BGH Beschluss v. - 3 StR 389/23

Gesetze: § 74 Abs 1 Alt 2 StGB, § 74a Nr 1 StGB, § 74e Nr 1 StGB, § 74f Abs 1 StGB

Instanzenzug: LG Aurich Az: 19 KLs 19/22

Gründe

1Das Landgericht hat die Angeklagten jeweils wegen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Freiheitsstrafen verurteilt und gegen sie gerichtete Einziehungsentscheidungen getroffen. Die ihre Verurteilungen beanstandenden Revisionen hat der Senat mit gesondertem Beschluss verworfen. Des Weiteren hat die Strafkammer die Einziehung der Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs der Einziehungsbeteiligten auf Übertragung des Eigentums an einem aus mehreren Flurstücken bestehenden und im Einzelnen grundbuchmäßig näher bezeichneten bebauten Grundstück im Bezirk W.     angeordnet. Hiergegen wendet sich die Einziehungsbeteiligte mit ihrer auf die allgemeine Verfahrens- und Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

21. Das Landgericht hat - soweit für die zu treffende Entscheidung von Bedeutung - die nachfolgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:

3Der Angeklagte R.                war im Tatzeitraum einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Einziehungsbeteiligten. In dieser Eigenschaft erwarb er im Juni 2021 namens der Einziehungsbeteiligten mit notariellem Vertrag ein aus mehreren Teilflächen bestehendes und bebautes Grundstück in der Gemeinde W.     , auf dem vormals ein Autohaus betrieben worden war. Die Rechtsposition der Einziehungsbeteiligten als Erwerberin wurde durch die Eintragung einer Vormerkung im Grundbuch gesichert. Trotz Zahlung des Kaufpreises in Höhe von 500.000 € und Übergang der Nutzungen und Lasten kam es mangels Begleichung der Grunderwerbssteuer nicht zu einem Eigentumsübergang an dem Grundstück.

4Im Januar 2022 vermietete der Angeklagte auf Vermittlung des Mitangeklagten die Werkstatthalle der Liegenschaft an unbekannte Personen zum Zwecke des Betriebs einer Cannabis-Plantage. Neben der Werkstatthalle umfasste das vormalige Autohaus zumindest einen „Showroom“, elf Einzelbüros, einen Lagerraum, Aufenthaltsräume mit Sanitäranlagen, eine Garage und eine separate Waschhalle. Verschiedene Teile dieser weiteren Räumlichkeiten waren auch während des Betriebs der Cannabis-Plantage durchgängig an andere Nutzer vermietet.

5Am wurden anlässlich einer Durchsuchung des Autohauses in der Werkstatthalle unter anderem 406 annähernd erntereife Cannabispflanzen sichergestellt.

6Das Landgericht hat die Einziehung der Vormerkung zu Lasten der Einziehungsbeteiligten auf § 74 Abs. 1 Alternative 2, § 74a Nr. 1 StGB gestützt und ausgeführt, der Angeklagte habe im Sinne des § 74e Nr. 1 StGB als vertretungsberechtigter Geschäftsführer leichtfertig dazu beigetragen, dass die Immobilie für den Betrieb der Plantage verwendet werden konnte. Auch sei die Einziehung von Anwartschaftsrechten rechtlich möglich. Sie hat das ihr eingeräumte Ermessen insoweit ausgeübt, als die ausgesprochene Einziehung trotz des erheblichen wirtschaftlichen Werts der Vormerkung und der Gefahr einer persönlichen Durchgriffshaftung gegenüber diesem Angeklagten mit Blick auf den erheblichen Handlungsunwert seiner Beihilfe gerechtfertigt sei.

72. Die in dem angefochtenen Urteil zulasten der Einziehungsbeteiligten getroffene Einziehungsanordnung hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil sie an einem durchgreifenden Erörterungsmangel leidet. Dieser besteht darin, dass die gemäß § 74f Abs. 1 StGB an dem Maßstab der Verhältnismäßigkeit auszurichtende Ermessensentscheidung der Strafkammer die Einbeziehung nach den Umständen des Einzelfalls erörterungsbedürftiger Umstände vermissen lässt. So bleibt bereits unberücksichtigt, dass sich der mit lediglich 406 Pflanzen relativ überschaubare Plantagenbetrieb ausschließlich auf einer abgrenzbaren Teilfläche der gesamten Liegenschaft abspielte. Neben dem Betrieb der Plantage war die Fortsetzung mehrerer anderer Nutzungsverhältnisse möglich, ohne dass es zu einer Entdeckung kam. Weiter lässt der zeitliche Ablauf einen Erwerb des Autohauses durch die Einziehungsbeteiligte bereits in der Absicht einer späteren Vermietung an die unbekannten Plantagenbetreiber als fernliegend erscheinen; festgestellt ist solches jedenfalls nicht. Letztlich hat die Strafkammer nicht in den Blick genommen, dass die Berücksichtigung erheblichen Handlungsunwerts in der Person des Angeklagten R.                dadurch eine Relativierung erfahren haben könnte, dass er lediglich als Gehilfe abgeurteilt worden ist.

83. Die getroffenen Feststellungen bleiben bestehen, weil sie von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Sie können um solche Feststellungen ergänzt werden, die den bisherigen nicht widersprechen.

94. Sollte das neue Tatgericht wiederum auf die Einziehung der gesicherten Rechtsposition der Einziehungsbeteiligten erkennen, wird es - worauf der Generalbundesanwalt zutreffend hingewiesen hat - bei der Formulierung der Beschlussformel zu beachten haben, dass als Gegenstand der Einziehung das Anwartschaftsrecht und nicht die - lediglich der grundbuchmäßigen Sicherung dienende - Vormerkung zu bezeichnen sein wird (vgl. hierzu , juris Rn. 30 [zum Erbbaurecht an einem Grundstück]; Urteile vom - 4 StR 307/98, NStZ-RR 1999, 11; vom - 4 StR 308/72, BGHSt 25, 10, 11 [jeweils Anwartschaftsrechte an Kraftfahrzeugen betreffend]; LK/Lohse, StGB, 13. Aufl., § 74 Rn. 32, jeweils mwN).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:050324B3STR389.23.0

Fundstelle(n):
wistra 2024 S. 3 Nr. 5
wistra 2024 S. 419 Nr. 10
QAAAJ-64832