BGH Beschluss v. - 3 StR 23/24

Instanzenzug: LG Aurich Az: 19 KLs 16/23

Gründe

I.

11. Das Landgericht verurteilte den Angeklagten am im ersten Rechtsgang wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige und mit Besitz von Betäubungsmitteln (Fall II. 1. der Urteilsgründe) unter Einbeziehung der Strafe aus einer Vorverurteilung zu einer (ersten) Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und neun Monaten. Zudem verhängte es gegen ihn wegen weiterer Betäubungsmitteldelikte eine zweite Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten. Ferner nahm die Strafkammer eine Anrechnung nach § 58 Abs. 2 Satz 2 StGB in Verbindung mit § 56f Abs. 3 Satz 2 StGB vor, ordnete die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt unter Bestimmung eines Teilvorwegvollzugs der Gesamtfreiheitsstrafen an und traf Einziehungsentscheidungen.

22. Auf die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten änderte der Senat (, NStZ-RR 2023, 211) den Schuldspruch im Fall II. 1. der Urteilsgründe dahin, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln entfiel. Zudem hob er das Urteil unter Aufrechterhaltung der jeweils zugehörigen Feststellungen auf in den Aussprüchen über die Einzelstrafe im Fall II. 1. der Urteilsgründe, die erste Gesamtstrafe sowie die Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der Gesamtfreiheitsstrafen vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt. Im Umfang der Aufhebung wurde die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. Im Übrigen verwarf der Senat die Revision.

33. Mit Urteil vom hat das Landgericht im zweiten Rechtsgang eine Einzelfreiheitsstrafe für die Tat II. 1. in Höhe von fünf Jahren und einem Monat gegen den Angeklagten verhängt sowie die erste Gesamtfreiheitsstrafe neu bemessen mit fünf Jahren und zwei Monaten. Ferner hat die Strafkammer ausgehend von der Summe der beiden Gesamtfreiheitsstrafen (sieben Jahre und sechs Monate) und der wegen ihrer Aufrechterhaltung bindenden Feststellung einer voraussichtlichen Dauer der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt von einem Jahr und sechs Monaten in den Gründen des Urteils des ersten Rechtsganges einen Teilvorwegvollzug der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen von drei Jahren und sechs Monaten angeordnet.

44. Gegen das Urteil vom wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen Rechts und die allgemeine Sachbeschwerde gestützten Revision. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Neufestsetzung der Dauer des Vorwegvollzugs. Im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

II.

51. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und damit unzulässig. Das Vorbringen der Revision im Rahmen der Sachrüge, die Richterin, die im zweiten Rechtsgang den Vorsitz innegehabt habe, sei - als Beisitzerin - bereits an der im ersten Rechtsgang ergangenen Entscheidung beteiligt gewesen, so dass sie „im Zweifel in dieser Angelegenheit als möglicherweise befangen galt“, stellt keine Verfahrensrüge dar. Dies gilt umso mehr, als die Revisionsbegründung weiter ausführt, in der instanzgerichtlichen Verhandlung sei durch den damaligen Verteidiger des Angeklagten „ein entsprechender Antrag“ - gemeint offenbar: ein Befangenheitsgesuch - nicht gestellt worden. Jedenfalls aber wäre eine Verfahrensrüge, verstünde man das Vorbringen als solche, unzulässig, weil kein konkreter Verfahrensverstoß behauptet wird.

62. Die auf die allgemeine Sachrüge veranlasste Überprüfung des angefochtenen Urteils hat weder hinsichtlich der Verhängung der Einzelstrafe für die Tat II. 1. noch in Bezug auf die Festsetzung einer neuen ersten Gesamtfreiheitsstrafe einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Entgegen dem Vorbringen der Revision war für eine Neubewertung der Schuldfähigkeit des Angeklagten angesichts der aufrechterhaltenen Feststellungen des ersten Urteils vom aus Rechtsgründen kein Raum. Einen minder schweren Fall des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gemäß § 30a Abs. 3 BtMG im Fall II. 1. hat die Strafkammer rechtsfehlerfrei verneint. Schließlich ist die insofern verhängte Einzelstrafe, anders als die Revision geltend macht, nicht unvertretbar hoch.

73. Dagegen bedarf die Entscheidung über die Dauer des Vorwegvollzugs eines Teils der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB der Änderung.

8Die Strafkammer hat der Berechnung der Vorwegvollzugsdauer, bei der sie zutreffend von der Summe der beiden Gesamtfreiheitsstrafen ausgegangen ist (vgl. , NStZ-RR 2023, 211, 212 mwN), die seit dem geltende Neuregelung des § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB zu Grunde gelegt, nach der die Vorwegvollzugsdauer so zu bestimmen ist, dass nach der teilweisen Strafvollstreckung und der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt eine Haftentlassung zum sogenannten Zwei-Drittel-Zeitpunkt möglich ist.

9Indes ist zum die Übergangsregelung des Art. 316o Abs. 1 Satz 1 EGStGB in Kraft getreten (Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Verkehrsstatistikgesetzes und des Berufskraftfahrerqualifikationsgesetzes sowie des Gesetzes zur Überarbeitung des Sanktionenrechts - Ersatzfreiheitsstrafe, Strafzumessung, Auflagen und Weisungen sowie Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vom , BGBl. 2023 I Nr. 218), die von der Strafkammer noch nicht hat berücksichtigt werden können, die aber für die Entscheidung des Senats maßgeblich ist (§ 354a StPO).

10Nach Art. 316o Abs. 1 Satz 1 EGStGB gilt für die Vollstreckung von vor dem rechtskräftig angeordneten Unterbringungen in einer Entziehungsanstalt § 67 StGB in der bis zu diesem Tag geltenden Fassung (vgl. , NStZ-RR 2024, 49). Dabei handelt es sich um eine andere gesetzliche Bestimmung im Sinne des § 2 Abs. 6 StGB (vgl. BeckOK StGB/Ziegler, 60. Ed., Art. 316o EGStGB Rn. 2). Die im ersten Rechtsgang angeordnete Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB als solche ist mit dem Beschluss des Senats vom rechtskräftig geworden.

11Nach der deshalb einschlägigen alten Fassung des § 67 Abs. 2 Satz 2 und 3, Abs. 5 Satz 1 StGB ist der vor der Maßregel zu vollstreckende Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner Vollziehung und einer anschließenden Unterbringung eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nach bereits der Hälfte der Strafe möglich ist. Ausgehend von der Summe der beiden verhängten Gesamtfreiheitsstrafen und der prognostizierten Therapiedauer von einem Jahr und sechs Monaten ergibt sich nach altem Recht eine Vorwegvollzugsdauer von zwei Jahren und drei Monaten.

12Der Senat kann die gebotene Neuberechnung der Vorwegvollzugsdauer in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst vornehmen (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 177/22, juris Rn. 7; vom - 3 StR 458/21, NStZ-RR 2022, 139, 140; vom - 3 StR 250/21, juris Rn. 3).

134. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels lässt es nicht unbillig erscheinen, den Beschwerdeführer mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:050324B3STR23.24.0

Fundstelle(n):
AAAAJ-64898