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BGH Beschluss v. - III ZR 174/22

Streitwert einer Klage auf Freistellung von einer Verbindlichkeit

Gesetze: § 3 ZPO

Instanzenzug: OLG Frankfurt Az: 21 U 81/20vorgehend LG Frankfurt Az: 2-13 O 355/19nachgehend Az: III ZR 174/22 Beschluss

Gründe

I.

1Die Klägerin, die Ende 2012/Anfang 2013 mit der im Jahr 2015 in Insolvenz gefallenen D.  AG im Rahmen eines von dieser angebotenen Anlagemodells mehrere Verträge über von ihr zu gewährende Nachrangdarlehen - von denen einer in Raten zu bedienen war - abschloss hat, nimmt in dritter Instanz noch die Beklagten zu 1, 2 und 7 auf Ersatz der von ihr eingezahlten Beträge abzüglich erhaltener Zinsen (4.400 € aus dem Vertrag Nr. D.         , 1.683,27 € aus dem Vertrag Nr. D.          und 2.100 € aus dem Vertrag Nr. D.        ) Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Rechte aus den jeweiligen Verträgen in Anspruch. Ferner verlangt sie die Freistellung von Rückforderungsansprüchen des Insolvenzverwalters, die sie zum einen hinsichtlich der ihr auf den Vertrag Nr. D.         gezahlten Zinsen in Höhe von 316,73 € und zum anderen wegen der offenen Raten aus dem Vertrag Nr.         in Höhe von 16.800 € befürchtet (Anträge zu 3b und 4b), die Feststellung des Annahmeverzugs und die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Ihre Klage hatte insoweit keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Streitwert auf insgesamt 20.164,98 € festgesetzt. Dabei hat es neben den bezifferten auf Rückzahlung von insgesamt 8.182,27 € gerichteten Zahlungsanträgen die Freistellunganträge zu 3b und 4b mit einem Abschlag von 30 % auf den von der Klägerin angegebenen Nominalwert, mithin mit 221,71 € und 11.760 €, berücksichtigt.

2Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Berufungsurteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Beschwerde.

II.

3Anders als das Oberlandesgericht bemisst der Senat den Wert der auf Freistellung gerichteten Klageanträge zu 3b und 4b mit nur 20 % ihres Nominalbetrags, das heißt mit einem Abschlag von 80 %, also mit 63,35 € für den Antrag zu 3b und 3.360 € für den Antrag zu 4b. Zusammen mit den bezifferten Anträgen zu 1, 3a und 4a ergibt sich daher ein - der Beschwer der Klägerin entsprechender - Streitwert von 11.606,62 €. Die Anträge auf Feststellung des Annahmeverzugs und Freistellung von den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten erhöhen den Streitwert nicht (vgl. zB BGH, Beschlüsse vom - VIII ZR 290/19, NJW-RR 2020, 1517 Rn. 7 m.zahlr.w.N.).

41. Grundsätzlich entspricht der Streitwert einer Klage auf Freistellung von einer Verbindlichkeit zwar dem bezifferten Schuldbetrag (vgl. Senat, Beschluss vom - III ZR 23/11, NJW-RR 2012, 60 Rn. 2; , NJW-RR 1990, 958). Eine geringere Bewertung des Freistellungsinteresses im Rahmen des nach § 3 ZPO auszuübenden Ermessens kann aber geboten sein, wenn die besonderen Umstände des Falls dies rechtfertigen (Senat aaO m.zahlr.w.N.). Das ist etwa dann anzunehmen, wenn das Risiko des Freistellungsgläubigers, tatsächlich von einem Dritten in Anspruch genommen zu werden, gering ist.

52. Dies ist vorliegend der Fall. Dass die Klägerin von dem Insolvenzverwalter über das Vermögen der D.  AG noch in Anspruch genommen werden wird, ist nach den Umständen des Falls nahezu ausgeschlossen. Das Freistellungsinteresse bewertet der Senat gemäß § 3 ZPO daher - ebenso wie in der mit dem gegebenen Sachverhalt vergleichbaren Fallgestaltung, die dem Beschluss vom (aaO Rn. 4) zugrunde lag - mit 20 % des Nominalwerts der auf Freistellung gerichteten Forderungen. Schon die seit Beginn des Insolvenzverfahrens Ende 2015 verstrichene Zeit spricht dagegen, dass der Insolvenzverwalter die Klägerin noch auf Rückzahlung des (ohnehin geringen) Zinsbetrags oder auf Vertragserfüllung in Anspruch nehmen wird. Dass der Insolvenzverwalter bisher an die Klägerin herangetreten ist, ist nicht ersichtlich. Dies liegt auch nach dem Gutachten des Insolvenzverwalters zur ersten Gläubigerversammlung fern, in dem auf einer Insolvenzanfechtung beruhende Ansprüche nur mit einem symbolischen Betrag von einem Euro bewertet worden sind (Anlage K 5). Was etwaige Erfüllungsansprüche des Insolvenzverwalters (vgl. § 103 InsO) betrifft, ist die Klägerin dem Vorbringen des Beklagten zu 2, eine Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter sei nicht dargelegt und auch nicht zu befürchten, nicht entgegengetreten. Überdies ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Investitionsmodell - wie die Klägerin selbst geltend gemacht hat - um ein unerlaubtes Einlagengeschäft im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 32 Abs. 1 Satz 1, § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG handelte, wovon auch die Vorinstanzen unter Bezugnahme auf das betreffend eine gemäß § 307 BGB unwirksame Nachrangklausel (VI ZR 156/18, NJW-RR 2020, 112 Rn. 18, 21), die - wie das Landgericht angenommen hat - der in den vorliegenden Verträgen enthaltenen Klausel entsprach, ausgegangen sind. Vor diesem Hintergrund ist es unwahrscheinlich, dass der Insolvenzverwalter gleichwohl noch versuchen wird, ausstehende Zahlungen einzufordern.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:301123BIIIZR174.22.0

Fundstelle(n):
HAAAJ-61653