BGH Urteil v. - VI ZR 592/20

Deliktische Haftung eines Fahrzeugherstellers wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen gegenüber Käufer eines im Jahr 2017 erworbenen Gebrauchtwagens

Leitsatz

Zur deliktischen Haftung des Kfz-Herstellers wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung gegenüber dem Käufer eines Fahrzeugs.

Gesetze: § 823 Abs 2 BGB, § 826 BGB, § 6 Abs 1 EG-FGV, § 27 Abs 1 EG-FGV, Art 5 EGV 715/2007

Instanzenzug: Az: 8 U 1956/19 Urteilvorgehend LG Bad Kreuznach Az: 4 O 85/19

Tatbestand

1Der Kläger nimmt den beklagten Fahrzeughersteller auf Schadensersatz wegen Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung in Anspruch.

2Der Kläger erwarb am bei einem Händler einen gebrauchten, von der Beklagten hergestellten Pkw VW Passat zu einem Preis von 14.650 €. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Der Motor des Fahrzeugs war mit einer Software ausgestattet, die erkannte, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wurde, und schaltete in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid-optimierten Modus. In diesem Modus fand eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltete der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.

3Am hatte die Beklagte eine Ad-hoc-Mitteilung nach § 15 WpHG a.F. veröffentlicht, wonach bei weltweit rund elf Millionen Fahrzeugen mit Motoren des Typs EA189 eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandswerten und realem Fahrbetrieb festgestellt worden sei, sie mit Hochdruck daran arbeite, die Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen und dazu in Kontakt mit den zuständigen Behörden und dem Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) stehe. Das KBA sah die genannte Software als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007 an und verpflichtete die Beklagte im Oktober 2015, die Abschalteinrichtung zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. Ebenfalls im Oktober 2015 schaltete die Beklagte eine Webseite frei, auf der jedermann unter Eingabe der Fahrzeugidentitätsnummer ermitteln konnte, ob in das betreffende Fahrzeug die beschriebene "Umschaltlogik" verbaut gewesen ist. Die Beklagte entwickelte, um die Vorgaben des KBA zu erfüllen, im weiteren Fortgang der Ereignisse ein Software-Update. Über die erwähnte Webseite konnte später auch ermittelt werden, ob ein solches Software-Update auf ein bestimmtes Fahrzeug bereits aufgespielt worden war. Das war bei dem Fahrzeug, das der Kläger erwarb, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags der Fall.

4Mit seiner Klage begehrt der Kläger zuletzt die Zahlung von 14.650 € nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung des Verzugs der Beklagten mit der Annahme der Zug-um-Zug-Leistung sowie die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht die Beklagte unter Klagabweisung im Übrigen zur Zahlung von 10.651,25 € nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € nebst Zinsen verurteilt und den Verzug der Beklagten mit der Annahme der Zug-um-Zug-Leistung festgestellt. Mit ihrer von dem Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Zurückweisung der Berufung des Klägers insgesamt weiter.

Gründe

I.

5Nach Auffassung des Berufungsgerichts haftet die Beklagte dem Kläger wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB) auf Erstattung des für den Erwerb des Fahrzeugs verauslagten Kaufpreises in Höhe von 14.650 € abzüglich eines Vorteilsausgleichs für die von dem Kläger gezogenen Nutzungen Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs. Das Verhalten der Beklagten sei objektiv sittenwidrig gewesen. Dieses objektiv sittenwidrige Verhalten habe im Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs durch den Kläger noch angedauert und nicht etwa mit der Offenlegung des Sachverhalts ab Herbst 2015 geendet. Auch die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung aus § 826 BGB lägen noch im Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags durch den Kläger vor. Durch das Verhalten der Beklagten sei dem Kläger Schaden entstanden, der auch nicht durch das Aufspielen des Software-Updates entfallen sei, wobei insbesondere die Frage keiner Erörterung bedürfe, ob das Software-Update ein ebenfalls unzulässiges Thermofenster enthalte. Der Anspruch des Klägers richte sich auf Ersatz des negativen Interesses, also auf Rückzahlung des Kaufpreises unter Anrechnung der von ihm gezogenen Nutzungen nach dem Grundsatz der Vorteilsausgleichung sowie Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs an die Beklagte. Dementsprechend seien auch der Annahmeverzug der Beklagten festzustellen und dem Kläger ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten nebst Zinsen zuzuerkennen.

II.

6Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand.

7Soweit das Berufungsgericht eine Haftung der Beklagten wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB) ungeachtet der seit September 2015 erfolgten Verhaltensänderung der Beklagten für gegeben hält, steht dies in Widerspruch zur gefestigten, wenn auch erst nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und ist rechtsfehlerhaft (unter II.1). Infolgedessen ist das Berufungsurteil aufzuheben. Soweit die Beklagte durch dieses zur Zahlung von 10.651,25 € nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.029,35 € nebst Zinsen verurteilt worden ist, ist die Sache - soweit der Kläger nicht Zinsen auf die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten begehrt, worauf ihm Ansprüche nicht zustehen (vgl. VIa ZR 1139/22, juris Rn. 11) - zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (vgl. § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil insoweit die Sache nach dem festgestellten Sachverhältnis nicht zur Endentscheidung reif ist (vgl. § 563 Abs. 3 ZPO). Denn das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - eine Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) Nr. 715/2007 nicht geprüft (unter II.2). Der Senat hat hingegen, weil insoweit weitere Feststellungen nicht in Betracht kommen (vgl. § 563 Abs. 3 ZPO), in der Sache selbst zu entscheiden, soweit in dem Berufungsurteil der Verzug der Beklagten mit der Annahme der Zug-um-Zug-Leistung festgestellt worden ist. Mit diesem Antrag ist der Kläger jedenfalls deshalb abzuweisen, weil ihm Ansprüche aus § 826 BGB nicht zustehen (unter II.1).

81. Das Verhalten der Beklagten im Zusammenhang mit dem massenweisen Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen für die Abgasreinigung im Verhältnis zu Personen, die eines der betroffenen Fahrzeuge vor den von der Beklagten im September 2015 ergriffenen Maßnahmen erwarben und keine Kenntnis von der illegalen Abschalteinrichtung hatten, ist zwar - wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist - objektiv sittenwidrig und geeignet gewesen, die Haftung der Beklagten zu begründen (ständige Rechtsprechung des BGH; vgl. nur Senatsbeschluss vom - VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 16 mwN; ferner , NJW 2021, 3725 Rn. 17; vom - III ZR 261/20, NJW-RR 2022, 243 Rn. 16). Ein Anspruch des Klägers aus § 826 BGB besteht aber - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts, die die Revision mit Erfolg angreift - nicht, weil sich auf der Grundlage der von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen und des revisionsrechtlich erheblichen Parteivorbringens das gesamte Verhalten der Beklagten im Zeitraum bis zum Eintritt des Schadens bei dem Kläger in der gebotenen Gesamtschau aufgrund einer zwischenzeitlichen Verhaltensänderung der Beklagten (ständige Rechtsprechung des BGH; vgl. nur Senatsurteil vom - VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798 Rn. 34 ff.; Senatsbeschluss vom - VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 15 ff.; , NJW 2021, 3725 Rn. 18 f.; vom - III ZR 261/20, NJW-RR 2022, 243 Rn. 17) nicht als sittenwidrig darstellt (ständige Rechtsprechung des BGH; vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 493/20, WM 2024, 36 Rn. 8; Senatsbeschluss vom - VI ZR 491/20, juris Rn. 7; auch VIa ZR 533/21, NJW 2023, 2270 Rn. 14). Dieser Zeitraum ist insofern - anders als das Berufungsgericht zumindest erwogen hat, als es zu der Auffassung neigte, es sei für die Frage der Sittenwidrigkeit auf den Zeitpunkt des Inverkehrbringens des Fahrzeugs, das der Kläger später erwarb, abzustellen - maßgeblich (ständige Rechtsprechung des BGH; vgl. nur , NJW 2020, 2798 Rn. 30 f.; vom - VI ZR 493/20, WM 2024, 36 Rn. 8; Senatsbeschluss vom - VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 13).

9Ohne Erfolg macht der Kläger in der Revisionserwiderung mit einer Gegenrüge geltend, die Beklagte hafte gegenüber dem Kläger ungeachtet ihres Strategiewechsels seit Herbst 2015 jedenfalls deshalb aus § 826 BGB, weil in dem Software-Update, das nach den von dem Berufungsgericht getroffenen Feststellungen auch bei dem Fahrzeug, das der Kläger erwarb, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags aufgespielt gewesen ist, unstreitig ein so genanntes Thermofenster verbaut gewesen sei, was die Beklagte indessen sowohl dem KBA als auch den Fahrzeugerwerbern gegenüber verschwiegen habe. In dieser nicht offen gelegten Implementierung des Thermofensters, bei dem es sich ebenfalls um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007 handle, in das Software-Update liege ein (weiteres) sittenwidriges Verhalten der Beklagten, was ihre Haftung aus § 826 BGB selbstständig begründe.

10Sollte die Beklagte mit dem Software-Update eine solche - dem KBA und den Fahrzeugerwerbern gegenüber von ihr nicht offen gelegte - Steuerung des Emissionskontrollsystems implementiert haben, begründete allein dies entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht eigenständig die Verwerflichkeit des Verhaltens der Beklagten und damit ihre Haftung aus § 826 BGB. Der Senat legt dabei das Vorbringen der Revisionserwiderung zugrunde, die Abgasreinigung finde nach dem Software-Update nur in einem Temperaturbereich ab 15 Grad Celsius und bis zu einer Seehöhe von 1.000 Metern statt, und er unterstellt, dass eine derartige Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist (vgl. , NJW 2022, 2605 Rn. 31 ff.). Wie der Bundesgerichtshof bereits mehrfach entschieden hat (vgl. näher Senatsbeschluss vom - VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 25 ff.; , NJW-RR 2022, 309 Rn. 19 f.; vom - VI ZR 493/20, WM 2024, 36 Rn. 19; , NJW 2021, 3725 Rn. 21 ff.; vom - III ZR 261/20, NJW-RR 2022, 243 Rn. 21 ff.), reichte indessen selbst ein solcher Gesetzesverstoß nicht aus, um das Gesamtverhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren. Hierfür bedürfte es vielmehr weiterer Umstände im Zusammenhang mit der Entwicklung und Genehmigung des Software-Updates (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 26, 28; , VersR 2022, 852 Rn. 19; vom - VI ZR 493/20, WM 2024, 36 Rn. 19; , NJW 2021, 3725 Rn. 22; vom - III ZR 261/20, NJW-RR 2022, 243 Rn. 22), etwa einer erneuten Täuschung des KBA (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 839/20, NJW-RR 2022, 309 Rn. 20) oder aber zumindest eines Bewusstseins der für die Beklagte handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Applikation der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems, eine (weitere) unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und der billigenden Inkaufnahme des darin liegenden Gesetzesverstoßes (vgl. Senatsbeschluss vom - VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 28; , NJW 2021, 3725 Rn. 22; Beschluss vom - VII ZR 222/21, juris Rn. 31).

11Feststellungen zu solchen weiteren Umständen hat das Berufungsgericht, aus dessen rechtlicher Sicht es auf die Frage der Implementierung eines Thermofensters in das Software-Update von vornherein nicht ankam, nicht getroffen. Die Revisionserwiderung zeigt in ihrer Gegenrüge keinen übergangenen Tatsachenvortrag des insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Klägers (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 493/20, WM 2024, 36 Rn. 19; Senatsbeschluss vom - VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 29 mwN) auf, der die insoweit maßgebenden rechtlichen Voraussetzungen ausfüllen könnte. Die in der Gegenrüge erhobene, durch vorinstanzliches Vorbringen des Klägers jedoch bereits nicht unterlegte und überdies pauschale Behauptung, die Beklagte habe sowohl dem KBA als auch den Fahrzeugerwerbern gegenüber die Implementierung des Thermofensters im Software-Update verschwiegen, genügt insofern nicht.

12Soweit die Revisionserwiderung unter Bezugnahme auf die - in anderem rechtlichem Zusammenhang - von dem Berufungsgericht getroffene Feststellung, es sei "unklar", ob und welche Auswirkungen das Software-Update habe, und seine "Langzeittauglichkeit" stehe nicht fest, ferner geltend macht, eine weitere Täuschung der Beklagten liege darin, dass sie "über die negativen Auswirkungen und fehlende Langzeittauglichkeit des Software-Updates ebenfalls nicht aufgeklärt" habe, ergibt sich daraus keine andere rechtliche Beurteilung. Unabhängig davon, dass sich einer solchen pauschalen Vorhaltung ohnehin bereits nicht hinreichend entnehmen ließe, welche "negativen Auswirkungen" genau sie aufgriffe, reichte der Umstand, dass mit dem Software-Update nicht nur die unzulässige Manipulationssoftware entfernt wird, sondern namentlich auch negative Auswirkungen auf den Verschleiß der betroffenen Fahrzeuge oder aber eine - unterstellt nachteilige - Veränderung sonstiger Parameter verbunden sein mögen, ebenfalls nicht aus, um das Gesamtverhalten der Beklagten als sittenwidrig zu qualifizieren (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 493/20, WM 2024, 36 Rn. 20; Senatsbeschlüsse vom - VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814 Rn. 30; vom - VI ZR 491/20, juris Rn. 13; , juris Rn. 33).

132. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht geprüft, ob die Haftung der Beklagten nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV, Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) Nr. 715/2007 begründet ist. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, um diesem Gelegenheit zu geben, die insoweit erforderlichen Feststellungen zu treffen (vgl. § 563 Abs. 3 ZPO).

14a) Bei diesen Normen handelt es sich - unter Zugrundelegung der Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom (C-100/21, NJW 2023, 1111) - um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, in deren persönlichen Schutzbereich der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs einbezogen ist.

15b) Die oben angeführten Abgasnormen - auch in Verbindung mit der Übereinstimmungsbescheinigung - schützen allerdings nicht die allgemeine Handlungsfreiheit und als deren Ausfluss das wirtschaftliche Selbstbestimmungsrecht des Käufers, das heißt das Interesse, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, mit der Folge, dass die - gegebenenfalls auch fahrlässige - Erteilung einer unrichtigen Übereinstimmungsbescheinigung zu einem deliktischen Anspruch des Käufers gegen den Hersteller auf Rückerstattung des an den Verkäufer gezahlten Kaufpreises führte. Die allgemeine Handlungsfreiheit fällt nicht in den sachlichen Schutzbereich dieser Normen (so bereits Senatsurteil vom - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 76; nachfolgend ständige Rechtsprechung des BGH). Dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (C-100/21, NJW 2023, 1111) lässt sich nichts entnehmen, was zu einer Abkehr von dieser Rechtsprechung nötigen würde ( VIa ZR 335/21, BGHZ 237, 245 Rn. 24-26; Senatsurteil vom - VI ZR 493/20, WM 2024, 36 Rn. 23).

16c) Jedoch kann dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Schutzgesetzverletzung zustehen, weil ihm aufgrund des Erwerbs eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs ein Vermögensschaden in Form des Differenzschadens entstanden ist. Ein solcher Schaden, der darauf zurückzuführen ist, dass der Hersteller die ihm auch zugunsten des Käufers auferlegten Pflichten nach dem europäischen Abgasrecht nicht eingehalten hat, fällt nach Maßgabe des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (C-100/21, NJW 2023, 1111) in den sachlichen Schutzbereich der europäischen Abgasnormen und ist insoweit im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB zu entschädigen.

17d) Ob dem Kläger im Ergebnis ein solcher Anspruch zusteht, lässt sich auf der Grundlage der bisher vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilen. Das Berufungsgericht wird dem Kläger im erneuten Berufungsverfahren Gelegenheit zu geben haben, den von ihm geltend gemachten Schaden im Sinne des Differenzschadens zu berechnen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:230124UVIZR592.20.0

Fundstelle(n):
WM 2024 S. 1676 Nr. 36
TAAAJ-65132