BGH Beschluss v. - AK 1/24

Instanzenzug: Az: 1 BGs 1164/23vorgehend Az: 1 BGs 532/23

Gründe

I.

1Der Angeschuldigte wurde am vorläufig festgenommen und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft, zunächst aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom selben Tag (1 BGs 532/23) und sodann aufgrund dessen Haftbefehls vom (1 BGs 1164/23).

2Gegenstand dieses neu gefassten, dem Angeschuldigten am selben Tag verkündeten Haftbefehls ist zum einen der Tatvorwurf, er habe sich als Mitglied an der Gruppierung um den gesondert verfolgten    R.   und damit an einer terroristischen Vereinigung beteiligt, deren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet gewesen seien, Mord (§ 211 StGB) und Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, indem er dieser spätestens am beigetreten sei und sich der Heimatschutzkompanie Nr.   (F.      , T.    ) angeschlossen habe, um gemeinsam mit den gesondert Verfolgten gewaltsam die staatliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland zu beseitigen, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB in Tateinheit (§ 52 Abs. 1 StGB) mit Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gemäß § 83 Abs. 1 StGB. Zum anderen wird dem Angeschuldigten im Haftbefehl vom zur Last gelegt, durch eine weitere Handlung am im Rahmen einer bei ihm durchgeführten Wohnungsdurchsuchung in Tötungsabsicht mehrfach auf Beamte eines Sondereinsatzkommandos der Polizei geschossen zu haben, wobei er zwei Beamte verletzt habe, strafbar als versuchter Mord aus sonst niedrigen Beweggründen, mit gemeingefährlichen Mitteln und zur Verdeckung einer anderen Straftat in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte, jeweils in zwei tateinheitlichen Fällen, gemäß § 211 Abs. 1 und 2, §§ 22, 23 Abs. 1, § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5, § 113 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2, § 114 Abs. 1 und 2, § 52 StGB.

3Der Senat hat durch Beschluss vom im Hinblick auf die mit Haftbefehl vom vorgenommene Erweiterung um den Tatvorwurf der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung in Tateinheit mit Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens festgestellt, dass seinerzeit eine Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO nicht veranlasst gewesen ist, sondern die betreffende Frist am abläuft (, juris).

4Der Generalbundesanwalt hat wegen der beiden vorstehenden Taten unter dem Anklage zum Oberlandesgericht Stuttgart erhoben. In der Anklageschrift hat er das Tatgeschehen vom in rechtlicher Hinsicht - über den Haftbefehl hinaus - tateinheitlich (§ 52 Abs. 1 StGB) als unerlaubten Erwerb einer Schusswaffe gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG gewürdigt. Das weitere Tatgeschehen hat der Generalbundesanwalt - ebenfalls über den Haftbefehlsvorwurf hinaus - tateinheitlich als Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe gemäß § 22a Abs. 1 Nr. 6 KrWaffKG und als mehrfache Verstöße gegen § 51 Abs. 1, § 52 Abs. 1 und 3 WaffG gewertet.

5Der mit der Sache befasste Strafsenat des Oberlandesgerichts hält die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich.

II.

6Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

71. Der Angeschuldigte ist der ihm im vollzogenen Haftbefehl vorgeworfenen beiden Taten dringend verdächtig.

8a) Es besteht gegen den Angeschuldigten der dringende Verdacht der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1 StGB in Tateinheit mit Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens nach § 83 Abs. 1 StGB. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Senats vom (AK 58/23), den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des die Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom und dessen Antragsschrift vom verwiesen.

9b) Daneben ist der Angeschuldigte des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und tätlichem Angriff auf Vollstreckungsbeamte dringend verdächtig.

10aa) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

11Der Angeschuldigte verfolgte die mediale Berichterstattung zu den Durchsuchungsmaßnahmen und Verhaftungen am im Ermittlungskomplex betreffend die terroristische Vereinigung um den gesondert verfolgten    R.   . Hierüber tauschte er sich mit dem Mitangeschuldigten W.   und weiteren gesondert Verfolgten in der Chatgruppe „                       “ aus. Er fasste spätestens zu diesem Zeitpunkt den Entschluss, mögliche Strafverfolgungsmaßnahmen gegen ihn aufgrund seiner Verbindung zu der terroristischen Gruppierung zu verhindern und hierzu Waffengewalt einzusetzen. Dabei nahm er entsprechend seiner ablehnenden Haltung gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland in Kauf, dass durch den Einsatz von Schusswaffen auch staatliche Vertreter wie etwa Polizeibeamte verletzt oder getötet werden könnten. In Vorbereitung hierzu positionierte er mehrere geladene Schusswaffen in seinem Wohn- und Schlafzimmer sowie in seinem Pkw.

12Aufgrund einer vom Angeschuldigten unterschriebenen Verschwiegenheitserklärung und seines Kontakts zum Mitangeschuldigten H.   erließ der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs am gegen den Angeschuldigten als bis dahin Drittbetroffenen einen Beschluss zur Durchsuchung seiner Wohnräume.

13Dieser Beschluss wurde am unter Hinzuziehung von Einsatzbeamten eines Spezialeinsatzkommandos vollzogen. Gegen 06:00 Uhr öffneten diese die Wohnungseingangstür des Angeschuldigten mit Hilfe eines Sprengsatzes. Dem Angeschuldigten, der zu diesem Zeitpunkt bereits wach war, gelang es, sich mit einer Langwaffe im Wohnzimmer zu verschanzen. Zu diesem Zweck überzog er die Rückenlehne eines breiten Drehstuhls mit einer schusssicheren Weste und drehte diesen in Richtung Wohnzimmertür. Er war damit einerseits vor Schüssen des Spezialeinsatzkommandos geschützt und konnte andererseits den Stuhl zugleich als Auflage der von ihm verwendeten Schusswaffe nutzen. Ferner trug er eine Weste mit ballistischen Schutzeinlagen, an der zahlreiche Magazine befestigt waren.

14Nach der Sprengung der Eingangstür gaben sich die Einsatzbeamten durch mehrfaches lautes Rufen als Polizeibeamte zu erkennen und forderten den Angeschuldigten auf, aus der Wohnung zu kommen. Da keine Reaktion vernehmbar war, begaben sich die Einsatzbeamten Nr. 6 und 11 in die Wohnung, geschützt mit jeweils einem ballistischen Schutzschild in der Hand. Dabei gaben sie sich erneut laut als Polizeibeamte zu erkennen und positionierten sich rechts vor der geschlossenen Wohnzimmertür.

15Sodann stieß der Einsatzbeamte Nr. 6 die Wohnzimmertür auf. Weder er noch sein Kollege konnten jedoch aufgrund der schlechten Lichtverhältnisse den Angeschuldigten wahrnehmen. Sie forderten ihn auf, sich zu zeigen. Der Einsatzbeamte Nr. 10, der sich im Treppenhaus befand, konnte aufgrund seines besseren Blickwinkels erkennen, dass sich der Angeschuldigte mit einer Waffe auf dem Sofa befand. Tatsächlich richtete dieser seine Langwaffe auf die beiden Beamten Nr. 6 und 11 und kündigte an, auf die Polizeibeamten zu schießen, sollten sie sich nicht zurückziehen. Als der Einsatzbeamte Nr. 11 erstmals klare Sicht auf den Angeschuldigten hatte, nahm er die auf ihn gerichtete Waffe wahr und gab in Erwartung, der Angeschuldigte würde ohne zeitlichen Verzug schießen, mehrere Schüsse in dessen Richtung ab. Hierdurch wollte der Beamte einen unmittelbar bevorstehenden Angriff des Angeschuldigten auf sein Leben und das der weiteren Beamten abwenden. Der Angeschuldigte schoss daraufhin entsprechend seines zuvor gefassten Plans und unter billigender Inkaufnahme des Todes der polizeilichen Einsatzbeamten aus seiner Deckung heraus zehnmal in deren Richtung. Während der Schutzschild des Einsatzbeamten Nr. 6 vier Schüsse des Angeschuldigten auf Höhe seiner Brust zunächst abhielt, traf ein weiterer Schuss seinen rechten Arm und durchschlug sein Ellenbogengelenk. Der daneben positionierte Beamte Nr. 11 erlitt durch die Schüsse des Angeschuldigten und umherfliegende Splitter oberflächige Kratzer sowie Schürfwunden an der rechten Hand. Unmittelbar danach zogen sich sämtliche Einsatzbeamten aus der Wohnung zurück, so dass der Angeschuldigte, wie von ihm erkannt, sein Tötungsvorhaben mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr vollenden konnte. Etwa 40 Minuten später verließ der Angeschuldigte seine Wohnung und konnte im Treppenhaus festgenommen werden.

16Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des die Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom und dessen Antragsschrift vom Bezug genommen.

17bb) Der dringende Tatverdacht beruht auf den übereinstimmenden Zeugenaussagen der Einsatzbeamten Nr. 2 bis 15. Diese werden bestätigt durch die Ergebnisse der Auswertungen der Helmkameras der Beamten Nr. 4 und 6 und der Aufzeichnungen der eingesetzten Drohne, die zeugenschaftlichen Angaben zahlreicher Nachbarn sowie die Erkenntnisse der kriminaltechnischen Untersuchungen.

18Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des die Anklageschrift des Generalbundesanwalts vom und dessen Antragsschrift vom verwiesen.

19cc) In rechtlicher Hinsicht ist der dem Angeschuldigten angelastete Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

20(1) Der Angeschuldigte ist des versuchten Mordes gemäß § 211 Abs. 1, §§ 22, 23 StGB zum Nachteil der Einsatzbeamten Nr. 6 und 11 dringend verdächtig.

21(a) Auf der Grundlage des der rechtlichen Würdigung zugrundezulegenden Sachverhalts liegt das Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe (§ 211 Abs. 2 Gruppe 1 Variante 4 StGB) vor.

22Ob die Beweggründe zur Tat „niedrig“ sind, also nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen, mithin in deutlich weiterreichendem Maße als bei einem Totschlag als verwerflich und deshalb besonders verachtenswert erscheinen, ist aufgrund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des Täters maßgeblichen Faktoren zu beurteilen (s. , NStZ-RR 2015, 308, 309; vom - 5 StR 124/20, NStZ 2021, 226 Rn. 15; vom - 5 StR 542/20, juris Rn. 102).

23Bei der Bewertung des mutmaßlichen Tatgeschehens stellen sich die Beweggründe des Angeschuldigten hiernach als „niedrig“ dar: Er ist dringend verdächtig, die Polizeibeamten aufgrund ihrer Funktion als Organ der nach der Meinung des Angeschuldigten nicht existenten Bundesrepublik Deutschland (bzw. von deren Teilstaat) angegriffen zu haben. Ihm ging es darum, seine - ersichtlich unzutreffende - Rechtsauffassung gewaltsam durchzusetzen und sich aus egoistischen Motiven staatlicher Einflussnahme zu entziehen. Seine Überzeugung legitimierte aus seiner Sicht den Tod der Polizeibeamten, die er in entpersönlichter Weise gleichsam als Repräsentanten der von ihm nicht anerkannten Staatsgewalt ansah. Die versuchte Tötung hatte ihre Wurzel in der ideologischen Überzeugung des Angeschuldigten, die darauf gerichtet ist, sich bewusst über die rechtlichen Regeln hinwegzusetzen, deren Beachtung für das Funktionieren eines demokratisch und rechtsstaatlich verfassten Gemeinwesens konstitutiv ist. Eine solche Motivlage erweist sich nicht nur als im besonderen Maß gemeinschaftsbedrohlich, sondern ist mit grundlegenden gesellschaftlichen Wertentscheidungen schlechthin unvereinbar und steht damit sittlich auf tiefster Stufe (vgl. BGH, Beschlüsse vom - AK 27/22, juris Rn. 23; vom - AK 49/22, juris Rn. 32 mwN; zur politischen Tatmotivation im Übrigen BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 355/17, NStZ-RR 2018, 245; vom - AK 62/19, juris Rn. 12; vom - StB 28/20, juris Rn. 37; vom - AK 43/21, juris Rn. 31).

24(b) Der Angeschuldigte trat nicht strafbefreiend vom Versuch des Mordes gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB zurück. Vielmehr sah er unfreiwillig von der weiteren Tatausführung ab, nachdem er erkannt hatte, sein Ziel, die Polizeibeamten zu töten, nicht mehr erreichen zu können.

25(c) Die Schüsse des Angeschuldigten auf den Beamten Nr. 6 waren rechtswidrig. Denn der vom Beamten Nr. 11 abgegebene erste Schuss war aufgrund der vom Angeschuldigten mehrfach angekündigten und objektiv unmittelbar bevorstehenden Schussabgabe gemäß § 32 StGB gerechtfertigt. Die sich hieran anschließenden Schüsse des Angeschuldigten waren daher mangels eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs der Polizeibeamten ihrerseits nicht durch ein Notwehrrecht gedeckt (vgl. , BGHSt 39, 374, 376 f.; vom - 3 StR 331/00, NJW 2001, 1075, 1076; vom - 4 StR 267/02, NStZ 2003, 599 Rn. 4).

26(d) Für die hier allein zu beurteilende Frage der Haftfortdauer kann die Verwirklichung zusätzlicher Mordmerkmale der gemeingefährlichen Mittel (§ 211 Abs. 2 Gruppe 2 Variante 3; vgl. zur fehlenden Gemeingefährlichkeit bei „schlichter“ Mehrfachtötung BGH, Beschlüsse vom - 4 StR 170/18, NStZ 2019, 607 Rn. 21 mwN; vom - 2 StR 415/19, BGHR StGB § 211 Abs. 2 Gemeingefährliche Mittel 5 Rn. 7) und der Verdeckungsabsicht (§ 211 Abs. 2 Gruppe 3 Variante 2 StGB) dahinstehen. Diesbezüglich erschließt es sich nicht ohne Weiteres, dass neben dem weiteren subjektiven Mordmerkmal der sonstigen niedrigen Beweggründe der leitende, die Tat prägende Handlungsantrieb des Angeschuldigten auf Verdeckung einer Straftat gerichtet war (vgl. , BGHR StGB § 211 Abs. 2 Verdeckung 16; vom - 1 StR 474/19, NJW 2021, 926 Rn. 27 mwN; MüKoStGB/Schneider, 4. Aufl., § 211 Rn. 229 mwN).

27(2) Tateinheitlich verwirklichte er mit hoher Wahrscheinlichkeit den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB. Daneben machte er sich hoch wahrscheinlich - jeweils durch dieselbe Handlung - wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gemäß § 113 Abs. 1 StGB und tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gemäß § 114 Abs. 1 und 2 StGB strafbar, wobei er die Regelbeispiele des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB erfüllte. Für die Haftfrage kommt es nicht darauf an, ob der Angeschuldigte durch dieselbe materiellrechtliche Tat zusätzlich den Tatbestand des unerlaubten Erwerbs einer Schusswaffe gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. a WaffG verwirklichte.

282. Es liegen die Haftgründe der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie - auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (s. , juris Rn. 30 ff.) - der Schwerkriminalität vor.

29a) Fluchtgefahr besteht, weil es nach Würdigung der Umstände des Einzelfalls wahrscheinlicher ist, dass sich der Angeschuldigte, sollte er auf freien Fuß gelangen, dem Strafverfahren entziehen, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde. Er hat im Falle seiner Verurteilung angesichts der Schwere des Tatvorwurfs und des Gewichts seiner mutmaßlichen Tatbeiträge mit einer erheblichen, möglicherweise sogar lebenslangen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem hieraus resultierenden großen Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Zudem lehnt er die gegenwärtige Staats- und Verfassungsordnung der Bundesrepublik ab und verneint die Legitimität ihrer Staatsorgane zu hoheitlichem Handeln. Die Ermittlungen haben gezeigt, dass er wie zahlreiche Mitangeschuldigte und gesondert Verfolgte in der Szene derer, die etwa - als sogenannte Reichsbürger oder Querdenker, Verschwörungstheoretiker oder Anhänger nationalsozialistischen Gedankengutes - die staatliche Verfasstheit der Bundesrepublik und deren freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen und ihre Überwindung erstreben, eng eingebunden und vernetzt ist. Er kann mithin mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Netzwerk von Sympathisanten und Gleichgesinnten zurückgreifen, die ihn im Falle einer Flucht beziehungsweise eines Untertauchens logistisch und finanziell unterstützen würden.

30b) Daneben liegt der Haftgrund der Schwerkriminalität vor. Der Angeschuldigte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung und wegen versuchten Mordes, mithin wegen zweier Katalogtaten des § 112 Abs. 3 StPO, dringend verdächtig. Nach den vorgenannten Umständen des Einzelfalls ist eine Fluchtgefahr jedenfalls nicht ausgeschlossen (vgl. , BVerfGE 19, 342, 349 ff.; s. auch BGH, Beschlüsse vom - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.; vom - AK 12/20, juris Rn. 37; vom - StB 15/22, juris Rn. 11 f.).

31c) Dieser kann durch andere fluchthemmende Anordnungen nicht genügend begegnet werden, weshalb der Zweck der Untersuchungshaft nicht auf der Grundlage weniger einschneidender Maßnahmen im Sinne von § 116 StPO erreicht werden kann.

323. Die Strafgerichtsbarkeit des Bundes und damit die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs für den Erlass des Haftbefehls ergibt sich aus § 169 Abs. 1 StPO, § 120 Abs. 1 Nr. 2 und 6, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a, § 142 Abs. 1 Nr. 1, § 142a Abs. 1 Satz 1 GVG (vgl. zu § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a GVG: BGH, Beschlüsse vom - AK 27/22, juris Rn. 28; vom - StB 36/22, NStZ 2023, 58 Rn. 9 f.; vom - AK 49/22, juris Rn. 42 f.).

334. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der besondere Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Haftfortdauer. Das Ermittlungsverfahren ist nach der Festnahme des Angeschuldigten am mit der in Haftsachen gebotenen besonderen Beschleunigung geführt worden. Die Ermittlungen in dem vorliegenden Komplex, fünf gegen 69 Beschuldigte, Angeschuldigte und gesondert Verfolgte betriebenen Verfahren, waren und sind sehr umfangreich; dies spiegelt sich unter anderem im Aktenbestand wider, der derzeit 731 Leitzordner umfasst. Im Kontext der Verhaftungen des Angeschuldigten sowie von mehr als 20 Mitangeschuldigten und gesondert Verfolgten ist es zu zahlreichen Durchsuchungen in mehreren Bundesländern gekommen. Dabei sind über 7.000 Asservate, darunter gut 2.400 Speichermedien, sichergestellt worden. Deren Durchsicht, Auslesung und Auswertung haben sich besonders zeit- und arbeitsintensiv gestaltet. Daneben sind etwa 2.000 Waffen oder Waffenteile aufgefunden worden, die zum Zweck der waffenrechtlichen Beurteilung kategorisiert und begutachtet worden sind. Zudem ist eine Vielzahl weiterer sichergestellter Dokumente und Fotos kriminaltechnisch untersucht worden. Dennoch sind die Ermittlungen gegen den Angeschuldigten am abgeschlossen worden, und der Generalbundesanwalt hat am selben Tag Anklage zum Oberlandesgericht erhoben.

34Nach Eingang der Anklageschrift am hat der Vorsitzende des Staatsschutzsenats des Oberlandesgerichts am selben Tag die Zustellung der Anklage verfügt und eine angemessene Frist zur Stellungnahme von acht Wochen bestimmt. Nur zwei Tage später hat er für den Fall der Eröffnung des Hauptverfahrens den Verteidigern mögliche Hauptverhandlungstermine beginnend ab dem mit der Aufforderung in Aussicht gestellt, diese vorzumerken. Danach ist das Verfahren insgesamt ausreichend gefördert worden.

35Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom Bezug genommen.

365. Schließlich steht die Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht des Angeschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits derzeit nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:310124BAK1.24.0

Fundstelle(n):
UAAAJ-60574