BGH Beschluss v. - IV ZR 420/22

Instanzenzug: Az: 14 U 1811/22vorgehend LG Augsburg Az: 95 O 3339/21

Gründe

1I. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung des Klägers.

2Der Kläger ist bei der Beklagten krankenversichert. Die Beklagte informierte ihn über folgende Beitragserhöhungen im Tarif V  :

- zum um 32,28 € nebst gesetzlichem Zuschlag G     um 3,23 €

- zum um 41,51 € nebst gesetzlichem Zuschlag G     um 4,15 €

- zum um 33,35 € nebst gesetzlichem Zuschlag G     um 3,34 €

3In dem zur Beitragserhöhung zum übersandten Nachtrag zum Versicherungsschein vom hieß es auszugsweise:

"Leistungen und Beiträge müssen sich stets die Waage halten. Um das sicher zu stellen, sind alle Versicherer gesetzlich dazu verpflichtet, einmal im Jahr die kalkulierten mit den tatsächlich ausgezahlten Leistungen zu vergleichen. Dieser Vergleich hat ergeben, dass die Beiträge verschiedener Tarife angepasst werden müssen.

Weitere Informationen zur Beitragsanpassung finden Sie im beiliegenden Merkblatt."

4Nachfolgend war in diesem Nachtrag die oben genannte Beitragserhöhung unter Angabe des Tarifs und des bisherigen und zukünftigen Beitrags aufgeführt. In dem anliegenden Merkblatt "Wichtige Hinweise zu Ihrer Kranken- und Pflegeversicherung" hieß es:

"Weshalb müssen die Beiträge angepasst werden?

Um für ein ständiges Gleichgewicht zwischen Beiträgen und Leistungen zu sorgen, ist im Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) vorgeschrieben, jährlich die tatsächlich erforderlichen mit den kalkulierten Leistungen zu vergleichen. Weichen die Werte in einem bestimmten, gesetzlich festgelegten Umfang voneinander ab, müssen die Beiträge angepasst werden. Dabei sind wir verpflichtet, neben den Leistungsausgaben auch alle anderen Berechnungsgrundlagen, wie zum Beispiel den Rechnungszins und die Lebenserwartung, zu aktualisieren. Übrigens: Ohne die Zustimmung eines unabhängigen Treuhänders ist eine Beitragsanpassung nicht möglich."

5Soweit für die Revision noch von Interesse, hat der Kläger mit seiner Klage zuletzt die Rückzahlung der auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteile in Höhe von 6.921,48 € nebst Zinsen, die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie die Herausgabe der aus den Prämienanteilen gezogenen Nutzungen in Höhe von 1.172,65 € nebst Zinsen verlangt. Außerdem hat er die Feststellung beantragt, dass die Neufestsetzungen der Prämien unwirksam sind und er nicht zur Zahlung des jeweiligen Differenzbetrages verpflichtet war. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Berufung hat der Kläger den Zahlungsantrag auf 2.828,64 € reduziert und anstelle der Herausgabe die Feststellung beantragt, dass die Beklagte zur Herausgabe der Nutzungen verpflichtet ist, die sie aus den vom Kläger auf die Beitragserhöhungen gezahlten Prämienanteilen gezogen hat, und diese zu verzinsen hat. Das Oberlandesgericht hat die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Feststellungsanträge bezüglich der Beitragserhöhungen zum und als unzulässig abgewiesen werden.

6Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Berufungsanträge weiter.

7II. Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Beitragserhöhung zum hinreichend begründet worden und deswegen zu diesem Datum wirksam geworden. Die Klage sei daher bezüglich aller nach dem erfolgten Zahlungen unbegründet, unabhängig davon, ob auch die früher in diesem Tarif erfolgten Erhöhungen wirksam gewesen seien oder nicht. In der Berufung würden nur noch die 2018 und 2019 erfolgten Zahlungen zurückgefordert. Die Beklagte habe deutlich gemacht, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage Leistungsausgaben über einem vorab bestimmten Schwellenwert die Beitragserhöhung aufgrund gesetzlicher Regelungen veranlasst habe. Dass es sich bei den Mitteilungsunterlagen nicht nur um eine allgemeine Beschreibung der jährlichen Durchführung der Prämienüberprüfung handele, ergebe sich aus der Formulierung "Dieser Vergleich hat ergeben, …" verbunden mit der Erhöhungsangabe im konkreten Tarif und dem Hinweis "Die folgende Aufstellung informiert Sie darüber, wie sich die Beitragserhöhung auf ihren Vertrag auswirkt". Die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Prämienerhöhungen zum und sei unzulässig, da es für die Entscheidung über den Zahlungsantrag unerheblich gewesen sei, ob diese Erhöhungen wirksam gewesen seien, und die Klage also nicht vorgreiflich für die Entscheidung über den Zahlungsantrag gewesen sei.

8III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen nicht vor und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

91. Die Zulassung der Revision ist weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO) noch zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) erforderlich. Die Anforderungen an die Begründung einer Prämienanpassung gemäß § 203 Abs. 5 VVG sind durch das Senatsurteil vom (IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56) geklärt.

10Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung als Ganzes eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordere. Hinsichtlich der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Beitragserhöhung der Beklagten zum sei entweder die vorliegende oder die davon abweichende Entscheidung des , nicht veröffentlicht) rechtsfehlerhaft. Diese Begründung macht eine Zulassung der Revision jedoch nicht erforderlich. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 38). Soweit diese Entscheidung keine revisionsrechtlich relevanten Fehler aufweist, hat sie unabhängig davon Bestand, ob andere Gerichte dieselbe Mitteilung auf die gleiche Weise beurteilt haben.

112. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

12a) Das Berufungsgericht hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die Begründung der Beitragserhöhung den Anforderungen aus § 203 Abs. 5 VVG entspricht.

13aa) Die Mitteilung der maßgeblichen Gründe für die Neufestsetzung der Prämie erfordert die Angabe der Rechnungsgrundlage, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat (Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 26). Nach § 203 Abs. 5 VVG müssen nicht alle Gründe der Beitragserhöhung genannt werden, sondern nur die für die Prämienanpassung entscheidenden Umstände (Senatsurteil vom aaO Rn. 29). In diesem Sinne entscheidend ist nur, ob eine Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen oder Sterbewahrscheinlichkeiten die in § 155 Abs. 3 und 4 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) oder in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwerte überschreitet oder nicht (Senatsurteil vom aaO).

14bb) Unter Anwendung dieses Maßstabs hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei entschieden, dass die streitgegenständliche Begründung eine Veränderung bei der Rechnungsgrundlage Versicherungsleistungen - im Schreiben der Beklagten als "Leistungsausgaben" bezeichnet - als Anlass der Neufestsetzung angibt und den Versicherungsnehmer ausreichend über den gesetzlich vorgeschriebenen Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen informiert. Die Mitteilung, dass das Ergebnis dieses Vergleichs die Überschreitung eines festgelegten Schwellenwertes war, kann der Versicherungsnehmer nach der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts dem Nachtragsschreiben vom - "weichen die Werte in einem bestimmten, gesetzlich festgelegten Umfang voneinander ab" - entnehmen. Den Bezug des Vergleichs und seines Ergebnisses zu den konkret betroffenen Tarifen des Klägers entnimmt das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei der hier gewählten Mitteilung in (nur) einem Schriftstück, das Begründungsschreiben und Nachtragsversicherungsschein verbindet und so an die Erklärung, dass ein gesetzlich vorgeschriebener Vergleich von berechneten und tatsächlichen Leistungen durchgeführt worden sei, die Beitragsveränderungen in den einzelnen Tarifen unmittelbar anschließt.

15b) Danach hat das Berufungsgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei die Feststellungsanträge bezüglich der Beitragserhöhungen zum und als unzulässig abgewiesen. Als Zwischenfeststellungsklagen nach § 256 Abs. 2 ZPO waren diese unzulässig, da es an der Vorgreiflichkeit fehlt, wenn die Klage zur Hauptsache unabhängig davon abgewiesen wird, ob das Rechtsverhältnis besteht (vgl. , NJW-RR 2010, 640 Rn. 19 m.w.N.). Das war hier der Fall, da nach der Entscheidung des Berufungsgerichts die Beitragserhöhung zum wirksam und damit fortan die Rechtsgrundlage für den Prämienanspruch in seiner Gesamthöhe war (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 294/19, BGHZ 228, 56 Rn. 55 f.), weswegen die Klage auf Rückzahlung der 2018 und 2019 geleisteten Prämienanteile keinen Erfolg hatte. Die Wirksamkeit der früheren Prämienanpassungen war daher für die Entscheidung ohne Bedeutung. Die weitere Annahme des Berufungsgerichts, dass ein Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO nicht ersichtlich ist, wird von der Revision zu Recht nicht angegriffen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:170124BIVZR420.22.0

Fundstelle(n):
KAAAJ-60615