BAG Urteil v. - 8 AZR 359/22

Schadensersatz - Nichtbeschäftigung als Eishockeyspieler

Leitsatz

Die für den Bereich der Bühnenkünstler entwickelte Rechtsprechung zum pauschalierten Schadensersatz von bis zu sechs Monatsgagen pro Spielzeit bei einer Verletzung des Beschäftigungsanspruchs kann nicht auf den Profimannschaftssport übertragen werden.

Gesetze: § 280 Abs 1 BGB, § 249 BGB, § 611a Abs 1 S 1 BGB, § 613 BGB, § 242 BGB, Art 1 GG, Art 2 GG, § 615 S 1 BGB, § 287 ZPO, § 612a BGB, § 252 BGB

Instanzenzug: ArbG Dresden Az: 11 Ca 588/21 Urteilvorgehend Sächsisches Landesarbeitsgericht Az: 4 Sa 45/22 Urteil

Tatbestand

1Die Parteien streiten in der Revision noch über einen Schadensersatzanspruch wegen der Nichtbeschäftigung des Klägers als Eishockeyspieler.

2Der Kläger war seit der Saison 2017/2018 bei der Beklagten als Eishockeyprofi in der DEL 2, zuletzt auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom , beschäftigt. Danach hatten die Parteien eine monatliche Nettovergütung iHv. 3.250,00 Euro sowie einen monatlichen Sachbezug für die dem Kläger zur Verfügung gestellte Wohnung iHv. 1.300,00 Euro sowie ein persönliches Ausrüstungsbudget iHv. 2.500,00 Euro zzgl. gesetzlicher Mehrwertsteuer pro Saison vereinbart. Nach dem unbestrittenen Vortrag des Klägers belief sich seine monatliche Bruttovergütung auf 6.371,13 Euro. Der Kläger war Kapitän der Mannschaft und in der Spielsaison 2019/2020, die aufgrund der Coronapandemie am abgebrochen wurde, einer ihrer sog. Topscorer.

3Mit Schreiben vom sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine ordentliche betriebsbedingte Kündigung aus. Gleichzeitig bot sie ihm an, das Arbeitsverhältnis mit einer verringerten Vergütung fortzusetzen. Der Kläger nahm das Änderungsangebot unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung der Änderung der Arbeitsbedingungen an und erhob eine Änderungsschutzklage. Mit Schreiben vom stellte die Beklagte den Kläger von dem am beginnenden Mannschaftstraining frei. Die Saison in der DEL 2 begann am . Durch einstweilige Verfügung erstritt der Kläger die Zulassung zum Trainingsbetrieb, längstens bis zum . Nach der Verkündung dieses erstinstanzlichen Urteils im einstweiligen Verfügungsverfahren am kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom außerordentlich fristlos. Das Arbeitsgericht stellte mit Urteil vom fest, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom rechtsunwirksam war. Mit Urteil vom stellte das Arbeitsgericht aufgrund eines Anerkenntnisses der Beklagten fest, dass die fristlose Kündigung vom rechtsunwirksam war.

4Der Kläger hat die Ansicht vertreten, aufgrund der Weigerung der Beklagten, ihn vertragsgemäß zu beschäftigen, habe er einen Anspruch auf Schadensersatz. Durch die unterbliebene Beschäftigung sei ihm ein Schaden in seinem beruflichen Fortkommen entstanden. Der Schaden sei nach den von der Rechtsprechung für Bühnenkünstler entwickelten Grundsätzen zu bemessen, die auf Profimannschaftssportler zu übertragen seien. Er habe als Eishockeyprofi seine beruflichen Fertigkeiten nicht im Mannschaftstraining weiterentwickeln und verbessern können. Dadurch habe sein Marktwert gelitten, denn ein Profimannschaftssportler bedürfe der ständigen Trainingspraxis. Die Beklagte habe sich ihm gegenüber durchgängig unlauter verhalten. Nachdem er seinen Beschäftigungsanspruch gerichtlich durchgesetzt habe, habe sie mit einer willkürlichen fristlosen Kündigung reagiert, deren Unwirksamkeit sie letztlich anerkannt habe. Hintergrund der Suspendierung sei ausschließlich gewesen, dass er eine Entgeltkürzung infolge der Coronapandemie nicht akzeptiert habe. Dies habe die Beklagte auch gegenüber der Presse verlautbart. Hierdurch sei er moralisch an den Pranger gestellt und sein berufliches Fortkommen erheblich erschwert worden. Nach den von der Rechtsprechung für Bühnenkünstler entwickelten Rechtsgrundsätzen sei sein Schaden pauschal mit sechs Bruttomonatsvergütungen zu bemessen.

5Der Kläger hat beantragt,

6Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

7Das Arbeitsgericht hat der Schadensersatzklage des Klägers iHv. 12.742,26 Euro entsprechend zwei Bruttomonatsvergütungen teilweise stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die ausschließlich vom Kläger geführte Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag iHv. weiteren 25.484,52 Euro zzgl. Zinsen weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

8Die zulässige Revision des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg. Zwar hat das Landesarbeitsgericht im Rahmen seiner Schadensschätzung rechtsfehlerhaft einen unzutreffenden Maßstab zugrunde gelegt. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich jedoch - soweit in der Revision über den Schadensersatzanspruch des Klägers noch zu entscheiden ist - als im Ergebnis zutreffend, weshalb nach § 561 ZPO die Revision des Klägers zurückzuweisen ist. Der Kläger hat keinen Anspruch auf weiteren Schadensersatz iHv. 25.484,52 Euro wegen der Verletzung seines Beschäftigungsanspruchs aus § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB.

9I. Das Berufungsurteil unterliegt keiner revisionsgerichtlichen Überprüfung, soweit das Arbeitsgericht dem Kläger Schadensersatz iHv. 12.742,26 Euro entsprechend zwei Bruttomonatsvergütungen zzgl. Zinsen zugesprochen hat. Insoweit ist bereits das Urteil des Arbeitsgerichts rechtskräftig geworden, da die Beklagte keine Berufung eingelegt hat.

10II. Die Klage ist unbegründet, soweit über sie in der Revision noch zu entscheiden ist. Dem Kläger steht jedenfalls kein weiterer Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte nach § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB zu.

111. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, dass die Beklagte die ihr aus dem Arbeitsverhältnis obliegende Pflicht iSv. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB verletzt hat, den Kläger entsprechend seinem Arbeitsvertrag zu beschäftigen.

12a) Im Arbeitsverhältnis besteht grundsätzlich ein von der Rechtsprechung im Wege der Rechtsfortbildung entwickelter Anspruch des Arbeitnehmers auf vertragsgemäße Beschäftigung und damit korrespondierend eine Pflicht des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer vertragsgemäß zu beschäftigen, wenn dieser es verlangt. Rechtsgrundlage hierfür ist § 611a Abs. 1 Satz 1, § 613 BGB iVm. der Generalklausel des § 242 BGB, die durch die Wertentscheidungen der Art. 1 und 2 GG ausgefüllt wird (grundlegend  - zu C I 2 der Gründe, BAGE 48, 122; seither st. Rspr., vgl. nur  - Rn. 17; - 10 AZR 16/20 - Rn. 33, BAGE 174, 294; - 1 AZR 367/15 - Rn. 19, BAGE 158, 148 - jeweils mwN; im Ergebnis ganz hM, vgl. - statt vieler - ErfK/Preis 24. Aufl. BGB § 611a Rn. 614 ff.; HWK/Thüsing 10. Aufl. § 611a BGB Rn. 321 ff.; MHdB ArbR/Reichold 5. Aufl. § 92 Rn. 4 ff.; Schaub ArbR-HdB/Ahrendt 20. Aufl. § 109 Rn. 5). Der Arbeitnehmer soll - als Ausdruck und in Achtung seiner Persönlichkeit und seines Entfaltungsrechts - tatsächlich arbeiten können ( - aaO). Der Kläger hatte danach während der Saison 2020/2021 einen arbeitsvertraglichen Anspruch gegen die Beklagte auf vertragsgemäße Beschäftigung als Eishockeyspieler.

13b) Die Beklagte hat den Beschäftigungsanspruch des Klägers verletzt, indem sie ihn vom Mannschaftstraining suspendiert hat. Der Beschäftigungsanspruch eines Profispielers in einer Mannschaftssportart umfasst insbesondere die Teilnahme am Mannschaftstraining ( -;  - zu A II 2 b der Gründe;  - zu II 2 der Gründe;  - zu I 1 b der Gründe; Schütz SpoPrax 2021, 266, 267; Herrich/Menke/Schulz SpuRt 2014, 187, 188).

14c) Die unterbliebene Beschäftigung des Klägers durch den Ausschluss vom Mannschaftstraining und die anschließende außerordentliche fristlose Kündigung hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei als eine Maßregelung iSv. § 612a BGB angesehen. Nach § 612a BGB darf der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer nicht deshalb bei einer Maßnahme benachteiligen, weil dieser in zulässiger Weise seine Rechte ausübt. Ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB liegt vor, wenn die zulässige Rechtsausübung des Arbeitnehmers der tragende Beweggrund, dh. das wesentliche Motiv für die benachteiligende Maßnahme ist (vgl.  - Rn. 10; - 2 AZR 229/21 - Rn. 28). Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO gewonnene Überzeugung oder Nichtüberzeugung des Berufungsgerichts für die Kausalität zwischen der zulässigen Rechtsausübung und der benachteiligenden Maßnahme kann revisionsrechtlich nur darauf überprüft werden, ob sie möglich und in sich widerspruchsfrei ist und nicht gegen Denkgesetze, Erfahrungssätze oder andere Rechtssätze verstößt ( - Rn. 29; - 10 AZR 330/16 - Rn. 42, BAGE 160, 296). Ausgehend hiervon hat das Landesarbeitsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise den tragenden Beweggrund für die Nichtbeschäftigung des Klägers darin gesehen, dass dieser sich - in zulässiger Weise - geweigert hat, eine Reduzierung seines Arbeitsentgelts vorbehaltlos zu akzeptieren.

152. Die Beklagte hat die Verletzung ihrer Pflicht aus dem Schuldverhältnis, den Kläger entsprechend seines Arbeitsvertrags zu beschäftigen, iSv. §§ 276, 278 BGB zu vertreten. Sie hat sich hinsichtlich ihres Verschuldens nicht entlastet, was ihr als Anspruchsgegnerin nach § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB oblegen hätte ( - Rn. 30;  - Rn. 19).

163. Einem Anspruch des Klägers auf Schadensersatz aus § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB steht die Rechtsprechung des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts zum Verhältnis von möglichen Schadensersatzansprüchen wegen einer Verletzung des Beschäftigungsanspruchs und Ansprüchen auf Annahmeverzugsentgelt aus § 615 Satz 1 BGB nicht entgegen (vgl.  - Rn. 20; - 5 AZR 462/14 ua. - Rn. 35, BAGE 152, 65).

17a) Schutzzweck des Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers - und damit korrespondierend der Beschäftigungspflicht des Arbeitgebers - ist ausschließlich das jedenfalls über die Generalklausel des § 242 BGB zu achtende Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und dessen Interesse an tatsächlicher Beschäftigung ( ua. - Rn. 35, BAGE 152, 65). Für die finanzielle Absicherung bei Nichtbeschäftigung sorgt dagegen grundsätzlich § 615 Satz 1 BGB, der dem Arbeitnehmer unter den Voraussetzungen der §§ 293 ff. BGB den Entgeltanspruch trotz Nichtarbeit aufrechterhält ( - Rn. 20; - 5 AZR 247/19 - Rn. 26, BAGE 170, 311).

18b) Vorliegend streiten die Parteien nicht mehr über den Ersatz für entgangenes Entgelt für den Zeitraum, in dem die Beklagte ihre Beschäftigungspflicht verletzt hat. Der Kläger begehrt lediglich noch den Ersatz eines neben dem Anspruch auf Annahmeverzug stehenden materiellen Schadens in Form eines entgangenen Gewinns, der den Zeitraum nach dem Ende des Annahmeverzugs betrifft. Gerade die Verletzung des vom Schutzzweck der Beschäftigungspflicht erfassten Interesses des Klägers an seiner tatsächlichen Beschäftigung wird hier zur Begründung des geltend gemachten materiellen Schadens herangezogen. Ein derartiger Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1, §§ 249 ff. BGB bleibt neben § 615 BGB bestehen (vgl.  - zu I der Gründe; zu einem Anspruch auf materiellen Schadensersatz aufgrund einer Verletzung des Beschäftigungsanspruchs vgl. auch  - Rn. 26 ff.).

194. Der Kläger hat jedoch trotz der schuldhaften Verletzung der Beschäftigungspflicht iSv. § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB keinen Anspruch auf weiteren Schadensersatz gegen die Beklagte. Der Kläger hat schon nicht ausreichend dargelegt, dass ihm infolge der Verletzung der Beschäftigungspflicht ein Schaden iSv. §§ 249 ff. BGB entstanden ist.

20a) Nach § 249 Abs. 1 BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre (sog. Naturalrestitution). Ist die Herstellung nicht möglich oder zur Entschädigung des Gläubigers nicht genügend, hat der Ersatzpflichtige den Gläubiger in Geld zu entschädigen, § 251 Abs. 1 BGB. Ob ein Vermögensschaden vorliegt, ist nach der Differenzhypothese durch Vergleich der infolge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die sich ohne dieses Ereignis ergeben hätte, zu beurteilen. Nach § 252 BGB umfasst der zu ersetzende Schaden auch den entgangenen Gewinn, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte ( - Rn. 61, BAGE 165, 19; - 10 AZR 780/16 - Rn. 26).

21aa) Aufgrund von § 287 Abs. 1 ZPO entscheidet der Tatrichter unter Würdigung aller Umstände nach freier Überzeugung, ob ein Schaden entstanden ist und wie hoch dieser ist. Die Norm dehnt das richterliche Ermessen für die Feststellung der Schadenshöhe über die Schranken des § 286 ZPO aus. Das Gesetz nimmt in Kauf, dass das Ergebnis der Schätzung mit der Wirklichkeit vielfach nicht übereinstimmt; allerdings soll die Schätzung möglichst nahe an diese heranführen. Der Tatrichter muss nach pflichtgemäßem Ermessen auch beurteilen, ob § 287 Abs. 1 ZPO nicht wenigstens die Schätzung eines Mindestschadens ermöglicht. Eine Schätzung darf nur dann unterbleiben, wenn sie mangels konkreter Anhaltspunkte vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre. Eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens, auch in Form der Schätzung eines Mindestschadens, lässt § 287 ZPO grundsätzlich nicht zu ( - Rn. 62, BAGE 165, 19; - 10 AZR 560/11 - Rn. 25).

22bb) Der Geschädigte muss die Umstände darlegen und in den Grenzen des § 287 ZPO beweisen, aus denen sich nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder den besonderen Umständen des Falls die Wahrscheinlichkeit des Gewinneintritts ergibt. Da die Beweiserleichterung des § 252 BGB und des § 287 ZPO auch die Darlegungslast des Geschädigten mindert, der Ersatz entgangenen Gewinns verlangt, dürfen keine strengen Anforderungen gestellt werden. Der Geschädigte muss jedoch greifbare Anknüpfungstatsachen darlegen und beweisen, die für eine Schadensschätzung unabdingbar sind ( - Rn. 63 mwN, BAGE 165, 19).

23cc) Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders frei gestellten Tatsachengerichts. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob das Tatsachengericht Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat ( - Rn. 32 mwN, BAGE 169, 1;  - Rn. 38).

24dd) Diesem eingeschränkten revisionsrechtlichen Prüfungsmaßstab hält das angefochtene Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht stand. Das Landesarbeitsgericht hat seiner Entscheidung einen unrichtigen Maßstab zugrunde gelegt, soweit es davon ausgegangen ist, Schadensersatzansprüche von Profimannschaftssportlern seien in Anlehnung an die Rechtsprechung für Bühnenkünstler pauschalierend festzusetzen. Für eine Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO, der einem Profimannschaftssportler infolge seines Ausschlusses vom Mannschaftstraining entsteht, bedarf es greifbarer Anknüpfungstatsachen.

25(1) Wird ein Bühnenkünstler nicht beschäftigt, so kann ihm dadurch in seinem beruflichen Fortkommen ein Schaden erwachsen (§ 249 Abs. 1, § 251 Abs. 1, § 252 BGB). Typischerweise lässt er sich im Einzelfall nicht näher belegen, ergibt sich aber trotzdem aufgrund folgender Erwägungen: Dem Künstler wird die Möglichkeit genommen, seine Kunst öffentlich zu zeigen und sein Können zu beweisen. Er kann seine künstlerischen Fähigkeiten nicht weiterbilden und erweitern. Dadurch können ungünstige Urteile in der Fachöffentlichkeit entstehen (vgl.  - zu I 5 a der Gründe; - 3 AZR 576/83 - zu II 2 a der Gründe). Der dem Bühnenkünstler entstandene Schaden ist nach § 287 ZPO zu schätzen. Dafür bedarf es keiner weiteren Anhaltspunkte. Das ergibt sich aus der besonderen Situation der Bühnenkünstler. Anders als in anderen Berufen bedürfen sie nicht nur der ständigen Berufspraxis. Sie sind darüber hinaus in sonst unvergleichlicher Weise auf Kontakte und Bekanntheit in der Fachöffentlichkeit und Popularität beim Publikum angewiesen. Diese besonderen Umstände weisen deutlich auf einen Schaden bei mangelndem Einsatz hin. Zugleich steht diese besondere Situation einer genauen Bezifferung des Schadens entgegen. Die Maßstäbe müssen deshalb aus der Erfahrungswelt der Bühnenkünstler gewonnen werden. Die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit hat in jahrzehntelanger Praxis Maßstäbe für eine angemessene Schätzung nach § 287 ZPO entwickelt (vgl.  - zu I 5 b der Gründe). Für eine Spielzeit, während derer der Künstler nicht beschäftigt wurde, wird nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Schadensbetrag von bis zu sechs Monatsgagen festgesetzt ( - aaO; - 3 AZR 576/83 - zu II 3 b der Gründe). Je nach den Umständen des Einzelfalls kann die Höhe des Schadensersatzes auf einen Bruchteil von sechs Monatsgagen festgesetzt werden (vgl.  - zu I 5 c der Gründe; - 3 AZR 576/83 - aaO).

26(2) Diese auf die besondere Situation von Bühnenkünstlern zugeschnittene, von der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit entwickelte und vom Bundesarbeitsgericht gebilligte, stark pauschalierende Anwendung von § 287 ZPO kann nicht auf professionelle Mannschaftssportler übertragen werden.

27(a) Zwar weist das Landesarbeitsgericht zutreffend darauf hin, dass durchaus Gesichtspunkte erkennbar sind, die für eine Übertragung der Rechtsprechung für Bühnenkünstler auf Profimannschaftssportler sprechen könnten. Wird ein Profimannschaftssportler nicht beschäftigt, kann ihm in ähnlicher Weise wie einem Bühnenkünstler ein Schaden in seinem beruflichen Fortkommen entstehen. So können Profimannschaftssportler, die für einen längeren Zeitraum vom Training ausgeschlossen werden, regelmäßig ihre sportliche Leistungsfähigkeit nicht weiterentwickeln (vgl.  -;  - zu A II 2 b der Gründe; Herrich/Menke/Schulz SpuRt 2014, 187, 188; Fröhlich/Strauf NZA 2011, 843, 844 f.). Bei Mannschaftssportarten ist die Teilnahme am Mannschaftstraining entscheidend, um die technische und taktische Qualifikation zu fördern (vgl.  -; Fröhlich/Strauf aaO).

28(b) Allerdings bestehen in Bezug auf einen möglichen Schaden infolge pflichtwidrig unterbliebener Beschäftigung zwischen Bühnenkünstlern und Profimannschaftssportlern gleichwohl Unterschiede, die einer Übertragung der auf Bühnenkünstler zugeschnittenen Rechtsprechung entgegenstehen. Insbesondere haben Profimannschaftssportler - im Unterschied zu Bühnenkünstlern (vgl.  - zu II 1 a der Gründe) - regelmäßig gerade keinen Anspruch darauf, öffentlich aufzutreten. Mannschaftsangehörige Berufssportler haben idR kein Recht auf einen Spieleinsatz. Vielmehr entscheiden eine Vielzahl von Umständen, und zwar von Spiel zu Spiel neu, darüber, ob sie vom Trainer im Spielbetrieb eingesetzt werden. Dabei können neben dem individuellen Leistungsvermögen des Spielers oder anderer Spieler auch andere Umstände wie etwa die Teamfähigkeit, Einsatzbereitschaft und das Verhalten des Spielers oder mannschaftstaktische Erwägungen von Bedeutung sein ( - Rn. 33, BAGE 161, 283; - 5 AZR 539/81 - zu I 2 b der Gründe). Mannschaftsangehörige Berufssportler können somit im Unterschied zu Bühnenkünstlern von vornherein nicht darauf vertrauen, aufgrund ihres Arbeitsvertrags öffentlich auftreten zu können.

29(c) Eine Übertragung der Rechtsprechung für Bühnenkünstler auf Profimannschaftssportler lässt sich im Übrigen nicht damit rechtfertigen, dass sich beide Gruppen ähnlichen Schwierigkeiten ausgesetzt sehen, wenn es darum geht, den durch die unterbliebene Beschäftigung entstandenen Schaden zu beziffern. Diesen Schwierigkeiten sind Arbeitnehmer verschiedenster Berufe und mit ganz unterschiedlichen Tätigkeiten in vergleichbarer Weise ausgesetzt. Dem ist bereits mit den allgemein nach § 252 BGB und § 287 ZPO geltenden Erleichterungen bei der Darlegungs- und Beweislast Rechnung getragen.

30(d) Im Übrigen handelt es sich bei den in freier Anwendung von § 287 ZPO entwickelten Grundsätzen zur Bemessung des infolge einer pflichtwidrig unterbliebenen Beschäftigung entstandenen Schadens von Bühnenkünstlern um eine von den Bühnenschiedsgerichten entwickelte Rechtsprechung. Sie nimmt speziell die Verhältnisse der Bühnenkünstler in den Blick. Aus dem Umstand, dass die staatliche Gerichtsbarkeit diese Handhabung durch die Bühnenschiedsgerichtsbarkeit gebilligt hat, kann nicht geschlossen werden, dass die Rechtsprechung auf andere Arbeitsverhältnisse zu übertragen wäre. Die Überprüfung der Entscheidungen der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit durch die staatlichen Gerichte erfolgt nur eingeschränkt. Das Aufhebungsverfahren nach § 110 Abs. 1 ArbGG ist in allen drei Instanzen der staatlichen Gerichtsbarkeit ein revisionsähnliches Verfahren, in dem Schiedssprüche letztlich auf Rechtsfehler überprüft werden ( - Rn. 26 mwN, BAGE 166, 202). Bei der Überprüfung von Schiedssprüchen im Aufhebungsverfahren ist der Bühnenschiedsgerichtsbarkeit ein weiter Beurteilungsspielraum einzuräumen ( - Rn. 18, BAGE 136, 340; speziell zu § 287 ZPO vgl.  - zu I 1 der Gründe).

31b) Der Kläger hat bislang weder greifbare Anknüpfungstatsachen, die eine Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO ermöglichen, noch ausreichend Vortrag gehalten, der eine Aufhebung des angefochtenen Urteils und eine Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht nach § 563 Abs. 1 ZPO zur Ermöglichung weiteren Vortrags rechtfertigen könnte.

32aa) Ausreichende Anknüpfungstatsachen für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO ergeben sich nicht aus dem Vortrag des Klägers zu der Vergütung, die er als Eishockeyprofi bei der Beklagten sowie bei anderen Vereinen vor und nach seiner Tätigkeit für die Beklagte erzielt hat. Mangels konkreter Anhaltspunkte könnte nur eine völlig abstrakte Berechnung des Schadens erfolgen, die vollkommen „in der Luft hinge“ und daher willkürlich wäre.

33(1) Soweit der Kläger vorträgt, im Anschluss an seine Tätigkeit für die Beklagte bei seinem Heimatverein in der Oberliga Süd eine geringere Vergütung als bei der Beklagten erhalten zu haben, ergeben sich hieraus keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung. Der Kläger gibt an, zuletzt eine geringfügig niedrigere Nettovergütung als bei der Beklagten erhalten zu haben. Aus seinem Vortrag ergibt sich jedoch nicht, inwieweit die Vergütungen vergleichbar sind, insbesondere ob die unterschiedliche Höhe auf verschiedenen Steuerklassen beruht. Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass er bei der Beklagten als Sachbezug eine möblierte Wohnung habe nutzen können, ergibt sich nicht, ob sich aus deren Wegfall für den Kläger überhaupt ein Schaden ergibt, oder ob es sich um eine berufsbedingte Zweitwohnung handelte, die er während seines späteren Engagements bei seinem Heimatverein nicht mehr benötigte. Soweit der Kläger geltend macht, bei der Beklagten einen PKW zur privaten Nutzung zur Verfügung gehabt zu haben, handelte es sich nach den vertraglichen Abreden nicht um eine Sachleistung der Beklagten.

34(2) Soweit der Kläger vorträgt, dass er vor seinem Engagement bei der Beklagten bei einem Verein in der DEL eine höhere Vergütung als im Laufe seiner weiteren Karriere in niedrigeren Ligen erhalten habe, ergeben sich hieraus keine Anhaltspunkte für den zu schätzenden Schaden. Der Kläger hat nach seiner Zeit in der DEL bei der Beklagten in der DEL 2 bereits vor seiner Suspendierung vom Mannschaftstraining weniger verdient als zuvor. Es erschließt sich nicht, aus welchen Gründen eine in der Vergangenheit bezogene Vergütung eine maßgebliche Schätzgrundlage für den durch den Ausschluss vom Mannschaftstraining erlittenen Schaden darstellen könnte. Das gilt insbesondere, weil der Kläger bei der Beklagten durchgängig eine wesentlich niedrigere Vergütung erhalten hat als zuvor in der DEL. Der Kläger hat keinerlei Umstände vorgetragen, aus welchen Gründen er davon ausgeht, dass er bei einer Teilnahme am Mannschaftstraining in der Saison 2020/2021 - ohne Anspruch auf Spieleinsätze - für die Saison 2021/2022 einen Vertrag mit einer wesentlich höheren Vergütung hätte abschließen können. Ausreichende Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung ergeben sich insbesondere nicht aus der Behauptung des Klägers, sein Spielervermittler hätte ihn problemlos wieder mit der früheren Vergütung in die DEL vermitteln können. Insoweit fehlt jeder Vortrag, aufgrund welcher Tatsachen, etwa bereits erfolgter Gespräche mit anderen Vereinen der DEL oder DEL 2 er von einer solchen Möglichkeit ausgehen konnte. Es handelt sich vielmehr um eine willkürliche Behauptung „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“, sodass ein darauf gerichteter Beweisantritt nicht dem Beweis vorgetragener Tatsachen zu dienen bestimmt ist, sondern stattdessen die Ausforschung von Tatsachen bezweckt (vgl.  - Rn. 15;  - Rn. 12).

35bb) Die Sache ist nicht nach § 563 Abs. 1 ZPO an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, hierzu weiter ergänzend vorzutragen. Das gilt ungeachtet des Umstands, dass die Vorinstanzen eine pauschalierende Schadensschätzung nach den für Bühnenkünstler geltenden Grundsätzen vorgenommen haben. Der Kläger hätte gleichwohl ohne gerichtlichen Hinweis in Betracht ziehen müssen, dass das Gericht die vom Kläger befürwortete Übertragung der Rechtsprechung für Bühnenkünstler auf Profimannschaftssportler ablehnen könnte und nähere Anhaltspunkte für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO erforderlich sein könnten (vgl.  - Rn. 2;  - Rn. 10). Unabhängig davon hat der Senat vor der mündlichen Revisionsverhandlung darauf hingewiesen, dass dem Gericht ausreichend Tatsachen für eine auf § 287 ZPO aufbauende Schätzung dargelegt werden müssten. Aus der Einlassung des Klägers in der Revisionsinstanz ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass er im Fall einer Zurückverweisung ausreichende Anknüpfungstatsachen für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO vortragen könnte.

36III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2024:290224.U.8AZR359.22.0

Fundstelle(n):
BB 2024 S. 1337 Nr. 23
BB 2024 S. 1342 Nr. 23
DB 2024 S. 1959 Nr. 32
DB 2024 S. 1959 Nr. 32
NJW 2024 S. 2276 Nr. 31
NJW 2024 S. 2280 Nr. 31
DAAAJ-65694