt werden, die zu den getroffenen nicht in Widerspruch stehen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:060524B5STR550.23.0
Fundstelle(n):
ZAAAJ-67794