Instanzenzug: LG Bielefeld Az: 10 KLs 5/23
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“ in Tateinheit mit Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Die Verfahrensrüge hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts keinen Erfolg.
32. Die Nachprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat zum Schuld- und Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
4Der Senat hat jedoch den Schuldspruch neu gefasst. Sind ‒ wie hier ‒ die Voraussetzungen des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfüllt, so ist der Zusatz „in nicht geringer Menge“ entbehrlich, weil der Qualifikationstatbestand des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG stets voraussetzt, dass die Tat eine solche Menge zum Gegenstand hat (vgl. Rn. 2; Beschluss vom ‒ 3 StR 55/20 Rn. 2).
53. Die Maßregelanordnung hat keinen Bestand.
6a) Der Senat hat insofern seiner Entscheidung gemäß § 354a StPO die zum in Kraft getretene Neufassung des § 64 StGB (BGBl. 2023 I Nr. 203) zugrunde zu legen. Unter Zugrundelegung der gestiegenen Anforderungen des § 64 Satz 2 StGB, die gemäß § 2 Abs. 6 StGB in Ermangelung einer Übergangsvorschrift hierfür gelten, ist die erforderliche Erfolgsaussicht nicht tragfähig begründet.
7aa) Durch § 64 Satz 2 StGB nF sind die Anforderungen an die günstige Behandlungsprognose „moderat angehoben“ worden, indem jetzt eine „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ vorausgesetzt ist. Im Übrigen bleibt es dabei, dass die Beurteilung der Erfolgsaussicht im Rahmen einer Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgebenden Umstände vorzunehmen ist (vgl. BT-Drucks. 20/5913, S. 70; Rn. 6).
8bb) Das Landgericht hat seine Wertung, es bestehe eine hinreichende Aussicht auf einen Behandlungserfolg, im Wesentlichen damit begründet, dass der Angeklagte „dem Grunde nach“ krankheitseinsichtig sei und eingesehen habe, in näherer Zukunft „nicht ohne eine Substitutionsbehandlung auszukommen“. Diese Darlegungen lassen die erforderliche Gesamtabwägung aller Umstände nicht erkennen, die namentlich Art und Stadium der Sucht sowie bereits eingetretene physische oder psychische Veränderungen und Schädigungen sowie frühere Therapieversuche umfassen müssen. Im Rahmen der gebotenen Gesamtschau hätte das Landgericht als prognoseungünstigen Faktor – neben den erfolglos gebliebenen Entwöhnungsbehandlungen in den Jahren 2009 und 2011 – auch die insgesamt acht Entgiftungsbehandlungen, die wiederholte Straffälligkeit des Angeklagten und den langjährigen, teilweise multiplen Substanzkonsum in den Blick nehmen müssen. Denn nach den Urteilsfeststellungen konsumierte der zum Urteilszeitpunkt 41-jährige Angeklagte bereits seit seinem 17. Lebensjahr Cannabis, Heroin, Kokain sowie „gelegentlich Crack“, „zeitweise Amphetamin“ und „unregelmäßig Benzodiazepine“.
9b) Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auf (§ 352 Abs. 2 StPO), um dem neuen Tatgericht insgesamt widerspruchsfreie, neue Feststellungen zu ermöglichen. Sollte das neue Tatgericht abermals die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt anordnen, wird es über einen Vorwegvollzug nach Maßgabe von § 67 Abs. 2 und 5 StGB nF zu entscheiden haben (vgl. Rn. 14 mwN).
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:090424B4STR410.23.0
Fundstelle(n):
PAAAJ-67514