BGH Beschluss v. - 5 StR 451/23

Räuberische Erpressung: Strafrahmenwahl bei gesetzlich vertyptem Strafmilderungsgrund

Gesetze: § 21 StGB, § 23 Abs 1 StGB, § 49 Abs 1 StGB, § 113 Abs 2 S 2 Nr 1 StGB, § 250 Abs 3 StGB

Instanzenzug: LG Chemnitz Az: 1 KLs 710 Js 33370/22

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „versuchter besonders schwerer räuberischer Erpressung und besonders schwerer Erpressung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und Bedrohung in zwei tateinheitlichen Fällen und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte in Tateinheit mit Bedrohung in zwei tateinheitlichen Fällen und Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und eine Einziehungsanordnung getroffen. Die mit der Sachrüge geführte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Der Senat hat den Schuldspruch insoweit berichtigt, als der Angeklagte danach wegen „besonders schwerer Erpressung“ statt besonders schwerer räuberischer Erpressung schuldig gesprochen worden ist; die Vorschrift des § 265 StPO steht nicht entgegen. Im Übrigen handelt es sich um bloße Klarstellungen aus Gründen der Übersichtlichkeit des Schuldspruchs (vgl. zur gleichartigen Tateinheit , und zur Entbehrlichkeit der Kennzeichnung der vorsätzlichen Tatbegehung Rn. 42).

32. Der Strafausspruch in den Fällen III.1 und 2 der Urteilsgründe hat keinen Bestand, weil das Landgericht bei der Bemessung der Einzelstrafen den Strafrahmen nicht richtig bestimmt hat.

4a) Die Erwägungen, mit denen das Landgericht jeweils das Vorliegen eines minder schweren Falls gemäß § 250 Abs. 3 StGB abgelehnt hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.

5Sieht das Gesetz einen besonderen Strafrahmen für minder schwere Fälle vor und ist auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, muss bei der Strafrahmenwahl im Rahmen einer Gesamtabwägung zunächst geprüft werden, ob die allgemeinen Milderungsgründe die Annahme eines minder schweren Falles tragen. Ist nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn das Tatgericht die Anwendung des milderen Strafrahmens danach weiterhin nicht für gerechtfertigt hält, darf es seiner konkreten Strafzumessung den (allein) wegen des gegebenen gesetzlich vertypten Milderungsgrundes gemilderten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. etwa , NStZ 2023, 163 f.).

6Diese Prüfungsreihenfolge hat das Landgericht nicht beachtet, sondern hat jeweils einen minder schweren Fall allein unter Berücksichtigung allgemeiner Strafzumessungsgründe abgelehnt und sodann in beiden Fällen eine Strafrahmenverschiebung gemäß § 21, § 49 Abs.1 StGB und im Fall III.1 zusätzlich eine Milderung nach § 23 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen.

7b) Das Urteil beruht insoweit auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StPO). Im Fall III.1 hat das Landgericht die Strafe einem Strafrahmen von sechs Monaten bis acht Jahren fünf Monaten und einer Woche, im Fall III.2 einem von zwei Jahren bis elf Jahren und drei Monaten Freiheitsstrafe entnommen. Der minder schwere Fall nach § 250 Abs. 3 StGB sieht einen Strafrahmen von einem Jahr bis zehn Jahren Freiheitsstrafe vor. Eine in Betracht kommende Milderung nach § 23 Abs. 1, § 49 Abs. 1 StGB im Fall III.1 führte zu einem Strafrahmen von drei Monaten bis sieben Jahren und sechs Monaten. Angesichts dieser Diskrepanz kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht bei einer rechtsfehlerfreien Strafrahmenbestimmung niedrigere Einzelfreiheitsstrafen verhängt hätte.

8c) Die Aufhebung der Einzelstrafen entzieht der Gesamtstrafe die Grundlage. Die Feststellungen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen sind möglich, sofern sie zu den bereits getroffenen Feststellungen nicht in Widerspruch treten.

93. Der Strafausspruch im Fall III.4 der Urteilsgründe kann hingegen bestehen bleiben. Zwar hat das Landgericht rechtsfehlerhaft verkannt, dass es sich bei einer funktionsuntüchtigen Gaspistole nicht um eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug im Sinne des § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB handelt, wenn der Täter sie – wie hier der Angeklagte – lediglich als Drohmittel bei sich führt und die Gaspistole deshalb objektiv ungeeignet ist, erhebliche Verletzungen zu verursachen (vgl. BGH, Beschlüsse vom – 4 StR 580/03; vom – 2 StR 167/98, BGHSt 44, 103, 105). Das Urteil beruht aber nicht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 Abs. 1 StGB), weil das Landgericht die Strafe dennoch dem nach § 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Regelstrafrahmen des § 113 Abs. 1 StGB entnommen und bei der konkreten Strafbemessung ausdrücklich strafmildernd gewertet hat, dass die Gaspistole nicht funktionstüchtig war.

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:160124B5STR451.23.0

Fundstelle(n):
LAAAJ-58987