Instanzenzug: LG Krefeld Az: 7 T 120/21vorgehend AG Krefeld Az: 29 XIV(B) 167/21
Gründe
1I. Der Betroffene, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste am aus den Niederlanden in das Bundesgebiet ein. Er besaß einen gültigen Reisepass und ein österreichisches Visum, jedoch keinen Aufenthaltstitel für Deutschland. Am selben Tag verfügte die beteiligte Behörde seine Zurückschiebung nach Österreich und beantragte beim Amtsgericht die vorläufige Freiheitsentziehung zur Sicherung der Abschiebung im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum . Dem entsprach das . Mit am selben Tag beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz vom bestellte sich Rechtsanwalt N. unter Vorlage einer Vollmacht für den Betroffenen, legte Beschwerde gegen die einstweilige Haftanordnung ein und beantragte die Aufhebung dieses Beschlusses sowie hilfsweise die sofortige Aussetzung der weiteren Vollziehung.
2Auf Antrag der beteiligten Behörde vom hat das Amtsgericht nach Anhörung des Betroffenen mit Beschluss vom in der Hauptsache Haft zur Sicherung seiner Abschiebung nach Österreich bis zum angeordnet. Der dagegen von Rechtanwalt N. für den Betroffenen am eingelegten Beschwerde hat das nicht abgeholfen. Das Landgericht hat sie mit dem hier angefochtenen Beschluss vom zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der - nach Ablauf der angeordneten Haftzeit noch auf Feststellung gerichteten - Rechtsbeschwerde.
3II. Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
41. Das Beschwerdegericht hat angenommen, die Haftanordnung des Amtsgerichts sei rechtmäßig. Ihr habe ein zulässiger Haftantrag zugrunde gelegen. Es stelle keinen Verfahrensfehler dar, dass das Amtsgericht den Verfahrensbevollmächtigten des Betroffenen nicht am Anhörungstermin vom beteiligt habe, da ihm die anwaltliche Vertretung des Betroffenen im vorangegangenen Verfahren über die einstweilige Haftanordnung nicht bekannt gewesen sei.
52. Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand. Entgegen der Rüge der Rechtsbeschwerde hat das Amtsgericht den Grundsatz des fairen Verfahrens nicht verletzt.
6a) Der Grundsatz des fairen Verfahrens garantiert jedem Betroffenen das Recht, sich in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen. Erfährt oder weiß das Gericht, dass der Betroffene einen Rechtsanwalt hat, muss es dafür Sorge tragen, dass dieser von dem Termin in Kenntnis gesetzt und ihm die Teilnahme an der Anhörung ermöglicht wird; gegebenenfalls ist unter einstweiliger Anordnung einer nur kurzen Haft nach § 427 FamFG ein neuer Termin zu bestimmen. Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies ohne Weiteres zur Rechtswidrigkeit der Haft; es kommt in diesem Fall nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf diesem Fehler beruht (st. Rspr.; vgl. zuletzt BGH, Beschlüsse vom - XIII ZB 74/20, InfAuslR 2022, 416 Rn. 11; vom - XIII ZB 77/20, juris Rn. 6 sowie XIII ZB 49/20, juris Rn. 6, jew. mwN).
7b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss das Haftgericht einen Verfahrensbevollmächtigten zum Anhörungstermin jedoch nur laden und ihn über die Ladung des Betroffenen zu diesem Termin nur unterrichten, wenn der Bevollmächtigte sich in diesem Verfahren bestellt oder der Betroffene von der Bestellung Mitteilung gemacht hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom - V ZB 222/09, FGPrax 2010, 154 Rn. 18; vom - V ZB 144/17, InfAuslR 2020, 30 Rn. 9; vom - XIII ZB 70/21, Asylmagazin 2023, 275 Rn. 10). Eine solche Bestellung oder Mitteilung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weder entbehrlich, wenn der Verfahrensbevollmächtigte den Betroffenen in einem dem Haftantragsverfahren vorhergehenden ausländer- oder asylrechtlichen Verfahren vertreten hat (BGH, Asylmagazin 2023, 275 Rn. 10), noch - in einem Verfahren über einen Antrag auf Verlängerung der Haft -, wenn der Rechtsanwalt bereits Beschwerde gegen eine vorangegangene Anordnung von Sicherungshaft eingelegt hat (, InfAuslR 2019, 454 Rn. 7 f.; BGH, InfAuslR 2020, 30 Rn. 12). Denn in beiden Konstellationen handelt es sich jeweils um eigenständige Verfahren mit der Folge, dass aus einer Bestellung des Verfahrensbevollmächtigten im einen Verfahren nicht zwingend eine Bestellung auch für das andere Verfahren folgt (vgl. , Asylmagazin 2018, 387 Rn. 7; BGH, InfAuslR 2020, 30 Rn. 10). Diese Grund-sätze gelten in gleicher Weise für das Verhältnis zwischen dem einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 427 FamFG und dem Hauptsacheverfahren über die Haftanordnung nach § 417 FamFG. Denn auch diese stellen, wie aus § 51 Abs. 3 Satz 1 FamFG folgt, jeweils eigenständige Verfahren dar ( Rn. 7 [z. Veröff. best.]).
8c) Das über einen Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft entscheidende Amtsgericht ist auch nicht verpflichtet, von Amts wegen zu prüfen, ob sich in einem vorangegangenen Verfahren für den Betroffenen ein Verfahrensbevollmächtigter bestellt hat (für ein dem Verfahren über einen Haftverlängerungsantrag vorangegangenes Verfahren über die Haftanordnung: BGH, InfAuslR 2019, 454 Rn. 7 f.; InfAuslR 2020, 30 Rn. 12). Nur wenn dem Haftgericht bekannt ist, dass der Betroffene in dem Verfahren, aufgrund dessen er sich bereits in Haft befindet, durch einen Rechtsanwalt vertreten wurde, muss es den Betroffenen fragen, ob dieser ihn auch in dem aktuellen Haftanordnungsverfahren vertreten soll, und, wenn die Frage bejaht wird, dem Rechtsanwalt eine Teilnahme an der persönlichen Anhörung des Betroffenen ermöglichen. Denn angesichts des unmittelbaren Zusammenhangs der betreffenden Verfahren liegt nahe, dass sich die anwaltliche Vertretung auch auf letzteres Verfahren erstreckt (vgl. BGH, InfAuslR 2019, 454 Rn. 6 ff.).
9d) Danach hat das Amtsgericht durch seine Verfahrensgestaltung die Teilnahme von Rechtsanwalt N. am Anhörungstermin vom nicht vereitelt. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts ist der Schriftsatz von Rechtsanwalt N., mit welchem sich dieser im Verfahren über die einstweilige Anordnung für den Betroffenen bestellt und Beschwerde gegen den Beschluss vom eingelegt hat, zwar am per Fax beim (selben) Amtsgericht eingegangen. Er ist "der zuständigen Amtsrichterin" jedoch erst am und somit nach Erlass des angefochtenen Beschlusses vom vorgelegt worden, wobei unklar ist, ob beide Beschlüsse von derselben Richterin erlassen worden sind. Da der Betroffene selbst in der Anhörung am seine anwaltliche Vertretung auch nicht erwähnt hat, war der Haftrichterin zu diesem Zeitpunkt nicht bekannt, dass sich im vorangegangenen Verfahren über die einstweilige Haftanordnung ein Verfahrensbevollmächtigter bestellt hatte. Nach den vorstehenden Ausführungen ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde mangels weitergehender Prüfpflicht die Kenntnis der Haftrichterin von einer anwaltlichen Vertretung des Betroffenen im vorangegangenen Verfahren über die einstweilige Haftanordnung auch nicht zu unterstellen.
103. Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:300124BXIIIZB4.22.0
Fundstelle(n):
QAAAJ-64294