BGH Urteil v. - 3 StR 254/23

Instanzenzug: LG Mönchengladbach Az: 21 KLs 33/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Revision zu Lasten des Angeklagten gegen den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch zur Tat II. 2. der Urteilsgründe sowie den Gesamtstrafenausspruch. Das vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

I.

2Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:

3Der Angeklagte betrieb aus seiner Wohnung einen Handel mit verschiedenen Betäubungsmitteln und versandte diese auf dem Postweg an Abnehmer. Auf seine Veranlassung wurde am ein Paket in einer Postfiliale abgegeben, das insgesamt etwa 424 Gramm Marihuana mit 63,63 Gramm Tetrahydrocannabinol (THC) enthielt und sichergestellt wurde (unter II. 1. der Urteilsgründe). Am hielt er im Wohnzimmer seiner Wohnung rund 2.400 Gramm Cannabisprodukte mit insgesamt 666 Gramm THC vorrätig. Bis zu 450 Gramm der Drogen mit 185,4 Gramm THC waren davon für seinen Eigenkonsum bestimmt. In einem Abstand von zirka 1,5 Metern hatte er in einem unverschlossenen Schrank ein Springmesser mit einseitig geschliffener Klinge von 10 Zentimetern Länge, ein Messer in einer Scheide, einen Teleskopschlagstock und ein Tierabwehrspray bereitliegen. Zwei Schusswaffen befanden sich im Kleiderschrank des Schlafzimmers und damit nicht mehr in Zugriffsnähe der Betäubungsmittel (unter II. 2. der Urteilsgründe).

4Nach Bewertung des Landgerichts lag jeweils kein minder schwerer Fall des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge im Sinne des § 29a Abs. 2 BtMG, aber bei der zweiten Tat ein minder schwerer Fall des bewaffneten Handeltreibens gemäß § 30a Abs. 3 BtMG vor. Es hat auf Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten sowie drei Jahren und sechs Monaten und eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren erkannt. Den Vollzug eines Teils der Strafe vor der zudem angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat es angesichts einer voraussichtlichen Therapiedauer von zwei Jahren nicht bestimmt.

II.

5Die Revision ist begründet. Ihre Beschränkung ist - mit Ausnahme der Frage des Vorwegvollzugs - wirksam.

61. Die von der Generalstaatsanwaltschaft klargestellte Beschränkung der Revision auf den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch der Tat zu II. 2. der Urteilsgründe sowie den Gesamtstrafenausspruch ist grundsätzlich möglich (vgl. zu den Voraussetzungen im Einzelnen BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 7/12, NStZ 2012, 587, 588; vom - 3 StR 516/07, BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 18 Rn. 6 mwN; vom - 2 StR 397/13, BGHR StPO § 341 Abs. 1 Beschränkung 1 Rn. 5). Entscheidend dafür ist, dass der Schuld- und der Strafausspruch zur Tat unter II. 1. der Urteilsgründe von den beanstandeten Punkten nicht berührt werden. Gleiches gilt für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt gemäß § 64 StGB; denn die Unterbringung wird bereits durch die nicht angegriffene Tat getragen (vgl. zu einer die Strafe übersteigenden prognostizierten Therapiedauer , NStZ-RR 2019, 307). Allerdings betrifft dies nicht die Frage des Vorwegvollzuges (§ 67 StGB), weil hierfür die beanstandete Gesamtfreiheitsstrafe maßgeblich ist (vgl. , juris Rn. 11; vom - 3 StR 295/22, juris Rn. 10). Insoweit ist die Beschränkung mithin unwirksam.

72. Der Schuldspruch zu Tat II. 2. der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil das Landgericht seiner Kognitionspflicht nicht gerecht geworden ist und eine Verurteilung wegen eines Waffendeliktes nicht erwogen hat.

8a) Die sich aus § 264 StPO ergebende Kognitionspflicht erfordert, dass der - durch die zugelassene Anklage abgegrenzte - Prozessstoff durch vollständige Aburteilung des einheitlichen Lebensvorgangs erschöpft wird. Der Unrechtsgehalt der Tat muss ohne Rücksicht auf die dem Eröffnungsbeschluss zugrunde gelegte Bewertung ausgeschöpft werden, soweit keine rechtlichen Gründe entgegenstehen. Fehlt es daran, so stellt dies einen sachlichrechtlichen Mangel dar (s. , juris Rn. 12; vom - 3 StR 84/21, NStZ-RR 2021, 273, 274; KK-StPO/Tiemann, 9. Aufl., § 264 Rn. 27 ff.).

9b) Hieran gemessen hat das Landgericht zu Unrecht nicht in den Blick genommen, dass sich der Angeklagte in Tateinheit mit dem bewaffneten Handeltreiben in Bezug auf das Springmesser wegen Besitzes eines verbotenen Gegenstandes gemäß § 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG und hinsichtlich der nicht näher spezifizierten Schusswaffen etwa wegen Besitzes einer Schusswaffe nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG strafbar gemacht haben könnte. Der Umgang mit den ausdrücklich im Anklagesatz genannten Gegenständen ist von der Anklageschrift umfasst. Soweit die Verfolgung in verschiedener Hinsicht unter Heranziehung des § 154a StPO beschränkt worden ist, betrifft dies nicht eine Strafbarkeit nach dem Waffengesetz.

10Das Springmesser stellt nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen gemäß § 2 Abs. 3, Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.4.1, Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Nr. 2.1.1 WaffG einen verbotenen Gegenstand dar (vgl. etwa , juris Rn. 3). Inwieweit der Besitz der beiden Schusswaffen ebenfalls einer Strafvorschrift unterfällt, ist den Urteilsgründen nicht zu entnehmen, da nähere Angaben zu den Waffen fehlen und eine rechtliche Einordnung daher nicht möglich ist. Dem Senat ist es daher wegen der naheliegend in Betracht kommenden weiteren Feststellungen verwehrt, den Schuldspruch entsprechend § 354 Abs. 1 StPO selbst zu ändern, ohne dass es noch auf die Frage der Hinweispflicht (§ 265 StPO) ankommt.

11c) Danach bedarf es einer erneuten tatgerichtlichen Verhandlung und Entscheidung. Diese wird zudem näher darüber zu befinden und konkret darzulegen haben, wie sich die räumlichen Verhältnisse darstellten und ob sich der Angeklagte gegebenenfalls auch der Schusswaffen im Sinne eines Mitsichführens nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG jederzeit bedienen konnte (vgl. zu den Anforderungen , BGHSt 43, 8, 10; vom - 1 StR 394/16, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 14 Rn. 7 f., 22 mwN).

12Falls das neue Tatgericht abermals zu dem Ergebnis kommen sollte, dass der Angeklagte von Beginn an einen - nicht geringen - Teil der aufbewahrten Betäubungsmittel nicht zum gewinnbringenden Weiterverkauf, sondern für den eigenen Konsum vorrätig hielt, ist im Übrigen zu beachten, dass in Bezug auf die für den Eigenverbrauch bestimmte Ration der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge tateinheitlich neben das bewaffnete Handeltreiben tritt, das den für den Verkauf vorgesehenen Anteil betrifft (vgl. etwa , juris Rn. 19; MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 4. Aufl., § 30a BtMG Rn. 206 f.).

133. Mit der Aufhebung des Schuldspruchs zu Tat II. 2. entfällt die zugehörige Einzelstrafe, so dass der Gesamtstrafe gleichfalls die Grundlage entzogen ist. Vor diesem Hintergrund bedürfen die Beanstandungen der grundsätzlich dem Tatgericht vorbehaltenen Strafzumessung keiner weiteren Erörterung.

144. Schließlich bedingt der Wegfall der Gesamtfreiheitsstrafe die Aufhebung der Entscheidung über den Vorwegvollzug, da sich dieser nach der Dauer der Gesamtstrafe richtet. Insofern ist zu beachten, dass die Unterbringung angesichts der zuvor wirksamen Rechtsmittelbeschränkung bereits vor dem rechtskräftig angeordnet war (vgl. Art. 316o Abs. 1 Satz 1 EGStGB in der ab dem geltenden Fassung, BGBl. 2023 I Nr. 218 S. 3).

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:110124U3STR254.23.0

Fundstelle(n):
YAAAJ-59343