Instanzenzug: LG Zwickau Az: 5 KLs 243 Js 11180/23 jug
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten der gefährlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung und mit schwerer räuberischer Erpressung sowie der versuchten Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung schuldig gesprochen, deswegen auf eine Jugendstrafe von vier Jahren erkannt und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg; im Übrigen erweist es sich als unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
21. Der Senat hat den Schuldspruch im Fall II.1 der Urteilsgründe dahin berichtigt, dass der Angeklagte der besonders schweren räuberischen Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung schuldig ist, weil er – wie das Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellt hat – die räuberische Erpressung unter Einsatz eines Messers und damit eines Tatmittels im Sinne von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB beging (vgl. zur nach ständiger Rechtsprechung zutreffenden Tenorierung in diesen Fällen etwa , NStZ 2010, 101 mwN).
32. Im Fall II.2 der Urteilsgründe hat der Senat das Verfahren aus prozessökonomischen Gründen mit Zustimmung des Generalbundesanwalts auf den Vorwurf der versuchten Nötigung beschränkt.
4a) Der vom Landgericht insoweit ausgesprochenen Verurteilung wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Bedrohung lag zugrunde, dass der Angeklagte durch einen gesondert Verfolgten einem Zeugen einer von ihm und einem Mittäter begangenen gefährlichen Körperverletzung (in Tateinheit mit Bedrohung und besonders schwerer räuberischer Erpressung) eine von dem gesondert Verfolgten auf dessen Mobiltelefon gespeicherte Nachricht zeigen ließ, in der der Angeklagte den Zeugen aufforderte, zu der von ihm beobachteten Tat keine Angaben bei der Polizei zu machen, andernfalls es ihm jedenfalls im Hinblick auf die erlittene gefährliche Körperverletzung so ergehen werde, wie dem Opfer. Der Zeuge ließ sich davon indes nicht beeindrucken.
5b) Der Generalbundesanwalt hatte hierzu in seiner Antragsschrift beantragt, den Schuldspruch dahin zu ändern, dass die tateinheitliche Verurteilung wegen Bedrohung entfalle, weil die Annahme einer tateinheitlichen Bedrohung neben der versuchten Nötigung der einschlägigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum strafrechtlichen Konkurrenzverhältnis dieser beiden Delikte widerstreite.
6c) Infolge der mit Zustimmung des Generalbundesanwalts durchgeführten Beschränkung der Strafverfolgung auf den Vorwurf der versuchten Nötigung braucht der Senat nicht mehr zu entscheiden, ob an der zu § 241 StGB in der bis zum geltenden Fassung ergangenen Rechtsprechung festzuhalten ist, nach der die Bedrohung auch hinter einer nur versuchten Nötigung zurücktrat, wenn die Nötigungshandlung in einer Bedrohung mit einem gegen den Genötigten gerichteten Verbrechen bestand (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 1 StR 455/05, NStZ 2006, 342; vom – 5 StR 20/14 Rn. 4; vom – 4 StR 389/21 Rn. 7). Er neigt indes – wie zuletzt der 4. Strafsenat (vgl. , NStZ-RR 2022, 341) – zur Annahme von Tateinheit (vgl. auch ). Das ergibt sich aus Folgendem:
7Gesetzeseinheit in Form der Konsumtion ist im Grundsatz nur anzunehmen, wenn der Unrechtsgehalt einer Handlung durch einen der anzuwendenden Straftatbestände bereits erschöpfend erfasst wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom – GSSt 1/92, BGHSt 39, 100, 108; vom – 2 StR 481/17, BGHSt 63, 253, 258 f. zur Konkurrenz von versuchtem Einbruchdiebstahl und Sachbeschädigung; Urteil vom – 4 StR 272/98, BGHSt 44, 196, 198 zur Konkurrenz von versuchtem Tötungsdelikt und vorsätzlicher Körperverletzung). Dass diese Voraussetzung gegeben ist, erscheint dem Senat aus folgenden Gründen zweifelhaft: Zum einen ist durch das Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom (BGBl. I S. 441) für die Bedrohung mit einem Verbrechen gemäß § 241 Abs. 2 StGB die Strafrahmenobergrenze auf zwei Jahre erhöht worden. Zum anderen werden von den Tatbeständen unterschiedliche Rechtsgüter geschützt, nämlich die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung bei § 240 StGB einerseits (vgl. , BGHSt 37, 350, 353; , BVerfGE 73, 206, 237; so schon RGSt 64, 113, 115) und der subjektive Rechtsfrieden des Einzelnen bei § 241 StGB andererseits (BT-Drucks. 19/17741 S. 37; , NStZ 2015, 394, 395; vgl. BverfG, Beschluss vom – 2 BvR 1146/94, NJW 1995, 2776, 2777; vgl. auch LK/Schluckebier, StGB, 13. Aufl., § 241 Rn. 1: seit der Erweiterung des Tatbestandes sei seit dem mittelbar auch der offene Diskurs in der demokratischen Gesellschaft und die Bereitschaft zum bürgerschaftlichen Engagement geschützt).
8Einer Änderung der Rechtsprechung hätte aber möglicherweise eine Entscheidung des 3. Strafsenats (vgl. Rn. 4) entgegengestanden. Der Senat hat deshalb aus prozessökonomischen Gründen zur Vermeidung eines aufwändigen Anfrageverfahrens die Verfahrensbeschränkung angeregt.
9d) Der Rechtsfolgenausspruch bleibt von der Schuldspruchänderung unberührt. Der Senat schließt aus, dass die Jugendkammer bei einer Verurteilung im Fall II.2 nur wegen versuchter Nötigung auf eine niedrigere Jugendstrafe erkannt hätte, zumal diese auch für Fall II.1 (besonders schwere räuberische Erpressung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Bedrohung) einheitlich verhängt wurde, ihre Höhe ohnehin primär am Erziehungsgedanken ausgerichtet ist und der Angeklagte den Tatbestand der Bedrohung tatsächlich verwirklichte.
103. Die weitergehende Revision erweist sich als unbegründet. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung hat auch mit Blick auf die Revisionsrechtfertigung – insoweit aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts genannten Gründen – keinen (weiteren) Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:130224B5STR443.23.0
Fundstelle(n):
HAAAJ-61037