Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b EStG bei VIP-Logen
Leitsatz
1. Die unentgeltliche Zurverfügungstellung von Plätzen in einer VIP-Loge an Geschäftspartner und Arbeitnehmer ist eine Sachzuwendung, die nach § 37b des Einkommensteuergesetzes pauschal besteuert werden kann.
2. Gegenstand der Sachzuwendung ist die Überlassung des einzelnen Logenplatzes. Auf Leerplätze entfallende Aufwendungen sind deshalb nicht zu berücksichtigen.
3. Die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für die überlassenen Plätze können im Wege sachgerechter Schätzung ermittelt werden. Entsprechendes gilt für den auf die Zuwendung entfallenden Werbeanteil.
Gesetze: AO § 5; AO § 162 Abs. 1 Satz 1 und 2; EStG § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; EStG § 37b Abs. 1 Satz 2; EStG § 37b Abs. 2 Satz 1; FGO § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2
Instanzenzug: ,
Tatbestand
I.
1 Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist ein Markenhersteller für Produkte im Bereich . Sie mietete im Streitzeitraum (2012 bis 2014) in der damaligen . (X-Veranstaltungsstätte) eine VIP-Loge („Suite“) mit zwölf Sitzplätzen. Bei der X-Veranstaltungsstätte handelt es sich um eine Mehrzweckhalle, in der Sportveranstaltungen sowie Konzerte und sonstige Veranstaltungen stattfinden.
2 Der „Suite-Nutzungsvertrag“ über die VIP-Loge umfasste keine Bewirtungsleistungen. Werbe- und Sponsoring-Maßnahmen waren der Klägerin nur innerhalb der VIP-Loge gestattet. Das vereinbarte Werbepaket beinhaltete Logo- und Schriftzugdarstellungen im Suitenumlauf, auf einem Board sowie Einträge im Branchenbuch der X-Veranstaltungsstätte.
3 Die VIP-Loge wurde bei Veranstaltungen dergestalt genutzt, dass Geschäftspartner der Klägerin zu dem entsprechenden Event eingeladen wurden. Ferner nahmen Mitarbeiter oder Mitglieder der Geschäftsleitung der Klägerin an den jeweiligen Veranstaltungen teil. Diesbezüglich hatte die Klägerin interne Anweisungen über das Verhalten als sogenannter Gastgeber erteilt. Der verantwortliche Mitarbeiter hatte danach unter anderem darauf zu achten, dass Flyer im Schrank auslagen, ausreichend T-Shirts der Klägerin vorhanden waren und das Video „X-Veranstaltungsstätte - Klägerin“ lief. Ferner führte der Mitarbeiter den Gästeempfang sowie die Essensbestellungen durch.
4 Für die VIP-Loge hatte die Klägerin Aufwendungen (ohne Bewirtungsaufwendungen) in Höhe von netto jeweils 130.000 € für die Jahre 2012 und 2013 sowie in Höhe von netto 126.666,67 € für das Jahr 2014. Entsprechend des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom (BStBl I 2005, 845) zur ertragsteuerlichen Behandlung von Aufwendungen für VIP-Logen in Sportstätten (sogenannter VIP-Logenerlass), das eine Aufteilung von 40 % Werbung, 30 % Bewirtung und 30 % Geschenke vorsieht, teilte die Klägerin den nicht vorhandenen Anteil für Bewirtung auf die Bereiche Werbung und Geschenke im Verhältnis 4 zu 3 auf und ermittelte auf diese Weise einen Anteil von 57 % (40 % + 17 %) für Werbung sowie von 43 % (30 % + 13 %) für Geschenke. Außerdem kürzte die Klägerin die gesamten Aufwendungen vorab um 8,33 % (einer von zwölf Plätzen), da sie der Auffassung war, dass der als Gastgeber teilnehmende Arbeitnehmer aus rein betrieblichen Gründen vor Ort gewesen sei. Die verbleibenden Beträge von 43 % behandelte die Klägerin als Zuwendungen/Geschenke und meldete hierfür pauschale Einkommensteuer nach § 37b des Einkommensteuergesetzes (EStG) wie folgt an:
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2012 | 2013 | 2014 | |
Pauschale Steuer: | 17.184,71 € | 20.214,07 € | 19.695,77 € |
5 Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Lohnsteuer-Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt —FA—) die Auffassung, dass dieser Aufteilung nicht zuzustimmen sei. Unter Hinweis auf die (BStBl I 2005, 845) und vom (BStBl I 2006, 447) sowie den Runderlass der III B -S - 2144 - 2/2010 -1 nahm das FA eine Aufteilung von 25 % für Werbung und 75 % für Geschenke an. Einen Abschlag für dienstverpflichtete Arbeitnehmer nahm es nicht vor. Dies führte zu folgender lohnsteuerlicher Nachforderung:
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2012 | 2013 | 2014 | |
Einkommensteuer gemäß § 37b Abs. 1 EStG: | 10.022,53 € | 13.071,49 € | 12.058,32 € |
Einkommensteuer gemäß § 37b Abs. 2 EStG: | 11.255,02 € | 5.176,72 € | 5.721,98 € |
Summe: | 21.277,55 € | 18.248,21 € | 17.780,30 € |
6 Die vorgenannten Beträge machte das FA durch Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer und sonstige Lohnabzugsbeträge für die Zeit von Januar 2012 bis Dezember 2014 geltend.
7 Das Finanzgericht (FG) gab der hiergegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2021, 1636 veröffentlichten Gründen teilweise statt. Die Zuwendungen gemäß § 37b EStG seien entgegen der Ansicht des FA nicht mit 75 % der Gesamtaufwendungen der Klägerin für die VIP-Loge anzusetzen. Die auf die Zuwendungen entfallenden Aufwendungen seien vielmehr gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) dergestalt zu schätzen, dass die Gesamtaufwendungen für die Loge ins Verhältnis zu der tatsächlichen Nutzung zu setzen und die Aufwandsteile abzuziehen seien, die nicht auf die Erbringung von Zuwendungen entfielen. Dafür seien sogenannte Platzwerte zu ermitteln, die sich aus der Multiplikation der Plätze in der VIP-Loge mit dem um 5 € erhöhten Kartenpreis der Preiskategorie PK 1 ergäben.
8 Von den so ermittelten Beträgen seien zunächst die Platzwerte für nicht genutzte Plätze abzuziehen. Des Weiteren habe die Klägerin auch in Bezug auf die Platzwerte, die auf Mitarbeiter entfielen, die aus ganz überwiegend eigenbetrieblichem Interesse teilgenommen hätten, keine Zuwendungen erbracht. Das FG schätzte diesen Anteil auf den halben Platzwert je Veranstaltung, bei der Kunden zugegen gewesen seien. Da die Klägerin die VIP-Loge angemietet habe, um mehrere betriebliche Zwecke zu verfolgen, nämlich werbend auf ihre Kunden zuzugehen und zugleich entsprechende Zuwendungen an die Kunden zu erbringen, sei eine weitere Aufteilung der Platzwerte, soweit sie auf Kunden entfielen, erforderlich. Der darin enthaltene Werbeanteil sei dabei in Anlehnung an den VIP-Logenerlass des BMF mit 40 % zu bemessen.
9 Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
10 Es beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
11 Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Gründe
II.
12 Die Revision des FA ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die mit dem angefochtenen Nachforderungsbescheid festgesetzten Nachforderungsbeträge über pauschale Einkommensteuer gemäß § 37b EStG ohne einen das FA beschwerenden Rechtsfehler herabgesetzt.
13 1. Nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG können Steuerpflichtige die Einkommensteuer (für Nicht-Arbeitnehmer) einheitlich für alle innerhalb eines Wirtschaftsjahres gewährten betrieblich veranlassten, nicht in Geld bestehenden Zuwendungen, die zusätzlich zur ohnehin vereinbarten Leistung oder Gegenleistung erbracht werden, mit einem Pauschsteuersatz von 30 % erheben. § 37b Abs. 1 EStG gilt gemäß § 37b Abs. 2 Satz 1 EStG auch für betrieblich veranlasste Zuwendungen an Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen, soweit die Zuwendungen nicht in Geld bestehen und zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden.
14 a) Die Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG erfasst nicht alle Zuwendungen schlechthin. § 37b EStG beschränkt sich vielmehr auf Zuwendungen, die bei den Zuwendungsempfängern zu einkommensteuerpflichtigen Einkünften führen. Denn § 37b EStG begründet keine weitere eigenständige Einkunftsart und keinen sonstigen originären (Einkommen-)Steuertatbestand, sondern stellt lediglich eine besondere pauschalierende Erhebungsform der Einkommensteuer zur Wahl (ständige Rechtsprechung, s. Senatsurteil vom - VI R 4/19, Rz 10, m.w.N.).
15 b) Die Vorinstanz hat zu Recht entschieden, dass die Voraussetzungen für die Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG in Bezug auf die (Sach-)Zuwendungen der Klägerin an ihre Geschäftspartner bei der unentgeltlichen Zurverfügungstellung der Plätze in der VIP-Loge zum Besuch der jeweiligen Veranstaltung in der X-Veranstaltungsstätte dem Grunde nach vorliegen. Dies gilt auch für die entsprechenden (Sach-)Zuwendungen der Klägerin an ihre Arbeitnehmer (§ 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG), soweit diese die Veranstaltungen nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse der Klägerin besuchten. Hiergegen haben die Beteiligten im Revisionsverfahren keine Einwände vorgetragen. Der Senat sieht daher insoweit von weiteren Ausführungen ab.
16 aa) Die Entscheidung des FG für die als sogenannte Gastgeber fungierenden Arbeitnehmer der Klägerin abweichend von den Lohnsteuer-Anmeldungen lediglich den hälftigen Aufwand für deren Platz in der VIP-Loge bei der Pauschalierung der Einkommensteuer wegen des ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesses der Klägerin an der Betreuung der Geschäftspartner von der Versteuerung auszunehmen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zwar spricht nach Aktenlage einiges dafür, diesen Aufwand in voller Höhe nicht dem Anwendungsbereich des § 37b EStG zu unterwerfen, da es insoweit an einer Zuwendung an die Arbeitnehmer fehlt. Dies kann der Senat jedoch dahinstehen lassen, da die Klägerin gegen die Vorentscheidung keine Revision eingelegt hat. Aus dem Ansatz (lediglich) des hälftigen Aufwands ergibt sich jedenfalls kein Rechtsnachteil zu Lasten des revisionsführenden FA.
17 bb) Ebenfalls zu Recht hat das FG den Aufwand, der auf die von dem Suite-Nutzungsvertrag umfassten, aber nicht besuchten Veranstaltungen entfiel, sowie den Aufwand betreffend die Leerplätze der besuchten Veranstaltungen, nicht dem Anwendungsbereich des § 37b EStG unterworfen. Die Klägerin hat insoweit schon dem Grunde nach niemandem einen Vorteil zugewandt. Denn Gegenstand der Sachzuwendung an die Zuwendungsempfänger ist —wie oben ausgeführt— nicht der veranstaltungsbezogene Besuch der VIP-Loge als solcher, sondern die unentgeltliche Zurverfügungstellung des einzelnen Platzes in der VIP-Loge zum Besuch der jeweiligen Veranstaltung in der X-Veranstaltungsstätte.
18 2. Bemessungsgrundlage der pauschalen Einkommensteuer sind gemäß § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG die Aufwendungen des Steuerpflichtigen einschließlich Umsatzsteuer.
19 a) § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG enthält für die Bewertung der Zuwendungen nach § 37b Abs. 1 Satz 1 EStG eine eigenständige Bemessungsgrundlage. Diese verdrängt in ihrem Anwendungsbereich die Bewertung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG. Sich hierdurch ergebende unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe und daraus folgende unterschiedliche Ergebnisse bei der Bewertung einer Sachzuwendung sind im Gesetz angelegt und vom Rechtsanwender daher hinzunehmen. Ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes ist insoweit nicht zu besorgen. Denn die Pauschalierung der Einkommensteuer nach § 37b EStG und die damit einhergehende, von § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG abweichende Bewertung der Zuwendungen steht zur Wahl des Steuerpflichtigen. Der Steuerpflichtige hat es selbst in der Hand zu bestimmen, auf welcher Grundlage die Bewertung vorzunehmen ist (Senatsurteil vom - VI R 13/18, BFHE 269, 80, BStBl II 2021, 395, Rz 35).
20 In die Bemessungsgrundlage nach § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG sind alle der Zuwendung direkt zuzuordnenden Aufwendungen (Einzelkosten) einzubeziehen. Soweit die Aufwendungen Teil einer Gesamtleistung sind, ist der auf die jeweilige Zuwendung entfallende Anteil an diesen Aufwendungen anzusetzen, der gegebenenfalls im Wege der Schätzung zu ermitteln ist. Darüber hinaus besteht gemäß § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG keine Rechtsgrundlage dafür, bestimmte einzelne Aufwendungen des Steuerpflichtigen aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden. Nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes bemisst sich die pauschale Einkommensteuer nach den „Aufwendungen des Steuerpflichtigen einschließlich Umsatzsteuer“. Einschränkungen oder Ausnahmen hiervon sieht das Gesetz nicht vor (Senatsurteil vom - VI R 13/18, BFHE 269, 80, BStBl II 2021, 395, Rz 36 f.).
21 b) Nach diesen Maßstäben ist die vom FG vorgenommene Bewertung der Sachzuwendungen, die die Klägerin gegenüber ihren Geschäftspartnern und den nicht im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse teilnehmenden Arbeitnehmern im Streitzeitraum erbracht hat, von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
22 Die nach § 37b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 EStG maßgebliche und daher gemäß § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG zu bewertende (Sach-)Zuwendung ist —wie oben ausgeführt— sowohl in Bezug auf die Geschäftspartner der Klägerin als auch hinsichtlich der Arbeitnehmer die unentgeltliche Zurverfügungstellung des einzelnen Platzes zum Besuch der jeweiligen Veranstaltung in der X-Veranstaltungsstätte.
23 c) Das FG hat die Aufwendungen der Klägerin, die auf die Plätze der Geschäftspartner und der Arbeitnehmer entfielen, dem Grunde nach zu Recht im Wege der Schätzung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO) angesetzt.
24 aa) Nach § 162 Abs. 1 Satz 1 AO hat die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann; § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO gibt dem FG eine eigene Schätzungsbefugnis.
25 Zwischen den Beteiligten steht zutreffend nicht in Streit, dass dem FG im vorliegenden Fall dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis zustand. Die Klägerin wandte ihren Geschäftspartnern und Arbeitnehmern im Streitzeitraum Plätze zum Besuch von mehr als 300 ganz unterschiedlichen Veranstaltungen in der X-Veranstaltungsstätte unentgeltlich zu. Die vom FG im Einzelnen festgestellten Veranstaltungen reichten von Sportveranstaltungen unterschiedlicher Sportarten über Konzerte, Musicals, .-Musikvorführungen, Kinoveranstaltungen bis hin zu Tier-Shows. An den Veranstaltungen nahmen nach den Feststellungen des FG knapp 3 000 Geschäftspartner und mehr als 1 000 Arbeitnehmer der Klägerin teil. Etwa 1 300 Plätze, über die die Klägerin in ihrer VIP-Loge verfügte, blieben leer.
26 Bei dieser Sachlage ließ sich im Streitfall —trotz der umfassenden Mitwirkung der Klägerin bei der Ermittlung der einzelnen Veranstaltungen, der Zahl der teilnehmenden Geschäftspartner und Arbeitnehmer sowie der einzelnen Veranstaltungspreise— nur schätzweise ermitteln, welcher Anteil der von der Klägerin insgesamt getragenen Aufwendungen einschließlich Umsatzsteuer auf die einzelnen, den Geschäftspartnern und den Arbeitnehmern zugewandten Sachbezüge (Plätze) entfiel.
27 bb) Die Schätzung des FG ist auch der Höhe nach revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
28 aaa) Die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen gehört zu den tatsächlichen Feststellungen, an die der Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsinstanz nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich gebunden ist. Die Bindung des BFH entfällt nur, wenn bei der Schätzung gegen anerkannte Schätzungsgrundsätze, allgemeine Erfahrungssätze oder die Denkgesetze verstoßen wurde. Die Überprüfung einer Schätzung durch den BFH ist auf Rechtsfehler beschränkt (, BFHE 139, 350, BStBl II 1984, 88 und vom - X R 11/16, BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992, Rz 51 f.).
29 bbb) Nach § 162 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO sind bei der Schätzung alle Umstände zu berücksichtigen, die für sie von Bedeutung sind. Die Schätzungsergebnisse müssen schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein (ständige Rechtsprechung, z.B. , Rz 23). Das FA und damit gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO i.V.m. § 162 AO auch das FG sind in der Wahl der Schätzungsmethoden grundsätzlich frei. Es ist Sache der Tatsacheninstanz zu entscheiden, welcher Schätzungsmethode sie sich bedienen will, wenn diese geeignet ist, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen (zum Ganzen , Rz 49, m.w.N.).
30 ccc) Allerdings ergibt sich aus § 5 AO in Verbindung mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass die Wahlfreiheit des FA beziehungsweise des FG bei der Auswahl zwischen mehreren in Betracht kommenden Schätzungsmethoden nach den für die Ausübung pflichtgemäßen Ermessens geltenden Grundsätzen eingeschränkt ist und dabei auch Verhältnismäßigkeitserwägungen zu beachten sind. Jede Schätzung hat zum Ziel, Besteuerungsgrundlagen mit Hilfe von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen zu ermitteln, wenn eine sichere Tatsachenfeststellung trotz des Bemühens um Aufklärung nicht möglich ist. Ermessensleitend ist deshalb das Ziel, die Besteuerungsgrundlagen durch Wahrscheinlichkeitsüberlegungen so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahekommen. Kommt eine bestimmte Schätzungsmethode diesem Ziel voraussichtlich näher als eine andere, ist die erstgenannte unter Ermessensgesichtspunkten vorzugswürdig (, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743, Rz 60).
31 ddd) Im Streitfall hat das FG bei seiner Entscheidung alle rechtlichen Anforderungen, die an die Durchführung einer Schätzung zu stellen sind, erfüllt.
32 (1) Die Vorinstanz hat zunächst —getrennt nach Jahren— anhand der für die jeweiligen Veranstaltungen in der Preiskategorie PK 1 zu zahlenden Ticketpreise die Summe der von ihm so bezeichneten Platzwerte für die in der VIP-Loge der Klägerin vorhandenen Plätze ermittelt. Dabei hat es den in der Preiskategorie PK 1 zu zahlenden Preis im Hinblick auf die mit der Nutzung der VIP-Loge verbundenen individuellen Betreuung (Einlass, Garderobe) und der Möglichkeit der Bewirtung am Platz um jeweils 5 € erhöht. Dies begegnet von Rechts wegen keinen Bedenken und wurde von den Beteiligten auch nicht beanstandet.
33 Die von der Klägerin getragenen Aufwendungen für die den Geschäftspartnern und den Arbeitnehmern unentgeltlich zugewandten Plätze hat die Vorinstanz ausgehend hiervon in der Weise ermittelt, dass sie die Aufwendungen prozentual nach den auf die teilnehmenden Geschäftspartner und Arbeitnehmer entfallenden Platzwerte aufgeteilt hat. Hierbei handelt es sich um eine schlüssige Aufteilungsmethode, die geeignet ist, ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen. Das FG hat seine Schätzung auf die betriebsinternen Daten der Klägerin hinsichtlich der von ihr getragenen Aufwendungen gestützt und die individuellen Verhältnisse in Bezug auf die Veranstaltungen, die jeweiligen Ticketpreise sowie die Zahl der teilnehmenden Geschäftspartner und Arbeitnehmer zugrunde gelegt.
34 (2) Die Vorinstanz hat weiter ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Aufwendungen der Klägerin für die VIP-Loge auch einen auf die Werbung entfallenden Anteil enthielten. Hierüber besteht zwischen den Beteiligten dem Grunde nach ebenfalls kein Streit. So beinhaltete der Suite-Nutzungsvertrag, den die Vorinstanz festgestellt hat, in Nr. 6.1 und 6.2 Regelungen über die „Werbeleistungen für den Vertragspartner"(die Klägerin). Bei diesen Werbeleistungen, die die Klägerin mit ihren Zahlungen für die VIP-Loge ebenfalls vergütet hat, handelte es sich jedoch nicht um (Sach-)Zuwendungen der Klägerin an ihre Geschäftspartner. Es ist daher geboten, die Aufwendungen der Klägerin für die Inanspruchnahme der Werbeleistungen aus der Bemessungsgrundlage des § 37b Abs. 1 Satz 2 EStG auszuscheiden.
35 Aus dem Suite-Nutzungsvertrag ergibt sich allerdings nicht, welcher Anteil der Gesamtaufwendungen der Klägerin auf die Werbeleistungen entfiel. Die Vorinstanz war daher berechtigt und verpflichtet, den Anteil der auf die Werbung entfallenden Aufwendungen zu schätzen (§ 162 Abs. 1 Satz 2 AO i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 FGO). Einer solchen Schätzung steht im Streitfall nicht entgegen, dass für die Aufteilung kein leichter und eindeutiger Aufteilungsmaßstab zu erkennen ist. Denn es geht vorliegend nicht um den Abzug von Betriebsausgaben (der Klägerin), sondern um die Bewertung der den Geschäftspartnern der Klägerin zugewandten Sachleistungen. Auf der Einnahmeseite ist eine Aufteilung —auch im Wege sachgerechter Schätzung— grundsätzlich zulässig (grundlegend Senatsurteil vom - VI R 32/03, BFHE 210, 420, BStBl II 2006, 30).
36 (3) Die Beteiligten haben hinsichtlich der Schätzung des Werbeanteils unterschiedliche Auffassungen vertreten. So hat die Klägerin in ihren Lohnsteuer-Anmeldungen einen Werbeanteil von 57 % angenommen, während das FA den Werbeanteil in dem angefochtenen Lohnsteuer-Nachforderungsbescheid auf 25 % geschätzt hat; beide allerdings ausgehend von den Gesamtaufwendungen der Klägerin für die VIP-Loge.
37 Das FG hat in Anlehnung an das (BStBl I 2005, 845, Rz 14) zur ertragsteuerlichen Behandlung von Aufwendungen für VIP-Logen in Sportstätten, das insoweit auch bei der Pauschalierung von Sachzuwendungen nach § 37b EStG Anwendung finden soll (s. BStBl I 2015, 468, Rz 15), und nach Auffassung der Finanzverwaltung für ähnliche Sachverhalte (zum Beispiel kulturelle Veranstaltungen in einer Sportstätte) entsprechend angewendet werden kann (s. BStBl I 2006, 447, Nr. 5 i.V.m. BStBl I 2015, 468, Rz 15), den Anteil der Werbeleistungen auf 40 % der Aufwendungen der Klägerin geschätzt, die es für die den Geschäftspartnern zur Verfügung gestellten Plätze angesetzt hat.
38 Insoweit ist das FG zunächst zutreffend davon ausgegangen, dass die Werbeleistungen der Klägerin nur in Bezug auf die den Geschäftspartnern zur Verfügung gestellten Plätze von Bedeutung sind. Die Aufwendungen der Klägerin für die ihren Arbeitnehmern zur Verfügung gestellten Plätze hat die Vorinstanz zu Recht nicht um Werbeaufwand gekürzt. Denn gegenüber den Arbeitnehmern kamen Werbemaßnahmen der Klägerin im Zusammenhang mit der unentgeltlichen Überlassung der Plätze von vornherein nicht in Betracht.
39 Im Streitfall bedarf es keiner Entscheidung, ob der Senat der von der Finanzverwaltung selbst so bezeichneten Vereinfachungsregelung in dem (BStBl I 2005, 845, Rz 14) allgemein beitreten könnte. Es ist hier nur zu beurteilen, ob die vom FG im vorliegenden Einzelfall vorgenommene griffweise Schätzung des Werbeanteils im Ergebnis rechtsfehlerfrei erfolgt ist.
40 Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist auch eine griffweise Schätzung nicht von vornherein unzulässig. Sie muss allerdings ebenfalls (noch) schlüssig, wirtschaftlich möglich, vernünftig und insoweit überprüfbar sein (z.B. , Rz 19 und vom - X R 114/92, BFH/NV 1995, 373). Dies ist vorliegend der Fall.
41 Gemäß Nr. 3.2 des Suite-Nutzungsvertrags wies die von der Klägerin angemietete VIP-Loge eine Größe von circa 50 qm auf und verfügte hiernach über mehr Platz und Ausstattung, als für die dort vorhandenen zwölf Sitzplätze erforderlich war. Die Klägerin war nach Nr. 6.1 des Suite-Nutzungsvertrags berechtigt, in der VIP-Loge Werbeflächen für ihre Eigenmarketing- und Werbezwecke zu nutzen. Auch durfte sie in der VIP-Loge für die Dauer der Nutzung während einer Veranstaltung Werbe- und Marketingmaßnahmen durchführen und entsprechende Materialien aufstellen. Nach Nr. 6.2 des Suite-Nutzungsvertrags beinhaltete das Werbepaket zusätzlich Logo- und Schriftzugdarstellung im Suitenumlauf, auf einem Suiteninhaber-Board sowie Einträge im Branchenbuch der X-Veranstaltungsstätte.
42 Bei dieser Sachlage erscheint es wahrscheinlich und wirklichkeitsnah, dass die Klägerin einen erheblichen Anteil der Aufwendungen, der auf die den Geschäftspartnern zur Verfügung gestellten Logenplätze entfiel, im Hinblick auf die dort vorhandenen Werbemöglichkeiten leistete. Der vom FG insoweit angesetzte Werbeaufwand in Höhe von (netto) 33.081,58 € für 2012, in Höhe von (netto) 27.521,36 € für 2013 und in Höhe von (netto) 31.344,99 € für 2014 ist hiernach wirtschaftlich möglich. Er stellt einen nachvollziehbaren und nicht unangemessenen Betrag für die Nutzung der VIP-Loge zu Werbezwecken dar.
43 Das FA weist in diesem Zusammenhang zwar zutreffend darauf hin, dass nach dem (BStBl I 2006, 447, Nr. 3) die Vereinfachungsregelung zur Pauschalaufteilung von 40:30:30 nicht in Fällen angewendet werden soll, in denen im Gesamtbetrag der Aufwendungen —wie im Streitfall— nur die Leistungen für Werbung und Eintrittskarten enthalten sind. Dies ist allerdings schon deshalb zwingend geboten, weil eine Pauschalaufteilung auf drei Bestandteile bei einem Sachverhalt, bei dem die Aufteilung nur auf zwei Bestandteile (Werbung und Ticketpreis) in Betracht kommt, denklogisch ausgeschlossen ist. Stattdessen soll nach dem (BStBl I 2006, 447, Nr. 3) in einem solchen Fall für den Werbeanteil und den Ticketanteil ein anderer angemessener Aufteilungsmaßstab im Sinne einer sachgerechten Schätzung gefunden werden.
44 Das FA trägt indes —auch im Revisionsverfahren— keine Umstände vor, aus denen sich ergibt, dass die vom FG vorgenommene (schätzweise) Aufteilung der Aufwendungen der Klägerin in Werbung und Sachzuwendungen unangemessen und nicht sachgerecht sei. Einen Rechtsfehler des FG bei der Schätzung hat das FA damit nicht aufgezeigt. Der Vortrag des FA in der Revisionsbegründung, seiner Ansicht nach sei der Werbeaufwand (nunmehr) aus der Differenz zwischen den vom FG ermittelten Platzwerten und dem anteiligen Gesamtaufwand zu ermitteln, reicht insoweit jedenfalls nicht aus. Es kommt hinzu, dass nach der Schätzung der Vorinstanz der Anteil der Werbeaufwendungen der Klägerin an den gesamten Aufwendungen für die VIP-Loge 25,45 % für 2012, 21,17 % für 2013 und 24,75 % für 2014 betrug. Den Ansatz eines Anteils von 25 % für den Werbeaufwand der Klägerin hielt das FA erstinstanzlich selbst noch für sachgerecht.
45 3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2023:U.231123.VIR15.21.0- 2 -
Fundstelle(n):
BStBl 2024 II Seite 361
BB 2024 S. 469 Nr. 9
BFH/NV 2024 S. 451 Nr. 4
BFH/PR 2024 S. 136 Nr. 5
BFH/PR 2024 S. 136 Nr. 5
DB 2024 S. 562 Nr. 10
DStR 2024 S. 433 Nr. 8
EStB 2024 S. 84 Nr. 3
EStB 2024 S. 86 Nr. 3
FR 2024 S. 568 Nr. 12
FR 2024 S. 572 Nr. 12
GStB 2024 S. 17 Nr. 5
GStB 2024 S. 17 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 9/2024 S. 578
NWB-Eilnachricht Nr. 9/2024 S. 579
StuB-Bilanzreport Nr. 5/2024 S. 194
StuB-Bilanzreport Nr. 5/2024 S. 194
RAAAJ-59996