BGH Beschluss v. - 5 StR 63/24

Instanzenzug: Az: 505 KLs 15/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in sechs Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und sexuellem Missbrauch von Jugendlichen, sowie wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Übergriff und wegen sexuellen Übergriffs in vier weiteren Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und sexuellem Missbrauch von Jugendlichen, unter Einbeziehung von zwei Einzelstrafen aus einem Strafbefehl zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und zehn Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).

21. Nach den Feststellungen des Landgerichts missbrauchte und vergewaltigte der Angeklagte seine am geborene Nichte zwischen dem Sommer 2018 und dem mehrfach. Die erste Tat beging er in einer gemeinsam bewohnten Flüchtlingsunterkunft; die weiteren zehn abgeurteilten Übergriffe verübte der Angeklagte, nachdem er eine Wohnung bezogen und das Kind in seinen Haushalt aufgenommen hatte. Am vertraute sich das Mädchen Personen aus seinem Umfeld an und zog in eine Schutzunterkunft. Das Landgericht hat sich „zuvörderst“ aufgrund der Aussage der Geschädigten von der Täterschaft des zu den Tatvorwürfen schweigenden Angeklagten überzeugt.

32. Die den Feststellungen zugrundeliegende Beweiswürdigung hält – auch eingedenk des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsumfangs (vgl. etwa Rn. 11 mwN) – sachlich-rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie weist bei der erforderlichen Konstanzprüfung der Aussage der Geschädigten Lücken auf.

4a) Die Strafkammer hat bei einem Abgleich ihrer Aussage in der Hauptverhandlung mit ihren früheren Angaben festgestellt, dass sie „sowohl im Rahmen der richterlichen Vernehmung als auch in der mit ihr im Ermittlungsverfahren durchgeführten polizeilichen Vernehmung im Wesentlichen konstant“ ausgesagt habe. „In der Gesamtschau der Aussagen“ seien ihre Angaben bei der polizeilichen Vernehmung vom jedoch „in einigen Punkten umfassender und detailreicher“ gewesen. Entsprechende, auch das Kerngeschehen betreffende Abweichungen hat die Strafkammer sodann für vier der abgeurteilten Taten aufgezeigt. Das Landgericht hat diese Abweichungen als eine „Abnahme der Erinnerungsleistung der Zeugin“ angesehen, die angesichts des Zeitablaufs von mehr als zwei Jahren erklärlich sei und nicht gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage spreche. Welche Angaben die Geschädigte insofern bei ihrer ermittlungsrichterlichen Vernehmung gemacht hat, lässt sich dem Urteil nicht entnehmen.

5b) Ob die Bewertung des Landgerichts tragfähig ist, vermag der Senat anhand der Urteilsgründe nicht zu prüfen. Angesichts der vom Landgericht selbst konstatierten Abweichungen hätte es hierzu einer Erörterung der Entwicklung der Aussage der Zeugin unter Einschluss ihrer Angaben gegenüber dem Ermittlungsrichter und damit ihrer seinerzeitigen Erinnerungsleistung bedurft. Das Urteil verhält sich indes weder zum Zeitpunkt noch zum Inhalt dieser Vernehmung.

6c) Auf diesem Rechtsfehler beruht das Urteil auch in den übrigen, von der Nebenklägerin konstant geschilderten Fällen, bei denen es für sich genommen hier keiner vertieften Darstellung ihrer früheren Aussagen bedurft hätte. Da die Nebenklägerin aber auch für diese Tatvorwürfe das zentrale Beweismittel ist, vermag der Senat nicht auszuschließen, dass sich eine abweichende Bewertung von Teilen ihrer Aussage auf die Beweiswürdigung auch in diesen Fällen ausgewirkt hätte.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:180324B5STR63.24.0

Fundstelle(n):
JAAAJ-67072