BGH Beschluss v. - IV ZR 123/21

Instanzenzug: Az: 10 U 2189/19vorgehend Az: 16 O 57/19

Gründe

1I. Der Kläger begehrt von der Beklagten, einem Versicherer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge und Nutzungsersatz aus ungerechtfertigter Bereicherung aus einem fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrag (sogenannte P              L    ).

2Der Versicherungsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten, die ihren Sitz in einem damaligen Mitgliedstaat der Europäischen Union hatte, wurde aufgrund eines Antrags des Klägers mit Versicherungsbeginn zum nach dem sogenannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a VVG a.F.) geschlossen. Der Kläger erhielt den Versicherungsschein und die Broschüre "Verbraucherinformation und Versicherungsbedingungen" sowie ein Begleitschreiben zugesandt. In der Folgezeit zahlte er die Versicherungsbeiträge. Mit Schreiben vom erklärte der Kläger den Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück.

3Der Kläger meint, die Widerspruchsfrist sei wegen formaler und inhaltlicher Mängel der Widerspruchsbelehrung sowie der Unvollständigkeit der Verbraucherinformation nicht in Gang gesetzt worden. Die Verbraucherinformation habe - was unstreitig ist - keine Angaben über die Zugehörigkeit zu einer Einrichtung zur Sicherung der Ansprüche von Versicherten (Sicherungsfonds) enthalten. Die Verpflichtung des Versicherers nach Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum Versicherungsaufsichtsgesetz in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: VAG a.F.) umfasse auch die Mitteilung, weder einem (deutschen) Sicherungsfonds noch einer britischen Sicherungseinrichtung anzugehören. Außerdem fehlten die nach Abschnitt I Nr. 2 Buchst. b) und d) der Anlage Teil D zum VAG a.F. erforderlichen Angaben über die Rückkaufswerte und diesbezüglichen Garantien.

4Der Kläger verlangt - soweit für die Revision noch von Interesse - die Rückzahlung der gezahlten Beiträge sowie die Herausgabe von gezogenen Nutzungen, zuletzt insgesamt 21.594,55 € nebst Zinsen.

5Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er hat vorsorglich für den Fall, dass der Senat von einer wirksamen Beschränkung der Revisionszulassung ausgehen sollte, insoweit zudem Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erhoben.

6II. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt, das Widerspruchsrecht des Klägers sei im Mai 2007 erloschen und damit sei sein im Februar 2018 erklärter Widerspruch verfristet. Die Verbraucherinformation sei nicht wegen fehlender Angaben über die Zugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds nach § 10a Abs. 1 Satz 1 VAG a.F. i.V.m. Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum VAG a.F. unvollständig gewesen. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe als Versicherer mit Sitz in einem damaligen Mitgliedstaat der Europäischen Union von Gesetzes wegen einem Sicherungsfonds im Sinne des VAG a.F. nicht angehören können. Angaben über die (gesetzliche) Nichtzugehörigkeit verlange die Vorschrift nicht. Die Revision sei bezüglich der Rechtsfrage zuzulassen, dass die Beklagte keine Angaben über eine Mitgliedschaft bzw. Nichtmitgliedschaft in einem (britischen) Sicherungsfonds habe machen müssen.

7III. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht die Widerspruchsbelehrung für formell und materiell ordnungsgemäß im Sinne von §5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F., sowie die dem Kläger nach § 10a VAG a.F. i.V.m. Abschnitt I Nr. 2 Buchst. b) und d) der Anlage Teil D zum VAG a.F. erteilten Verbraucherinformationen zu Rückkaufswerten und diesbezüglichen Garantien für vollständig erachtet hat. Die Revision ist insoweit bereits mangels Zulassung nicht statthaft, denn das Berufungsgericht hat die Revisionszulassung wirksam auf die Frage beschränkt, ob die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin im Rahmen der erteilten Verbraucherinformation Angaben zur Mitgliedschaft oder Nichtmitgliedschaft in einem Sicherungsfonds machen musste.

8Zwar enthält die Entscheidungsformel des Berufungsurteils keinen Zusatz, der die dort ausgesprochene Zulassung der Revision einschränkt. Die Beschränkung der Revisionszulassung kann sich aber auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Tenor im Lichte der Entscheidungsgründe auszulegen und deshalb von einer beschränkten Revisionszulassung auszugehen ist, wenn sich die Beschränkung aus den Gründen klar ergibt. Das ist regelmäßig anzunehmen, wenn sich die vom Berufungsgericht als zulassungsrelevant angesehene Frage nur für einen eindeutig abgrenzbaren selbstständigen Teil des Streitstoffs stellt (Senatsbeschluss vom - IV ZR 300/20, VersR 2022, 1571 Rn. 15 m.w.N.; vgl. , juris Rn. 6).

9Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Das Berufungsgericht hat die Zulassung ausschließlich mit der seiner Ansicht nach klärungsbedürftigen Frage der Verpflichtung der Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Angabe über eine Mitgliedschaft oder Nichtmitgliedschaft in einem (britischen) Sicherungsfonds begründet. Damit hat es die Zulassung ausdrücklich auf die Voraussetzungen des Abschnitts I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum VAG a.F. beschränkt. Die Frage, ob die Rechtsvorgängerin der Beklagten in der Verbraucherinformation Angaben zur Zugehörigkeit zu einem Sicherungsfonds machen musste, kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig davon beantwortet werden, ob die Widerspruchsbelehrung ordnungsgemäß sowie die Verbraucherinformation hinsichtlich weiterer Angaben vollständig war.

10IV. Soweit das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, liegen die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht mehr vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO). Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung mehr; auch liegt keiner der weiteren in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Revisionszulassungsgründe vor.

111. Die Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob die Rechtsvorgängerin der Beklagten Angaben über eine Mitgliedschaft bzw. Nichtmitgliedschaft in einem Sicherungsfonds machen musste, ist nach Ergehen des Berufungsurteils durch das Senatsurteil vom (IV ZR 300/22, VersR 2023, 830) geklärt worden. Danach musste ein Lebensversicherer, der - wie die Rechtsvorgängerin der Beklagten - bereits vor Vertragsschluss seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum hatte, in der Verbraucherinformation nach § 10a Abs. 1 VAG a.F. i.V.m. Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum VAG a.F. nicht angeben, dass er einem (deutschen) Sicherungsfonds nicht angehörte (Senatsurteil vom aaO, Leitsatz, Rn. 18 ff.).

122. Die Revision hat - soweit sie eröffnet ist - auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsurteil steht in Einklang mit dem vorgenannten Senatsurteil. Gesichtspunkte, die eine abweichende Entscheidung rechtfertigen könnten, sind - auch unter Berücksichtigung des Revisionsvorbringens - nicht ersichtlich. Die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin war als Versicherer mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch nicht dazu verpflichtet, Angaben über ihre Zugehörigkeit zu einer ausländischen (hier: britischen) Sicherungseinrichtung zu machen.Die Informationspflicht nach Abschnitt I Nr. 1 Buchst. i) der Anlage Teil D zum VAG a.F. flankierte, wie dies auch das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ausweislich der Gesetzesbegründung nur die Verpflichtung zur Einrichtung eines nationalen Sicherungsfonds in den §§ 124 ff. VAG a.F. (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 300/22, VersR 2023, 830 Rn. 22) und enthielt damit keine Verpflichtung zur Angabe der Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu ausländischen Sicherungseinrichtungen.

133. Die grundsätzliche Klärung entscheidungserheblicher Rechtsfragen erst nach Einlegung der Revision steht einer Revisionszurückweisung durch Beschluss nicht im Wege (Senatsbeschluss vom - IV ZR 18/22, VersR 2023, 719 Rn. 14 m.w.N.).

14V. Die vorsorglich für den Fall einer beschränkten Revisionszulassung eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist im Übrigen auch unbegründet. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Der Senat hat auch die Gehörsrügen (Art. 103 Abs. 1 GG) des Klägers geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird entsprechend § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

15Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst. Die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob der Versicherer dem Versicherungsnehmer im Falle vertraglich nicht vereinbarter garantierter Rückkaufswerte im Rahmen der ihm nach § 10a Abs. 1 Satz 1 VAG a.F. i.V.m. Abschnitt I Nr. 2 Buchst. b) und d) der Anlage Teil D zum VAG a.F. obliegenden Informationspflichten Angaben darüber machen musste, dass derartige Beträge nicht garantiert werden,

gebietet eine Vorlage nicht. Ferner ist die Richtlinienkonformität des Policenmodells im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Zum Einwand von Treu und Glauben ist auch hier eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich (vgl. Senatsbeschluss vom - IV ZR 102/21, juris Rn. 3 m.w.N.).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:270923BIVZR123.21.0

Fundstelle(n):
EAAAJ-59208