Besitzen Sie diesen Inhalt bereits, melden Sie sich an.
oder schalten Sie Ihr Produkt zur digitalen Nutzung frei.

Dokumentvorschau
BBK Nr. 9 vom Seite 406

Bilanzielle und steuerrechtliche Aspekte bei der Errichtung von Ladeinfrastruktur

Gesetzliche Grundlagen und Fallstricke

Dr. Volker Endert

Das Gesetz zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität (Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz – GEIG) verpflichtet zahlreiche große Unternehmen mit Immobilienbesitz spätestens zum mindestens eine Ladesäule auf ihrem Firmengelände zu errichten. Nicht selten stellt sich die Frage, welche bilanziellen und steuerrechtlichen Konsequenzen sich ergeben, sofern die Ladesäulen dann auch genutzt werden sollen. Der Beitrag stellt die bilanz- und steuerrechtlichen Grundsätze dar und weist auf mögliche Fallstricke hin.

I. Gesetzliche Grundlage der Verpflichtung zur Bereitstellung von Ladeinfrastruktur

1. Persönlicher Anwendungsbereich des Gesetzes

Mit [i]Hintergrunddem Ziel der Beschleunigung des Ausbaus von Infrastruktur zum Laden von sogenannten E-Autos hat die Bundesregierung mit Wirkung zum das Gesetz zum Aufbau einer gebäudeintegrierten Lade- und Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität (Gebäude-Elektromobilitätsinfrastruktur-Gesetz, kurz GEIG) bestandskräftig verabschiedet. Das Gesetz verpflichtet grundsätzlich sämtliche immobilienbesitzenden Unternehmen und Privatpersonen in Deutschland bei Renovierung oder Neubau von Gebäuden zur Bereitstellung von Ladeinfrastruktur. Im Fokus ist der Gebäudesektor, da dieser als „Hebel“ dienen kann, sofern mehrere Parkplätze am oder im Gebäude vorhanden sind. Zur Vermeidung von einer als überbordend zu bezeichnenden Bürokratie sind allerdings gemäß § 1 Abs. 2 GEIG sämtliche Gebäude, die nicht überwiegend Wohnzwecken dienen und sich im Besitz von kleinen und mittleren Unternehmen gemäß Definition der EU befinden sowie überwiegend von diesen genutzt werden, von der Regelung ausgenommen. S. 407

Praxishinweis:

Als [i]KMU Definition laut EU kleine und mittlere Unternehmen sind solche Unternehmen definiert, die weniger als 250 Arbeitnehmer beschäftigen und entweder einen Jahresumsatz von höchstens 50 Mio. € oder eine Jahresbilanzsumme von höchstens 43 Mio. € aufweisen. Die Regelung ist mithin bei der Bilanzsumme großzügiger als die Größenklassen des § 267 Abs. 1 und 2 HGB.

Die [i]Weitere Voraussetzung der AusnahmenVoraussetzungen der Regelung zur Ausnahme müssen kumulativ erfüllt sein, d. h. neben der Erfüllung der Größenklassen als kleines oder mittleres Unternehmen muss es sich bei der betreffenden Immobilie um ein Nichtwohngebäude handeln und überwiegend eigenbetrieblich genutzt werden.

Praxishinweis:

Gemäß der Gesetzesbegründung sollen insbesondere solche kleinen und mittleren Unternehmen vom Anwendungsbereich der Regelung ausgenommen werden, die mehr als fünf, zehn oder 20 Stellplätze benötigen, gleichzeitig aber hinreichend klein sind und die eine Zurverfügungsstellung der Ladeinfrastruktur finanziell und organisatorisch übervorteilen würde, wie bspw. Kfz-Werkstätten. Wichtig ist allerdings, dass die Gebäude überwiegend, d. h. zu mehr als 50 % bezogen auf die Fläche, einer selbständigen Nutzung des Geschäftsgegenstands unterliegen und nicht an andere Unternehmen fremdvermietet sind.

Bei [i]Maßgeblichkeit der Zweckbestimmung der Prüfung, ob ein Nichtwohngebäude vorliegt, ist gemäß § 2 Nr. 15 GEIG auf die überwiegende Zweckbestimmung des Gebäudes abzustellen, wobei auch Wohn-, Alten- und Pflegeheime als Wohngebäude qualifiziert werden. Die Sinnhaftigkeit der Zurverfügungstellung von Ladeinfrastruktur mag in Einzelfällen nicht gegeben sein. Der Gesetzgeber hat es indes versäumt, eine generelle Ausnahmeklausel in das Gesetz aufzunehmen, sodass bei Greifen der Voraussetzungen auch zwingend eine entsprechende Ladeinfrastruktur bereitzustellen ist.

2. Anwendungsfälle und sachliche Voraussetzungen

[i]Sachliche VoraussetzungenNeben den persönlichen Voraussetzungen sind auch die sachlichen Voraussetzungen zu erfüllen, damit es zu einer Verpflichtung der Errichtung von Ladeinfrastruktur kommt. Das Gesetz unterscheidet hierbei zwischen der (Neu-)Errichtung von Gebäuden und der Vornahme von „größeren“ Renovierungen. Als größere Renovierung gilt hierbei jegliche Renovierungsmaßnahme, bei der mehr als 25 % der Oberfläche der Gebäudehülle einer Erneuerung unterzogen werden. Eine wichtige Ausnahme zu diesem Grundsatz enthält § 14 Abs. 1 GEIG. Demnach besteht bei Vornahme einer größeren Renovierung dann keine Pflicht zur Errichtung einer Ladeinfrastruktur, sofern die Kosten hierfür 7 % der Gesamtkosten der Renovierungsmaßnahme überschreiten würden. Die Regelung ist eine Härtefallklausel und setzt Vorgaben der EU-Gebäuderichtlinie um. Ebenfalls ausgenommen sind öffentliche Gebäude, für die bereits anderweitige Vorschriften zur Errichtung von Ladeinfrastruktur gelten.

Bei [i]Wohngebäudeder Errichtung von Wohngebäuden mit mehr als fünf Stellplätzen oder der Vornahme einer größeren Renovierung von Wohngebäuden mit mehr als zehn Stellplätzen muss jeder Stellplatz mit der notwendigen Leitungsinfrastruktur für die Elektromobilität ausgestattet werden. S. 408

Praxishinweis:

Die [i]Ladestation nicht von der Verpflichtung umfasst Errichtung von Ladepunkten, an denen E-Fahrzeuge geladen werden können, ist demgegenüber explizit nicht Gegenstand der Bereitstellungspflicht. Möchte z. B. ein Mieter eine solche Ladestation installieren, ist dies in der Regel auf Kosten des Antragstellers (Mieters) zu veranlassen. Der Vermieter muss einem Antrag aber ggf. zustimmen und darf lediglich bei der Art der Station mitbestimmen.

Bei [i]Nichtwohngebäudeder Errichtung von Nichtwohngebäuden mit mehr als sechs Stellplätzen ist mindestens jeder dritte Stellplatz, bei der größeren Renovierung von Nichtwohngebäuden mit mehr als zehn Stellplätzen mindestens jeder fünfte Stellplatz, mit der notwendigen Leitungsinfrastruktur auszustatten. Dies gilt unabhängig davon, ob die Stellplätze innerhalb oder außerhalb des Gebäudes vorhanden sind. Zusätzlich gilt in beiden Fällen die Verpflichtung zur Errichtung mindestens eines Ladepunkts, mit dem das Aufladen von E-Fahrzeugen ermöglicht wird.

Praxishinweis:

Die [i]Bereitstellung bezieht sich auf die AnzahlRegelung ist als rein rechnerische Regelung zu verstehen, d. h. es müssen ausreichend Stellplätze entsprechend ausgestattet werden. Ob diese alle an einem Platz auf dem Gelände vorhanden sind oder tatsächlich räumlich jeder dritte Stellplatz ausgestattet wird ist unerheblich, soweit der Mindestumfang erfüllt wird.

3. Besonderheiten für unternehmerisch genutzte Gebäude mit mehr als 20 Stellplätzen

[i]Verpflichtung außerhalb von Errichtung und RenovierungEine Besonderheit gilt noch bei Bestandsimmobilien, die nicht überwiegend zu Wohnzwecken dienen (Nichtwohngebäude) mit mehr als 20 Stellplätzen. Für derartige Gebäude kodifiziert § 10 Abs. 1 GEIG generell die Pflicht, dass nach dem (mindestens) ein Ladepunkt errichtet wird – losgelöst von einer Renovierung oder Neuerrichtung. Mit der Regelung wird ein breiter Anwendungsrahmen geschaffen, welcher zahlreiche Unternehmen in Deutschland betreffen dürfte.

Praxishinweis:

Von dieser [i]ParkhäuserRegelung dürften insbesondere auch Parkhäuser betroffen sein. Diese sollten als Gebäude i. S. des Gesetzes gelten und mithin dem Anwendungsbereich unterfallen. Dementsprechend ist auch und gerade bei ausschließlich mit Parkplätzen ausgestatteten Parkhäusern eine Ladeinfrastruktur bereitzustellen, sofern dies nicht bereits erfolgt ist.

[i]Räumliche Konzentration bei mehreren GrundstückenSofern ein Eigentümer mehr als ein Nichtwohngebäude besitzt, kann die Verpflichtung für sämtliche Gebäude an einem Ort erfüllt werden, soweit der Eigentümer nachweist, dass dem Bedarf an Ladeinfrastruktur damit hinreichend Rechnung getragen wird. Dieser Nachweis ist auf Verlangen der zuständigen Behörde vorzulegen. Diese Öffnungsklausel soll gleichlautend für Fälle gelten, in denen bei der Errichtung oder Renovierung eine Verpflichtung zur Erstellung von Ladepunkten besteht.

Praxishinweis:

Obgleich [i]Ausnahmeregelung birgt Risikendie Regelung als Erleichterung gedacht ist, sollte die Anwendung in der Praxis hinreichend geprüft werden. Neben der Nachweispflicht, die ein Risiko enthält, dass die Begründung ggf. nicht angenommen wird, können fehlende Ladepunkte bei einzelnen Grundstücken geeignet sein, um einen künftigen potenziellen Käuferkreis ggf. einzuschränken oder die Preisbereitschaft zu senken. S. 409