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FG Berlin-Brandenburg Urteil v. - 6 K 6042/20

Gesetze: AO § 89 Abs. 2 S. 1, GewStG § 7 S. 1, GewStG § 8 Nr. 1 Buchst. a S. 1, GenG § 7a Abs. 2 S. 2, GenG § 67b Abs. 1, HGB § 337 Abs. 1, StAuskV § 1, StAuskV § 2 Abs. 1 S. 1, KStG § 8 Abs. 3 S. 1, KStG § 8 Abs. 3 S. 2

Mietminderung der Kaltmiete der Genossenschaftsmitglieder einer Wohnungsgenossenschaft bei Zeichnung freiwilliger unverzinslicher Genosssenschaftsanteile: verbindliche Auskunft des Finanzamts zum Nichtvorliegen einer verdeckten Gewinnaussschüttung

freiwillige Genossenschaftsanteile als Eigenkapital der Genossenschaft

keine gewerbesteuerliche Hinzurechnung der Mietminderungen

Voraussetzung einer nicht unwesentlichen Sachverhaltsabweichung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV

Leitsatz

1. Bietet eine Wohnungsgenossenschaft ihren Mitgliedern die Möglichkeit an, neben ihren Pflichtanteilen zusätzlich weitere, freiwillige unverzinsliche Genossenschaftsanteile zu zeichnen, die zwar nicht an Gewinnausschüttungen der Genossenschaft teilnehmen, dafür jedoch zu einer Minderung der monatlichen Nettokaltmieten der diese freiwilligen Genossenschaftsanteile zeichnenden Genossenschaftsmitglieder führen, so handelt es sich bei dem Kapital, das die Genossenschaftsmitglieder der Genossenschaft durch Zeichnung freiwilliger Genossenschaftsanteile zum Zweck der Verringerung der Kaltmiete überlassen haben, um Eigenkapital der Genossenschaft, das nicht der – nur für Fremdkapital geltenden – gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. a GewStG unterliegt.

2. Hat das zuständige Finanzamt vorab eine verbindlichen Auskunft im Sinne des § 89 Abs. 2 AO mit dem Inhalt erteilt, dass die Vereinbarung von geminderten Netto-Sollmieten für Mitglieder, die weitere freiwillige Genossenschaftsanteile zeichnen, welche weder an der Gewinnausschüttung teilhaben noch verzinst werden, einen Vorteilsausgleich im Sinne von H 36 KStG (jetzt H 8.5 KStR 2022 „Vorteilsausgleich”) darstellt, soweit sich der Vorteil des Mieters auf geringere Miete und der Finanzierungsvorteil der Genossenschaft für die freiwilligen Anteile, die zur Mietminderung geführt haben, gegenseitig auch der Höhe nach ausgleichen, so hat hat das Finanzamt damit verbindlich festgestellt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung nicht erfüllt sind. Schließt das Finanzamt eine verdeckte Gewinnausschüttung aus, weil durch den angenommenen Vorteilsausgleich keine Maßnahme der Einkommensverteilung vorliegt, gilt dies zwangsläufig auch für offene Gewinnausschüttungen und andere Maßnahmen der Einkommensverteilung im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG. Die Mietminderungsbeträge dürfen daher aufgrund der Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft bei der Ermittlung des Gewerbeertrags auch nicht nach § 8 Abs. 3 Satz 1 KStG oder § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG in Verbindung mit § 7 Satz 1 GewStG dem zugrunde gelegten Gewinn als Gewinnverwendung hinzugerechnet werden.

3. Bei einer Genossenschaft bilden die freiwilligen und die verpflichtend gezeichneten Geschäftsanteile (zuzüglich der darauf entfallenden Gewinne und abzüglich der Verluste) das einheitliche Geschäftsguthaben eines Genossenschaftsmitglieds. Das Geschäftsguthaben der Mitglieder tritt bei der Genossenschaft an die Stelle gezeichneten Kapitals (§ 337 Abs. 1 HGB); es bildet – mit Ausnahme des Geschäftsguthabens der zum Jahresende ausscheidenden Genossenschaftsmitglieder – das Eigenkapital der Genossenschaft.

4. Eine nicht unwesentliche Sachverhaltsabweichung im Sinne von § 2 Abs. 1 Satz 1 StAuskV liegt nur vor, wenn der Antragsteller alle oder einzelne Sachverhaltsbestandteile, die für die zu beantwortende Rechtsfrage tatbestandsmäßig sind, nicht dergestalt verwirklicht, wie er sie in seinem Antrag auf Erteilung der verbindlichen Auskunft zugrunde gelegt hat. Danach liegt die für die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft vorausgesetzte Sachverhaltsidentität nicht mehr vor, wenn der Antragsteller einen Sachverhalt verwirklicht, der das zuständige Finanzamt zu einer anderen rechtlichen Beurteilung der Rechtsfrage veranlasst hätte, wäre dieser Sachverhalt der verbindlichen Auskunft zugrunde gelegt worden. Änderungen des Sachverhalts, die keine erkennbare Relevanz für die Beantwortung der Rechtsfrage durch das Finanzamt haben, sind danach nicht wesentlich und lassen die Bindungswirkung der verbindlichen Auskunft nicht entfallen.

Fundstelle(n):
QAAAJ-65509

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