BGH Beschluss v. - 4 StR 318/23

Instanzenzug: LG Kaiserslautern Az: 4 KLs 6214 Js 5183/21

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum „unerlaubten“ Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei tatmehrheitlichen Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit „unerlaubter“ Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, „unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in vier tatmehrheitlichen Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit „unerlaubter“ Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie wegen „gewerbsmäßigen unerlaubten“ Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 2.500 € angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen geringen Teilerfolg und führt zur Abänderung und Neufassung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

21. Der Schuldspruch im Fall II.7 der Urteilsgründe hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand, soweit der Angeklagte tateinheitlich zu der rechtsfehlerfrei angenommenen Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auch wegen Abgabe von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig gesprochen worden ist.

3a) Eine Abgabe von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG liegt vor, wenn der Täter die eigene tatsächliche Verfügungsgewalt über Betäubungsmittel an einen Dritten mit der Wirkung überträgt, dass dieser frei über die Betäubungsmittel verfügen kann (vgl. ‒ 1 StR 136/18 Rn. 5; Beschluss vom ‒ 5 StR 561/16, StV 2017, 286; Beschluss vom ‒ 3 StR 381/06 Rn. 1; Beschluss vom ‒ 3 StR 469/01, beck-online; vgl. auch ‒ 3 StR 458/21 Rn. 7 [Gewahrsamsübertragung zur freien Verfügung]). Die Begehungsweise der Abgabe setzt demnach eigene Verfügungsmacht über die Betäubungsmittel voraus. Hieran fehlt es, wenn der Täter lediglich als Bote bzw. als Besitzdiener auf Weisung eines Dritten handelt (vgl. ‒ 2 StR 317/19 Rn. 27; Beschluss vom ‒ 3 StR 381/06 Rn. 1; Patzak in Patzak/Volkmer/Fabricius, BtMG, 10. Aufl., § 29 Rn. 838 mwN; Weber, BtMG, 6. Aufl., § 29 Rn. 1069; OLG München, StV 2015, 644; MüKo-StGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., BtMG § 29 Rn. 840; BeckOK-BtMG/Barrot, 21. Ed., BtMG § 29 Rn. 316).

4b) Gemessen hieran ist die Tatbestandsvariante der Abgabe nicht belegt.

5Nach den Feststellungen übergab der Angeklagte dem     L.   500 „THC-E‒Zigaretten“, die er zuvor von dem gesondert Verfolgten P.    mit der Anweisung erhalten hatte, sie an L.    zum gewinnbringenden Weiterverkauf an unbekannte Abnehmer zu liefern. Der Angeklagte hat damit, anders als in der Fallkonstellation, die der vom Generalbundesanwalt zitierten Entscheidung des Senats vom (4 StR 69/92) zugrunde gelegen hat, ohne eigene tatsächliche Verfügungsmacht über die Betäubungsmittel allein als Bote des P.     gehandelt und hierdurch lediglich den Gewahrsamswechsel von dem Verkäufer an den Erwerber bewirkt. Danach ist die Tatbestandsvariante der Abgabe im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG nicht erfüllt. Der Angeklagte ist aber des tateinheitlichen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG schuldig (vgl. Rn. 4 mwN; Beschluss vom – 3 StR 359/10 Rn. 5 mwN).

62. Der Senat ändert den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Angesichts des unveränderten Strafrahmens und der weiteren Umstände ist auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung im Fall II.7 der Urteilsgründe eine geringere als die verhängte Einzelstrafe von sechs Monaten festgesetzt hätte.

73. Ferner fasst der Senat den Schuldspruch neu. Der Hinweis auf gewerbsmäßiges Handeln im Fall II.4 der Urteilsgründe ist entbehrlich, weil es sich bei der Gewerbsmäßigkeit nicht um ein strafbegründendes Tatbestandsmerkmal handelt, sondern es als Regelbeispiel für einen besonders schweren Fall nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 BtMG nur die Strafzumessung betrifft und deshalb gemäß § 260 Abs. 4 Satz 2 StPO nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist (vgl. Rn. 3 mwN). Darüber hinaus kann die Kennzeichnung sämtlicher Taten als „unerlaubt“ entfallen, da Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz ausschließlich den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln betreffen (st. Rspr.; vgl. etwa Rn. 5 mwN; Beschluss vom – 3 StR 340/22 Rn. 5 mwN).

84. Angesichts des geringen Teilerfolgs ist es nicht unbillig, den Angeklagten mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:051223B4STR318.23.0

Fundstelle(n):
SAAAJ-61645