Grunderwerbsteuer: Verhinderung etwaiger Steuerumgehungen durch § 6 Abs. 4 GrEStG
Kombination der mittelbaren, nicht steuerbaren Übertragung einer Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesamthand zwischen
Tochter und Vater mit einer anschließenden mittelbaren steuerbaren, aber steuerbefreiten Übertragung dieser Anteile zwischen
Vater und Sohn
Leitsatz
1. § 6 GrEStG findet auf alle steuerbaren Erwerbsvorgänge des § 1 GrEStG entsprechende Anwendung, mithin auch auf den fiktiven
Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 3a GrEStG.
2. Sind an einer Gesamthand 1 der Vater zu 10 % sowie Sohn und Tochter zu je 45 % beteiligt und erwirbt der Vater über eine
Gesamthand 2, an der er zu 100 % beteiligt ist, die 45 %-Beteiligung der Tochter an der Gesamthand 1, so ist dieser Anteilserwerb
nicht nach § 1 Abs. 3a GrEStG steuerbar. Erwirbt jedoch kurze Zeit danach der Sohn die Anteile des Vaters an der Gesamthand
2 und ist er dadurch insgesamt (mittelbar und unmittelbar) zu 90 % an der Gesamthand 1 beteiligt, so ist dieser Anteilserwerb
nach § 1 Abs. 3a GrEStG steuerbar. Da die Gesamthand 2 ihre Beteiligung an der Gesamthand 1 erst innerhalb von zehn Jahren
vor der Übertragung ihrer Anteile vom Vater auf den Sohn erworben hat, steht insoweit § 6 Abs. 4 Nr. 1 GrEStG bei der gebotenen
teleologischen Reduzierung gegen den Gesetzeswortlaut einer anteiligen Steuerbefreiung in entsprechender Anwendung des § 6
Abs. 2 GrEStG in Verbindung mit § 3 Nr. 6 GrEStG entgegen.
3. § 6 Abs. 4 GrEStG ist eine Missbrauchsverhinderungsvorschrift, mit der Steuerumgehungen durch die Kombination eines außerhalb
von § 1 Abs. 2a GrEStG nicht steuerbaren Wechsels im Gesellschafterbestand einer Gesamthand und der nachfolgenden nach § 6
GrEStG begünstigten Übernahme von Grundstücken aus dem Gesamthandsvermögen durch den „neuen” Gesellschafter verhindert werden
sollen (vgl. ). Nicht maßgebend ist, ob (subjektiv) im Einzelfall eine Steuerumgehung
beabsichtigt war. Die Vorschrift greift ein, um objektiven Steuerumgehungen vorzubeugen, die der – im Grundsatz – steuerfreie
Übergang von Anteilen an einer Gesamthand ermöglicht. Dies wird für Änderungen der Beteiligungsverhältnisse an der veräußernden
Gesamthand innerhalb der Zehnjahresfrist typisierend unterstellt.
4. Es kommt auf das abstrakte Missbrauchspotential derjenigen Gestaltung an, auf die § 6 Abs. 4 GrEStG zielt. Das ist die
Kombination eines nicht steuerbaren Erwerbs einer Beteiligung an einer Gesamthand mit einer steuerbefreiten Grundstücksübernahme
aus dem Vermögen der Gesamthand.
5. Es liegt eine missbrauchsgeneigte Gestaltung vor, wenn der nicht steuerbare Erwerb der 45%-Beteiligung der Tochter an der
Gesamthand 1 durch die Gesamthand 2, deren Alleingesellschafter der Vater ist, mit der in entsprechender Anwendung des § 6
Abs. 2 GrEStG in Verbindung mit § 3 Nr. 6 GrEStG steuerbefreiten Übernahme dieser Anteile durch den Sohn kombiniert wird und
wenn eine unmittelbare Übertragung der 45 %-Beteiligung der Schwester an der Gesamthand 1 auf den Bruder mangels Verwandtschaft
in gerader Linie nicht gemäß § 6 Abs. 2 GrEStG in Verbindung mit § 3 Nr. 6 GrEStG entsprechend von der Steuer befreit wäre.
Fundstelle(n): DStR-Aktuell 2024 S. 10 Nr. 40 DStRE 2024 S. 1328 Nr. 21 ErbStB 2024 S. 155 Nr. 6 ErbStB 2024 S. 156 Nr. 6 UVR 2024 S. 171 Nr. 6 MAAAJ-64414
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