BGH Beschluss v. - 6 StR 572/23

Verurteilung wegen Raubes bei finaler Verknüpfung zwischen qualifiziertem Nötigungsmittel und Wegnahme

Gesetze: § 249 Abs 1 StGB, § 250 StGB

Instanzenzug: LG Hildesheim Az: 14 KLs 4/23

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen besonders schweren Raubes, wegen Raubes in Tateinheit mit Körperverletzung und wegen Körperverletzung schuldig gesprochen. Es hat ihn unter Einbeziehung eines Urteils zu einer Jugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Raubes im Fall II.3 der Urteilsgründe hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

3a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen ging der Angeklagte auf den Geschädigten zu und fragte ihn, warum er ihn wegen eines vorangegangenen Vorfalls angezeigt habe. Im Laufe des weiteren Gesprächs schlug er dem Geschädigten gegen den Brustkorb und gab ihm eine Kopfnuss. Sodann fragte er ihn, ob er Geld dabei habe, was der Geschädigte verneinte. Als der Angeklagte ihm an die Jackentasche fasste, holte der Geschädigte seine Geldbörse heraus. Der Angeklagte entnahm ihr 20 Euro, was der aufgrund des vorherigen körperlichen Übergriffs verängstigte Geschädigte hinnahm.

4b) Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Raubes gemäß § 249 Abs. 1 StGB nicht.

5aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss zwischen der Drohung mit oder dem Einsatz von Gewalt und der Wegnahme beim Raub eine finale Verknüpfung bestehen; Gewalt oder Drohung müssen das Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein. Deshalb fehlt es an einer solchen Verknüpfung, wenn eine Nötigungshandlung nicht zum Zweck der Wegnahme vorgenommen wird, sondern der Täter den Entschluss zur Wegnahme erst nach Abschluss dieser Handlung fasst (vgl. , BGHSt 41, 123, 124; Beschluss vom – 5 StR 41/14, NStZ 2015, 156, 157 mwN). Der Umstand, dass die Wirkungen eines ohne Wegnahmevorsatz eingesetzten Nötigungsmittels noch andauern und der Täter dies ausnutzt, genügt für die Annahme eines Raubes nicht (vgl. , NStZ-RR 2013, 45, 46 mwN).

6bb) Hieran gemessen ist die von § 249 Abs. 1 StGB vorausgesetzte finale Verknüpfung zwischen dem qualifizierten Nötigungsmittel und der Wegnahme nicht festgestellt. Den Urteilsgründen lässt sich nicht entnehmen, ob der Angeklagte bereits bei Ausübung der Gewalthandlungen vorhatte, dem Geschädigten Geld wegzunehmen. Ebenso naheliegend ist es, dass er mit dem Schlag und der Kopfnuss auf die von ihm zuvor angesprochene Anzeige reagierte. Die Feststellungen belegen auch nicht, dass der Angeklagte danach – für den Fall geleisteten oder erwarteten Widerstands gegen die Wegnahme – ausdrücklich oder zumindest konkludent mit weiterer Gewalt drohte. Zwar war der Geschädigte aufgrund des vorherigen körperlichen Übergriffs noch verängstigt; das bloße Ausnutzen der vorangegangenen Nötigung reicht aber mangels einer aktualisierten Drohung erneuter Gewaltanwendung durch den Angeklagten für den Finalzusammenhang nicht aus (vgl. , NStZ 2013, 648; Beschluss vom – 4 StR 544/13, NStZ 2014, 269). Erforderlich ist vielmehr eine Aktualisierung der Nötigungslage durch ein im Urteil gesondert festzustellendes Verhalten des Täters (vgl. ).

72. Die Aufhebung des Schuldspruchs wegen Raubes zieht die Aufhebung der hiermit in Tateinheit stehenden Verurteilung wegen Körperverletzung nach sich. Darüber hinaus entzieht sie der Jugendstrafe sowie der Einziehungsentscheidung die Grundlage. Um dem neuen Tatgericht widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen, hebt der Senat auch die zugehörigen Feststellungen auf (§ 353 Abs. 2 StPO).

83. Lediglich ergänzend bemerkt der Senat, dass die Erwägung der Jugendkammer, der Angeklagte habe sich „im Rahmen der Hauptverhandlung überwiegend uneinsichtig und fast schon trotzig“ gezeigt, Bedenken begegnet.

Sie lässt besorgen, dass zulässiges Verteidigungsverhalten bei der Bemessung der Jugendstrafe rechtsfehlerhaft zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 6 StR 22/21; vom – 4 StR 499/22).

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:200324B6STR572.23.0

Fundstelle(n):
DAAAJ-65373