Wettbewerbswidrige Preisgestaltung durch Gewährung von Skonti bei Vertrieb von Arzneimitteln - Großhandelszuschläge II
Leitsatz
Großhandelszuschläge II
1. Nach der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV in der seit dem geltenden Fassung hat der pharmazeutische Großhandel bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln an Apotheken einen Mindestpreis einzuhalten, der aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers und einem festen Zuschlag von 70 Cent beziehungsweise - seit dem - 73 Cent zuzüglich Umsatzsteuer besteht. Zugleich legt § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMPreisV - wie bereits § 2 AMPreisV in der bis zum geltenden Fassung - einen Höchstpreis fest.
2. Die Gewährung von Skonti oder sonstigen Preisnachlässen, die zur Unterschreitung des sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV ergebenden Mindestpreises führen, ist unzulässig. Dies gilt sowohl für "echte" Skonti, mit denen eine vertraglich nicht geschuldete Zahlung durch den Käufer vor Fälligkeit abgegolten wird, als auch für "unechte" Skonti, die lediglich die pünktliche Zahlung durch den Käufer honorieren.
Gesetze: § 2 AMPreisV vom , § 2 Abs 1 S 1 Halbs 2 AMPreisV vom , § 2 AMPreisV vom
Instanzenzug: Brandenburgisches Az: 6 U 86/21 Urteilvorgehend Az: 11 O 3/20 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin ist die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.
2Die Beklagte ist eine Parallel- und Reimporteurin von Arzneimitteln. Sie vertreibt in Deutschland als verantwortliche pharmazeutische Unternehmerin im Direktvertrieb gegenüber Apotheken vor allem hochpreisige Arzneimittel. Grundlage ihrer Tätigkeit ist eine Preisliste, in der die angebotenen Präparate in alphabetischer Reihenfolge mit den darin enthaltenen Wirkstoffen und den Netto-Preisen aufgeführt werden. Die dort aufgeführten Preise stellt die Beklagte den Apotheken zuzüglich der Umsatzsteuer in Rechnung und räumt ihnen ein Zahlungsziel von 30 Tagen ein.
3Die Preisliste der Beklagten mit Stand vom (Anlage K1) weist - beispielhaft für das von der Beklagten vertriebene verschreibungspflichtige Präparat A. - folgende Angaben auf:
Soweit diese Angaben für den Rechtsstreit noch relevant sind, haben sie folgende Bedeutung: Die Abkürzung "AEP" bezeichnet den Apothekeneinkaufspreis, der dem nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln durch den Großhandel an Apotheken zuzüglich Umsatzsteuer höchstzulässigen Preis entspricht. Dieser Preis (hier 48,66 €) setzt sich zusammen aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (für A. laut IFA-Arzneimitteldatenbank [Stand ] 46,50 €), einem Festzuschlag von 70 Cent sowie einem optionalen Zuschlag von 3,15 % (hier 1,46 €) auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers. "Preis öff. Apotheke" ist der Preis, den die Beklagte gegenüber ihren Kunden bei Einhaltung der 30-tägigen Zahlungsfrist in Rechnung stellt (hier 47,20 €). Dieser Preis entspricht der Regelung in § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AMPreisV, wonach auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers (hier 46,50 €) ein Festzuschlag von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer zu erheben sind. "14 Tage Valuta" bezeichnet den Betrag, den die Beklagte von ihren Kunden bei - vorfristigem - Zahlungseingang innerhalb von 14 Tagen verlangt (hier 45,78 €) und der sich unter Berücksichtigung des "Skonto" von 3 % (1,42 €) auf den "Preis öff. Apotheke" (47,20 €) ergibt.
5Die Klägerin macht geltend, diese Preisgestaltung sei mit den Vorgaben des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelpreisverordnung in der seit dem geltenden Fassung unvereinbar, weil der skontierte Preis (hier 45,78 €) den nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AMPreisV zu erhebenden Betrag (hier 47,20 €) unterschreite. Sie hat nach erfolgloser Abmahnung zuletzt beantragt, die Beklagte unter Androhung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen,
geschäftlich handelnd bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln an Apotheken Preise zu bewerben, anzukündigen und/oder zu gewähren, die durch die Gewährung von Rabatten und/oder Skonti unter Berücksichtigung der gesetzlichen Umsatzsteuer zu Bruttopreisen führen, die unter dem Wert liegen, der sich ergibt aus dem einheitlichen Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers für dieses Arzneimittel zuzüglich eines Festzuschlags von 0,70 € sowie der Umsatzsteuer, insbesondere wenn dies geschieht wie aus der Anlage K1 mit Bezug auf das Präparat "A. " in der Packungsgröße 5x3 ml ersichtlich.
Außerdem hat die Klägerin die Erstattung einer Abmahnkostenpauschale in Höhe von 299,60 € nebst Zinsen begehrt.
6Das Landgericht hat der Klage stattgegeben (LG Cottbus, WRP 2021, 271). Auf die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen, soweit sich die Klägerin gegen die Gewährung von Rabatten durch die Beklagte gewendet hat; soweit es die Verurteilung zur Unterlassung der Gewährung von Skonti und zur Zahlung von Abmahnkosten nebst Zinsen angeht, hat das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (OLG Brandenburg, PharmR 2023, 449).
7Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf vollständige Klageabweisung weiter.
Gründe
8A. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung - angenommen, die Beklagte habe gegen § 78 AMG, § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV verstoßen, soweit sie den von ihr belieferten Apotheken bei Zahlung innerhalb von 14 Tagen ein Skonto gewährt habe. Zur Begründung hat es ausgeführt:
9Die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV sehe bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln durch den Großhandel an Apotheken Zuschläge vor, denen der Betrag zugrunde liege, zu dem der pharmazeutische Unternehmer das Arzneimittel abgebe. Hieraus ergebe sich eine Preisspanne, innerhalb derer das vom Großhandel geforderte Entgelt angesiedelt sein müsse. Die Summe aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers und dem Festzuschlag von 70 Cent zuzüglich Umsatzsteuer bilde einen Mindestpreis. Der von der Beklagten in ihrer Preisliste genannte Preis des Arzneimittels " A. " habe bei Inanspruchnahme des Skontos, bezeichnet mit "14 Tage Valuta", mit 45,78 € die sich danach ergebende Preisuntergrenze von 47,20 € unterschritten. Da der Festzuschlag kein Entgelt für das abgegebene Arzneimittel darstelle, komme ein Skonto auf diesen Preisbestandteil nicht in Betracht. Dies gelte auch dann, wenn das von der Beklagten ihren Kunden gegenüber eingeräumte Skonto ein "echtes" Skonto darstelle, das heißt eine Vergütung für die vorfristige Zahlung und nicht einen Nachlass auf den geforderten Preis. Sei der Festzuschlag nicht skontierfähig, gelte dies zugleich für den aus dem Festzuschlag und dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zusammengesetzten Mindestpreis insgesamt.
10B. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben keinen Erfolg.
11I. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin ist insbesondere gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG in der bis zum geltenden Fassung (vgl. § 15a Abs. 1 UWG) klagebefugt. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Unterlassungsantrag den Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO genügt.
12II. Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten der geltend gemachte Unterlassungsanspruch in dem noch in Rede stehenden Umfang gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1, § 3 Abs. 1, § 3a UWG in Verbindung mit § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 AMG und § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV zusteht. Die Beklagte hat gegen Preisvorschriften verstoßen, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes gelten. Aus diesem Grund steht der Klägerin gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG in der vorliegend gemäß § 15a Abs. 2 UWG maßgeblichen, bis zum geltenden Fassung auch der geltend gemachte Anspruch auf Ersatz der Abmahnkostenpauschale nebst Zinsen zu (vgl. , TranspR 2022, 285 [juris Rn. 114] mwN).
131. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG kann, wer eine nach § 3 UWG unzulässige geschäftliche Handlung vornimmt, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Nach § 3 Abs. 1 UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig. Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen (§ 3a UWG).
142. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei § 78 Abs. 1 AMG und § 2 AMPreisV um Marktverhaltensregelungen im Sinne von § 3a UWG handelt, weil sie nach ihrem Zweck dazu bestimmt sind, den (Preis-)Wettbewerb unter den Pharmagroßhändlern zu regeln (vgl. , GRUR 2017, 1281 [juris Rn. 22] = WRP 2018, 60 - Großhandelszuschläge I, mwN; allgemein zu den arzneimittelpreisrechtlichen Regelungen vgl. , GRUR 2022, 391 [juris Rn. 61] = WRP 2022, 434 - Gewinnspielwerbung II).
153. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Annahme des Berufungsgerichts, dass nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AMPreisV der pharmazeutische Großhandel bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln an Apotheken zwingend auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers einen Festzuschlag von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer zu erheben hat und nicht berechtigt ist, auf den sich hieraus ergebenden Betrag ein Skonto zu gewähren.
16a) Die Preisbindung für verschreibungspflichtige Arzneimittel hat ihre Grundlage in § 78 AMG. Nach § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG ist ein einheitlicher Apothekenabgabepreis für Arzneimittel zu gewährleisten, die vom Verkehr außerhalb der Apotheken ausgeschlossen sind. Danach müssen Apotheken bei der Abgabe verschreibungspflichtiger Arzneimittel an Patienten einheitliche Preise verlangen. Für diese Arzneimittel haben zudem die pharmazeutischen Unternehmer nach § 78 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 AMG einen einheitlichen Abgabepreis sicherzustellen. In § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG wird der Verordnungsgeber ermächtigt, Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel oder in Apotheken im Wiederverkauf abgegeben werden, festzusetzen. Nach § 78 Abs. 1 Satz 3 AMG gelten die Preisvorschriften für den Großhandel aufgrund von § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AMG auch für pharmazeutische Unternehmer, die eine Tätigkeit nach § 4 Abs. 22 AMG - also den Großhandel mit Arzneimitteln - ausüben, bei der Abgabe an Apotheken, die die Arzneimittel zur Abgabe an den Verbraucher beziehen. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AMPreisV in der für die streitgegenständliche Preisliste der Beklagten mit Stand vom maßgeblichen, vom bis zum geltenden Fassung sind bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch den Großhandel an Apotheken oder Tierärzte auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ein Festzuschlag von 70 Cent (seit dem : 73 Cent) sowie die Umsatzsteuer zu erheben; zusätzlich darf auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer höchstens ein Zuschlag von 3,15 %, höchstens jedoch 37,80 € erhoben werden (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMPreisV).
17b) Das Berufungsgericht hat seiner Beurteilung zutreffend zugrunde gelegt, dass die Beklagte die für den Großhandel geltende Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV zu beachten hat. Die Beklagte ist zwar als Parallel- und Reimporteurin selbst gemäß § 4 Abs. 18 Satz 2 AMG pharmazeutische Unternehmerin. Sie übt jedoch als solche eine Tätigkeit des Großhandels gemäß § 4 Abs. 22 AMG aus, das heißt eine Tätigkeit, die berufs- oder gewerbsmäßig zum Zwecke des Handeltreibens ausgeübt wird und die in der Beschaffung, der Lagerung, der Abgabe oder Ausfuhr von Arzneimitteln besteht, mit Ausnahme der Abgabe von Arzneimitteln an andere Verbraucher als Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte oder Krankenhäuser. Damit hat sie nach § 78 Abs. 1 Satz 3 AMG die Preisvorschriften für den Großhandel zu beachten (Hofmann in Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 3. Aufl., § 78 Rn. 40 bis 41). Dies steht im Revisionsverfahren nicht im Streit.
18c) Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV für den pharmazeutischen Großhandel bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln an Apotheken die Verpflichtung normiert, einen Mindestpreis zu beanspruchen, der der Summe aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, dem Festzuschlag von 70 Cent und der Umsatzsteuer entspricht, und dass die Gewährung von Skonti, die zu einer Unterschreitung dieses Mindestpreises führen, unzulässig ist.
19aa) Hierfür spricht bereits der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV.
20(1) Die frühere Fassung des § 2 Abs. 1 AMPreisV legte allerdings keine Mindestpreise für den Großhandel fest. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV in der vom bis zum geltenden Fassung (AMPreisV aF) darf bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln durch den Großhandel an Apotheken oder Tierärzte auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer höchstens ein Zuschlag von 3,15 %, höchstens jedoch 37,80 €, zuzüglich eines Festzuschlags von 70 Cent sowie die Umsatzsteuer erhoben werden. Nach diesem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV aF ("darf ... höchstens ... erhoben werden") wird die Erhebung von Zuschlägen in das Ermessen des Großhandels gestellt und kein Fest- oder Mindestpreis, sondern ein Höchstpreis festgelegt. Für die Festlegung eines Mindestpreises hätte der Gesetzgeber Begriffe verwenden müssen, aus denen sich ergibt, dass der Großhandel auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers "mindestens" den genannten Festzuschlag aufschlagen "muss" (vgl. BGH, GRUR 2017, 1281 [juris Rn. 29] - Großhandelszuschläge I).
21(2) Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AMPreisV in der seit dem geltenden Fassung "sind" bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln, die zur Anwendung bei Menschen bestimmt sind, durch den Großhandel an Apotheken oder Tierärzte auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ein Festzuschlag von 70 Cent (seit dem : 73 Cent) sowie die Umsatzsteuer "zu erheben". Die Formulierung im Imperativ ("sind … zu erheben") verdeutlicht, dass der Großhandel einen Mindestpreis einzuhalten hat, der aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers und einem festen Zuschlag von 70 Cent beziehungsweise 73 Cent zuzüglich Umsatzsteuer besteht. Zugleich legt § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMPreisV - wie bereits § 2 AMPreisV aF - einen Höchstpreis fest: Auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers "darf" ohne die Umsatzsteuer "höchstens" ein Zuschlag von 3,15 %, höchstens jedoch 37,80 € "erhoben werden".
22(3) Der Normgeber hat sich entschieden, in der Regelung die Wendung "darf … höchstens … erhoben werden" hinsichtlich des Festzuschlags und der Umsatzsteuer durch die Worte "sind … zu erheben", also sinngemäß durch ein "müssen", zu ersetzen. Da die Regelung nach ihrem im Imperativ gefassten Wortlaut keine Ausnahmen von der Erhebung des Mindestpreises zulässt, sind Skonti, die dazu führen, dass die Summe aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, des Festzuschlags von 70 Cent (seit dem : 73 Cent) und der Umsatzsteuer unterschritten wird, unzulässig (vgl. OLG Celle, PharmR 2020, 278 [juris Rn. 49]; MünchKomm.UWG/Köber, 3. Aufl., D. Arzneimittelrecht, § 78 AMG Rn. 70).
23bb) Aus der Systematik der Regelungen des Arzneimittelgesetzes und der Arzneimittelpreisverordnung ergibt sich ebenfalls, dass der Großhandel nunmehr bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zwingend einen Mindestpreis zu beanspruchen hat, der der Summe aus dem Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, dem Festzuschlag von 70 Cent beziehungsweise 73 Cent und der Umsatzsteuer entspricht, und dass Skonti oder sonstige Preisnachlässe, die zur Unterschreitung des sich hieraus ergebenden Betrags führen, unzulässig sind.
24(1) Der Wortlaut von § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AMPreisV ist mit Wirkung vom an denjenigen von § 3 AMPreisV angepasst worden. § 3 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AMPreisV legt fest, wie der nach § 78 Abs. 2 Satz 2 AMG zu gewährleistende einheitliche Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel berechnet wird. Danach sind bei der Abgabe von Fertigarzneimitteln ein Festzuschlag von 3 % zuzüglich 8,35 € zuzüglich 16 Cent (seit dem : 21 Cent) zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes (seit dem : zuzüglich 20 Cent zur Finanzierung zusätzlicher pharmazeutischer Dienstleistungen nach § 129 Abs. 5e SGB V) sowie die Umsatzsteuer zu erheben. Gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 AMPreisV ist der Festzuschlag auf den Betrag zu erheben, der sich aus der Zusammenrechnung des bei Belieferung des Großhandels geltenden Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne die Umsatzsteuer und des darauf entfallenden Großhandelshöchstzuschlags nach § 2 AMPreisV ergibt. Durch die Formulierung im Imperativ, dass bestimmte Zuschläge "zu erheben sind" oder ein Festzuschlag "zu erheben ist", wird deutlich, dass die Apotheken bei der Abgabe von verschreibungspflichtigen Fertigarzneimitteln keinen preislichen Spielraum haben (vgl. BGH, GRUR 2017, 1281 [juris Rn. 33] - Großhandelszuschläge I). Da der Verordnungsgeber die Gewährung von Preisnachlässen nicht ausdrücklich zugelassen hat, sind Skonti danach unzulässig (zu § 3 AMPreisV in der Fassung vom vgl. , GRUR 1984, 748 [juris Rn. 23] = WRP 1984, 538 - Apothekerspannen).
25(2) Wegen der Angleichung des Wortlauts des neu gefassten § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV an denjenigen des § 3 AMPreisV gilt Entsprechendes nunmehr auch für § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV. Deshalb sind Skonti und sonstige Preisnachlässe nur innerhalb des Rahmens des - fakultativen - prozentualen Zuschlags zulässig (Hofmann in Kügel/Müller/Hofmann aaO § 78 Rn. 81; Spickhoff/Starzer, Medizinrecht, 4. Aufl., § 2 AMPreisV Rn. 2 bis 4; vgl. auch Brixius in Bülow/Ring/Artz/Brixius, HWG, 6. Aufl., § 7 Rn. 249 bis 250). Der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, der Festzuschlag und die Umsatzsteuer sind demgegenüber zwingend zu erheben.
26cc) Aus der Gesetzgebungsgeschichte ergibt sich nichts Anderes.
27(1) Bei der Änderung des § 2 AMPreisV mit Wirkung ab dem handelt es sich um eine Reaktion auf die Senatsentscheidung "Großhandelszuschläge I", nach der § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV aF den Großhandel nicht hindert, auf den Festzuschlag von 70 Cent zu verzichten (BGH, GRUR 2017, 1281 [juris Rn. 23] - Großhandelszuschläge I). Gleichzeitig stellt sie eine Klarstellung des mit der Umstellung der Vergütung des Großhandels mit dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz vom (BGBl. I S. 2262) verfolgten Ziels dar, dass der Festzuschlag der Sicherstellung einer angemessenen und flächendeckenden Belieferung der Apotheken dient. Durch die Änderung des § 2 AMPreisV sollte "eindeutig klargestellt werden", dass der Großhandel den Festzuschlag von 70 Cent auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zwingend aufschlagen muss. Der prozentuale Zuschlag sollte dagegen rabattfähig sein und dem Großhandel einen gewissen Spielraum bei der Preisgestaltung gegenüber den Apotheken erlauben (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung vom [Terminservice- und Versorgungsgesetz - TSVG], BT-Drucks. 19/6337, S. 155 f.). Diese Begründung des Regierungsentwurfs nimmt nahezu wortgleich die Begründung des Referentenentwurfs eines Gesetzes für schnellere Termine und bessere Versorgung (Terminservice- und Versorgungsgesetz - TSVG) des Bundesministeriums für Gesundheit vom auf. In dem Referentenentwurf heißt es außerdem ausdrücklich, dass der Großhandel den Festzuschlag von 70 Cent auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zwingend aufschlagen muss und auf diesen Betrag keine Rabatte oder Skonti gewähren "darf" (S. 57) beziehungsweise "kann" (S. 141). Hiermit stimmt die Äußerung der Fraktion der SPD in der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss) überein, wonach es wichtig sei, dass rechtssicher festgehalten werde, dass der Mindestpreis aus Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers, Festzuschlag von 70 Cent und Umsatzsteuer bestehe. Auf diese Preisbestandteile dürfe der Großhandel weder Rabatte noch Skonti gewähren (BT-Drucks. 19/8351, S. 171).
28(2) In dem Regierungsentwurf heißt es zwar auch: "Rabatte und die im Handel allgemein üblichen Skonti können nur auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers und Rabatte nur im Rahmen des prozentualen Zuschlags gewährt werden" (BT-Drucks. 19/6337, S. 156). Der Ansicht, aus dieser Passage in der Begründung des Regierungsentwurfs gehe hervor, dass allein der Zuschlag von 70 Cent "fest" sei und auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers handelsübliche Skonti gewährt werden könnten (Douglas, A&R 2021, 303, 306, 307; Kieser, A&R 2023, 216, 222), kann aber mit Blick auf den abweichenden eindeutigen Wortlaut der Vorschrift und die weitere Gesetzesbegründung nicht zugestimmt werden.
29Maßgebend für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in dieser zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den diese hineingestellt ist. Die vorrangig am objektiven Sinn und Zweck des Gesetzes zu orientierende Auslegung kann durch Motive, die im Gesetzgebungsverfahren dargelegt wurden, im Gesetzeswortlaut aber keinen Ausdruck gefunden haben, nicht gebunden werden. Der Entstehungsgeschichte kommt bei der Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie deren Richtigkeit bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können. Nicht entscheidend ist die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung, zumal sich Versuche, das Vorstellungsbild der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Personen zu ermitteln, oftmals im Spekulativen bewegen (, GRUR 2024, 476 [juris Rn. 27] = WRP 2024, 465 - Corona-Prophylaxe, mwN).
30dd) Dafür, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AMPreisV eine Preisuntergrenze für die Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente an Apotheken vorsieht, die durch Rabatte und Skonti nicht unterschritten werden darf, spricht auch der Sinn und Zweck der Vorschrift.
31Die Preise und Preisspannen für Arzneimittel, die im Großhandel oder in Apotheken abgegeben werden, müssen nach § 78 Abs. 2 Satz 1 AMG den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher, der Apotheken und des Großhandels Rechnung tragen; zu den berechtigten Interessen der Arzneimittelverbraucher gehört auch die Sicherstellung der Versorgung sowie die Bereitstellung von Arzneimitteln nach § 52b AMG. Nach § 52b Abs. 1 AMG stellen Betreiber von Arzneimittelgroßhandlungen eine angemessene und kontinuierliche Bereitstellung von Arzneimitteln sicher, damit der Bedarf von Patienten im Geltungsbereich des Arzneimittelgesetzes gedeckt ist. Da dieser Auftrag von Arzneimittelgroßhandlungen unabhängig vom Preis eines Arzneimittels zu erfüllen ist, soll der Großhandel im Gegenzug eine Vergütung erhalten, die ausreichend ist, eine angemessene und flächendeckende Belieferung der Apotheken zu gewährleisten (BT-Drucks. 19/6337, S. 155). Nach der Vorstellung des Normgebers kann nur dadurch, dass der Großhandel den Festzuschlag von 70 Cent auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zwingend aufschlagen muss, das mit dem Festzuschlag bezweckte Ziel erreicht werden (vgl. BT-Drucks. 19/6337, S. 156). Dieses Ziel würde verfehlt, würde man die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AMPreisV dahin auslegen, dass zwar der Festzuschlag erhoben werden muss, der Großhandel jedoch auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers Skonti oder andere Formen von Preisnachlässen gewähren könnte, die im wirtschaftlichen Ergebnis darauf hinauslaufen, dass auf die Erhebung jeglicher Zuschläge auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers verzichtet wird oder dieser Abgabepreis sogar - wie im Streitfall hinsichtlich des Arzneimittels A. nach Abzug des von der Beklagten gewährten Skontos - unterschritten wird.
32Soweit die Revision geltend macht, die Apotheken seien auf die Skonti angewiesen, um eine flächendeckende und wohnortnahe Arzneimittelversorgung sicherzustellen, trägt dies der Regelungssystematik der Arzneimittelpreisverordnung nicht Rechnung. Die angemessene Vergütung der Apotheken wird nicht durch die Gewährung verbotener Rabatte auf die Großhandelspreise, sondern durch die in § 3 AMPreisV vorgesehenen Apothekenzuschläge gesichert, die - sollten sie hierfür nicht ausreichen - bei Bedarf vom Verordnungsgeber angehoben werden können.
33ee) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht habe den Vortrag der Beklagten unberücksichtigt gelassen, es sei seit langer Zeit üblich, dass pharmazeutische Unternehmer und Großhändler den Apotheken Zahlungsziele gewährten und bei vorfristigen Zahlungen Skonti einräumten. Diese Praxis steht mit § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV in der seit dem geltenden Fassung nicht (mehr) in Einklang. Ein unlauteres Verhalten wird nicht dadurch zulässig, dass es in der Branche üblich ist (BGH, GRUR 2024, 476 [juris Rn. 56] - Corona-Prophylaxe, mwN).
34ff) Es bedarf entgegen der Ansicht der Revision keiner Prüfung, ob die von der Beklagten beworbenen beziehungsweise gewährten Skonti "echte" Skonti darstellen, mit denen eine vertraglich nicht geschuldete Zahlung durch den Käufer vor Fälligkeit abgegolten wird, oder ob es sich um "unechte" Skonti handelt, die lediglich die pünktliche Zahlung durch den Käufer honorieren (vgl. hierzu Mand in Gröning/Mand/Reinhard, Heilmittelwerberecht, Stand Januar 2015, § 7 HWG Rn. 142; ders., A&R 2020, 3, 9 f.).
35(1) Das Berufungsgericht hat angenommen, die Gewährung eines Skontos auf den Festbetrag komme nicht in Betracht. Dies gelte unabhängig davon, wie man das von der Beklagten ihren Kunden gegenüber eingeräumte Skonto einordne, also auch dann, wenn es als "echtes Skonto" nicht einen Nachlass auf den geforderten Preis, sondern eine Vergütung für die vorfristige Zahlung darstelle. Für den nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AMPreisV zu erhebenden Festzuschlag scheide eine entsprechende Skontierung aus, weil er zur Sicherung der Existenz des Großhandels und zur Gewährleistung der Belieferung der Apotheken in der Fläche der Höhe nach durch öffentlich-rechtliche Normen bestimmt worden sei. Er sei der Disposition der Parteien entzogen und könne nicht Gegenstand eines Nachlasses für vorfristige Zahlung sein, weil er anderenfalls seiner Funktion als Finanzierungsbeitrag zur Sicherung der im öffentlichen Interesse liegenden Existenz und Funktionsfähigkeit des Großhandels beraubt würde. Dies gelte auch für den nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AMPreisV aus Festzuschlag und Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zusammengesetzten Mindestpreis insgesamt. Ließe man ein Skonto zwar nicht auf den Festzuschlag, wohl aber auf den Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers zu, würde auch der Festzuschlag indirekt nicht mehr erhoben werden. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision ohne Erfolg.
36(2) Allerdings wird im Schrifttum die Ansicht vertreten, dass auch nach Inkrafttreten von § 2 AMPreisV in der seit dem geltenden Fassung Skonti im Rahmen marktüblicher Bedingungen (sogenannte echte Skonti) - neben einem Verzicht auf den disponiblen Höchstzuschlag - erlaubt seien, da es sich nicht um einseitige Preisnachlässe handele (BeckOK.HWG/Doepner/Reese, 11. Edition [Stand ], § 7 Rn. 510; Hasselblatt/Gregor in Gloy/Loschelder/Danckwerts, Handbuch des Wettbewerbsrechts, 5. Aufl., 14. Kapitel § 48 Rn. 73), sondern um echte Gegenleistungen für vertraglich nicht geschuldete Leistungen des Käufers (Mand in Gröning/Mand/Reinhard aaO § 7 HWG Rn. 144; ders., A&R 2020, 3, 10) in Form einer vorfristigen Zahlung vor Ablauf des eingeräumten Zahlungsziels.
37(3) Dieser Auffassung kann jedoch nicht zugestimmt werden. Nach Wortlaut, Systematik sowie Sinn und Zweck soll § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV in der seit dem geltenden Fassung mit einer Festlegung eines Mindest- und eines Höchstpreises eine Preisbindung gewährleisten. Die Gewährung von (echten oder unechten) Skonti, die dazu führen, dass tatsächlich Preise außerhalb des festgelegten Preisrahmens gezahlt werden, ist hiermit nicht vereinbar. Die Festsetzung von Preisspannen liefe leer, wenn sie durch Rabatte und Skonti unterlaufen werden könnte.
38(4) Dem steht die Entscheidung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs "Rollfilme" (, BGHZ 36, 370) nicht entgegen.
39(a) Die Entscheidung "Rollfilme" ist zu § 16 GWB in der damals geltenden Fassung ergangen. Diese Vorschrift erlaubte dem Hersteller von Markenware unter bestimmten Voraussetzungen - in Ausnahme von dem in § 15 GWB normierten Grundsatz, nach dem sogenannte vertikale Beschränkungen in der Freiheit der Gestaltung von Preisen nichtig sind - die rechtliche wie die wirtschaftliche Bindung der folgenden Wirtschaftsstufen oder auch einzelner Wirtschaftsstufen, also etwa des Großhandels oder des Einzelhandels, an bestimmte Preise (vgl. BGHZ 36, 370 [juris Rn. 5] - Rollfilme). In dem Verfahren, das dieser Entscheidung zugrunde lag, ging es um die Frage, ob Hersteller von Markenware berechtigt waren, Händler vertraglich dazu zu verpflichten, die gebundenen Preise nicht durch Barzahlungsrabatte gemäß § 2 des mit Ablauf des außer Kraft getretenen Rabattgesetzes (RabattG) zu unterschreiten (BGHZ 36, 370 [juris Rn. 2] - Rollfilme). In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof zwischen zwei verschiedenen Arten von Rabatten differenziert. Eine Art von Rabatten, zu denen die Rabatte gemäß § 2 RabattG gehören, dient der Abgeltung von sich lediglich im Rahmen des ordnungsgemäß erfüllten Vertrags haltenden Leistungen des Käufers. Mit der anderen Art von Rabatten werden Leistungen abgegolten, die der Käufer zusätzlich zu den ihm vertraglich obliegenden Leistungen erbringt. Bei den zuletzt genannten Rabatten rechnet der Verkäufer das Entgelt für eine vom Käufer nicht geschuldete Leistung mit seiner Kaufpreisforderung auf, so dass ihm im Ergebnis nur ein geringerer Preis als der vorgeschriebene tatsächlich gezahlt wird (vgl. BGHZ 36, 370 [juris Rn. 6] - Rollfilme). Der Bundesgerichtshof hat in der Entscheidung "Rollfilme" entschieden, dass der Hersteller von Markenware Barzahlungsnachlässe jedenfalls dann nicht hinnehmen muss, wenn es sich nicht um Vergünstigungen für Zahlungen vor Fälligkeit bei Kreditkäufen handelt, sondern um ein Entgelt für Leistungen des Käufers, die nicht über seine vertraglichen Pflichten hinausgehen (vgl. BGHZ 36, 370 [juris Rn. 9 und 12] - Rollfilme).
40(b) Aus diesen Erwägungen ergibt sich nicht, dass die Gewährung echter Skonti durch den pharmazeutischen Großhandel, die eine Gegenleistung für eine vor Ablauf einer eingeräumten Zahlungsfrist erfolgte Kaufpreiszahlung durch die Apotheken darstellt, nach § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV in der seit dem geltenden Fassung zulässig ist.
41Der Bundesgerichtshof hat sich in der Entscheidung "Rollfilme" bereits nicht mit der Frage befasst, ob die Gewährung echter Skonti im Rahmen von vertraglich vereinbarten Rabattverboten zulässig ist; diese Frage ist vielmehr offengeblieben (vgl. BGHZ 36, 370 [juris Rn. 9] - Rollfilme). Der Bundesgerichtshof hat allein entschieden, dass der Händler, dem vertraglich vom Hersteller die Gewährung von Rabatten untersagt worden ist, kein Entgelt für die unverzügliche ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Pflichten des Käufers (unechte Skonti) gewähren darf, und der Wirksamkeit dieses Verbots die Vorschrift des § 16 GWB in der damaligen Fassung nicht entgegensteht (vgl. BGHZ 36, 370 [juris Rn. 12] - Rollfilme).
42Die Frage, ob vertragliche oder gesetzliche Verbote, festgelegte Preise nicht durch Rabatte zu unterschreiten, in jedem Fall zur Unzulässigkeit der Gewährung echter Skonti führen, muss auch im Streitfall nicht allgemein beantwortet werden. Jedenfalls im Rahmen der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV, die im Verhältnis zwischen dem pharmazeutischen Großhandel und den Apotheken durch Festlegung eines Mindest- und eines Höchstpreises bereits einen gewissen preislichen Spielraum eröffnet, sind angesichts von Wortlaut, Systematik und Zweck der Regelung vertragliche Gestaltungen nicht zulässig, die durch Einräumung von Zahlungsfristen und Gewährung von Skonti, wenn Zahlungen vorfristig erfolgen, zu einer Unterschreitung des Mindestpreises führen.
43d) Diese Auslegung des § 2 AMPreisV unterliegt entgegen der Ansicht der Revision als Eingriff in die Berufsfreiheit auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
44aa) Eingriffe in die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dürfen nur auf Grundlage einer gesetzlichen Regelung erfolgen, die Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen lässt. Dabei muss der Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Entscheidungen treffen, soweit sie gesetzlicher Regelung zugänglich sind. Dies bedeutet aber nicht, dass sich die erforderlichen Vorgaben ohne weiteres aus dem Wortlaut des Gesetzes ergeben müssen; es genügt, dass sie sich mit Hilfe allgemeiner Auslegungsgrundsätze erschließen lassen (BVerfG, NJW 2011, 1578 [juris Rn. 33]). Nach diesen Grundsätzen ergibt die Auslegung von § 2 AMPreisV in seiner geänderten Fassung ein Skontoverbot.
45bb) Der in § 2 AMPreisV liegende Eingriff in die Berufsfreiheit genügt auch materiell den verfassungsrechtlichen Anforderungen. Die Norm enthält eine Berufsausübungsregelung für pharmazeutische Unternehmen und den Arzneimittelgroßhandel, die Apotheken beliefern. Berufsausübungsregelungen dürfen vom Gesetzgeber getroffen werden, wenn sie durch hinreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind, die gewählten Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und erforderlich sind und die durch sie bewirkte Beschränkung den Betroffenen zumutbar ist. Dem Gesetzgeber kommt dabei eine weite Gestaltungsfreiheit zu, insbesondere wenn die Vorschrift - wie hier - keinen unmittelbar berufsregelnden Charakter hat (zur Buchpreisbindung vgl. , juris Rn. 13). Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung von § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV den ihm eingeräumten Spielraum überschritten hätte.
464. Der von der Beklagten ausweislich ihrer Preisliste mit Stand vom für den Bezug des Arzneimittels A. unter Berücksichtigung eines Skontos von 3 % berechnete Preis von 45,78 € netto liegt nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts unter dem nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 AMPreisV zu erhebenden Betrag.
47Der Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers - dies ist nach § 4 Abs. 18 Satz 2 AMG vorliegend die Beklagte selbst - für das Arzneimittel A. betrug ausweislich des mit der Klageschrift vorgelegten Auszugs aus der IFA-Arzneimitteldatenbank mit Stand vom 46,50 €. Dieser Abgabepreis ist entgegen der von der Revision in der Revisionsverhandlung geäußerten Ansicht kein variabler, sondern ein fester Betrag. Dies geht aus § 78 Abs. 3 Satz 1 AMG hervor, wonach die Beklagte als pharmazeutische Unternehmerin einen "einheitlichen" Abgabepreis sicherzustellen hat. Rechnet man zu diesem Abgabepreis von 46,50 € den Festbetrag von 70 Cent hinzu, ergibt sich ein von der Beklagten zu erhebender Mindestpreis von 47,20 €. Dieser Mindestpreis wird durch den Preis von 45,78 €, der sich nach dem Abzug von 3 % Skonto auf diesen Betrag ergibt, unterschritten.
485. Entgegen der Ansicht der Revision ist das beanstandete Verhalten der Beklagten auch geeignet, die Interessen von Verbrauchern und Mitbewerbern im Sinne von § 3a UWG spürbar zu beeinträchtigen.
49a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der festgestellte Verstoß gegen § 78 AMG, § 2 Abs. 1 AMPreisV sei geeignet, die Interessen von Mitbewerbern und sonstigen Marktteilnehmern spürbar zu beeinträchtigen. Auch relativ geringfügige Nachlässe seien geeignet, Einfluss auf das Kundenverhalten zu nehmen, da die Preisbindung einen Wettbewerb über den Preis außerhalb des nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AMPreisV zulässigen fakultativen Aufschlags grundsätzlich ausschließe. Dies gelte insbesondere dann, wenn, wie vorliegend, vorwiegend hochpreisige Arzneimittel abgegeben würden. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.
50b) Die Frage, ob eine Eignung zur spürbaren Interessenbeeinträchtigung besteht, ist nach dem Schutzzweck der jeweils verletzten Marktverhaltensregelung zu beurteilen. Bei dieser Beurteilung sind diejenigen Zwecke zu berücksichtigen, die die Einordnung der Vorschrift als Marktverhaltensregelung rechtfertigen, weil sie die Interessen der Marktteilnehmer betreffen (, GRUR 2019, 1071 [juris Rn. 54] = WRP 2019, 1296 - Brötchen-Gutschein, mwN). Da die Regelungen in § 78 AMG und § 2 AMPreisV dazu bestimmt sind, den (Preis-)Wettbewerb unter den Pharmagroßhändlern zu regeln (s. o. Rn. 14), dürfen sie nicht dadurch unterlaufen werden, dass ein dagegen erfolgter Verstoß als nicht spürbar eingestuft und damit als nicht wettbewerbswidrig angesehen wird (vgl. BGH, GRUR 2019, 1071 [juris Rn. 57] - Brötchen-Gutschein).
51III. Danach ist die Revision der Beklagten mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:080224UIZR91.23.0
Fundstelle(n):
BB 2024 S. 897 Nr. 17
NJW-RR 2024 S. 850 Nr. 13
YAAAJ-64890