BGH Beschluss v. - 2 StR 392/23

Instanzenzug: Az: 113 KLs 29/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung, unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Mainz vom – Az. 401 Ls 3500 Js 26704/20 – nach Maßgabe des Berufungsurteils des Landgerichts Mainz vom – Az. 7 Ns 3500 Js 26704/20 – rechtskräftig verhängten Strafen und Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten verurteilt und angeordnet, dass auf diese Gesamtfreiheitsstrafe 72 Tage als Ausgleich für den vom Angeklagten in Erfüllung der im Zusammenhang mit dem Urteil des Amtsgerichts Mainz vom erteilten Bewährungsauflage gezahlten Geldbetrag angerechnet werden.

21. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt, ist zum Schuld- und zum Strafausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Insoweit hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auch unter Berücksichtigung des Vorbringens in der Gegenerklärung des Verteidigers vom keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben.

32. Soweit es das Landgericht unterlassen hat, im Tenor des angefochtenen Urteils die im Urteil des Amtsgerichts Mainz vom angeordnete Einziehung des Wertes von Taterträgen aufrechtzuerhalten, holt der Senat dies in entsprechender Anwendung von § 354 Abs.1 StPO nach (vgl. , NJW 1979, 2113, 2114).

4a) Im Fall der nachträglichen Gesamtstrafenbildung sind Maßnahmen, zu denen auch die Einziehung rechnet (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 StGB), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden (§ 55 Abs. 2 StGB). Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Aufrechterhalten von Maßnahmen dann nicht in Betracht kommt, wenn die tatsächlichen oder rechtlichen Voraussetzungen für ihre (weitere) Vollstreckung entfallen sind (vgl. , BGHSt 42, 306, 308 mwN – zum Zeitablauf bei Sperrfrist nach § 69a StGB; vom – 4 StR 130/03, BGHR StGB § 55 Abs. 2 Aufrechterhalten 8 – zum Eigentumsübergang nach § 74e Abs. 1 StGB a.F.). Hiervon ist das Landgericht zutreffend ausgegangen und hat festgestellt, dass keine Umstände vorliegen, die einer Aufrechterhaltung der bereits angeordneten Einziehung des Wertes von Taterträgen entgegenstehen und sich hiervon ausgehend hinsichtlich der Anordnung der Wertersatzeinziehung an die Rechtskraft der früheren Entscheidung gebunden gesehen. Dies ist ohne Rechtsfehler (vgl. Rn. 3; Beschluss vom – 3 StR 500/91, NStZ 1992, 231).

5b) Der Einwand der Revision, die im Urteil des Amtsgerichts Mainz vom genannten Geschädigten seien zwischenzeitlich vollständig befriedigt worden, steht einer Aufrechterhaltung der Einziehungsentscheidung aus diesem Urteil nicht entgegen. Sollte der Angeklagte, wie er nunmehr vorträgt, Zahlungen auf Ansprüche der im einbezogenen Urteil des Amtsgerichts Mainz vom genannten Geschädigten geleistet haben, wäre er vor doppelter Inanspruchnahme hinreichend im Vollstreckungsverfahren geschützt, § 459g Abs. 4 und 5 StPO.

6aa) Soweit die Revision geltend macht, die Geschädigten seien bereits vor dem Urteil des Amtsgerichts Mainz vom in größerem Umfang befriedigt worden, als dort angenommen, kann sie schon deswegen nicht gehört werden, weil dem die Rechtskraft des amtsgerichtlichen Urteils entgegensteht. § 459g Abs. 4 StPO, wonach die Vollstreckung der Einziehungsanordnung nach den §§ 73, 73c StGB zu unterbleiben hat, soweit der Anspruch des Verletzten aus der Tat auf Rückgewähr des Erlangten oder auf Ersatz des Wertes des Erlangten erloschen ist, erfasst zwar nur solche Schadenswiedergutmachungsleistungen, die nach der Anordnung der Einziehung oder der Wertersatzeinziehung, mithin nach Schluss der Beweisaufnahme erfolgt sind (Löwe-Rosenberg-StPO/Graalmann-Scheerer, 27. Aufl., § 459g Rn. 31; KK-StPO/Appl, 9. Aufl., § 459g Rn. 15; aA BeckOK-StPO/Coen, 50. Ed., § 459g Rn. 15). Soweit vor diesem Zeitpunkt eine Berücksichtigung der Schadenswiedergutmachung rechtsfehlerhaft unterblieben ist, kann dies aber gemäß § 459g Abs. 5 StPO zum Unterbleiben der Vollstreckung der Wertersatzeinziehung wegen Unverhältnismäßigkeit führen (vgl. Löwe-Rosenberg-StPO/Graalmann-Scheerer, 27. Aufl., § 459g Rn. 31).

7bb) Auch der Einwand, Ansprüche Geschädigter des früheren Verfahrens seien nach Anordnung der Einziehung, aber vor Bildung der Gesamtstrafe im Sinne der § 73e Abs. 1 StGB, § 459g Abs. 4 StPO erloschen, steht der Aufrechterhaltung der Einziehungsanordnung aus dem Urteil des Amtsgerichts Mainz vom nicht entgegen.

8(1) Der Gesamtstrafenrichter hat nicht zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe er im Lichte des § 73e Abs. 1 StGB eine Einziehungsentscheidung für die Taten aus der einzubeziehenden Entscheidung treffen würde. Vielmehr wird bei der nachträglichen Gesamtstrafenbildung gemäß § 55 Abs. 2 StGB eine früher einmal festgesetzte Nebenstrafe, Nebenfolge oder Maßnahme als fortgeltender Bestandteil der früheren Entscheidung aufrechterhalten und nicht durch das nach § 55 StGB entscheidende Gericht neu festgesetzt (vgl. , NJW 1979, 2113, 2114; Matt/Renzikowski/Bußmann, StGB, 2. Aufl., § 55 Rn. 31). Bildet – wie hier – die neu abzuurteilende Tat keine Grundlage für die Anordnung einer Einziehung von Wertersatz, so ist der Gesamtstrafenrichter an die Rechtskraft der früheren Entscheidung gebunden (vgl. Schönke/Schröder-StGB/Sternberg-Lieben/Bosch, 30. Aufl., § 55 Rn. 55 mwN).

9(2) Dass ein Gericht hinsichtlich der Einziehungsanordnung des Amtsgerichts Mainz bereits den Ausschluss der Vollstreckung gemäß § 459g Abs. 4 StPO angeordnet hatte, wird weder von der Revision vorgetragen noch ist dies ersichtlich.

10(3) Darüber hinausgehend war das Landgericht nicht von Amts wegen gehalten zu prüfen, ob zum Zeitpunkt der Gesamtstrafenbildung die materiellen Voraussetzungen des § 459g Abs. 4 StPO vorlagen.

11Der Angeklagte könnte ohne die nunmehr eingetretene Gesamtstrafenlage das Erlöschen von Ansprüchen Geschädigter nur im Vollstreckungsverfahren nach § 459g Abs. 4 StPO geltend machen. Dabei trifft ihn nach den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln die Darlegungs- und Beweislast für das Erlöschen des Anspruchs (BT-Drucks. 18/10146, Seite 12 (zu Nr. 10)). Die Vollstreckungsbehörde hat also nicht von Amts wegen zu prüfen, ob die Ansprüche des Verletzten gegen den Einziehungsschuldner zwischenzeitlich erloschen sind, sondern das Erlöschen muss von diesem vorgetragen und gegebenenfalls bewiesen werden (vgl. Lubini, NZWiSt 2019, 419, 421 mwN). Dann kann aber auch den Gesamtstrafenrichter keine weitergehende Pflicht treffen. Durch die nachträgliche Gesamtstrafenbildung soll ein Angeklagter, dessen mehrere Straftaten in verschiedenen Verfahren abgeurteilt werden, nicht schlechter, aber auch nicht besser gestellt werden, als wenn alle Taten in einem, und zwar dem zuerst durchgeführten Verfahren abgeurteilt worden wären (st. Rspr.; vgl. nur mwN).

12c) Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) steht der aus der Beschlussformel ersichtlichen Nachholung durch den Senat nicht entgegen. Das Landgericht hat es lediglich versehentlich (UA S. 56) verabsäumt, die Aufrechterhaltung der vorangehend angeordneten Einziehung im Tenor auszusprechen. Es hat insofern eine Entscheidung über die Aufrechterhaltung der Einziehungsentscheidung nicht getroffen, insbesondere keine, durch die die bereits rechtskräftig gegen den Angeklagten angeordnete Einziehung aus dem Urteil des Amtsgerichts Mainz vom gegenstandlos geworden wäre.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:140224B2STR392.23.0

Fundstelle(n):
BAAAJ-66940