Erfolgreiche Beschwerde gegen Ablehnung einer Durchsuchungsanordnung
Gesetze: Art 21 Abs 2 GG, Art 21 Abs 3 GG, § 8 SG, § 148 WDO 2002
Instanzenzug: Truppendienstgericht Süd Az: S 2 DsL 17/23 Beschluss
Tatbestand
1Die Beschwerde betrifft die Ablehnung einer Durchsuchungsanordnung.
21. Der Soldat ist Hauptfeldwebel. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft beantragte beim Truppendienstgericht wegen des Verdachts, dass sich der Soldat gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung betätige, die Anordnung einer Durchsuchung seines Fahrzeugs und seiner elektronischen Datenträger und EDV-Anlagen. Der Verdacht bestehe aufgrund eines Schreibens des Bundesamtes für den Militärischen Abschirmdienst (BAMAD) vom zum anderweitig verfolgten Oberstabsgefreiten R. und eines Protokolls über dessen Vernehmung durch die Disziplinarvorgesetzte vom .
32. Der Vorsitzende der Truppendienstkammer hat den Antrag mit Beschluss vom abgelehnt. Aufgrund der mitgeteilten Tatsachen bestehe kein hinreichender Verdacht für das vorgeworfene Dienstvergehen, welches auf den Besitz von - stichwortartig beschriebenem - Bildmaterial auf dem Mobiltelefon des Soldaten und eine Äußerung ("vernünftiger Weißer") gegründet sei. Der Inhalt des Schreibens des BAMAD dürfe nicht verwertet werden. Zum einen sei die Übermittlung des Schreibens unzulässig, weil die Informationen zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht benötigt würden. Denn es gehe bloß um einen Besitz inkriminierter Bilder durch den Soldaten, die wohl vom Oberstabsgefreiten R. stammten und vom Soldaten nicht kommentiert worden seien, sowie um eine von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerung des Soldaten. Zum anderen sei der Einsichtnahme in das Mobiltelefon des Oberstabsgefreiten R. durch das BAMAD vermutlich keine Belehrung im Hinblick auf eine disziplinarische Verwertung vorausgegangen. Auch enthalte das Schreiben des BAMAD kein Bildmaterial, sondern nur eine vage Beschreibung des Chatinhalts ohne Kontext, so dass eine objektive Überprüfung nicht möglich sei. Da nur das Mobiltelefon des Oberstabsgefreiten R. eingesehen worden sei, sei nicht bekannt, ob der Soldat die Bilder gelöscht und damit zum Ausdruck gebracht habe, dass er sie nicht gutheiße.
43. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft hat gegen den Beschluss am Beschwerde erhoben. Das Schreiben des BAMAD dürfe verwertet werden. Eine "fruit of the poisonous tree"-Doktrin sei der deutschen Rechtsordnung fremd. Dürfte ein bekannt gewordenes Fehlverhalten nicht disziplinarisch verfolgt werden, liefe der Schutzauftrag des BAMAD leer. Die Wehrdisziplinaranwaltschaft müsse gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 WDO Ermittlungen führen. Ein unbefangener Dritter müsse davon ausgehen, dass durch die Kontrastierung von Farbigen und "vernünftigen Weißen" eine abwertende, rassistische Äußerung zu dunkelhäutigen Menschen habe ausgedrückt werden sollen. Der Soldat habe zumindest den Eindruck erweckt, die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht anzuerkennen und nicht durch sein gesamtes Verhalten bereit zu sein, jederzeit aktiv für sie einzutreten.
54. Die Bundeswehrdisziplinaranwaltschaft teilt die Ansicht, dass die im Durchsuchungsantrag angeführten Tatsachen den Anfangsverdacht eines Verstoßes gegen die Verfassungstreuepflicht begründen. Ein Unterbleiben der Verfolgung dieses Verdachts könne zu einem enormen Ansehens- und Vertrauensverlust der Bundeswehr führen. Eine bei Datenerhebungen des BAMAD nicht vorgesehene und daher unterbliebene Belehrung könne kein Beweisverwertungsverbot nach sich ziehen. Die Formulierung "vernünftiger Weißer" sei mit der Bezeichnung "Neger" vergleichbar und nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt.
65. Der Soldat hält dem entgegen, er habe keine Vorurteile und sei nicht intolerant. Der Oberstabsgefreite R. habe ihn im Chat gefragt, ob der neue Soldat "wieder ein Schwarzer" sei. Die Frage nach der Hautfarbe habe er mit "weiß" beantwortet. Der Zusatz "vernünftig" habe sich auf die sportliche Leistung des zuversetzten Soldaten bezogen, der mit ihm klaglos 37 km marschiert sei. So sei die unglückliche Formulierung "vernünftiger Weißer" entstanden. Er habe die von ihm geführten Soldaten nie nach Hautfarbe unterschieden.
76. Der Vorsitzende der Truppendienstkammer hat der Beschwerde mit Beschluss vom nicht abgeholfen und sie dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Gründe
8Die nach § 114 WDO zulässige Beschwerde ist begründet und führt zur beantragten Durchsuchungsanordnung.
91. Die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 WDO lagen bei Erlass des angefochtenen Beschlusses vor und sind auch weiterhin gegeben.
10a) Die Wehrdisziplinaranwaltschaft ist im Vorermittlungsverfahren (§ 92 WDO) als Vertreterin der Einleitungsbehörde (vgl. § 81 Abs. 2 Satz 1 WDO) befugt, die richterliche Anordnung der Durchsuchung zu beantragen. Denn § 20 WDO sieht keine Beschränkung des Antragsrechts auf den Disziplinarvorgesetzten vor (vgl. 2 WDB 8.22 - juris Rn. 17). Der Durchsuchungsantrag ist hinsichtlich des Tatvorwurfs und der zu durchsuchenden Gegenstände auch hinreichend bestimmt.
11b) Aufgrund der im Durchsuchungsantrag mitgeteilten Tatsachen besteht der im Antrag geäußerte Verdacht eines Dienstvergehens des Soldaten in Form einer schuldhaften Verletzung der Verfassungstreuepflicht (§ 8 SG), der durch seine Beschwerdeerwiderung nicht ausgeräumt worden ist.
12aa) § 8 SG verlangt von Soldatinnen und Soldaten, die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes anzuerkennen und durch ihr gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten.
13Der Begriff "freiheitliche demokratische Grundordnung" hat denselben Inhalt wie in Art. 21 Abs. 2 und 3 GG (dazu - BVerfGE 144, 20 Rn. 530 ff. und vom - 2 BvB 1/19 - NJW 2024, 645 Rn. 247 ff.). Daraus folgt eine Konzentration auf wenige zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind. Dazu zählen die Würde des Menschen, das Demokratieprinzip und der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit (vgl. 2 WD 25.20 - NVwZ 2022, 1133 Rn. 28).
14Rassistische Äußerungen verstoßen gegen diese Grundsätze (vgl. Erwägungsgrund 1 des Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom zur strafrechtlichen Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, ABl. S. 555). Ebenso unvereinbar mit § 8 SG sind Äußerungen, die aus Sicht eines neutralen Betrachters der Verharmlosung oder Verherrlichung der Gewalt- und Willkürherrschaft des Nationalsozialismus dienen (vgl. 2 WDB 13.22 - NVwZ 2023, 1591 Rn. 34) oder objektiv geeignet oder gar darauf angelegt sind, Kennzeichen, Symbole oder sonstige Bestandteile der NS-Ideologie wieder gesellschaftsfähig zu machen (vgl. 2 WD 25.20 - NVwZ 2022, 1133 Rn. 29). Denn das Grundgesetz bildet gleichsam den "Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes" (vgl. 2 WD 25.20 - NVwZ 2022, 1133 Rn. 29).
15§ 8 SG wird bereits verletzt, wenn ein Soldat sich nicht eindeutig von Bestrebungen distanziert, die diesen Staat und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. 2 WD 7.20 - NVwZ-RR 2021, 770 Rn. 28). Ein Soldat darf daher auch nicht entgegen seiner inneren verfassungstreuen Gesinnung aus Solidarität zu Freunden, aus Übermut, aus Provokationsabsicht oder aus anderen Gründen nach außen hin verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützen und sich objektiv betrachtet illoyal verhalten (vgl. 2 WDB 5.23 - juris Rn. 48 m. w. N.).
16bb) Das Gewicht des mit einer Durchsuchungsanordnung verbundenen Grundrechtseingriffs verlangt auf konkreten Tatsachen beruhende Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Zwar muss sich aus den Umständen, die den Anfangsverdacht begründen, noch keine exakte Tatpräzisierung ergeben. Denn das Stadium des Anfangsverdachts zeichnet sich gerade dadurch aus, dass noch Ermittlungen nötig sind, weil die Tat in ihren Einzelheiten noch nicht aufgeklärt ist (vgl. 2 WDB 12.21 - BVerwGE 175, 1 Rn. 49). Daher genügt der über bloße Vermutungen hinausreichende, auf bestimmte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Verdacht, dass ein Dienstvergehen begangen wurde und der Verdächtige als Täter oder Teilnehmer in Betracht kommt, ohne dass es eines hinreichenden oder gar dringenden Tatverdachts bedarf (vgl. - juris Rn. 11 m. w. N.). Eine Durchsuchung darf aber nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich sind (vgl. 2 WDB 12.21 - BVerwGE 175, 1 Rn. 49).
17cc) Dem Vorsitzenden der Truppendienstkammer standen als Erkenntnisquellen die Informationen im Schreiben des BAMAD vom und im Protokoll über die Vernehmung des Oberstabsgefreiten R. vom zur Verfügung, dem Senat zudem die Beschwerdeerwiderung des Soldaten.
18Aus dem Schreiben des BAMAD ergibt sich, dass die Angehörigen des BAMAD bei der Einsicht in das Mobiltelefon des Oberstabsgefreiten R. am vier in dem Schreiben beschriebene Bilder in dessen WhatsApp-Kommunikation mit dem Soldaten gesehen haben; Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Beschreibungen bestehen nicht. Das erste Bild aus einem Chat vom soll einen Reichsadler mit einem Hakenkreuz in den Krallen und dem sinngemäßen Text "Hier eine kleine Friedenstaube" zeigen, das zweite Bild aus einem Chat vom selben Tag einen Bierdeckel mit einem Reichsadler und einem Hakenkreuz und der Aufschrift "Kaffee Soldat", das dritte Bild aus einem Chat vom eine vollbusige Blondine mit dem Text "Glaubst du ich würde so aussehen, wenn meine Vorfahren mit Negern geschlafen hätten?" und das vierte Bild aus einem Chat vom einen Korb voller Stoffpuppen mit dunkler Hautfarbe nebst Preisschild mit der Aufschrift "Raus damit" und dem Satz "Ikea macht es richtig". Das erste Bild soll vom Oberstabsgefreiten R. versandt worden sein. Wer die anderen Bilder gesandt haben soll, ergibt sich weder aus dem Schreiben noch aus dem Protokoll über die Vernehmung des Oberstabsgefreiten R., der sich daran nicht erinnern konnte.
19Dem Schreiben zufolge soll der Soldat darüber hinaus auf die Frage des Oberstabsgefreiten R. in einem WhatsApp-Chat ungenannten Datums, ob es sich bei einem neuen Soldaten um einen "Neger" handele, sinngemäß geantwortet haben, dass es sich um einen "vernünftigen Weißen" handele; darunter soll sich ein Bild des in den USA von einem Polizisten getöteten (George) Floyd mit einer Auflistung seiner Straftaten befunden haben. Nach dem Protokoll über die Vernehmung des Oberstabsgefreiten R. hat dieser sich erinnern können, in einer Nachricht an den Soldaten bezüglich der Herkunft eines neuen Soldaten das Wort "Neger" benutzt zu haben, nicht allerdings daran, dass der Soldat "ein vernünftiger Weißer" geantwortet habe. Dies wiederum hat der Soldat in seiner Beschwerdeerwiderung eingeräumt.
20dd) Der Inhalt des Schreibens des BAMAD und die Informationen aus dem Protokoll über die Vernehmung des Oberstabsgefreiten R. begründen den Anfangsverdacht einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Verfassungstreuepflicht durch den Soldaten.
21Denn aus den vier Bildern, die verteilt über einen Zeitraum von mehr als acht Monaten in die WhatsApp-Kommunikation zwischen dem Soldaten und dem Oberstabsgefreiten R. eingestellt wurden, ergeben sich ungeachtet der bislang offenen Frage, wer sie jeweils dem anderen gesandt hat, in der Zusammenschau mit der Kommunikation zu dem neuen dunkelhäutigen Soldaten hinreichende Verdachtsgründe dafür, dass der Soldat die freiheitliche demokratische Grundordnung nicht anerkennt und nicht durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung eintritt, zumindest aber unter billigender Inkaufnahme oder Außerachtlassen der gebotenen Sorgfalt diesen Anschein gesetzt hat.
22Das Bild eines Reichsadlers mit einem Hakenkreuz in den Krallen erweckt aus objektiver Sicht Assoziationen mit dem von Adolf Hitler in der Verordnung über die Gestaltung des Hoheitszeichens des Reiches vom entworfenen sog. "Parteiadler" (Reichsadler mit ausgebreiteten Schwingen, der auf einem Siegerkranz mit eingraviertem Hakenkreuz steht) und enthält mit dem Hakenkreuz das Hauptkennzeichen der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (NSDAP) (vgl. - NJW 1979, 1555 <juris Rn. 9>). Zugleich verharmlost es objektiv durch den Zusatz "Hier eine kleine Friedenstaube" die u. a. durch eine systematische Verfolgung führender Vertreter der Friedensbewegung geprägte Gewalt- und Willkürherrschaft des NS-Regimes.
23Das Bild mit dem Bierdeckel mit einem Reichsadler und einem Hakenkreuz und der Aufschrift "Kaffee Soldat" enthält jedenfalls mit dem Hakenkreuz erneut das Hauptkennzeichen der NSDAP.
24Das Bild der vollbusigen Blondine mit dem Text "Glaubst du ich würde so aussehen, wenn meine Vorfahren mit Negern geschlafen hätten?" beinhaltet aus objektiver Sicht eine rassistische Aussage. Es impliziert unter Verwendung der weithin als abwertend empfundenen Bezeichnung "Neger" die Aussage, dass das in dem Bild gezeichnete vermeintlich ideale Erscheinungsbild einer Frau im Fall des Geschlechtsverkehrs mit dunkelhäutigen Männern zerstört wird.
25Ebenso rassistisch ist das Bild mit dem Korb voller Stoffpuppen mit dunkler Hautfarbe nebst Preisschild mit der Aufschrift "Raus damit" und dem Satz "Ikea macht es richtig". Damit wird bei objektiver Auslegung ausgedrückt, dass dunkelhäutige Personen in Deutschland nichts verloren hätten.
26Der Umstand, dass der Soldat nach dem bisherigen Erkenntnisstand diese vier Bilder in der nur zwischen ihm und dem Oberstabsgefreiten R. geführten WhatsApp-Kommunikation etappenweise über mehr als acht Monate hinweg entweder empfing, ohne dass Anhaltspunkte dafür bestehen, dass er ihnen entgegentrat, oder er sie selbst versandte, begründet in der Zusammenschau mit seiner aktiven Beteiligung an der Kommunikation zu einem neuen dunkelhäutigen Soldaten hinreichende Anhaltspunkte für eine seinem Verhalten zugrunde liegende verfassungsfeindliche Gesinnung, zumindest aber für die Erweckung des Eindrucks einer Identifizierung mit verfassungsfeindlichem Gedankengut. Denn auch diese Kommunikation erweist sich in dem vom BAMAD beschriebenen Kontext als rassistisch. Der Soldat ist damit der vorangegangenen abfälligen Anfrage des Oberstabsgefreiten R., ob der neue Soldat wieder ein "Neger" sei, nicht entgegengetreten, sondern hat mit seiner Antwort "ein vernünftiger Weißer" noch "einen draufgesetzt", weil er dadurch in dem genannten Kontext objektiv zum Ausdruck gebracht hat, dass ein dunkelhäutiger Mensch im Gegensatz zu Menschen mit weißer Hautfarbe nicht vernünftig sei. Dieser objektiv vermittelte Eindruck wird durch die Beifügung des Fotos von dem in den USA von der Polizei getöteten dunkelhäutigen George Floyd mit einer Auflistung von dessen Straftaten untermauert. Jedenfalls mit diesem Chatbeitrag ist der Soldat bei objektiver Auslegung in einen Überbietungswettbewerb rassistischer Kundgaben eingestiegen.
27Den Anfangsverdacht einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung des § 8 SG hat der Soldat mit seiner Beschwerdeerwiderung nicht ausgeräumt. Seine Behauptung, der Zusatz "vernünftig" habe sich auf die sportlichen Leistungen des neuen Soldaten bezogen, passt nicht zu dem seinem Chatbeitrag laut Schreiben des BAMAD beigefügten Foto von George Floyd mit einer Auflistung von dessen Straftaten und ändert nichts am objektiven Aussagegehalt seines Chatbeitrags.
28ee) Alle genannten Erkenntnisse sind verwertbar. Es bedarf keiner Klärung, ob eine unterbliebene Belehrung durch das BAMAD eine disziplinarische Unverwertbarkeit gegenüber dem Oberstabsgefreiten R. der solchermaßen gewonnenen Erkenntnisse nach sich ziehen kann. Denn vor der Einsicht in das Mobiltelefon ist er durch die Angehörigen des BAMAD darüber informiert worden, dass die Einsichtnahme zur Sammlung von Informationen über extremistische und sicherheitsgefährdende Bestrebungen und Tätigkeiten (§ 1 Abs. 1 MADG) erfolgte. Der Oberstabsgefreite R. hat in seiner Vernehmung am erläutert, dass die Angehörigen des BAMAD ihn gefragt hätten, ob er wisse, weshalb das Gespräch stattfinde, und auf seine Vermutung, dass es um seine Sicherheitsüberprüfung gehe, klargestellt, dass sie von der Abteilung Extremismus seien. Im Rahmen dieser Tätigkeit bedurfte es für die Datenerhebung beim Oberstabsgefreiten R. gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 MADG i. V. m. § 8 Abs. 4 BVerfSchG nur der Angabe des Erhebungszwecks und des Hinweises auf die Freiwilligkeit der Angaben. Dem wurde Rechnung getragen. Denn aus dem Schreiben des BAMAD und dem Protokoll über die Vernehmung des Oberstabsgefreiten R. ergibt sich, dass ihm vor der Einsicht in sein Mobiltelefon eröffnet wurde, was ihm vorgeworfen wurde, und dass er daraufhin einer freiwilligen Einsichtnahme zustimmte.
29ff) Die genannten Kommunikationsinhalte genießen auch keinen verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Vertraulichkeit der Kommunikation (dazu 2 WD 4.21 - NVwZ-RR 2022, 385 Rn. 48 ff.). Denn es ist nicht ersichtlich, dass zwischen dem Soldaten und dem Oberstabsgefreiten R. eine so enge Vertrauensbeziehung bestand wie in der Regel zu Eheleuten, Eltern oder auch anderen Familienangehörigen (vgl. - NStZ 2021, 439 Rn. 34). Vielmehr hat der Oberstabsgefreite R. ausgesagt, er habe den Soldaten nur dienstlich auf kameradschaftlicher Ebene gekannt; sie seien keine Freunde gewesen, die sich gegenseitig besucht hätten.
30c) Das Fahrzeug und die elektronischen Datenträger und EDV-Anlagen des Soldaten sind zulässige Durchsuchungsobjekte i. S. d. § 20 Abs. 1 WDO.
31d) Die Anordnung ihrer Durchsuchung ist schließlich auch verhältnismäßig.
32Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss die Durchsuchung auch im Einzelfall mit Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck erfolgversprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung des Dienstvergehens erforderlich sein, was nicht der Fall ist, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen. Schließlich muss der Eingriff in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des vorgeworfenen Dienstvergehens und der Stärke des Tatverdachts stehen. Hierbei sind auch die Bedeutung der potenziellen Beweismittel für das Disziplinarverfahren sowie der Grad des auf die verfahrenserheblichen Informationen bezogenen Auffindeverdachts zu bewerten (vgl. 2 WDB 8.22 - juris Rn. 28 m. w. N.).
33An der Eignung der Durchsuchung zum Auffinden von Beweismitteln für die dem Soldaten vorgeworfene Verletzung der Verfassungstreuepflicht bestehen keine Zweifel. Die Durchsuchung ist dafür erforderlich, weil gleich geeignete, grundrechtsschonendere Ermittlungsmaßnahmen nicht ersichtlich sind. Insbesondere hat der Soldat die Aussage verweigert und der Oberstabsgefreite R. hat in seiner Vernehmung erklärt, nicht mehr über die Chatkommunikation zu verfügen. Die beantragte Durchsuchung steht unter Berücksichtigung der Schwere des Tatvorwurfs und der Bedeutung der Sicherung des Chatverlaufs als primäres Beweismittel für die Aufklärung der Tat auch in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des damit verbundenen Eingriffs vor allem in Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG. Denn die Verfassungstreuepflicht ist eine soldatische Kernpflicht, deren Verletzung schwer wiegt. So ist bei Soldaten, die in einem aktiven Dienstverhältnis stehen, regelmäßig die Höchstmaßnahme zu verhängen, wenn ihr Verhalten Ausdruck einer tatsächlich verfassungsfeindlichen Gesinnung ist. Bei Verhaltensweisen, die den irrigen Eindruck einer hohen Identifikation mit verfassungsfeindlichem Gedankengut vermitteln, ist die Dienstgradherabsetzung Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen, bei niedrigschwelligeren Verhaltensweisen ein Beförderungsverbot (vgl. 2 WD 11.22 - NVwZ 2023, 1915 Rn. 45 f.).
343. Dementsprechend hat der Senat die beantragte Durchsuchung des Kraftfahrzeugs des Soldaten sowie seiner EDV-Anlagen und elektronischen Datenträger anzuordnen. Denn im Fall einer begründeten Beschwerde erlässt das Beschwerdegericht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i. V. m. § 309 Abs. 2 StPO zugleich die in der Sache erforderliche Entscheidung (siehe auch (176/17) - juris Rn. 2).
354. Die Durchsuchung darf sich nach § 20 Abs. 1 WDO nicht auf die Privatwohnung des Soldaten erstrecken. Die Vorschrift ermächtigt auch nicht zur Online-Durchsuchung von Cloud-Inhalten, da der damit verbundene Eingriff in das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) von § 148 WDO nicht gestattet wird ( 2 WDB 6.22 - NVwZ 2022, 1733 Rn. 21). Um die Durchführung der angeordneten Durchsuchung messbar und kontrollierbar zu gestalten (vgl. - NJW 2024, 575 Rn. 25 m. w. N.), gilt für die Durchsuchung die Richtlinie, dass sie sich auf die Suche nach Beweismitteln für eine schuldhafte Verletzung der Verfassungstreuepflicht (§ 8 SG) zu beschränken hat. Zu berücksichtigen sind ferner die im Strafprozessrecht zur angemessenen Dauer einer Durchsicht entwickelten Grundsätze (vgl. Tsambikakis, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 27. Aufl. 2019, § 110 Rn. 22) sowie die vom Bundesverfassungsgericht zur Durchsuchung, Sicherstellung und Beschlagnahme von Datenträgern und den darauf befindlichen Daten aufgestellten Maßstäbe (vgl. - BVerfGE 113, 29 <55 ff.>). Ferner ist zu beachten, dass es für die Beschlagnahme einer weiteren richterlichen Entscheidung bedarf.
365. Die Kostenentscheidung beruht auf § 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 WDO. Gründe, die es unbillig erscheinen lassen, den Soldaten mit den Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens (§ 139 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 WDO) oder den ihm darin erwachsenen notwendigen Auslagen (§ 140 Abs. 3 Satz 3 WDO) zu belasten, liegen nicht vor.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2024:140324B2WDB12.23.0
Fundstelle(n):
KAAAJ-64915