Vereinsgesetzliches Verbot einer regionalen Federation des Bandidos MC
Leitsatz
1. Die Einordnung einer Vereinigung als identitätswahrende Nachfolgeorganisation eines für ein Verbot anstehenden oder bereits verbotenen Vereins setzt voraus, dass zwischen den beiden Gruppierungen im Wesentlichen eine organisatorische, personelle sowie - bei einer gebietlichen Struktur - gebietliche Identität besteht, wobei diese Voraussetzungen kumulativ und offensichtlich vorliegen müssen.
2. Für die Frage der Fortexistenz eines Vereins im vereinsgesetzlichen Sinne sind die zivilrechtlichen Regelungen über den Beginn und das Ende eines Vereins grundsätzlich ohne Bedeutung; ein Verein besteht so lange fort, wie die Merkmale des § 2 Abs. 1 VereinsG faktisch erfüllt sind.
3. Ein Verein im vereinsgesetzlichen Sinne existiert nicht mehr, wenn ihn alle seine Mitglieder faktisch endgültig verlassen haben und das Vereinsvermögen tatsächlich vollständig liquidiert ist.
4. Die Verbotsbehörde und das Verwaltungsgericht können sich Feststellungen, die ein Strafgericht in Bezug auf für ein Vereinsverbot zu beurteilende strafrechtlich relevante Verhaltensweisen getroffen hat, soweit sie diese für überzeugend halten, zu eigen machen, selbst wenn das Strafurteil noch nicht rechtskräftig ist.
5. Ein Verein im Sinne des Vereinsrechts kann zugleich Mitglied und Teilorganisation eines umfassenden Verbandes sein.
Gesetze: Art 9 Abs 2 GG, Art 19 Abs 4 GG, § 42 Abs 2 VwGO, § 43 VwGO, § 91 Abs 1 VwGO, § 2 Abs 1 VereinsG, § 3 Abs 1 S 1 VereinsG, § 3 Abs 3 VereinsG, § 8 VereinsG, § 10 VereinsG, § 11 VereinsG
Tatbestand
1Die Kläger wenden sich gegen die vereinsrechtliche Verbotsverfügung, die das vormalige Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat - heute Bundesministerium des Innern und für Heimat - (BMI) unter dem gegenüber der Bandidos Motorcycle Club (BMC) Federation West Central mitsamt ihren als gebietliche Teilorganisationen qualifizierten, in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen sowie in Griechenland ansässigen örtlichen Mitgliedschaptern ausgesprochen hat.
2Die BMC Federation West Central ist die Klägerin zu 1. Sie hat unter dem einen Beschluss über ihre Auflösung gefasst, existiert jedoch nach der Einschätzung des BMI in Gestalt der Ende Mai bzw. Anfang Juni 2021 gegründeten BMC Federations Mid, North und South Region - den Klägerinnen zu 156 bis 158 - als identitätswahrenden Nachfolgeorganisationen fort. Bei den Klägern zu 2 bis 35 handelt es sich um 34 der in dem Tenor der Verbotsverfügung vom genannten 38 Mitgliedschapter der Klägerin zu 1. Die Kläger zu 36 bis 155 sind Funktionäre der Klägerin zu 1 bzw. Funktionäre oder Mitglieder der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1.
3Die Kläger gehören der weltweit agierenden Rockergruppierung des BMC an, der sich als 1%er-Motorradclub bzw. Outlaw Motorcycle Gang (OMCG) versteht. Er ist in Europa und in Deutschland als Drei-Ebenen-Verband organisiert. Nach der seit 2016 bestehenden Organisationsstruktur steht an der Spitze die BMC Federation Europe. Deren Mitglieder sind die regionalen BMC Federations. Den Federations gehören als Vereinigungen die örtlichen BMC Chapter und als natürliche Personen bestimmte Funktionäre mitgliedschaftlich an. In den BMC Chaptern sind die der Bandidos-Bewegung zugehörigen Motorradfahrer bzw. Rocker als Mitglieder - Member - organisiert. Die BMC Federation Europe hat sich Statuten gegeben. Sie hat darüber hinaus die Organisation der regionalen Federations in den Muster-Statuten für BMC Federations sowie die Organisation der örtlichen Chapter in den Muster-Statuten für BMC Chapters (im Folgenden: Chapter) vorgegeben. Ein weiterer Teil des BMC Satzungsrechts besteht in den von der BMC Federation Europe erlassenen Standards für BMC Federations, BMC Chapters (im Folgenden: Chapter) und BMC Members (im Folgenden: Member).
4Das höchste Entscheidungsgremium der BMC Federation Europe ist der Round Table, dessen Vorsitzender der National Presidente Europe der BMC Federation Europe ist. Dies war bei Erlass der Verbotsverfügung vom der Däne M. R. Dessen Vertreter war - als National Vice Presidente Europe - der Deutsche P. M. Das Leitungsgremium einer regionalen BMC Federation bilden die National Officers bzw. Nationals, die die Titel National Vice Presidente, El Secretario und Sargento de Armas tragen. Der National Vice Presidente vertritt eine Federation am Round Table der BMC Federation Europe. Bei Erlass der streitgegenständlichen Verbotsverfügung war National Vice Presidente der Klägerin zu 1 L. H. (Kläger zu 74). Ihr El Secretario war M. F. (Kläger zu 64). Die Funktion eines Sargento de Armas übten J. B., B. B., S. E. und K. N. (Kläger zu 39, 48, 59 und 104) aus. Zum Führungspersonal einer regionalen Federation gehören ferner die Nomads, die - anders als die Nationals - keinem lokalen Chapter angeschlossen sind. Zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses hatte die Klägerin zu 1 acht Nomads. Sieben von ihnen befinden sich unter den Einzelklägern dieses Verfahrens, nämlich A. B., M. B., E. D., A. G., M. S., R. S. und V. T. (Kläger zu 43, 49, 56, 65, 131, 133 und 135). In der Mitgliederversammlung einer regionalen BMC Federation - dem General Meeting - werden deren Mitgliedschapter durch ihre Präsidenten - Presidents - vertreten. Weitere Funktionäre bzw. Officers eines Chapters sind der Vice President, der Secretary, der Treasurer, der Sergeant at Arms und der Road Captain.
5Ab dem Jahr 2018 kam es in Nordrhein-Westfalen - vor allem in Köln und Hagen - zu schweren Straftaten, zum Teil mit Toten und Schwerverletzten, in deren Folge gegen Funktionäre der Klägerin zu 1 sowie gegen Angehörige ihrer Mitgliedschapter - insbesondere der Chapter in Köln und Hagen - Strafverfahren geführt wurden. Die Chapter in Köln und Hagen lösten sich während des Verlaufs dieser Verfahren im Januar bzw. März 2019 auf. Im Mai 2019 wurden die BMC Chapter Hohenlimburg und Witten gegründet, die das Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen (MI NRW) als ein einheitliches BMC Chapter Hohenlimburg/Witten sowie als identitätswahrende Nachfolgeorganisation des Hagener Mitgliedschapters der Klägerin zu 1 bewertete und - einschließlich der als Teilorganisation des Chapters angesehenen Gruppierung Los Compadres Hagen - mit Verfügung vom als den Strafgesetzen zuwiderlaufend verbot. Die Verbotsverfügung des MI NRW vom wurde am vollzogen.
6Am fasste die Mitgliederversammlung der Klägerin zu 1 den Beschluss, dass die Klägerin zu 1 unter diesem Datum aufgelöst sei (Nr. 1 des Beschlusses). Es bestünden keine liquiden Mittel mehr (Nr. 2 des Beschlusses). Von der Einziehung eventuell noch bestehender Forderungen werde abgesehen (Nr. 3 des Beschlusses). Sämtliche Gegenstände, die nicht im Eigentum der jeweiligen Besitzer stünden, gingen mit sofortiger Wirkung in das Eigentum der jeweiligen Besitzer über (Nr. 4 des Beschlusses). Im Zuge der Gründung der Klägerinnen zu 156 bis 158 Ende Mai bzw. Anfang Juni 2021 wurde diesen jeweils ein Drittel der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 zugeordnet, wobei die beiden in Griechenland ansässigen Chapter außen vor blieben.
7Mit der streitgegenständlichen Verbotsverfügung vom stellte das BMI unter Berufung auf § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 GG ohne vorherige Anhörung der Bescheidadressaten fest, dass der Zweck und die Tätigkeit der Klägerin zu 1 einschließlich ihrer Teilorganisationen in Gestalt ihrer benannten 36 deutschen und zwei griechischen Mitgliedschapter den Strafgesetzen zuwiderliefen (Ziffer 1 des Verfügungstenors). Die Klägerin zu 1 einschließlich ihrer angeführten Teilorganisationen im Inland sei verboten und werde aufgelöst (Ziffer 2 des Verfügungstenors). Die Kennzeichen der Klägerin zu 1 und ihrer Teilorganisationen dürften weder verbreitet noch veröffentlicht oder in einer Versammlung verwendet werden (Ziffer 3 des Verfügungstenors). Der Klägerin zu 1 und ihren Teilorganisationen sei jede Tätigkeit im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes untersagt. Die Bildung oder Fortführung von Ersatzorganisationen sei verboten (Ziffer 4 des Verfügungstenors). Das im Geltungsbereich des Vereinsgesetzes vorhandene Vermögen der Klägerin zu 1 und ihrer Teilorganisationen sowie näher bezeichnete Forderungen und Sachen Dritter würden beschlagnahmt und eingezogen (Ziffer 5 bis 7 des Verfügungstenors). Die sofortige Vollziehung der Verfügung mit Ausnahme der in ihr angeordneten Beschlagnahmen und Einziehungen werde angeordnet (Ziffer 8 des Verfügungstenors). Der Bescheid wurde den Nationals der Klägerin zu 1 am zugestellt und am gleichen Tag mit seinem verfügenden Teil im Bundesanzeiger bekanntgemacht.
8Zur Begründung führte das BMI aus: Die nicht im Vereinsregister eingetragene Klägerin zu 1 stelle einen Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG dar. In ihr hätten sich - als Teilvereine - die aufgeführten, gleichfalls nicht im Vereinsregister eingetragenen 38 Chapter sowie - als natürliche Personen - die circa 650 Mitglieder der Chapter nach Maßgabe der Regelungen in den von der BMC Federation Europe vorgegebenen, eine strenge hierarchische Organisation abbildenden Statuten und Standards freiwillig für längere Zeit zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen. Der hiermit verfolgte gemeinsame Zweck bestehe neben den in dem BMC Satzungsrecht beschriebenen Aktivitäten des gemeinsamen Motorradfahrens und der Veranstaltung damit zusammenhängender Events darin, einen territorialen und finanziellen Machtzuwachs in der Rockerszene - auch mit Gewalt - durchzusetzen. Die Klägerin zu 1 sei trotz ihrer am erklärten Auflösung weiterhin als existent zu betrachten. Der Umstand, dass sie ihre Auflösung in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem am durchgeführten Vollzug der gegen das BMC Chapter Hohenlimburg/Witten gerichteten Verbotsverfügung des MI NRW vom erklärt habe, lege den Schluss nahe, dass sie die Erklärung nur zum Schein und mit dem Ziel abgegeben habe, einem auch ihr drohenden Verbot zu entgehen. Zudem unterfalle ein seine Auflösung betreibender Verein erst dann nicht mehr dem Vereinsbegriff des § 2 Abs. 1 VereinsG, wenn seine Liquidation auch in vermögensrechtlicher Hinsicht vollständig abgeschlossen sei. Dies sei bei der Klägerin zu 1 nicht der Fall. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung habe noch Vereinsvermögen existiert. So seien im Zuge von strafverfahrensrechtlichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hagen bei dem National Vice Presidente der Klägerin zu 1, L. H., und ihrem El Secretario, M. F., auf der Grundlage von § 94 StPO Bargeldgebinde beschlagnahmt worden, die der Klägerin zu 1 vermögensrechtlich zuzurechnen seien. Die Beschlagnahme dauere an. Ferner stehe das mit dem Vereinsheim des BMC Chapters Bochum Centro bebaute Grundstück im gemeinschaftlichen Eigentum von J. B., L. H., P. M. und R. L. Die beiden Erstgenannten seien Funktionäre der Klägerin zu 1, P. M. bekleide jedenfalls eine herausgehobene Funktion in der BMC Federation Europe. Da das Vereinsheim auch für Zwecke der Klägerin zu 1 genutzt worden sei, sei es deren Vereinsvermögen zuzuordnen. Weiterhin seien im vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren als dem Vermögen der Klägerin zu 1 zurechenbare Gegenstände Westen - Kutten - und Motorräder beschlagnahmt worden. Unabhängig hiervon existiere die Klägerin zu 1 in Gestalt der Ende Mai bzw. Anfang Juni 2021 gegründeten Klägerinnen zu 156 bis 158 weiter. Diese stellten identitätswahrende Nachfolgeorganisationen der Klägerin zu 1 dar. Diese Einordnung sei wegen der Rekrutierung der Nationals der Klägerinnen zu 156 bis 158 aus dem Kreis der Funktionäre der Klägerin zu 1 und ihrer Mitgliedschapter, der Einbettung auch der Klägerinnen zu 156 bis 158 in die übergeordneten Strukturen des BMC, der Fortführung von bisher durch die Klägerin zu 1 entfalteten Aktivitäten durch die Klägerinnen zu 156 bis 158 sowie der fortlaufenden Entrichtung von Mitgliedsbeiträgen - Donations - durch die örtlichen Chapter gerechtfertigt.
9Die Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 seien nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG gebietliche Teilorganisationen derselben. Dies ergebe sich aus den Bestimmungen des BMC Satzungsrechts, das auch in der Praxis gelebt werde. Danach müsse jedes örtliche BMC Chapter zwingend Mitglied einer regionalen BMC Federation sein. Über die Gründung und Aufnahme von Chaptern werde auf der Federationsebene entschieden. Die Chapter seien der Führungsebene der Federations weisungsgebunden unterstellt. Es gebe gemeinsame verpflichtende Verhaltensstandards. Die Federations hätten Möglichkeiten zur Sanktionierung von Regelverstößen der Chapter. Es würden gemeinsame Clubinsignien und Symbole verwandt.
10Die Klägerin zu 1 erfülle den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG. Die Grundlage für den strafgesetzwidrigen Zweck und die entsprechende Prägung der Klägerin zu 1 werde durch ihre Struktur und ihr Selbstverständnis gelegt. So würden in dem von dem National Vice Presidente der Klägerin zu 1, L. H., und dem National Vice Presidente Europe der BMC Federation Europe, P. M., verfassten Buch "Ziemlich böse Freunde: Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten" im Zusammenhang mit der Charakterisierung des BMC als OMCG Straftaten bagatellisiert, Rache- und Vergeltungsaktionen glorifiziert sowie die Anwendung von Gewalt und das Tragen von Waffen als alltäglich beschrieben. Die Klägerin zu 1 vertrete als Teil des BMC einen Gebiets- und Machtanspruch im Rockermilieu, der zu bewaffneten und brutalen Auseinandersetzungen mit konkurrierenden Gruppen - insbesondere mit dem Hells Angels MC in Köln und dem Freeway Riders MC in Hagen - geführt habe. Durch das auf den Kutten der Rocker angebrachte 1%er-Patch werde eine Gesetzesverachtung offen zur Schau getragen. Außerdem gebe es Patches, die von den Nationals der Klägerin zu 1 als Auszeichnung bzw. Belohnung für die Begehung von Straftaten im Sinne des Vereins verliehen würden. Im OMCG-Milieu und dementsprechend im Bereich der Klägerin zu 1 werde eine Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden abgelehnt und eine Klärung von Konflikten im Wege der Selbstjustiz - flankiert durch clubinterne Unterstützungsleistungen - befürwortet, wodurch die Hemmschwelle zur Begehung von Straftaten sinke. Vor dem Hintergrund dieser Strukturen seien der Klägerin zu 1 eine Vielzahl von im Einzelnen beschriebenen, bei Erlass der Verbotsverfügung vom noch nicht durchweg rechtskräftig ausgeurteilten Komplexen von schweren Straftaten zuzurechnen, die von Funktionären der Klägerin zu 1 oder von Angehörigen ihrer Mitgliedschapter begangen worden seien. Zudem sei darauf zu verweisen, dass das Landgericht Hagen Anklagen wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung nach § 129 StGB zum einen gegen führende Funktionäre der BMC Federation Europe sowie der Klägerin zu 1 und zum anderen gegen Mitglieder des BMC Chapters Hagen zur Hauptverhandlung zugelassen habe.
11Das ausgesprochene Vereinsverbot sei erforderlich und verhältnismäßig im weiteren Sinne. Eine Strafverfolgung Einzelner reiche nicht aus. Mit einem Verbot lediglich einzelner Mitgliedschapter der Klägerin zu 1, deren Mitglieder besonders auffällig in Erscheinung getreten seien, könne der Strafgesetzwidrigkeit des Gesamtvereins nicht entgegengetreten werden.
12Die Kläger haben jeweils am Klage erhoben.
13Die Klägerin zu 1 trägt vor, die Verbotsverfügung vom sei rechtswidrig und verletze sie in ihrem Recht aus Art. 9 Abs. 1 GG. Die Verfügung verstoße schon deshalb gegen das öffentliche Vereinsrecht, weil die Klägerin zu 1 zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses nicht mehr existiert und damit keinen verbotsfähigen Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG mehr dargestellt habe. Sie habe sich mit dem Beschluss ihrer Mitgliederversammlung vom rechtswirksam selbst aufgelöst. Der Auflösungsbeschluss sei, auch soweit ihm eine taktische Motivation zu Grunde gelegen haben möge, nicht nur zum Schein gefasst worden und nicht nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Es gebe für einen Verein generell keine Selbsterhaltungspflicht. Der Auflösungsbeschluss sei auch ansonsten wirksam zustande gekommen. Etwaige Mängel bei der Einberufung und Durchführung der Mitgliederversammlung - insbesondere das Fehlen einer § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechenden Bezeichnung der anstehenden Beschlussfassung über die Vereinsauflösung in der Ladung - hätten nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses geführt, weil auf Grund der konkreten Fallumstände nach dem zivilen Vereinsrecht die Annahme einer Ausnahme von dieser Rechtsfolge gerechtfertigt sei.
14Die Klägerin zu 1 sei zudem vor Erlass der Verbotsfügung vom liquidationslos erloschen, weil sämtliche Mitglieder im Zusammenhang mit dem in der Mitgliederversammlung vom gefassten Auflösungsbeschluss rechtswirksam aus ihr ausgetreten seien. Mitglieder der Klägerin zu 1 seien ihre örtlichen Mitgliedschapter sowie als natürliche Personen ihre Nationals und Nomads, nicht aber - entgegen der in den Gründen der Verbotsverfügung zu Tage tretenden Einschätzung des BMI - die Mitglieder der örtlichen Chapter. Der Auflösungsbeschluss enthalte die konkludenten Austrittserklärungen der in der Versammlung anwesenden bzw. vertretenen Mitglieder. Alle anderen Mitglieder bzw. deren Vertreter hätten ihren Austritt kurz darauf konkludent durch das Verlassen der vereinsbezogenen Chatgruppen oder die Einstellung der vereinsbezogenen Tätigkeiten erklärt. Zudem seien die Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 jedenfalls dadurch aus dieser ausgetreten, dass sie sich den Ende Mai bzw. Anfang Juni 2021 gegründeten Klägerinnen zu 156 bis 158 angeschlossen hätten.
15Falls man ein liquidationsloses Erlöschen der Klägerin zu 1 nicht annehmen wolle, führe dies im Hinblick auf die Beendigung ihrer Existenz zu keinem anderen Ergebnis. Das Vereinsvermögen der Klägerin zu 1 - nur auf dieses und nicht auch auf das Vermögen der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 könne es ankommen - sei vor Erlass der Verbotsverfügung vom vollständig liquidiert gewesen. Der Begriff des Vereinsvermögens sei in einem engen, zivilrechtlichen Sinn zu verstehen. Jedenfalls sei - und dies auch bei einem weiten, wirtschaftlichen Verständnis des Vereinsvermögensbegriffs - infolge der in Nr. 3 und 4 des Auflösungsbeschlusses vom enthaltenen Maßgaben zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses kein Vermögen der Klägerin zu 1 mehr vorhanden gewesen. Dies gelte nicht nur in Bezug auf die in der Verfügung genannten Vermögensgegenstände, sondern auch für die bei den Ermittlungsmaßnahmen im Vorfeld des Verbots bzw. bei dessen Vollzug etwa bei dem Sargento de Armas der Klägerin zu 1, J. B., sichergestellten und beschlagnahmten Waffen.
16Schließlich sei die Annahme des BMI, die Klägerin zu 1 bestehe in der Gestalt der Klägerinnen zu 156 bis 158 fort, wie jene Klägerinnen zutreffend vortrügen, haltlos.
17Unabhängig hiervon sei die streitgegenständliche Verbotsverfügung rechtswidrig, weil die Klägerin zu 1 den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG nicht erfülle. Das Gros der überhaupt für eine Belastung der Klägerin zu 1 in Betracht kommenden, insbesondere nicht lediglich in einem im Ergebnis nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Verfahren benannten Straftaten sei von Mitgliedern der BMC Chapter Hagen und Köln in begrenzten lokalen Brandherden begangen worden. Das erstgenannte Chapter sei - in Gestalt des BMC Chapters Hohenlimburg/Witten - durch die Verfügung des MI NRW vom verboten worden, das letztgenannte habe sich aufgelöst.
18Die Kläger zu 2 bis 35 - Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 und als deren gebietliche Teilorganisationen in Anspruch genommen - machen geltend, sie könnten als in der Form eines Vereins organisierte Mitglieder der Klägerin zu 1 die Verbotsverfügung vom auf Grund ihres Rechts aus Art. 9 Abs. 1 GG ebenso wie die Klägerin zu 1 umfassend zur gerichtlichen Überprüfung stellen, weil sie bei deren Bestand in ihrer Existenz ausgelöscht seien. Ferner verlangten sie deren vollständige Aufhebung, weil die Verfügung aus den von der Klägerin zu 1 vorgetragenen Gründen rechtswidrig sei. In jedem Fall könnten sie, soweit sie als Teilorganisationen der Klägerin zu 1 behandelt würden, nach Art. 9 Abs. 1 GG beanspruchen, dass das ausgesprochene Vereinsverbot aufgehoben werde, soweit es sich auf sie erstrecke. Diese Erstreckung sei formell rechtswidrig, weil die Verbotsverfügung keine den Anforderungen des § 3 Abs. 4 Satz 1 VereinsG und des § 39 Abs. 1 VwVfG genügende Begründung der vorgeblichen Teilorganisationseigenschaft sämtlicher Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 enthalte. Die Inanspruchnahme als Teilorganisationen widerspreche zudem dem materiellen Recht. Die Kläger zu 2 bis 35 seien beim Erlass der Verbotsverfügung schon deshalb keine Teilorganisationen der Klägerin zu 1 mehr gewesen, weil letztere zu diesem Zeitpunkt nicht mehr existiert habe. Unabhängig hiervon stünden sie in Bezug auf die Klägerin zu 1 nicht in dem Verhältnis von Teilorganisationen zu einem sie beherrschenden Gesamtverein, sondern in demjenigen von selbständigen Mitgliedsvereinen zu einem Dachverband, wobei die Klägerin zu 1 ihrerseits Mitglied in dem europäischen Dachverband der BMC Federation Europe sei, deren Betätigung in Deutschland nicht verboten sei. Die regionalen BMC Federations seien sowohl nach dem BMC Satzungsrecht als auch nach der geübten Praxis als bloße Plattformen zur Informationsvermittlung und Interessenvertretung zwischen den örtlichen BMC Chaptern und der BMC Federation Europe angesiedelt. Jedenfalls sei das Großverbot der Klägerin zu 1 mit 36 vorgeblichen Teilorganisationen im Inland unverhältnismäßig. Das Verbot eines Gesamtvereins nach § 3 Abs. 3 VereinsG stehe nur dann mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang, wenn der Gesamtverein und seine Teilorganisationen als ganzes Gebilde durch einen Verbotsgrund aus § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 GG - hier die Strafgesetzwidrigkeit - geprägt sei. In diesem Sinne sei die Vorschrift des § 3 Abs. 3 VereinsG teleologisch zu reduzieren. An einer derartigen strukturellen Bestimmbarkeit aller vorgeblichen Teilorganisationen zu verbotenem Verhalten fehle es im vorliegenden Fall. Es seien nur einzelne prekäre Mitgliedschapter der Klägerin zu 1, die mit dieser auf Grund von persönlichen Beziehungen einzelner Chapterangehöriger zu Nationals der Klägerin zu 1 in besonderer Weise verbunden seien, in von der Beklagten als szenetypisch bezeichnete Straftaten involviert gewesen. Unter den Klägern zu 2 bis 35 befinde sich kein Chapter, das an gewalttätigen Revierkämpfen im Rockermilieu beteiligt gewesen sei.
19Die Kläger zu 39, 48, 59, 64, 74 und 104 - Nationals der Klägerin zu 1 - sowie die Kläger zu 43, 49, 56, 65, 131, 133 und 135 - Nomads der Klägerin zu 1 - nehmen für sich in Anspruch, sie gehörten als natürliche Personen zu dem ansonsten aus den örtlichen BMC Chaptern bestehenden Kreis der Mitglieder der Klägerin zu 1. Sie könnten, gestützt auf Art. 2 Abs. 1 GG, die Aufhebung der Verbotsverfügung vom verlangen, weil die Klägerin zu 1 zum Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung nicht mehr als Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG existiert habe.
20Die Kläger zu 36 bis 38, 40 bis 42, 44 bis 47, 50 bis 55, 57 und 58, 60 bis 63, 66 bis 73, 75 bis 103, 105 bis 130, 132, 134 sowie 136 bis 155 - Mitglieder der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 - stehen auf dem Standpunkt, sie seien zwar nicht zugleich Mitglieder der Klägerin zu 1. Ihre dortige Mitgliedschaft sei jedoch für eine Anfechtung der Verbotsverfügung vom zu fingieren, weil das BMI in den Gründen der Verfügung von einer solchen ausgehe. Mithin könnten auch sie sich auf Art. 2 Abs. 1 GG berufen und geltend machen, dass die Klägerin zu 1 zum Zeitpunkt des Verbotserlasses keinen Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG mehr dargestellt habe. Da dem so sei, sei die Verbotsverfügung aufzuheben.
21Die Klägerinnen zu 156 bis 158 wenden sich gegen die Verbotsverfügung vom , weil das BMI, indem es sie durch die Bezeichnung als identitätswahrende Nachfolgeorganisationen der Klägerin zu 1 mit dieser gleichsetze, ihr Recht aus Art. 9 Abs. 1 GG verletze. Sie machen geltend, dass die Verbotsverfügung ihnen unter Verletzung von § 3 Abs. 4 VereinsG und § 41 Abs. 1, § 43 Abs. 1 VwVfG nicht zugestellt bzw. bekanntgegeben worden sei und dass die Klägerin zu 1 bei Erlass der Verbotsverfügung nicht mehr als verbotsfähiger Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG bestanden habe. Außerdem stellten sie keine identitätswahrenden Nachfolgeorganisationen der Klägerin zu 1 dar, weil sie sich in gebietlicher, personeller und organisatorischer Hinsicht von dieser unterschieden und mit ihrer Gründung eine Distanzierung von den Altlasten der Klägerin zu 1 und deren mit dem Strafrecht in Konflikt geratenen Chaptern verbunden gewesen sei.
22Die Kläger beantragen,
den Verbotsbescheid des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom gegen die Vereinigung "Bandidos Motorcycle Club Federation West Central" und ihre Teilorganisationen aufzuheben,
hilfsweise,
auf die Klage der Klägerinnen zu 156, 157 und 158 festzustellen, dass die BMC Federation North Region, die BMC Federation Mid Region und die BMC Federation South Region keine Nachfolgeorganisationen der verbotenen BMC Federation West Central sind und durch den Verbotsbescheid des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat vom gegen die Vereinigung "Bandidos Motorcycle Club Federation West Central" und ihre Teilorganisationen nicht verboten sind.
23Die Beklagte beantragt,
die Klagen abzuweisen.
24Sie tritt den Klagen entgegen und verteidigt die Verbotsverfügung.
25Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die Sargentos de Armas der Klägerinnen zu 156 und 158 und vorherigen Chapterpräsidenten in Dortmund und Duisburg, P. K. und M. D., im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage informatorisch zu der Vereinspraxis der Klägerin zu 1 und ihrer Mitgliedschapter angehört.
26Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Streitakte, die von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
Gründe
27Die Klagen, über die das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO erst- und letztinstanzlich entscheidet, haben nur insoweit Erfolg, als auf den von den Klägerinnen zu 156 bis 158 hilfsweise gestellten Antrag festzustellen ist, dass diese nicht von der Verbotsverfügung vom erfasst werden. Im Übrigen sind die Klagen abzuweisen.
28Die Anfechtungsklage der Klägerin zu 1 ist zulässig, aber unbegründet (1.). Gleiches gilt für die Anfechtungsklagen der Kläger zu 2 bis 35 - Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 -, die durch die Verbotsverfügung als gebietliche Teilorganisationen der Klägerin zu 1 in Anspruch genommen werden (2.), sowie für die von den Klägern zu 39, 48, 59, 64, 74 und 104 bzw. zu 43, 49, 56, 65, 131, 133 und 135 - Nationals bzw. Nomads der Klägerin zu 1 - erhobenen Anfechtungsklagen (3.). Die Anfechtungsklagen der Kläger zu 36 bis 38, 40 bis 42, 44 bis 47, 50 bis 55, 57 und 58, 60 bis 63, 66 bis 73, 75 bis 103, 105 bis 130, 132, 134 sowie 136 bis 155 - Mitglieder der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 - sind unzulässig (4.). Ebenfalls unzulässig sind die Klagen der Klägerinnen zu 156 bis 158 - vorgebliche identitätswahrende Nachfolgeorganisationen der Klägerin zu 1 - mit dem als Hauptantrag angebrachten Anfechtungsantrag, wogegen der Hilfsantrag mit dem Begehren auf Feststellung, dass die genannten Klägerinnen durch die Verbotsverfügung nicht erfasst werden, zulässig und in der Sache erfolgreich ist (5.).
291. Die Klägerin zu 1 greift die Verbotsverfügung vom mit der Anfechtungsklage in zulässiger Weise an (a.), kann damit jedoch in der Sache nicht durchdringen (b.).
30a. Die Klägerin zu 1 ist als Vereinigung, die mit dem ausgesprochenen Vereinsverbot als (Gesamt-)Verein im Sinne des Vereinsgesetzes belegt wird, nach § 42 Abs. 2 VwGO zur Anfechtung der Verbotsverfügung befugt. Dies entspricht ihrem Recht aus Art. 9 Abs. 1 GG, im Fall der nicht mehr bestehenden Vereinseigenschaft in Gestalt der negativen Vereinigungsfreiheit. Die Befugnis der Klägerin zu 1 zur Anfechtung der als Nebenentscheidung verfügten Beschlagnahme und Einziehung ihres Vermögens folgt aus Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. dazu insgesamt: 6 A 1.19 - BVerwGE 167, 293 Rn. 14 ff. m. w. N.).
31Hiernach bestehen keine Zweifel an der Beteiligungsfähigkeit der Klägerin zu 1 nach § 61 Nr. 2 VwGO. Die in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung vereinzelt vertretene Ansicht, eine verbotene Vereinigung, die - wie hier die Klägerin zu 1 - geltend mache, sich bereits vor dem Erlass der Verbotsverfügung endgültig aufgelöst zu haben, sei in dem Verfahren über die gegen die Verfügung erhobene Anfechtungsklage nicht beteiligungsfähig, weil dann nach dem eigenen, seitens des Gerichts nicht zu hinterfragenden Vortrag der Vereinigung die Auflösung nicht durch das Vereinsverbot herbeigeführt worden sei ( - NordÖR 2020, 528 <531 f.>), ist in Anbetracht der in Art. 19 Abs. 4 GG enthaltenen Garantie effektiven Rechtsschutzes nicht haltbar. Die Frage, ob überhaupt ein Verein als Anknüpfungspunkt für die erlassene Verbotsverfügung besteht, stellt sich nicht in Bezug auf die Zulässigkeit, sondern auf die Begründetheit der Klage.
32b. Die Verbotsverfügung vom ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin zu 1 nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das BMI hat zu Recht festgestellt, dass die Klägerin zu 1 auf Grund ihrer Strafgesetzwidrigkeit verboten ist, und hat deshalb die Auflösung der Vereinigung angeordnet (aa.). Auch die weiteren in der Verfügung enthaltenen, die Klägerin zu 1 betreffenden Entscheidungen und Maßgaben sind nicht zu beanstanden (bb.).
33aa. Die Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit der Klägerin zu 1 und die Anordnung ihrer Auflösung sind nach der für die gerichtliche Beurteilung maßgeblichen Sach- und Rechtslage (aaa.) auf der diese Aussprüche tragenden Rechtsgrundlage (bbb.) ausweislich der umfassenden gerichtlichen Überprüfung, die auf die Anfechtungsklage der verbotenen Vereinigung hin vorzunehmen ist (ccc.), in formell (ddd.) und materiell (eee.) rechtmäßiger Weise ergangen.
34aaa. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer vereinsrechtlichen Verbotsverfügung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Verfügungserlasses. Dabei können - wie auch sonst im Gefahrenabwehrrecht - zurückliegende Umstände herangezogen werden, soweit sie zu diesem Zeitpunkt noch aussagekräftig sind ( 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 17 und vom - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 25). Ferner können Gesichtspunkte aus einer strafgerichtlichen Verurteilung berücksichtigt werden, die zwar nach Erlass der Verbotsverfügung ergangen ist, aber eine vor Erlass der Verfügung begangene Straftat betrifft ( 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 17 und vom - 1 A 14.16 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 75 Rn. 18). Der Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung vom ist der , das Datum ihrer Zustellung und Bekanntmachung im Bundesanzeiger.
35bbb. Rechtsgrundlage für das gegenüber der Klägerin zu 1 ausgesprochene Vereinsverbot ist § 3 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz - VereinsG) vom (BGBl. I S. 593), das zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung vom zuletzt durch Art. 5 des Gesetzes vom (BGBl. I S. 2600) geändert worden war, in Verbindung mit Art. 9 Abs. 2 GG. Nach Art. 9 Abs. 2 GG sind Vereinigungen verboten, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG darf ein Verein erst dann als verboten im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG behandelt werden, wenn durch Verfügung der Verbotsbehörde festgestellt ist, dass der Verein einen der Verbotsgründe des Art. 9 Abs. 2 GG erfüllt; in der Verfügung ist die Auflösung des Vereins anzuordnen.
36ccc. Die Klägerin zu 1 kann als nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 GG verbotener (Gesamt-)Verein eine umfassende gerichtliche Überprüfung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit des Verbots verlangen ( 6 A 1.19 - BVerwGE 167, 293 Rn. 25). In materiell-rechtlicher Hinsicht umfasst die Prüfung, was die Verwirklichung von Verbotsgründen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG und Art. 9 Abs. 2 GG anbelangt, inzident die Frage, ob es sich bei den Mitgliedschaptern der Klägerin zu 1, denen Straftaten ihrer Funktionäre und Mitglieder zur Last fallen, um (gebietliche) Teilorganisationen der Klägerin zu 1 im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG handelt. Denn auf der Grundlage dieser Vorschrift ist - wegen der von ihr vorausgesetzten Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seinen Gliederungen - dem Gesamtverein das Verhalten seiner Teilorganisationen unmittelbar zuzurechnen (dazu ausführlich: 6 A 3.21 - Rn. 71 f.; ebenso im Ergebnis bereits: 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 46).
37ddd. Das BMI hat bei dem Erlass der angefochtenen Verbotsverfügung nicht gegen Bestimmungen des formellen Rechts verstoßen. Es hat insbesondere seine Zuständigkeit gewahrt ((1)), in nicht zu beanstandender Weise von einer Anhörung der Klägerin zu 1 abgesehen ((2)) und die Verfügung hinreichend begründet ((3)).
38(1) Die Zuständigkeit des BMI für den Erlass der Verbotsverfügung ergibt sich aus § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG. Danach ist das BMI Verbotsbehörde für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist bei dem Verbot einer Vereinigung als Gesamtverein auf die Organisation oder Tätigkeit dieser Vereinigung einschließlich der von der Verbotsbehörde nach § 3 Abs. 3 VereinsG als Teilorganisationen in Anspruch genommenen Vereinigungen abzustellen ( 6 A 2.21 - juris Rn. 21 und - 6 A 4.21 - juris Rn. 29). In der Klägerin zu 1 als regionaler BMC Federation sind örtliche BMC Chapter aus Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen sowie aus Griechenland organisiert. Entsprechend weit greifen die Tätigkeiten der Klägerin zu 1 und ihrer Mitgliedschapter aus.
39(2) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts kann die Verbotsbehörde von der Anhörung der von einer Verbotsverfügung Betroffenen absehen, wenn Anhaltspunkte für die Annahme bestehen, auf Grund des mit der Anhörung verbundenen Ankündigungseffekts könnten Beweismittel oder Vermögenswerte beiseitegeschafft und dem behördlichen Zugriff entzogen werden. Die Ermessensentscheidung hierüber, die im Hinblick auf das Verbot einer Vereinigung als Gesamtverein mitsamt Teilorganisationen nur einheitlich mit Blick auf den Gesamtverein getroffen werden kann ( 6 A 2.21 - juris Rn. 23 und - 6 A 4.21 - juris Rn. 31), bedarf einer Begründung, die erkennen lässt, auf welchen Erwägungen das Absehen von der Anhörung beruht ( u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 161; 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 36 und vom - 6 A 6.21 - DVBl 2023, 598 Rn. 20).
40Die in den Gründen der Verbotsverfügung enthaltene Rechtfertigung des BMI für den Anhörungsverzicht wird diesen Anforderungen - noch - gerecht. Das BMI verweist darauf, im Rockermilieu seien Versuche notorisch, im Vorfeld eines befürchteten Vereinsverbots Organisationsstrukturen zu verschleiern. Im Bereich der Klägerin zu 1 seien bereits in der Vergangenheit örtliche Chapter aufgelöst, umbenannt oder neu gegründet worden. In diesem Zusammenhang habe bei einer Anhörung die Gefahr eines Verlustes von Vermögensgegenständen der Klägerin zu 1 bzw. von Beweismaterial bestanden.
41(3) Die Begründung der Verbotsverfügung entspricht im Übrigen den Maßgaben des § 3 Abs. 4 Satz 1 VereinsG und des § 39 Abs. 1 Satz 2 VwVfG. Dies gilt auch in Bezug auf die von dem BMI für die Qualifikation der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 als deren Teilorganisationen angeführten Gründe. Entgegen der insoweit von den Klägern zu 2 bis 35 geäußerten Kritik durfte sich das BMI diesbezüglich schon deshalb maßgeblich auf das BMC Satzungsrecht stützen, weil es darin eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten für die entsprechende Einordnung erkannt hat.
42eee. Das angefochtene Vereinsverbot steht - bezogen auf den für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses - im Einklang mit materiellem Recht. Die Klägerin zu 1 ist ein Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG, dem neben den von dem BMI in der Verbotsverfügung genannten BMC Chaptern die Nationals und die Nomads der Klägerin zu 1, nicht hingegen die Mitglieder der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 als Mitglieder angehören ((1)). Die vereinsrechtliche Existenz und Verbotsfähigkeit dieses Vereins ist nicht durch den von seiner Mitgliederversammlung am gefassten Auflösungsbeschluss oder einen damit im Zusammenhang stehenden Vereinsaustritt der Vereinsmitglieder entfallen ((2)). Die Klägerin zu 1 erfüllt den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit. Die Strafgesetzwidrigkeit prägt die Klägerin zu 1 als Gesamtverein. Ihr Verbot wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne ((3)).
43(1) Nach § 2 Abs. 1 VereinsG ist ein Verein im Sinne des Vereinsgesetzes ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat. Diese Legaldefinition stimmt mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben in Art. 9 Abs. 1 und 2 GG überein ( - NVwZ 2020, 224 Rn. 15). Ihre Begriffsmerkmale werden von der Klägerin zu 1 erfüllt. Der Umstand, dass die Klägerin zu 1 ihrerseits Mitglied in der BMC Federation Europe ist, steht der Annahme ihrer Vereinseigenschaft nicht entgegen (vgl. 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 22).
44Für längere Zeit freiwillig zusammengeschlossen haben sich in der Klägerin zu 1 als regionaler BMC Federation in erster Linie die ihr zuzuordnenden örtlichen BMC Chapter. Der diesen Zusammenschluss stiftende konstitutive Akt und die organisierte Gesamtwillensbildung finden in dem von der BMC Federation Europe vorgegebenen BMC Satzungsrecht in Gestalt der Statuten der BMC Federation Europe, der Muster-Statuten für BMC Federations und für BMC Chapter sowie der Standards für BMC Federations, Chapter und Member Ausdruck. Diese Regelwerke enthalten detaillierte Bestimmungen über die - mit der BMC Federation Europe verbundene - Organisation der regionalen BMC Federations und der örtlichen BMC Chapter sowie über hierarchisch ausgestaltete Entscheidungsabläufe im Verhältnis zwischen den Organisationsebenen. Die Klägerin zu 1 stellt nicht in Abrede, dass die gelebte Ordnung in ihrem Bereich vorbehaltlich von Abweichungen in Einzelfällen den Vorgaben dieses Regelungsgeflechts entspricht. Sie beruft sich vielmehr - in Übereinstimmung mit den anderen Klägern - in ihrem Vortrag weithin auf diese Vorgaben.
45Nur zurückhaltend umschrieben wird - etwa in § 4 Abs. 1, 2 und 4 der Muster-Statuten für BMC Federations - der Zweck der BMC Federations mit dem Verweis auf deren Charakter als eines auf Dauer angelegten, überörtlichen Motorradclubs und als einer - auch eigene Pflichten wahrnehmenden - Lobbygruppe zur Vertretung der Interessen der Federationsmitglieder gegenüber der BMC Federation Europe. Das BMI weist in der Begründung der angefochtenen Verbotsverfügung zutreffend darauf hin, dass der von der Klägerin zu 1 verfolgte Zweck in tatsächlicher Hinsicht über die satzungsmäßige Umschreibung hinausreicht und die Durchsetzung eines territorialen und finanziellen Machtzuwachses in der Rockerszene - auch mit Gewalt - umfasst. Nach der Rechtsprechung des Senats ist es im Hinblick auf jede Organisationseinheit des BMC jederzeit möglich, dass sich eine grundsätzlich innerhalb des BMC bestehende Geneigtheit zur gewaltsamen Austragung von szenetypischen Rivalitäten und Konflikten mit anderen Rockergruppierungen aktualisiert ( 6 C 1.14 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 105 Rn. 14). Im Fall der Klägerin zu 1 hat sich dieses Risiko verwirklicht, wie sich aus ihrer späterhin darzustellenden Strafgesetzwidrigkeit ergibt.
46Die Klägerin zu 1 hat neben den BMC Chaptern, die ihr als Vereinigungen angehören, auch natürliche Personen als Mitglieder (zu "gemischten" Vereinen als solchen im Sinne von § 2 Abs. 1 VereinsG: Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig <Hrsg.>, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 2 VereinsG Rn. 5). Aus ihrem Vortrag ergibt sich, dass sie auf der Grundlage von § 7 Abs. 1 Satz 2 der Muster-Statuten für BMC Federations die Mitgliedschaft ihren Nomads gewährt hat, die als solche keinem örtlichen Chapter angeschlossen sind und deren Aufgabe nach Ziffer 3.3. der Standards für BMC Federations darin besteht, die BMC Chapter in Clubangelegenheiten zu unterstützen.
47Die Klägerin zu 1 macht zu Recht geltend, dass darüber hinaus, wenn auch ohne eine entsprechende ausdrückliche Regelung im BMC Satzungsrecht, ihre Nationals - also ihr National Vice Presidente, ihr El Secretario und ihre Sargentos de Armas - als natürliche Personen zu ihren Mitgliedern gehören. Diese Einordnung kann sich zunächst darauf stützen, dass die Nationals - anders als die Nomads - nach § 12 Abs. 1 bis 4 der Muster-Statuten für BMC Federations die Stellung von Organen einer regionalen Federation mit weitgehenden Kompetenzen haben. Sie entspricht vor diesem Hintergrund im Übrigen dem das öffentliche Vereinsrecht prägenden Grundsatz der Faktizität (hierzu allgemein: BT-Drs. IV/430 S. 10; - NVwZ 2020, 224 Rn. 17; 1 A 14.16 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 75 Rn. 23 und vom - 6 C 5.21 - juris Rn. 17). Denn die Nationals wären zwar im Unterschied zu den Nomads auch ohne eine unmittelbare Mitgliedschaft in der Klägerin zu 1 als regionaler BMC Federation in dem BMC verankert, da sie nach der übereinstimmenden Einschätzung der Beteiligten in der Zeit, in der sie die besagte Funktion wahrnehmen, Mitglieder ihres jeweiligen Heimatchapters bleiben. Gleichwohl wäre die Annahme, die Nationals seien anders als die im Vergleich mit ihnen kompetenzmäßig weitaus weniger herausgehobenen Nomads keine Federationsmitglieder, in Anbetracht des den BMC prägenden Hierarchie- und Bruderschaftsgedankens lebensfremd.
48Demgegenüber kommt den Angehörigen der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 nicht zugleich der Status eines Mitglieds der Klägerin zu 1 zu. Dies entspricht der im gerichtlichen Verfahren übereinstimmend vertretenen Einschätzung der Beteiligten, wobei die Beklagte von der in den Gründen der Verbotsverfügung vom zum Ausdruck kommenden gegenteiligen Ansicht des BMI abgerückt ist. Dass die Einschätzung der Beteiligten zutrifft, ergibt sich aus § 13 Abs. 1 der Muster-Statuten für BMC Federations, wonach in der Mitgliederversammlung einer regionalen BMC Federation die örtlichen BMC Chapter und nicht etwa deren einzelne Mitglieder durch die Chapterpräsidenten vertreten werden. Dementsprechend waren, wie die Klägerin zu 1 unwidersprochen vorträgt, in ihrer Mitgliederversammlung vom , in der der Beschluss über die Auflösung des Vereins gefasst wurde, nur Präsidenten der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 sowie einige ihrer Nationals und Nomads, nicht aber einfache Mitglieder der Mitgliedschapter zugegen.
49(2) Ein Vereinsverbot nach § 3 Abs. 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 GG darf sich nur gegen einen zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt existenten Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG richten ( 1 A 14.16 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 75 Rn. 23; Beschluss vom - 6 B 39.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 45 Rn. 7). Die Eigenschaft der Klägerin zu 1 als bei Erlass der Verbotsverfügung vom verbotsfähiger Verein ist trotz des Auflösungsbeschlusses ihrer Mitgliederversammlung vom und der ihrer Auffassung nach von Vereinsmitgliedern konkludent abgegebenen Vereinsaustrittserklärungen sowie unabhängig von der Frage, ob der Beschluss und die Erklärungen nach zivilrechtlichen Maßstäben wirksam sind, zu bejahen. Dies folgt zwar nicht schon daraus, dass die Klägerin zu 1 jedenfalls in den zeitlich nach dem Auflösungsbeschluss gegründeten Klägerinnen zu 156 bis 158 als identitätswahrenden Nachfolgeorganisationen fortleben würde ((a)). Jedoch ist bezüglich der vereinsrechtlichen Fortexistenz der Klägerin zu 1 eine zivilrechtliche Sichtweise grundsätzlich nicht angezeigt. Entscheidend sind die tatsächlichen Umstände, nach denen die Klägerin zu 1 ungeachtet des Auflösungsbeschlusses vom und etwa erklärter Vereinsaustritte weiterhin Bestand hatte ((b)).
50(a) Die Ende Mai bzw. Anfang Juni 2021 als regionale BMC Federations gegründeten Klägerinnen zu 156 bis 158 stellen entgegen der Einschätzung der Beklagten keine identitätswahrenden Nachfolgeorganisationen der Klägerin zu 1 dar.
51Zwar ist es nach dem gefahrenabwehrrechtlichen Zweck des Vereinsgesetzes (zu diesem: - NVwZ 2020, 224 Rn. 16; 6 C 5.21 - juris Rn. 17) grundsätzlich nicht ausgeschlossen, eine neu gegründete Vereinigung mit einer für ein Verbot anstehenden oder bereits verbotenen Vereinigung gleichzusetzen, sie also von einem solchen Verbot ohne Weiteres erfasst zu sehen, um zu verhindern, dass das Verbot unterlaufen wird. Der Gesetzgeber des Vereinsgesetzes hat die Möglichkeit eines derartigen Vorgehens erkennbar im Blick gehabt (vgl. BT-Drs. IV/430 S. 17).
52Der Gesetzgeber hat allerdings in § 8 VereinsG auch eine ausdrückliche Regelung geschaffen, deren Zweck in der Verhinderung des Unterlaufens von Vereinsverboten besteht. Nach § 8 Abs. 1 VereinsG ist es verboten, Organisationen zu bilden, die verfassungswidrige Bestrebungen im Sinne des Art. 9 Abs. 2 GG eines nach § 3 VereinsG verbotenen Vereins an dessen Stelle weiterverfolgen (Ersatzorganisationen) oder bestehende Organisationen als Ersatzorganisationen fortzuführen. Dieses Verbot gilt unmittelbar kraft Gesetzes. Zu seiner verwaltungsmäßigen Durchführung kann jedoch nach § 8 Abs. 2 Satz 1 VereinsG gegen einen Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG nur auf Grund einer besonderen Verfügung vorgegangen werden, in der festgestellt wird, dass der betreffende Verein eine Ersatzorganisation des verbotenen Vereins ist. Nach der Rechtsprechung des Senats handelt es sich bei dem Verbot als Ersatzorganisation um einen schwerwiegenden Eingriff in Art. 9 Abs. 1 GG. Die mit einem solchen Verbot belegte Organisation muss deshalb davon geprägt sein, die Ziele der zuvor verbotenen Vereinigung weiterzuverfolgen. Indizien, die in einer Gesamtschau für eine solche Prägung sprechen können, nicht aber notwendigerweise kumulativ vorliegen müssen, sind ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Auflösung der verbotenen Vereinigung, die Mitwirkung oder maßgebliche Einflussnahme früherer, etwa gar besonders hervorgetretener Mitglieder oder Funktionäre der verbotenen bei der Gründung der neuen Vereinigung oder Umstände, die - wie ein überörtlicher Zusammenhang mit der Gründung ähnlicher Organisationen oder eine Zusammenarbeit mit solchen - auf eine einheitliche, planmäßige Steuerung durch Kräfte der aufgelösten verbotenen Vereinigung hindeuten ( 6 A 6.21 - DVBl 2023, 598 Rn. 23 f. m. w. N.).
53Die Behandlung einer Vereinigung als identitätswahrende Nachfolgeorganisation eines für ein Verbot anstehenden oder bereits verbotenen Vereins führt zu einem im Vergleich mit der Qualifikation als Ersatzorganisation noch gewichtigeren Eingriff in das Recht der betroffenen Vereinigung aus Art. 9 Abs. 1 GG. Die Behandlung ist zudem vor dem Hintergrund von Art. 19 Abs. 4 GG besonders rechtfertigungsbedürftig, weil die betroffene Vereinigung - gegebenenfalls mit strafrechtlichen Konsequenzen für Mitglieder, Unterstützer und sonstige Personen aus § 85 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2, § 86 Abs. 1 Nr. 2 und § 86a StGB sowie § 20 Abs. 1 Nr. 1, 3 und 5 VereinsG - von dem im Raum stehenden Verbot ohne das Erfordernis einer gesonderten Feststellungsverfügung erfasst wird. Abgesehen davon dürfen schon aus rechtssystematischen Gründen die in § 8 VereinsG enthaltenen Voraussetzungen für die Annahme einer Ersatzorganisation nicht leerlaufen (in einem vergleichbar restriktiven Sinn: BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 168/97 - NStZ 1997, 603 <604> und vom - 3 StR 390/97 - NJW 1998, 1653 f.; Groh, VereinsG, 2. Aufl. 2021, § 8 Rn. 8 f.; Heinrich, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 20 VereinsG Rn. 45).
54Die Einordnung einer Vereinigung als identitätswahrende Nachfolgeorganisation eines für ein Verbot anstehenden oder bereits verbotenen Vereins setzt deshalb voraus, dass zwischen den beiden Gruppierungen im Wesentlichen eine organisatorische, personelle sowie - bei einer gebietlichen Struktur - gebietliche Identität besteht, wobei diese Voraussetzungen kumulativ und offensichtlich vorliegen müssen. Dies wird etwa bei der bloßen Umbenennung eines Vereins oder bei einem Wechsel in ein neues Stadium im Rahmen einer rechtlichen Entwicklung, etwa vom nicht rechtsfähigen zum eingetragenen Verein der Fall sein (vgl. Heinrich, in: Münchener Kommentar zum StGB, 4. Aufl. 2022, § 20 VereinsG Rn. 45). In Bezug auf das Verhältnis zwischen der Klägerin zu 1 und den Klägerinnen zu 156 bis 158 sind die Voraussetzungen nicht erfüllt.
55Die Klägerinnen zu 156 bis 158 sind, was auch die Beklagte einräumt, als regionale BMC Federations in gebietlicher Hinsicht mit der Klägerin zu 1 nur in Teilen, nicht aber - wie erforderlich - ohne wesentliche Einschränkungen insgesamt identisch. Die beiden griechischen Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 aus Athen und Thessaloniki sind keiner der Klägerinnen zu 156 bis 158 zugeordnet. Der einheitliche Betätigungsbereich der Klägerin zu 1 als regionaler BMC Federation in Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen ist nunmehr auf drei regionale BMC Federations aufgeteilt.
56Von einer organisatorischen Identität der Klägerinnen zu 156 bis 158 mit der Klägerin zu 1 kann ebenfalls keine Rede sein, vielmehr bestehen diesbezüglich im Hinblick auf die Anwendung des BMC Satzungsrechts erhebliche Unterschiede. Das gilt zum einen im Verhältnis der europäischen zur regionalen Ebene des BMC in dem bisher von der Klägerin zu 1 beherrschten Gebiet. Denn am Round Table der BMC Federation Europe, der gemäß Ziffern 12.1. und 11.1. ihrer Statuten die Mitgliederversammlung und das höchstes Entscheidungsgremium der BMC Federation Europe darstellt, nehmen nach den Neugründungen nicht mehr nur ein National Vice Presidente - für die Klägerin zu 1 -, sondern drei National Vice Presidentes - jeweils einer für die Klägerinnen zu 156 bis 158 - Platz, was eine nicht von der Hand zu weisende Bedeutung für die Bildung von Stimmenmehrheiten bei Entscheidungen auf der europäischen Ebene des BMC hat. Verändert hat sich zum anderen das Verhältnis der regionalen zur örtlichen Ebene des BMC in dem überkommenen Gebiet der Klägerin zu 1. Hier ist eine Fragmentierung mit entsprechenden Auswirkungen auf die Größe der - nunmehr drei - Mitgliederversammlungen der regionalen Federations eingetreten. Tendenziell ist damit das Gewicht gestiegen, das einem örtlichen Chapter bzw. dessen Präsidenten bei Entscheidungen auf der entsprechenden regionalen Ebene des BMC zukommt.
57Schließlich reichen die Überschneidungen der Klägerinnen zu 156 bis 158 mit der Klägerin zu 1 in personeller Hinsicht für die Annahme einer insoweit bestehenden Identität nicht aus. Dies gilt sowohl in Bezug auf die Mitglieder als auch im Hinblick auf die Funktionäre. Den Klägerinnen zu 156 bis 158 sind bei ihrer Gründung jeweils nur circa ein Drittel der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 als Mitglieder zugeordnet worden. Zudem sind, was die Vereinsmitgliedschaft von natürlichen Personen anbelangt, von den sechs Nationals und acht Nomads der Klägerin zu 1 nur der El Secretario M. F. als El Secretario der Klägerin zu 156, der Sargento de Armas J. B. als National Vice Presidente der Klägerin zu 158 und der Nomad M. S. als National Vice Presidente der Klägerin zu 156 Mitglied einer der drei neuen Federations geworden. Nomads gibt es nach dem von der Beklagten nicht in Frage gestellten klägerischen Vortrag im Rahmen der Klägerinnen zu 156 bis 158 nicht. Aus diesem die Mitglieder betreffenden Befund folgt zugleich, dass auch im Hinblick auf die Funktionäre keine Identität zwischen den Klägerinnen zu 156 bis 158 und der Klägerin zu 1 besteht, denn der aus den Nationals und Nomads bestehende Kreis der Funktionäre einer BMC Federation ist, wie bereits dargelegt, mit demjenigen der natürlichen Personen als Federationsmitglieder deckungsgleich. Die Funktionäre der Klägerinnen zu 156 bis 158 rekrutieren sich, abgesehen von den genannten drei Personen, aus den Funktionären der vormaligen Mitgliedschapter der Klägerin zu 1. Diese Chapterfunktionäre waren - nicht anders als die einfachen Chaptermitglieder - keine Mitglieder und damit auch keine Funktionäre der Klägerin zu 1.
58(b) Die Klägerin zu 1 kann mit ihrem Vortrag nicht durchdringen, sie habe sich vor Erlass der Verbotsverfügung vom mit dem von ihrer Mitgliederversammlung am gefassten Beschluss rechtswirksam aufgelöst und sei unabhängig davon liquidationslos erloschen, weil ihre sämtlichen Mitglieder durch in dem Beschluss oder in ihrem anschließenden Verhalten - dem Verlassen der vereinsbezogenen Chatgruppen oder der Einstellung der vereinsbezogenen Tätigkeiten - enthaltene konkludente Erklärungen rechtswirksam aus dem Verein ausgetreten seien. Der Vortrag ist für die Frage, ob die Klägerin zu 1 zum Zeitpunkt des Verbotserlasses noch als verbotsfähiger Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG existierte, ebenso unerheblich, wie es die Einwendungen sind, die die Beklagte - gestützt auf die zivilrechtlichen Vorschriften über die ordnungsgemäße Einberufung und Durchführung von Mitgliederversammlungen, auf die Auslegungsgrundsätze nach §§ 133, 157 BGB sowie auf § 138 Abs. 1 BGB - gegen die zivilrechtliche Wirksamkeit des Auflösungsbeschlusses und das Vorliegen konkludenter zivilrechtlicher Vereinsaustrittserklärungen erhebt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind für die Frage der Fortexistenz eines Vereins im vereinsgesetzlichen Sinne die zivilrechtlichen Regelungen über den Beginn und das Ende eines Vereins grundsätzlich ohne Bedeutung. Vielmehr besteht ein Verein nach dem Vereinsgesetz entsprechend dem das öffentliche Vereinsrecht beherrschenden Grundsatz der Faktizität so lange fort, wie die Merkmale der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 VereinsG faktisch erfüllt sind ( 1 A 14.16 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 75 Rn. 23, 28 f.). Diese Sichtweise entspricht dem Zweck des öffentlichen Vereinsrechts, der - wie bereits ausgeführt - in der Gefahrenabwehr besteht, wohingegen das zivile Vereinsrecht die Vereinsautonomie und die Stellung des Vereins im zivilen Rechtsverkehr im Blick hat.
59Nach den tatsächlichen Umständen des vorliegenden Falles war die Klägerin zu 1 bei dem Erlass der angefochtenen Verbotsverfügung noch im vereinsgesetzlichen Sinne existent. Denn zu diesem Zeitpunkt hatten die Mitglieder der Klägerin zu 1 den Verein faktisch noch nicht endgültig verlassen ((aa)). Ebenso wenig war das Vereinsvermögen - abzustellen ist auf das Vermögen des Hauptvereins - tatsächlich vollständig liquidiert ((bb)).
60(aa) Wie dargelegt, wurden die Klägerinnen zu 156 bis 158 Ende Mai bzw. Anfang Juni 2021 als regionale BMC Federations gegründet, wobei ihnen als Mitglieder jeweils ein Drittel der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 sowie von den natürlichen Personen mit einer Mitgliedschaft bei der Klägerin zu 1 M. F. und J. B. - Nationals der Klägerin zu 1 - sowie M. S. - Nomad der Klägerin zu 1 - als Nationals zugeordnet wurden. Die neuen Strukturen auf der BMC Regionalebene in dem überkommenen Gebiet der Klägerin zu 1 wurden mithin erst in beachtlichem zeitlichen Abstand zu dem Auflösungsbeschluss der Mitgliederversammlung der Klägerin zu 1 vom und den ihrer Auffassung nach hieran anknüpfenden konkludenten Vereinsaustrittserklärungen geschaffen. Die neuen Strukturen wurden auch nach ihrer Etablierung nicht sofort - jedenfalls nicht bis zum Erlass der Verbotsverfügung vom - tatsächlich mit Leben erfüllt bzw. in Vollzug gesetzt ((aaa)). In der hiernach gegebenen, bei Erlass der angefochtenen Verbotsverfügung noch nicht abgeschlossenen Übergangszeit bestand die Verbindung der Klägerin zu 1 mit ihren Mitgliedern faktisch fort ((bbb)).
61(aaa) Ausweislich des Vortrags der Klägerin zu 1 und anderer Kläger in diesem Verfahren sowie der Einlassungen einzelner Angehöriger von Mitgliedschaptern der Klägerin zu 1 im vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren hatte sich im Rahmen der Ende Mai/Anfang Juni 2021 gegründeten Klägerinnen zu 156 bis 158 bis zum Erlass der Verbotsverfügung vom kein organisiertes Vereinsleben entfaltet. Nennenswerte Aktivitäten hatten im Rahmen dieser neuen BMC Federations nicht stattgefunden.
62Was den erstgenannten Gesichtspunkt anbelangt, sind nach dem klägerischen Vortrag Mitgliedsbeiträge - Donations - mehrerer Chapter (Aurich, Osnabrück und Schüttorf) für die Monate Mai und Juni, die nicht mehr für die Klägerin zu 1 bestimmt gewesen seien, gleichwohl nicht an eine der Klägerinnen zu 156 bis 158 geflossen, sondern an den El Secretario der BMC Federation Europe, C. D., gelangt. Dieser habe die Donations an sich genommen, um sie entsprechend der künftigen Entwicklung des BMC zu verwenden. Hieraus kann geschlossen werden, dass die Organisation der Klägerinnen zu 156 bis 158 in dem dem Erlass der Verbotsverfügung vom vorangehenden Monat Juni noch nicht so fest gefügt bzw. im Bewusstsein der Chapter noch nicht derart fest verankert war, dass den neuen Federations Donations unproblematisch zufließen konnten. Der Mangel an Organisation ergibt sich auch aus den Angaben der Präsidenten der BMC Chapter Aurich und Schüttorf, D. C. und N. G., in ihren richterlichen Vernehmungen im vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren am . D. C. beklagte sich darüber, dass es im Moment niemanden aus einer übergeordneten Vereinigung gebe, den er um Rat fragen könne. N. G. bezog sich auf die Klägerin zu 157, erklärte jedoch zugleich, dass es seines Wissens keine adäquate Nachfolge für die Klägerin zu 1 gebe.
63Für einen Mangel an Clubaktivitäten unter dem Schirm der Klägerinnen zu 156 bis 158 spricht es, dass diese Klägerinnen geltend machen, sie hätten mit einem chapterübergreifenden Auftritt von Bandidos am vor einer Maßregelvollzugsklinik in M. nichts zu tun gehabt. Es habe sich vielmehr um einen spontanen Ausflug eines von den neuen Federations unabhängigen losen Zusammenschlusses von ausflugswilligen Mitgliedern verschiedener Chapter gehandelt.
64(bbb) Vor diesem Hintergrund hatte die Mitgliedschaft der Mitglieder der Klägerin zu 1 im tatsächlichen Sinne weder mit der Gründung der Klägerinnen zu 156 bis 158 Ende Mai/Anfang Juni 2021 noch gar mit dem Auflösungsbeschluss der Klägerin zu 1 vom oder etwaigen damit verbundenen Vereinsaustrittserklärungen geendet und bestand auch noch bei Erlass der angefochtenen Verbotsverfügung fort. Dies ergibt sich aus der in Anbetracht des BMC Satzungsrechts objektiv bestehenden Interessenlage der betroffenen Mitglieder.
65Nach § 6 Abs. 1 und 2 der Muster-Statuten für BMC Chapter und Ziffer 4 des ersten Abschnitts der Standards für BMC Chapter kann ein Chapter als Teil des BMC nur existieren, wenn es Mitglied einer BMC Federation ist. Gemäß § 8 Abs. 6 der Muster-Statuten für BMC Federations verlieren ein Chapter bzw. ein Nomad mit dem Austritt aus einer BMC Federation das Recht, die Insignien und Symbole des BMC in jeglicher Art und Weise, Gestalt oder Form zu tragen oder zu nutzen. Dabei mag es, wie die Klägerin zu 1 und die anderen Kläger geltend machen, in der BMC-Praxis durchaus eine Übergangszeit zwischen einerseits der Auflösung einer - ersten - BMC Federation bzw. einem Austritt von Mitgliedern aus dieser sowie andererseits dem Anschluss dieser Mitglieder an eine andere - zweite - BMC Federation und dem tatsächlichen Vollzug dieses Anschlusses geben, innerhalb derer die Zugehörigkeit der betroffenen Mitglieder zum BMC nicht erlischt. Grundlage und Voraussetzung hierfür ist indes, weil es gewissermaßen freischwebende Chapter oder Nationals und Nomads innerhalb des hierarchisch strukturierten BMC nicht geben kann, dass während dieser Übergangszeit faktisch eine (Rest-)Verbindung zwischen dem BMC und den betroffenen Mitgliedern fortbesteht. Diese Verbindung kann entsprechend der Organisation des BMC als Drei-Ebenen-Verband nur über die erste BMC Federation verlaufen.
66Diese Gegebenheiten waren zur Überzeugung des Senats allen in der hier bestehenden Konstellation betroffenen Mitgliedern der Klägerin zu 1 bewusst. Nach dem Vortrag, den sie als Kläger im Gerichtsverfahren abgegeben haben, wollten sie sich von den mit der Existenz der Klägerin zu 1 verbundenen strafrechtlichen Altlasten trennen, dies jedoch nur, weil sie auf jeden Fall Teil des BMC bleiben und deshalb ein Verbot der Klägerin zu 1 vermeiden wollten. Da eine weitere Zugehörigkeit zum BMC in der genannten Übergangszeit die Aufrechterhaltung einer tatsächlichen Verbindung zu der Klägerin zu 1 zur Voraussetzung hatte, ist das Verhalten der betroffenen Mitglieder objektiv im Sinne der Inkaufnahme einer derartigen Verbindung zu verstehen. Dies gilt nicht nur für die Mitglieder der Klägerin zu 1, die als Mitglieder der Ende Mai/Anfang Juni 2021 gegründeten Klägerinnen zu 156 bis 158 vorgesehen waren, sondern auch für diejenigen Nationals und - mangels Anbindung an ein Chapter - erst recht für diejenigen Nomads der Klägerin zu 1, für die es eine derartige feste Perspektive (noch) nicht gab.
67(bb) Ein Wegfall der Eigenschaft als Verein nach § 2 Abs. 1 VereinsG setzt ferner voraus, dass die Liquidation des Vereins in vermögensrechtlicher Hinsicht tatsächlich endgültig abgeschlossen ist. Bestehen Anhaltspunkte für die Annahme, dass eine beschlossene Auflösung auch dazu dient, einer Verbotsverfügung den Gegenstand zu entziehen, wie es hier nach dem Vortrag aller Kläger der Fall war, gelten zwecks Vermeidung von Missbrauch hohe Anforderungen in Bezug auf die Durchführung der vollständigen Liquidation und deren Nachweis ( 1 A 14.16 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 75 Rn. 19, 24 ff.).
68Abzustellen ist auf das dem Gefahrenabwehrzweck des Vereinsgesetzes entsprechende, in der Rechtsprechung des Senats präzisierte wirtschaftliche Verständnis des Vereinsvermögens ((aaa)). Geht es - wie im vorliegenden Fall - um die Auflösung eines Gesamtvereins, muss allein das Vermögen des Hauptvereins und nicht auch das Vermögen seiner Teilvereine liquidiert sein ((bbb)). Von vornherein nicht zum Vereinsvermögen der Klägerin zu 1 gehörten hiernach entgegen der von dem BMI in den Gründen der Verbotsverfügung vertretenen Einschätzung die im vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren nach § 4 Abs. 4 VereinsG beschlagnahmten Motorräder und Kutten im Gebrauch einzelner Bandidos ((ccc))) sowie das ebenfalls vereinsrechtlich beschlagnahmte Vereinsheimgrundstück des der Klägerin zu 1 angehörenden Chapters Bochum Centro ((ddd)). Um Vereinsvermögen, das bei Erlass der Verbotsverfügung vom noch nicht liquidiert war, handelt es sich dagegen sowohl bei den Bargeldgebinden, die die Staatsanwaltschaft Hagen im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen gemäß § 94 StPO bei dem National Vice Presidente der Klägerin zu 1, L. H. ((eee)), und bei ihrem El Secretario, M. F. ((fff)), beschlagnahmt hatte, als auch bei den Waffen, die auf vereinsgesetzlicher Grundlage bei dem Sargento de Armas der Klägerin zu 1, J. B., beschlagnahmt worden waren ((ggg)).
69(aaa) Der Senat hat jüngst bekräftigt, dass in Anbetracht des gefahrenabwehrrechtlichen Zwecks des Vereinsgesetzes an dem in der Rechtsprechung überkommenen wirtschaftlichen Vereinsvermögensbegriff (zu diesem zusammenfassend und m. w. N.: 1 A 14.16 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 75 Rn. 26; abweichend für ein rein zivilrechtliches Verständnis: OVG Bautzen, Beschluss vom - 3 A 580/16 - LKV 2018, 276 <277>) auch in Ansehung der auf das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom (BGBl. I S. 3186) zurückgehenden Differenzierung der Beschlagnahme- und Einziehungsobjekte in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 VereinsG im Grundsatz festzuhalten ist. Vonnöten ist allein eine Präzisierung des wirtschaftlichen Verständnisses. Das Vereinsvermögen im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG erfasst danach Forderungen und Rechte, deren Inhaber der Verein ist, sowie Sachen, die im Eigentum des Vereins stehen oder die der Verein im Sinne von § 10 Abs. 1 Satz 3 und § 11 Abs. 1 Satz 2 VereinsG einem Dritten zu treuen Händen übertragen bzw. die ein Dritter als Treuhänder für den Verein erworben hat. Es schließt darüber hinaus auch Sachen ein, hinsichtlich derer die Eigentumsverhältnisse nicht ohne Weiteres erkennbar sind, an denen aber nach den konkreten Umständen des Einzelfalles ein Vereinsgewahrsam festgestellt werden kann. Hingegen sind Sachen, die - von den Konstellationen des § 10 Abs. 1 Satz 3 und § 11 Abs. 1 Satz 2 VereinsG abgesehen - ersichtlich im Eigentum Dritter stehen, aufgrund der Spezialregelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VereinsG vom Begriff des Vereinsvermögens ausgenommen ( 6 C 5.21 - juris Rn. 16 ff.).
70(bbb) Wie auf die Klage der Kläger zu 2 bis 35 darzulegen sein wird (unter 2.), hat das BMI die Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 zutreffend als gebietliche Teilorganisationen bzw. Teilvereine der Klägerin zu 1 qualifiziert, auf die sich das mit der Verbotsverfügung vom gegenüber der Klägerin zu 1 als Gesamtverein ausgesprochene Vereinsverbot nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG erstreckt. Zu liquidieren hatte die Klägerin zu 1, die vor Erlass der Verbotsverfügung ihre Auflösung betrieb, gleichwohl nur das ihr als Hauptverein und nicht auch das ihren Mitgliedschaptern als Teilvereinen zuzuordnende Vermögen. Würde von einem Verein in der Situation der Klägerin zu 1 eine Liquidation auch des Vermögens der von dem Vereinsverbot erfassten Teilvereine verlangt, würde das in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannte ( 1 A 14.16 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 75 Rn. 19), letztlich in Art. 9 Abs. 1 GG wurzelnde Recht des Vereins leerlaufen, sein Verbot durch seine endgültige (Selbst-)Auflösung entbehrlich zu machen. Dem widerspricht nicht, dass das Vereinsgesetz, wie sich aus § 11 Abs. 2 Satz 2 VereinsG ergibt, das Vermögen von Teilvereinen - wenn auch hinsichtlich der Haftung als besondere Vermögensmassen - als Teil des Vereinsvermögens begreift, das nach der Unanfechtbarkeit eines ausgesprochenen Verbots eines Gesamtvereins durch die zuständige Behörde einzuziehen ist (vgl. zum Umfang der Einziehung: BT-Drs. IV/430 S. 20; Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig <Hrsg.>, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 11 VereinsG Rn. 8 f.). Denn das Instrumentarium, über das die zuständige Einziehungsbehörde nach §§ 11 ff. VereinsG und §§ 13 ff. VereinsG-DVO verfügt, steht einem seine Auflösung betreibenden Verein nicht zur Verfügung. Auch zivilrechtlich ist ein Hauptverein nicht ohne Weiteres in der Lage, die ihm nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 VereinsG zuzuordnenden Teilvereine gegen deren Willen durch Liquidierung ihres Vermögens aufzulösen.
71(ccc) Die Beklagte hat im gerichtlichen Verfahren an der Einschätzung des BMI, bei den im vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren beschlagnahmten, von einzelnen Bandidos gefahrenen Motorrädern und getragenen Kutten handele es sich um Vereinsvermögen der Klägerin zu 1, zutreffenderweise nicht festgehalten. Nach Lage der Dinge stehen im vorliegenden Fall die Motorräder und Kutten im Eigentum der betreffenden Bandidos bzw. – was die Motorräder anbelangt - gegebenenfalls im Eigentum Dritter. Die Motorräder und Kutten gehören damit schon nicht zum Vereinsvermögen eines Mitgliedschapters der Klägerin zu 1, geschweige denn zu ihrem eigenen Vereinsvermögen.
72(ddd) Ebenfalls nicht zum Vereinsvermögen der Klägerin zu 1 gehört das mit dem Vereinsheim ihres Mitgliedschapters Bochum Centro bebaute Grundstück A. - Straße ... in Bochum. Dieses Grundstück wurde im Zusammenhang mit dem Vollzug der angefochtenen Verbotsverfügung beschlagnahmt. Es steht seit Januar 2009 im gemeinschaftlichen Eigentum von P. M., National Vice Presidente Europe der BMC Federation Europe, J. B., Sargento de Armas der Klägerin zu 1, L. H., National Vice Presidente der Klägerin zu 1, und R. L., einem Freund von P. M. und L. H.
73Entgegen der Einschätzung der Beklagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Zugehörigkeit des Bochumer Vereinsheimgrundstücks zum Vereinsvermögen der Klägerin zu 1 durch eine zwischen den genannten Grundstückseigentümern und der Klägerin zu 1 bestehende Treuhandabrede vermittelt wird. Auf eine solche Abrede kann nach der zu Grunde zu legenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise der tatsächlichen Umstände (speziell für ein Treuhandverhältnis: 1 A 14.16 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 75 Rn. 45 f.) nicht geschlossen werden. Die Klägerin zu 1 benötigt kein eigenes Vereinsheim, denn sie unterhält nach § 3 Satz 1 der Muster-Statuten für BMC Federations keinen besonderen einheitlichen Hauptsitz an einem bestimmten Ort und bedient sich für von ihr organisierte Zusammenkünfte ohne feste Abfolge der Vereinsheime von Mitgliedschaptern, wobei dem Bochumer Vereinsheim keine Sonderstellung zukommt. Ferner sind mit J. B. und L. H. nur zwei der vier Grundstückseigentümer als natürliche Personen Mitglieder der Klägerin zu 1. Schließlich wurde die Klägerin zu 1 erst im Jahr 2016 und damit circa sieben Jahre nach dem Grundstückserwerb der vier genannten Personen gegründet. Der Hinweis der Beklagten auf die strukturell vergleichbare Organisationsform des BMC in Deutschland vor 2016 trägt diesbezüglich nichts aus, weil der Beklagten zufolge seinerzeit von den vier Grundstückseigentümern allein P. M. auf der überörtlichen BMC-Ebene in Deutschland in einer führenden Position tätig war. L. H. war demnach früher ein führender Funktionär auf der europäischen BMC-Ebene. Zu einer führenden BMC-Funktion von J. B. zu jener Zeit hat sich die Beklagte nicht verhalten.
74(eee) Vereinsvermögen der Klägerin zu 1, das zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung vom noch nicht liquidiert war, stellt demgegenüber das Bargeld mit einem Gesamtbetrag in Höhe von 18 430 € dar, das die Staatsanwaltschaft Hagen am im Rahmen ihrer Ermittlungen gegen den National Vice Presidente der Klägerin zu 1, L. H., bei diesem auf der Grundlage von § 94 StPO beschlagnahmt hatte.
75Die Beschlagnahme umfasste vier Umschläge, einer von diesen mit drei zusätzlichen innenliegenden Umschlägen, in denen sich von Mitgliedern einzelner Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 gezahlte Mitgliedsbeiträge - Donations - in einer Summe von insgesamt 4 580 € befanden, sowie einen weiteren Umschlag, der die von L. H. verwaltete Nationalkasse der Klägerin zu 1 mit einem Bestand von 13 850 € enthielt. Das gesamte Bargeld stand mithin zum Zeitpunkt seiner Beschlagnahme im Eigentum der Klägerin zu 1. Hieran hatte sich bis zum Erlass der angefochtenen Verbotsverfügung nichts geändert.
76Da die Staatsanwaltschaft Hagen die beschlagnahmten Geldgebinde ersichtlich asserviert und das Geld nicht auf ein Justizkonto eingezahlt hatte, hatte die Klägerin zu 1 ihr Eigentum an den Geldscheinen bzw. Münzen nicht durch eine mit einer solchen Einzahlung verbundene Übereignung an die kontoführende Bank nach § 929 Satz 1 BGB verloren. Ein Eigentumsverlust war ferner nicht durch die in Nr. 3 und 4 des Auflösungsbeschlusses der Klägerin zu 1 vom enthaltenen Erklärungen eingetreten, wonach von der Einziehung eventuell noch bestehender Forderungen abgesehen werde bzw. alle Gegenstände, die nicht im Eigentum der jeweiligen Besitzer stünden, mit sofortiger Wirkung in deren Eigentum übergingen. Derartige Erklärungen hätten gegenüber der Staatsanwaltschaft Hagen als Besitzerin der Bargeldgebinde abgegeben werden müssen. Bei dieser war jedoch bis zum Erlass der Verbotsverfügung vom keine Erklärung der Klägerin zu 1 eingegangen, dass - etwa zur Bewirkung einer sog. formlosen außergerichtlichen Einziehung (vgl. zu diesem Institut: - NJW 2019, 1692 Rn. 11 ff.) - auf die Herausgabe des Geldes verzichtet werde. Ebenso wenig hatte die Klägerin zu 1 vor dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt gegenüber der Staatsanwaltschaft Hagen ausdrücklich eine für die Übereignung des Geldes nach § 929 Satz 2 BGB erforderliche Einigungserklärung abgegeben, wobei die Staatsanwaltschaft eine solche Erklärung noch hätte annehmen müssen, um den Eigentumsübergang herbeizuführen. Vielmehr hat das Landgericht Hagen geraume Zeit nach Erlass der Verbotsverfügung in seinem auf die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hagen folgenden, späterhin zu behandelnden Urteil vom - 34 Ks-600 Js 1005/19-1/20 - auf der Grundlage von § 73 Abs. 1, § 73b Abs. 1 Nr. 1, § 74e Nr. 2 StGB gegenüber der Klägerin zu 1 die Einziehung des in Rede stehenden Geldes angeordnet, wenn auch auf Grund der Nichtberücksichtigung von 960 € aus den in einem Umschlag befindlichen zusätzlichen Umschlägen lediglich in Höhe von 17 470 €. Dieser Einziehungsentscheidung hätte es nicht bedurft, wenn die Klägerin zu 1 gegenüber der Staatsanwaltschaft Hagen zuvor eine der genannten Erklärungen abgegeben hätte.
77(fff) Aus Gründen, die den vorstehenden vergleichbar sind, handelt es sich bei den 8 725 € in bar, die die Staatsanwaltschaft Hagen am bei dem El Secretario der Klägerin zu 1, M. F., im Zuge des gegen diesen geführten Ermittlungsverfahrens gemäß § 94 StPO beschlagnahmt hatte, um zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung vom nicht liquidiertes Vereinsvermögen der Klägerin zu 1.
78Diese Beschlagnahme bezog sich auf einen Umschlag, in dem sich das besagte Bargeld befand und aus dessen Beschriftung sich in Verbindung mit einer beigefügten Bestellliste ergab, dass das Geld bei Mitgliedern der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 zum Zweck der Beschaffung einheitlich gestalteter Hemden - Portillo-Shirts - durch die Klägerin zu 1 eingesammelt worden war. Das Geld war daher zum Zeitpunkt der Beschlagnahme Eigentum der Klägerin zu 1. Es gehörte ihr auch noch zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung.
79Bis zu diesem Zeitpunkt hatten die Staatsanwaltschaft Hagen in Bezug auf den von ihr asservierten Umschlag mit dem Bargeld nach Aktenlage keine von der Klägerin zu 1 abgegebenen Erklärungen zur Umsetzung von Nr. 3 und 4 des Auflösungsbeschlusses vom erreicht. Einen Verzicht auf die Herausgabe des Bargelds - und dies soweit ersichtlich nicht für die Klägerin zu 1, sondern für M. F. - hat der M. F. vertretende Rechtsanwalt gegenüber der Staatsanwaltschaft Hagen nach Lage der Akten erst unter dem , also nach Erlass der angefochtenen Verbotsverfügung ins Spiel gebracht.
80(ggg) Schließlich war Vereinsvermögen der Klägerin zu 1 zum Zeitpunkt des Erlasses der Verbotsverfügung vom noch in Gestalt der am im Rahmen des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach § 4 Abs. 4 VereinsG bei dem Sargento de Armas der Klägerin zu 1, J. B., beschlagnahmten Waffen - darunter sechs Pistolen Walther P22 und ein Revolver Deringer, jeweils mit Munition - vorhanden. In Bezug auf diese Waffen sind die Eigentumsverhältnisse unklar. Die Waffen gehörten nach dem zu Grunde zu legenden wirtschaftlichen Vereinsvermögensbegriff zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt gleichwohl zum Vereinsvermögen der Klägerin zu 1, weil J. B. auf Grund seiner herausgehobenen Funktionärsstellung als National der Klägerin zu 1 dieser den Gewahrsam an ihnen vermittelte (vgl. 6 C 5.21 - juris Rn. 19).
81(3) Die Klägerin zu 1 erfüllt den Verbotsgrund aus § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG. Ihre Zwecke sowie ihre Tätigkeit laufen den Strafgesetzen zuwider. Ihr Verbot steht in Übereinstimmung mit den Maßgaben des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.
82Die Klägerin zu 1 ist nach den für alle Verbotsgründe aus § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 GG bestehenden verfassungsrechtlichen Vorgaben ((a)) und den für den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit geltenden Maßgaben ((b)) ein zu verbietender strafgesetzwidriger Verein. Diese Einordnung stützt sich auf die straftatenfördernden Strukturmerkmale der Klägerin zu 1 ((c)), die Umsetzung dieser Merkmale durch ihre Nationals als ihren leitenden Funktionären ((d)), das ihr auf der Grundlage von § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG zuzurechnende Verhalten ihrer Mitgliedschapter als ihren gebietlichen Teilorganisationen ((e)) sowie ihre Prägung durch die danach bestehende Strafgesetzwidrigkeit, die für die Anwendung milderer Mittel keinen Raum lässt ((f)).
83(a) Art. 9 Abs. 2 GG statuiert - ausgeführt durch § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG - ein Vereinigungsverbot als Schranke der Vereinigungsfreiheit, wenn sich die Vereinigung gegen bestimmte Rechtsgüter von hervorgehobener Bedeutung richtet oder diesen zuwiderläuft, nämlich gegen die der Strafgesetze, die verfassungsmäßige Ordnung und den Gedanken der Völkerverständigung. Nur diese ausdrücklich normierten Gründe rechtfertigen das Verbot als weitestgehenden Eingriff in die Grundrechte einer Vereinigung. Sie sind in der Auslegung nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit insbesondere durch Beschränkung auf die Erforderlichkeit eines Verbots eng zu verstehen. Eine verbotene Zwecksetzung einer Vereinigung folgt daher nicht schon daraus, dass im Zusammenhang mit der Vereinigung nur in der Vergangenheit und nur vereinzelt gegen die Schutzgüter von Art. 9 Abs. 2 GG gerichtete Handlungen vorgekommen sind. Vielmehr soll das Vereinigungsverbot künftige und gerade auch mit dem organisatorischen Gefüge der Vereinigung als zweckgerichtetem Zusammenschluss mehrerer Personen einhergehende Beeinträchtigungen der Schutzgüter präventiv verhindern. Die Verbotsbefugnis des Art. 9 Abs. 2 GG ist auch insoweit eng auszulegen ( u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 104, 131, Kammerbeschluss vom - 1 BvR 1099/16 - NVwZ 2020, 224 Rn. 23, jeweils unter Verweis auf - BVerfGE 80, 244 <253>, Kammerbeschlüsse vom - 1 BvR 385/16 - NVwZ 2020, 226 Rn. 12 und vom - 1 BvR 2067/17 u. a. - NVwZ 2020, 1424 Rn. 39).
84Das Vereinigungsverbot als weitestgehender Eingriff kommt zudem nur in Betracht, wenn keine milderen und gleich wirksamen Mittel - wie etwa ein Verbot bestimmter Tätigkeiten der Vereinigung oder Maßnahmen gegen einzelne Mitglieder - ergriffen werden können, um die Ziele der Verbotstatbestände des Art. 9 Abs. 2 GG zu erreichen. Eine Vereinigung kann daher insbesondere nicht allein auf Grund vereinzelter Handlungen einzelner Mitglieder verboten werden. Die Verbotsgründe müssen die Vereinigung tatsächlich prägen oder ihr prägend zuzurechnen sein. Je weniger der Verbotstatbestand durch Handlungen der Organe der Vereinigung selbst, der Mehrheit ihrer Mitglieder oder von ihr beherrschter Dritter erfüllt wird, desto klarer muss erkennbar sein, dass die Vereinigung diese Handlungen kennt, diese billigt und sich mit ihnen identifiziert, so dass das Ziel des Art. 9 Abs. 2 GG nur durch ein Verbot der Vereinigung erreicht werden kann. Die Verbotsnorm des Art. 9 Abs. 2 GG ist insofern Ausdruck, nicht Ausnahme von der Verhältnismäßigkeit ( u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 103, 129 f., 158, Kammerbeschluss vom - 1 BvR 385/16 - NVwZ 2020, 226 Rn. 17).
85(b) Zwecke oder Tätigkeiten einer Vereinigung laufen den Strafgesetzen zuwider, wenn Organe, Mitglieder oder auch Dritte Strafgesetze verletzen und dies der Vereinigung zuzurechnen ist, weil sie erkennbar für die Vereinigung auftreten und diese das zumindest billigt, oder weil die Begehung von Straftaten durch die Vereinigung bewusst hervorgerufen oder bestärkt, ermöglicht oder erleichtert wird. Das kann auch der Fall sein, wenn eine Vereinigung solche Handlungen nachträglich billigt und fördert, sich also mit ihnen identifiziert, oder wenn zunächst nur einzelne Tätigkeiten die Strafgesetze verletzen, diese jedoch mit Wissen und Wollen der Vereinigung fortgesetzt werden. Ein Vereinigungsverbot genügt nur dann den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit, wenn das Vorgehen gegen einzelne Straftaten nicht ausreicht, weil strafwürdige Handlungen gerade aus der Organisation heraus geplant oder begangen werden, also die Verletzung der Strafgesetze gerade mit der Organisation prägend verknüpft ist. Daran fehlt es etwa, wenn nur einzelne Mitglieder der Vereinigung gegen die Schutzgüter gerichtet handeln oder die Vereinigung ganz überwiegend rechtmäßige Zwecke verfolgt ( u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 106, Kammerbeschluss vom - 1 BvR 1099/16 - NVwZ 2020, 224 Rn. 24).
86Einem Gesamtverein ist im Rahmen der Prüfung seiner Strafgesetzwidrigkeit das Verhalten seiner Teilorganisationen auf der Grundlage von § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG unmittelbar zuzurechnen ( 6 A 3.21 - Rn. 71 f.; so im Ergebnis bereits: 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 46). Dies ist eine Folge der in der Vorschrift enthaltenen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Entscheidung des Gesetzgebers, dass sich das Verbot eines (Gesamt-)Vereins, sofern es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf dessen Teilorganisationen erstreckt (zur Verfassungsmäßigkeit dieser Entscheidung: - NVwZ 2020, 224 Rn. 19 f.). Voraussetzung und Rechtfertigung für die Erstreckung und damit auch für die genannte Verhaltenszurechnung ist - neben der hier nicht relevanten Einschränkung nach § 3 Abs. 3 Satz 2 VereinsG für nichtgebietliche Teilorganisationen mit eigener Rechtspersönlichkeit - die Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung (dazu: 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 67 m. w. N.).
87Als eigenständiges Mittel präventiven Verfassungsschutzes ist ein Vereinsverbot nicht an strafrechtliche Verurteilungen gebunden ( u. a. - BVerfGE 149, 160 Rn. 106, Kammerbeschluss vom - 1 BvR 1099/16 - NVwZ 2020, 224 Rn. 24). Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist von der Verbotsbehörde und von dem gegen ein verfügtes Verbot angerufenen Verwaltungsgericht in eigener Kompetenz zu prüfen ( 1 A 89.83 - BVerwGE 80, 299 <305>, vom - 6 A 3.08 - BVerwGE 134, 275 Rn. 17 f. und vom - 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 44). Die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK steht dem nicht entgegen (dazu ausführlich: a. a. O.). Allerdings können sich die Verbotsbehörde und das Verwaltungsgericht Feststellungen, die ein Strafgericht in Bezug auf die zur Beurteilung stehenden strafrechtlich relevanten Verhaltensweisen getroffen hat, soweit sie diese für überzeugend halten, zu eigen machen (in diesem Sinne: 1 A 4.98 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 31 S. 24).
88(c) Für seine Einschätzung, dass die Klägerin zu 1 straftatenfördernde Strukturmerkmale aufweist, bezieht sich der Senat auf die diese Einschätzung tragenden tatsächlichen Feststellungen in dem bereits erwähnten Urteil des Landgerichts Hagen vom - 34 Ks-600 Js 1005/19-1/20 -. Der Umstand, dass das landgerichtliche Urteil zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats noch nicht rechtskräftig ist, steht dieser in ihrem Umfang beschränkten Bezugnahme nicht entgegen. Denn es handelt sich um ein abschließendes Urteil eines Kollegialgerichts auf Grund einer an mehreren (im konkreten Fall: 58) Verhandlungstagen durchgeführten Hauptverhandlung nach umfassender Beweisaufnahme. Auch die Unschuldsvermutung steht der Berücksichtigung der strafgerichtlichen Feststellungen nicht entgegen. Denn diese schütz nur vor Nachteilen, die einem Schuldspruch gleichkommen, nicht jedoch vor Rechtsfolgen ohne Strafcharakter.
89Das Landgericht Hagen hat mit dem in Rede stehenden Urteil den National Vice Presidente der Klägerin zu 1, L. H., ihren Sargento de Armas, S. E., sowie - als im strafrechtlichen Sinne faktisches Mitglied der Klägerin zu 1 - den National Vice Presidente Europe der BMC Federation Europe, P. M., unter anderem wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an der Klägerin zu 1 als einer kriminellen Vereinigung nach § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB zu Freiheitsstrafen verurteilt. Die Klägerin zu 1 habe im Sinne des § 129 Abs. 1 Satz 1 StGB einen kriminellen Zweck verfolgt und ihre Tätigkeit sei nach dieser Norm auf die Begehung von Straftaten gerichtet gewesen, weil sie in den Jahren 2018 und 2019 andere kriminelle Vereinigungen, nämlich ihre seinerzeitigen Mitgliedschapter Köln und Hagen unterstützt habe (Straftat nach § 129 Abs. 1 Satz 2 StGB).
90Das Landgericht hat ausgeführt (UA S. 14 f.), in den Reihen des BMC habe sich ein abstraktes Idealbild eines Bandidos entwickelt. Davon zu unterscheiden sei die Frage, ob dieses Idealbild in die Lebenswirklichkeit überführt worden sei. Dies hänge davon ab, ob die einzelnen Bandidos oder bestimmte Gruppen von ihnen sich dementsprechend entschieden hätten. Vorbehaltlich der Identifizierbarkeit einer solchen Entscheidung hat das Landgericht zu dem Selbstverständnis und den prägenden Strukturen nicht nur allgemein des BMC, sondern auch speziell der Klägerin zu 1 in tatsächlicher Hinsicht festgestellt (UA S. 14 ff., 91 ff.): Die Bandidos grenzten sich durch ihr Bekenntnis zum 1%er-Status des BMC und die damit verbundene Einordnung als OMCG von der gesetzestreuen Bevölkerung ab und nähmen für sich in Anspruch, außerhalb der üblichen Normen der Gesellschaft zu stehen. Sie verstünden sich als brüderliche Gemeinschaft, in der man füreinander einstehe und in der ein Angriff auf den Einzelnen immer auch als Angriff auf den Club angesehen werde. Der Club erwarte, dass seinen Angehörigen in der Motorradszene besonderer Respekt gezollt werde und dass andere Motorradclubs seine Gebietsansprüche respektierten, wobei er bestrebt sei, seinen Einfluss immer weiter auszubauen. Sofern es jemand - insbesondere ein Mitglied eines anderen Motorradclubs - an dem erwarteten Respekt fehlen lasse, sähen sich die Bandidos als Kollektiv veranlasst, darauf mit rauen, oftmals auch strafrechtlich relevanten Methoden allein schon deshalb zu reagieren, um dem Ruf des BMC als 1%-er Club, der sich dergleichen nicht bieten lasse, gerecht zu werden und dieses besondere Ansehen in der Szene nicht zu verlieren. Wenn ein Angriff oder eine Provokation von dem betroffenen Clubmitglied nicht ausdrücklich zu einer Privatangelegenheit erklärt werde, werde die Angelegenheit zu einer Clubsache und habe die Reaktion des Kollektivs zur Folge. Dabei sei es normal, sich im Verhältnis zu anderen Motorradclubs des Mittels der Gewalt zu bedienen. Wenn die gegnerische Seite nicht klein beigebe, komme es zu einer Eskalationsschraube bzw. einer Gewaltspirale. Den staatlichen Institutionen, insbesondere den Strafverfolgungsbehörden würden möglichst wenige Informationen zur Verfügung gestellt. Ein clubkonformes Verhalten verdiene eine Belohnung, etwa in Gestalt dies anerkennender Patches. Der Senat erachtet diese Feststellungen, soweit sie sich speziell auf die Klägerin zu 1 beziehen, für überzeugend, zumal sie durch die von den Beteiligten herangezogenen Beweismittel bestätigt wurden. Er macht sie sich deshalb zu eigen.
91(d) Die in der Klägerin zu 1 angelegten straftatenfördernden Strukturmerkmale sind durch deren leitende Funktionäre in die Realität umgesetzt worden. Dies ist nach den tragfähigen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts Hagen in dem Urteil vom - 34 Ks-600 Js 1005/19-1/20 - nicht nur durch die von dem National Vice Presidente der Klägerin zu 1, L. H., in die Wege geleitete Beschaffung von illegalen Waffen für den Verein ((aa)), sondern auch dadurch geschehen, dass Nationals der Klägerin zu 1 Mitglieder ihrer Mitgliedschapter durch die Verleihung des Patches "Expect no Mercy" für einen schwerwiegenden Angriff auf einen anderen Menschen im Zusammenhang mit einer Clubsache ausgezeichnet haben ((bb)). Darüber hinaus hat es die Klägerin zu 1 jedenfalls geduldet, dass das Patch "Coup de Grace", das nach Feststellung des Landgerichts Hagen auf die Beteiligung des Trägers an der Tötung einer Person im Rahmen einer Clubsache hinweist, im Kreis ihrer Nationals getragen wird ((cc)).
92(aa) Das Urteil des Landgerichts Hagen vom enthält nicht nur den Strafausspruch betreffend die Beteiligung der oben genannten Personen an der Klägerin zu 1 als einer kriminellen Vereinigung. Das Landgericht hat überdies den National Vice Presidente der Klägerin zu 1, L. H., der Anstiftung zum Erwerb von erlaubnispflichtigen halbautomatischen Kurzwaffen zum Verschießen von Patronenmunition in Tateinheit mit der Anstiftung zum Erwerb von Schusswaffen zum Zweck der Überlassung an einen Nichtberechtigten nach § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG für schuldig erachtet. Es hat festgestellt (UA S. 52 ff., 167 ff.), dass L. H. im September 2018 den Sergeant at Arms des Mitgliedschapters Bochum City/Ruhrpott der Klägerin zu 1, C. N., damit beauftragt hat, 16 Pistolen Walther P22 ohne Seriennummer und Beschusszeichen - illegal hergestellt von V. C. und weitervertrieben durch D. H. - für die Klägerin zu 1 zu erwerben. Durch die Waffen habe die Schlagfertigkeit der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 erhöht werden sollen. L. H. habe C. N. für den Erwerb einen Briefumschlag mit 12 000 € übergeben. Die 12 000 € stammten nach Feststellung des Landgerichts aus der Nationalkasse der Klägerin zu 1. C. N. hat hiernach den Briefumschlag mit dem Geld an einen Beauftragten des D. H. übergeben und dafür die 16 Pistolen erhalten. Den endgültigen Verbleib der Waffen hat das Landgericht Hagen nicht aufklären können.
93Der Senat schließt sich der landgerichtlichen Beurteilung des Tatgeschehens im Sinne einer von L. H. gesteuerten Waffenbeschaffung zu Zwecken der Klägerin zu 1 an. Es greift nicht durch, wenn die Klägerin zu 1 und die anderen Kläger einwenden, das von ihnen vorgelegte Wortprotokoll des im Rahmen einer Telekommunikationsüberwachung aufgenommenen Gesprächs zwischen H. E., seinerzeit President des Chapters Bochum City/Ruhrpott, und E. B., zur damaligen Zeit Vice President dieses Chapters, gebe bei richtigem Verständnis nicht her, dass L. H. die Waffen zur Bewaffnung der Klägerin zu 1 habe anschaffen lassen, sondern belege vielmehr, dass es L. H. darum gegangen sei, die Waffen aus dem Verkehr zu ziehen und ihren Gebrauch für eventuelle Straftaten zu verhindern. Das Landgericht Hagen hat die von den Klägern in Bezug genommene Passage des Telefonats - "... willst du, dass die sofort alle in den Knast gehen? So: Waffen, gib die sofort hierhin ..." - durchaus im Blick gehabt. Es hat jedoch eine andere Sentenz in dem genannten Telefonat - "... dass von Nationalkasse, dass alle von West District eine haben ... " - hervorgehoben und die von den Klägern gewünschte Interpretation der Äußerungen zur Waffenbeschaffung im Ergebnis in überzeugender Weise verworfen.
94(bb) Ferner kann den von dem Landgericht Hagen in dem Urteil vom getroffenen Tatsachenfeststellungen (UA S. 28 f., 75 ff., 196 f.) entnommen werden, dass Mitglieder von Mitgliedschaptern der Klägerin zu 1 von deren Nationals das Patch "Expect no Mercy" im Anschluss an die Begehung von Straftaten verliehen bekommen haben.
95Nach den Feststellungen des Landgerichts, denen der Senat beitritt, haben dieses Patch, das im Bereich der Klägerin zu 1 in der Regel durch einen Sargento de Armas verliehen wird, jedenfalls F. G., seinerzeit Prospect und kurz darauf Mitglied des Mitgliedschapters Köln der Klägerin zu 1, sowie J. G. und P. S., Mitglieder des Mitgliedschapters Dortmund Metropol der Klägerin zu 1, erhalten. F. G. hat das Patch als Anerkennung für seine Tatausführung in dem im weiteren Verlauf zu erörternden Komplex "Schüsse auf das Lokal J. in Köln am " bekommen. J. G. und P. S. sind für ihre Täterschaft in dem gleichfalls späterhin aufzurufenden Komplex "Messerangriff auf ein Mitglied des M. Clans am in Dortmund" ausgezeichnet worden.
96(cc) Feststellungen über konkrete Verleihungen des Patches "Coup de Grace" im Bereich der Klägerin zu 1 hat das Landgericht Hagen in dem Urteil vom nicht getroffen. Die Klägerin zu 1 und die anderen Kläger machen geltend, das Patch werde in deutschen Organisationseinheiten des BMC nicht vergeben. Deutsche Träger dieses Patches müssten es von Freunden aus Dänemark oder Schweden, wo es vergeben werde, bekommen haben. Jedenfalls sei keine von einer führenden Person der Klägerin zu 1 begangene Straftat bekannt, für die dieses Patch verliehen worden sei.
97Der Senat kann gleichwohl als Beleg für eine Umsetzung der straftatenfördernden Strukturmerkmale der Klägerin zu 1 auf das Patch "Coup de Grace" abstellen. Denn in dem Verwaltungsvorgang der Beklagten und in der Gerichtsakte befinden sich Fotos, auf denen S. E., Sargento de Armas der Klägerin zu 1, als Träger dieses Patches abgebildet ist. Das Patch wurde zudem im Rahmen strafrechtlicher Ermittlungen bei S. E. sichergestellt, das Landgericht Hagen hat in dem Urteil vom seine Einziehung angeordnet (UA S. 6, 52). Hierdurch wird belegt, dass die Klägerin zu 1, sollte sie das Patch mit seiner oben genannten Bedeutung nicht selbst vergeben, jedenfalls duldet, dass es von ihrem Führungspersonal getragen wird. Dies kommt einer Vergabe des Patches durch die Klägerin zu 1 gleich.
98(e) Schließlich sind der Klägerin zu 1 die Straftaten zuzurechnen, die - auf einer ersten Stufe - ihren Mitgliedschaptern als ihren gebietlichen Teilorganisationen (dazu unter 2.) anzulasten sind, weil sie von deren Funktionären oder Mitgliedern begangen wurden und die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 5 VereinsG für eine Zurechnung gegenüber den Chaptern erfüllt sind, und die sodann - auf einer zweiten Stufe - auf der Grundlage von § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG unmittelbar in die Verantwortung der Klägerin zu 1 fallen.
99Bei einer Beschränkung nur auf solche Komplexe von Straftaten, die den Bereich der schweren Kriminalität betreffen und überdies rechtskräftig ausgeurteilt worden sind, sind die folgenden zu nennen:
100- Komplex "Angriff auf Mitglieder des Living Dead MC in Herne am ": Das Landgericht Bochum hat mit Urteil vom - II-11 KLs-30 Js 185/18-8/19 - H. E., President des Mitgliedschapters Bochum City/Ruhrpott der Klägerin zu 1, sowie mit Urteil vom - II-11 KLs-30 Js 185/18-28/19 - C. N., Sergeant at Arms des Chapters, E. B., Vice President des Chapters, sowie die Chapterangehörigen J. N. und F. R. der mittäterschaftlich begangenen schweren Körperverletzung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Nötigung schuldig gesprochen und zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Genannten auf die aus den später Geschädigten bestehende Gruppe von Motorradfahrern trafen, die auf Grund ihrer Kutten als Mitglieder des Living Dead MC erkennbar waren. Sie nahmen an der Anwesenheit der Living Dead-Mitglieder als vermeintlichem Verstoß gegen die BMC-Gebietshoheit Anstoß, hinderten diese am Weiterfahren und forderten sie zur Herausgabe ihrer Kutten auf. Nachdem dies verweigert worden war, schlugen und traten sie die Living Dead-Mitglieder. Ein Geschädigter trug schwerste Kopfverletzungen davon. Der Betroffene ist nach Erlass der genannten Urteile verstorben.
101- Komplex "Messerangriff auf ein Mitglied des M. Clans in Dortmund am ": Das - J. G. und P. S., Mitglieder des Mitgliedschapters Dortmund Metropol der Klägerin zu 1, wegen gefährlicher Körperverletzung, bezüglich J. G. in Tateinheit mit schwerer Körperverletzung, begangen zu Lasten eines Mitglieds des in einem Konflikt mit BMC-Angehörigen befindlichen M. Clans, mit erheblichen Freiheitsstrafen belegt. Der Betreffende trug bleibende Schäden davon.
102- Komplex "Schüsse auf das Fahrzeug eines Mitglieds des Freeway Riders MC in Hagen am ": Das Landgericht Hagen hat mit Urteil vom - 31 Ks-600 Js 7/19-2/20 - C. T., President des Mitgliedschapters Hagen der Klägerin zu 1, sowie A. Ü., Sergeant at Arms des Chapters, und D. B., Mitglied des Chapters, neben einer ausgesprochenen Bestrafung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung wegen versuchter Nötigung in Tateinheit mit Sachbeschädigung, A. Ü. auch wegen des waffenrechtlichen Delikts des unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition belangt. Das Landgericht hat festgestellt, dass die Genannten einem Mitglied des Freeway Riders MC einen Denkzettel verpassen wollten. Es wurde auf den PKW, den der Betreffende fuhr, geschossen. Ein Projektil schlug in den hinteren Stoßfänger ein.
103- Komplex "Tötung des Vizepräsidenten des Chapters Hattingen des Freeway Riders MC in Gelsenkirchen in der Nacht vom 12. auf den ": Das Landgericht Essen hat mit Urteil vom - 22 Ks-70 Js 534/18-12/19 - N. L. und C. U. sowie F. A. und B. G., die beiden Erstgenannten Angehörige des Mitgliedschapters Köln, die beiden Letztgenannten Angehörige des Mitgliedschapters Dortmund Iron City der Klägerin zu 1, als Mittäter einer zu Lasten des Hattinger Freeway Riders-Vizepräsidenten ... R. begangenen Körperverletzung mit Todesfolge zu gewichtigen Freiheitsstrafen verurteilt. Das Landgericht hat die Tat als Vergeltungsaktion für einen von Mitgliedern des Freeway Riders MC verübten Anschlag auf ein Mitglied des Mitgliedschapters Hagen der Klägerin zu 1 eingeordnet.
104- Komplex "Schüsse auf das Fahrzeug eines Mitglieds des Freeway Riders MC in Hagen am ": Im Zusammenhang mit dem genannten, den Freeway Riders zugeschriebenem Anschlag steht auch die Tat, für die das Landgericht Hagen mit Urteil vom - 31 Ks-600 Js 789/18-15/18 - A. Ü., bereits genannter Sergeant at Arms des Mitgliedschapters Hagen der Klägerin zu 1, wegen unerlaubten Führens einer halbautomatischen Kurzwaffe zum Verschießen von Patronenmunition in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt hat. Nach den Feststellungen des Landgerichts schoss A. Ü. aus seinem fahrenden PKW heraus auf das ebenfalls in Fahrt befindliche, mit drei Personen besetzte Fahrzeug eines Freeway Riders-Mitglieds. Eine Kugel traf das Fahrzeug an der rechten Seite im Bereich des Tankdeckels.
105- Komplex "Anschlag auf den Fahrer des Fahrzeugs eines Mitglieds des Hells Angels MC in Köln am ": Nach den in dem - enthaltenen Feststellungen wurde im Rahmen des Konflikts zwischen dem Mitgliedschapter Köln der Klägerin zu 1 und den Kölner Hells Angels der einem Hells Angels-Mitglied gehörende und mit zwei Personen besetzte PKW aus einem Mietwagen heraus beschossen. Eine der Personen in dem PKW wurde getroffen und lebensgefährlich verletzt. Das Landgericht hat H. Y., Mitglied des Mitgliedschapters Köln der Klägerin zu 1, der den Mietwagen beschafft hatte, wegen Beihilfe zum versuchten Mord in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt.
106- Komplex "Schüsse auf das Lokal J. in Köln am ": Das Landgericht Hagen hat mit Urteil vom - 34 Ks-600 Js 1005/19-1/21 - wegen der Beschießung des von den Kölner Hells Angels als Treffpunkt genutzten Lokals "J." F. G., bereits genannter Angehöriger des Mitgliedschapters Köln der Klägerin zu 1, wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit einem Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu einer langen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Landgericht hat festgestellt, dass F. G. im Sinne einer dem Hells Angels MC geltenden Vergeltungsaktion trotz der von ihm erkannten Möglichkeit einer Verletzung oder Tötung der in dem Lokal befindlichen Menschen 13 Schüsse aus einer automatischen Waffe auf die Fassade und die Fenster des Lokals abgab.
107- Schließlich hat das Landgericht Hagen mit Urteil vom - 31 Ks-600 Js 7/19-2/20 - C. T. und A. Ü., beide bereits als President bzw. Sergeant at Arms des Mitgliedschapters Hagen der Klägerin zu 1 genannt, B. K., Vice President des Chapters, sowie T. S. und D. B., Mitglieder des Chapters, unter anderem wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung - dem Chapter Hagen bzw. der um die Genannten gebildeten Gruppe innerhalb des Chapters - verurteilt. Nach den Feststellungen des Landgerichts entwickelten die Betreffenden gemeinschaftlich unter Einfügung in die Chapterstruktur Aktivitäten, die auf die Vormachtstellung des BMC bzw. des BMC Chapters Hagen im Hagener Gebiet, insbesondere gegenüber dem dortigen Chapter des Freeway Riders MC abzielten. Es habe sich um einen eskalierenden Rockerkrieg gehandelt. Die erstrebte Vorherrschaft habe auch unter Begehung von Straftaten, insbesondere Nötigungen und Körperverletzungen durchgesetzt werden sollen.
108Den Würdigungen der Strafgerichte liegen ausführliche und überzeugende Beweisaufnahmen zu Grunde. Der Senat macht sich diese Würdigungen zu eigen. Die Straftaten sind den jeweils genannten Mitgliedschaptern der Klägerin zu 1 nach § 3 Abs. 5 VereinsG zuzurechnen. Die Taten wurden weithin von führenden Funktionären, jedenfalls aber von Mitgliedern dieser Chapter mit Bezug auf das Selbstverständnis des BMC in organisiertem und von den Chaptern geduldetem Verhalten begangen. Wegen der Teilorganisationseigenschaft der Chapter trifft die Verantwortung für deren Verhalten gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG die Klägerin zu 1.
109(f) Das Verbot der Klägerin zu 1 wahrt die verfassungsrechtlich gebotene Verhältnismäßigkeit. Die Klägerin zu 1 ist als Gesamtverein durch ihre Strafgesetzwidrigkeit in einer Weise geprägt, dass der Einsatz milderer Mittel wie etwa ein Verbot bestimmter Tätigkeiten der Vereinigung oder Maßnahmen gegen einzelne ihrer Mitglieder nicht in Betracht kam.
110Die Klägerin zu 1 weist schon von ihrer Anlage her straftatenfördernde Strukturmerkmale auf. Diese hat sie zum einen durch Handlungen ihrer eigenen Führung in die Realität umgesetzt. Die straftatenfördernden Strukturmerkmale der Klägerin zu 1 haben zum anderen ihren Widerhall darin gefunden, dass in mehreren ihrer Mitgliedschapter zahlreiche schwere Straftaten begangen worden sind, die auf Grund der - noch darzulegenden - Eigenschaft der Chapter als gebietliche Teilorganisationen der Klägerin zu 1 von dieser zu verantworten sind. Wegen dieses strukturellen Hintergrundes geht der Vortrag der Klägerin zu 1 und der anderen Kläger ins Leere, Straftaten seien lediglich in begrenzten lokalen Brandherden von Angehörigen nicht mehr existenter Chapter begangen worden, die mit Nationals der Klägerin zu 1 nur auf Grund besonderer persönlicher Beziehungen verbunden gewesen seien. Es kommt vielmehr grundsätzlich jedes Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 dafür in Betracht, die Umsetzung der straftatenfördernden Strukturmerkmale der Klägerin zu 1 fortzuführen. Der hiernach bestehenden Gefahr, dass unter der Verantwortung der Klägerin zu 1 auch künftig erhebliche Straftaten begangen werden würden, konnte die Beklagte auch unter Berücksichtigung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dadurch begegnen, dass sie mit der angefochtenen Verbotsverfügung die Existenz der Klägerin zu 1 als (Gesamt-)Verein beendete.
111bb. An die Feststellung der Strafgesetzwidrigkeit der Klägerin zu 1 und die Anordnung ihrer Auflösung knüpfen die weiteren in der Verbotsverfügung vom enthaltenen, die Klägerin zu 1 betreffenden Entscheidungen und Maßgaben an. Insoweit ergibt sich das ausgesprochene Betätigungsverbot bereits aus der Natur des Vereinsverbots und bedarf insoweit keiner eigenen Rechtsgrundlage (vgl. 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 18, vom - 1 A 2.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 69 Rn. 36 und vom - 1 A 6.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 72 Rn. 37). Das Kennzeichenverbot beruht auf § 9 Abs. 1 VereinsG, das Verbot von Ersatzorganisationen auf § 8 Abs. 1 VereinsG und die Anordnung der Beschlagnahme und der Einziehung des Vereinsvermögens auf § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VereinsG.
1122. Die Anfechtungsklage der Kläger zu 2 bis 35 - Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 - ist zulässig (a.), aber unbegründet (b.).
113a. Die Kläger zu 2 bis 35 können die Verbotsverfügung vom , die sie als Mitglieder der Klägerin zu 1 betrifft und die sie darüber hinaus als Teilorganisationen der Klägerin zu 1 in Anspruch nimmt, in zulässiger Weise anfechten. Insbesondere unterliegt ihre Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO bereits im Hinblick auf den letztgenannten Gesichtspunkt keinem Zweifel. Sie ergibt sich jedenfalls insoweit aus Art. 9 Abs. 1 GG.
114b. In der Sache können die Kläger zu 2 bis 35 weder eine vollständige Kassation des mit der Verfügung vom ausgesprochenen Vereinsverbots und der sie betreffenden Nebenentscheidungen und Maßgaben noch eine Aufhebung des Verbots, soweit dieses sich auf sie erstreckt, erreichen. Die Verbotsverfügung ist, soweit sie auf die Klage der genannten Kläger der gerichtlichen Überprüfung unterliegt, rechtmäßig und verletzt diese Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
115Die angefochtene Verbotsverfügung wird durch die ihr zu Grunde liegenden Rechtsgrundlagen (aa.), soweit die Kläger zu 2 bis 35 die Prüfung der danach bestehenden Voraussetzungen verlangen können (bb.), getragen (cc.).
116aa. Wie bereits dargelegt, beruht das gegenüber der Klägerin zu 1 ausgesprochene Vereinsverbot, deren Mitglieder die Kläger zu 2 bis 35 sind, auf § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG mit dem oben wiedergegebenen Regelungsinhalt. Rechtsgrundlage für eine Einbeziehung der Kläger zu 2 bis 35 in dieses Verbot als gebietliche Teilorganisationen der Klägerin zu 1 ist § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG. Nach dieser Vorschrift erstreckt sich das Verbot eines Vereins, wenn es nicht ausdrücklich beschränkt wird, auf alle Organisationen, die dem Verein derart eingegliedert sind, dass sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse als Gliederung dieses Vereins erscheinen (Teilorganisationen).
117bb. Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO orientiert sich die gerichtliche Kontrolle eines angefochtenen Vereinsverbots in ihrem Umfang an den inmitten stehenden subjektiven Rechten des jeweiligen Klägers ( 6 A 1.19 - BVerwGE 167, 293 Rn. 25). Hiernach können die Kläger zu 2 bis 35 auf die von ihnen erhobenen Anfechtungsklagen weder als Mitglieder der verbotenen Klägerin zu 1 (aaa.) noch wegen ihrer Inanspruchnahme als gebietliche Teilorganisationen derselben (bbb.) eine uneingeschränkte Prüfung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung vom erreichen.
118aaa. Die Kläger zu 2 bis 35 gehen fehl, wenn sie meinen, sie hätten als Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 Anspruch auf eine umfassende gerichtliche Überprüfung der von ihnen angefochtenen Verbotsverfügung, weil sie, sofern das Verbot der Klägerin zu 1 Bestand habe, nicht anders als diese in ihrer Existenz als Verein ausgelöscht würden.
119Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts steht der Anspruch auf eine umfassende Prüfung der Rechtmäßigkeit einer vereinsrechtlichen Verbotsverfügung nur der verbotenen Vereinigung, nicht hingegen den Mitgliedern derselben zu. Ein Vereinsverbot beschränkt das in Art. 9 Abs. 1 GG verankerte kollektive Recht auf Fortbestand der Vereinigung. Demgegenüber werden Vereinsmitglieder durch ein Vereinsverbot nicht in ihrer individuellen Vereinigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 1 GG tangiert. Denn die individuelle Betätigung als Vereinsmitglied kann sich nur im Rahmen der kollektiven Willensbildung des Vereins entfalten. Die Mitglieder haben durch ihren freiwilligen Zusammenschluss zur Förderung eines gemeinsamen Zwecks anerkannt, dass Vereinsangelegenheiten auf Grund kollektiver Willensbildung und Entscheidungsfindung und innerhalb des von dem Verein auf der Grundlage der Vereinsautonomie selbst gesetzten Rahmens geregelt werden. Daher tritt die Ausübung der individuellen Vereinigungsfreiheit, soweit sie sich im Rahmen der Tätigkeit in dem Verein entfaltet, hinter die kollektive Freiheitsausübung zurück. Einzelne Mitglieder einer als Verein verbotenen Gruppierung können sich für eine Anfechtung der Verbotsverfügung lediglich auf ihre allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG berufen und eine Prüfung erreichen, ob sie zu Recht als Angehörige einer als Verein im Sinne des Vereinsgesetzes zu beurteilenden Gruppierung behandelt werden. Dies ist nicht der Fall, wenn die Gruppierung mangels Erfüllung der in § 2 Abs. 1 VereinsG genannten Strukturmerkmale oder mangels Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes nicht auf der Grundlage des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG hätte verboten werden dürfen. Ist dem so, ist die Verbotsverfügung aufzuheben. Andernfalls ist die Klage abzuweisen, ohne dass das Vorliegen von Verbotsgründen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 GG oder die formelle Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung zu prüfen wäre (vgl. dazu zuletzt m. w. N.: 6 A 1.19 - BVerwGE 167, 293 Rn. 18, 22, 25).
120Diese Grundsätze gelten entgegen der Ansicht der Kläger zu 2 bis 35 unabhängig davon, ob es sich bei den Mitgliedern der verbotenen Vereinigung um natürliche Personen oder ihrerseits um Vereine im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG handelt. Die von den genannten Klägern angesprochene Verknüpfung ihrer Existenz als Verein mit dem Bestand der Verbotsverfügung vom ergibt sich nicht daraus, dass sie Mitglieder der Klägerin zu 1 sind. Sie beruht vielmehr darauf, dass das gegenüber der Klägerin zu 1 verhängte Organisationsverbot gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG auf die Kläger zu 2 bis 35 als gebietliche Teilorganisationen der Klägerin zu 1 erstreckt wird.
121bbb. Soweit die Kläger zu 2 bis 35 die Verbotsverfügung vom wegen ihrer Behandlung als gebietliche Teilorganisationen der Klägerin zu 1 anfechten, können sie eine dieser Rechtsstellung angepasste Rechtmäßigkeitsprüfung der Verfügung verlangen.
122Stellt eine Vereinigung eine gebietliche Teilorganisation eines verbotenen Vereins dar, wird sie nach § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG, ohne selbst einen Verbotsgrund erfüllen zu müssen, allein auf Grund ihrer Identität mit dem Gesamtverein von dessen Verbot erfasst. Vor dem Hintergrund der hiernach eingeschränkten Berechtigung aus Art. 9 Abs. 1 GG wird eine vorgebliche Teilorganisation eines verbotenen Vereins im Rahmen einer von ihr gegen die Verbotsverfügung erhobenen Anfechtungsklage nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich nur mit dem Einwand gehört, dass sie keine Teilorganisation des Gesamtvereins sei. Vor allem ist es ihr versagt, sich darauf zu berufen, dass sie keinen Verbotsgrund erfülle ( 6 A 2.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 49 Rn. 18, vom - 6 A 5.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 52 Rn. 16, vom - 1 A 2.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 69 Rn. 16 und vom - 1 A 6.15 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 72 Rn. 12). Dabei bestreitet eine als Teilorganisation in Anspruch genommene Vereinigung allerdings auch mit dem Vorbringen, der verbotene Gesamtverein habe zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt nicht (mehr) existiert, der Sache nach ihre Eigenschaft als Teilorganisation dieses Vereins (vgl. 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 14). Ferner kann einer derartigen Vereinigung nicht die Prüfung verwehrt werden, ob es - insbesondere aus Gründen der Verhältnismäßigkeit - geboten gewesen wäre, sie gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 VereinsG von dem Vereinsverbot auszunehmen ( 1 A 3.76 - BVerwGE 55, 175 <186> und vom - 6 A 2.21 - juris Rn. 64).
123cc. Nach dem derart konturierten Prüfprogramm ist die Verbotsverfügung vom weder vor dem Hintergrund der Stellung der Kläger zu 2 bis 35 als Mitglieder noch vor demjenigen ihrer Behandlung als gebietliche Teilorganisationen der Klägerin zu 1 zu beanstanden. Die Klägerin zu 1 war bei Erlass der Verbotsverfügung, wie im Zusammenhang mit deren Klage eingehend dargelegt, nach den insoweit maßgeblichen tatsächlichen Umständen ein verbotsfähiger Verein im Sinne von § 2 Abs. 1 VereinsG. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kläger zu 2 bis 35 gebietliche Teilorganisationen der Klägerin zu 1 (aaa.). Das BMI hatte keinen Anlass, einen dieser Kläger von dem Verbot der Klägerin zu 1 als Gesamtverein auszunehmen (bbb.).
124aaa. Bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt des Verbotserlasses ist die Eigenschaft der Kläger zu 2 bis 35 als gebietliche Teilorganisationen der Klägerin zu 1 im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG zu bejahen. Dass die Kläger zu 2 bis 35 als Vereine Mitglieder der Klägerin zu 1 sind, schließt ihre Einordnung als Teilorganisationen derselben ebenso wenig aus wie der Umstand, dass die Klägerin zu 1 ihrerseits der BMC Federation Europe angehört ((1)). Gemessen an den Wesensmerkmalen, die eine Teilorganisation im Sinne des § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG ausmachen ((2)), und die entgegen der von allen Klägern in diesem Verfahren vertretenen Ansicht nicht teleologisch zu reduzieren sind ((3)), kommt den Klägern zu 2 bis 35 diese Eigenschaft in dem Verhältnis zu der Klägerin zu 1 zu ((4)).
125(1) In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass ein Verein im Sinne des Vereinsrechts zugleich Mitglied und Teilorganisation eines umfassenden Verbandes sein kann. Für die Frage, ob eine solche Doppelstellung besteht, ist entscheidend, ob die Gesamtorganisation als bloßer Dachverband anzusehen ist, dem die Mitgliedsvereine mehr oder weniger locker angeschlossen sind, oder ob der Gesamtverband eine hierarchische Struktur aufweist, so dass die Mitgliedsvereine in ihn als seine Teilorganisationen eingegliedert sind ( 1 VR 20.93 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 18 S. 17, Gerichtsbescheid vom - 6 A 5.02 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 39 S. 68).
126Nicht zweifelhaft ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ferner, dass in einer Drei-Ebenen-Konstruktion, wie sie die Organisation des BMC in Europa und Deutschland aufweist, die Vereinigung auf der mittleren Ebene als Gesamtverein mitsamt den Gruppierungen auf der unteren Ebene verboten werden kann, wenn letztere in ihrem Verhältnis zu der Vereinigung auf der mittleren Ebene die Wesensmerkmale von Teilorganisationen aufweisen. Dabei ist es ohne Belang, ob die Vereinigung auf der mittleren Ebene ihrerseits eine Teilorganisation des Zusammenschlusses auf der oberen Ebene darstellt, oder ob dieser Zusammenschluss gleichfalls mit einem vereinsrechtlichen Verbot belegt wird (so in Bezug auf eine Drei-Ebenen-Organisation im Rockermilieu: 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 22 ff., 54, bestätigt durch: - NVwZ 2020, 224 Rn. 18).
127(2) Die Identität zwischen dem Verein als Ganzem und seiner Gliederung, die von § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG für eine Qualifikation der Gliederung als Teilorganisation vorausgesetzt wird, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gegeben, wenn die Gliederung tatsächlich in die Gesamtorganisation eingebunden ist. Dabei ist eine totale organisatorische Eingliederung etwa in dem Sinne, dass ausschließlich Mitglieder oder Sympathisanten der Gesamtorganisation der Teilorganisation angehören dürfen, nicht erforderlich. Die Gliederung muss zudem im Wesentlichen von der Gesamtorganisation beherrscht werden. Anhaltspunkte für die Einbindung und Beherrschung können, müssen aber nicht in den Satzungen der betroffenen Organisationen enthalten sein. Weitere Indizien können sich aus der personellen Zusammensetzung der Vereinigungen, ihrer Geschichte, ihrem Selbstverständnis und ihren Zielen, ihrer Tätigkeit und Finanzierung sowie aus Verflechtungen bei der Willensbildung und aus Weisungsgegebenheiten, respektive aus hierarchischen Strukturen ergeben. Anhaltspunkte für derartige Strukturen können Berichtspflichten sowie eine ständige Begleitung und Betreuung durch Vertreter des Gesamtvereins sein. Es ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen, wobei sich die jeweilige Aussagekraft der Indizien nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls richtet. Nicht notwendig ist daher zum einen, dass die Annahme einer Teilorganisation von sämtlichen genannten Indizien nach dem Gesamtbild getragen wird. Zum anderen können auch Indizien, die für sich genommen als nicht zwingend erscheinen mögen, in ihrer Summe eine Qualifikation als Teilorganisation rechtfertigen. Entscheidend ist stets das spezifische Gepräge der zur Beurteilung stehenden verbandlichen Struktur (vgl. 6 A 5.08 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 52 Rn. 27, vom - 6 A 7.19 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 77 Rn. 67 und vom - 6 A 4.21 - juris Rn. 35).
128(3) Die von allen Klägern in diesem Verfahren unter Berufung auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geforderte teleologische Reduktion des § 3 Abs. 3 Satz 1 VereinsG kommt nicht in Betracht. Die Kläger meinen, die besondere Gefährlichkeit eines verfassungswidrigen Gesamtvereins ergebe sich daraus, dass nach der Vermutung des Gesetzgebers die untergeordnete Ebene jederzeit durch die übergeordnete Ebene - bildlich gesprochen auf ein Fingerschnipsen hin - dazu bestimmt werden könne, die verfassungswidrigen Ziele der übergeordneten Ebene mitzuverfolgen bzw. deren verfassungswidrige Tätigkeiten mitzumachen. Diese Vermutung sei widerlegt, wenn es - wie es hier bezüglich des Verbotsgrunds der Strafgesetzwidrigkeit im Hinblick auf die große Zahl der nicht durch Straftaten ihrer Mitglieder auffällig gewordenen Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 der Fall sei - an der besagten strukturellen Bestimmbarkeit fehle.
129Die Beklagte hält diesem Interpretationsansatz zu Recht entgegen, dass er die von dem Gesetzgeber in verfassungsgemäßer Weise (dazu: - NVwZ 2020, 224 Rn. 19 f.) verfolgte Intention umgeht, das Verbot eines Gesamtvereins aus Gründen einer effektiven Gefahrenabwehr dadurch zu erleichtern, dass die Teilorganisationen eines solchen Vereins generell, insbesondere auch ohne eigene Erfüllung eines Verbotsgrunds mitverboten werden. Der Ansatz der Kläger widerspricht darüber hinaus auch deshalb der Gesetzessystematik, weil für die in § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 VereinsG ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit, die Reichweite eines Vereinsverbots zu beschränken, indem einzelne Teilorganisationen von ihm ausgenommen werden, kein Anwendungsbereich verbliebe.
130(4) Nach den vorstehend dargelegten Maßgaben handelt es sich bei den Klägern zu 2 bis 35 - wie bei sämtlichen Mitgliedschaptern der Klägerin zu 1 - nicht um der Klägerin zu 1 als bloßem Dachverband locker angeschlossene Mitgliedsvereine, sondern um Vereine die der einen Gesamtverein darstellenden Klägerin zu 1 über die bloße Mitgliedsstellung hinaus als gebietliche Teilorganisationen angehören. Dies ergibt sich vor allem aus einer Vielzahl der organisatorischen Bestimmungen, durch die das BMC Satzungsrecht das generelle Verhältnis zwischen den regionalen BMC Federations und den örtlichen BMC Chaptern im Sinne einer streng hierarchischen Struktur regelt ((a)). Es wird ferner daran deutlich, dass Nationals der Klägerin zu 1 aus eigener Machtvollkommenheit von anderen Bestimmungen des Satzungsrechts auf Grund ihrer hierarchisch hervorgehobenen Stellung in bestimmten Fallgestaltungen bei der Behandlung von Angelegenheiten der Mitgliedschapter abgewichen sind ((b)) oder in dem Satzungsrecht nicht vorgesehene Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse faktisch in Anspruch genommen haben ((c)). Die Chapter haben ihre Eigenschaft als Teilorganisationen der Klägerin zu 1 nicht vor Erlass der Verbotsverfügung vom verloren ((d)).
131(a) Die Bestimmungen des BMC Satzungsrechts, die das Verhältnis zwischen den regionalen BMC Federations und den örtlichen BMC Chaptern betreffen, verklammern die beiden Ebenen durch Regelungen, die hierarchisch ausgerichtet sind und dementsprechend Weisungsrechte der Federations vorsehen und Abhängigkeiten der Chapter schaffen. Wie bereits festgestellt, ist das BMC Satzungsrecht - und damit auch sein hier in Rede stehender Teil - in der Vereinspraxis der Klägerin zu 1 und ihrer Mitgliedschapter grundsätzlich gelebt worden.
132Die grundlegende hierarchiegeprägte Verklammerung einer regionalen BMC Federation und ihrer örtlichen Mitgliedschapter ergibt sich aus der in dem BMC Satzungsrecht statuierten Verpflichtung der unteren Ebenen, die Statuten, Standards und Beschlüsse der oberen Ebenen einzuhalten bzw. zu erfüllen. Hierbei handelt es sich zwar ausweislich von Ziffer 4.2., 7.3. und 15. der Statuten der BMC Federation Europe sowie § 4 Abs. 4 der Muster-Statuten für BMC Federations im Ausgangspunkt um die Regelungen der BMC Federation Europe. Die regionalen BMC Federations haben jedoch die Erfüllung dieser Regelungen gemäß Ziffer 7.5.a) der Statuten der BMC Federation Europe und § 4 Abs. 4 Buchst. a der Muster-Statuten für BMC Federations gegenüber ihren Mitgliedern - also insbesondere ihren Mitgliedschaptern - durchzusetzen. Ihr National Vice Presidente hat die Einhaltung durch die Mitglieder nach Ziffer 2.3.b) der Standards für BMC Federations aktiv zu fördern. Die regionalen Federations sind darüber hinaus nach § 4 Abs. 5 Buchst. c und e der Muster-Statuten für BMC Federations nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, eigene Statuten zu verabschieden, die mit den Bestimmungen der europäischen Ebene konform sein müssen. Auch hieran sind die Mitgliedschapter gebunden. Dass in § 5 Abs. 1 der Muster-Statuten für BMC Chapter auf die von den Klägern zu 2 bis 35 betonte Freiwilligkeit der Verpflichtung der Chapter zur Regeleinhaltung - in Bezug auf die Statuten und Regeln der BMC Federation Europe - und darüber hinaus auf die vorgebliche Unabhängigkeit der Chapter von der BMC Federation Europe und der jeweiligen regionalen BMC Federation verwiesen wird, ändert an der Verbindlichkeit der Regeln nichts.
133Die durch die Vorgabe von Verpflichtungen bewirkte Verklammerung der Organisationsebenen des BMC und damit auch der regionalen BMC Federations mit den örtlichen BMC Chaptern prägt sich äußerlich in dem einheitlichen Erscheinungsbild aus, das ausweislich von Ziffer 4.1.d), 7.4. und 9.4. der Statuten der BMC Federation Europe, § 10 der Muster-Statuten für BMC Federations und § 6 Abs. 2 der Muster-Statuten für BMC Chapter die Bandidos auf allen Organisationsebenen durch die Benutzung der von der BMC Federation Europe vorgegebenen Symbole abgeben sollen. Entgegen der Ansicht der Klägerseite kommt hierdurch von Seiten der Chapter nicht allein eine Identifizierung mit der BMC Federation Europe, sondern auch eine solche mit der jeweiligen regionalen Federation zum Ausdruck.
134Werden einzelne Bestimmungen des BMC Satzungsrechts, die das Verhältnis zwischen den regionalen Federations und den örtlichen Chaptern betreffen, in den Blick genommen, wird die existentielle Abhängigkeit der Chapter von den Federations zunächst daran deutlich, dass das Bestehen eines Chapters als Teil der Bandidos-Bewegung nach § 6 Abs. 1 und 2 der Muster-Statuten für BMC Chapter und Ziffer 4 des ersten Abschnitts der Standards für BMC Chapter zwingend an die Mitgliedschaft in einer Federation geknüpft ist. Dem entspricht es, dass bereits die Eröffnung eines BMC Chapters gemäß Ziffer 13.14. der Statuten der BMC Federation Europe - neben der Mitwirkung des National Presidente Europe - von einem gestattenden Beschluss einer BMC Federation abhängt. Ferner ist in § 4 Abs. 6 der Muster-Statuten für BMC Federations und Ziffer 1.3.a) der Standards für BMC Federations bestimmt, dass den regionalen Federations das Recht zusteht, neue BMC Chapter gemäß den von der BMC Federation Europe festgelegten Anforderungen und unter Respektierung des Vetorechts des National Presidente Europe zu bilden. Zudem findet sich in § 7 Abs. 2 der Muster-Statuten für BMC Federations die Regelung, dass der National Vice Presidente einer BMC Federation über die Aufnahme neuer Chapter entscheidet. Wenn die Kläger die Ausübung der in Rede stehenden Befugnisse der BMC Federations lediglich als ein voraussetzungsloses, formalistisches Verfahren bewerten, geht dies deutlich an der Sache vorbei.
135Auch das Ende des Vereinslebens eines BMC Chapters als Teil der Bandidos-Bewegung hat die jeweilige BMC Federation - entsprechend dem das BMC Satzungsrecht bestimmenden Hierarchiegedanken in Gestalt ihres National Vice Presidentes - in beachtlichem Umfang in der Hand. Der National Vice Presidente kann gemäß § 8 Abs. 3 der Muster-Statuten für BMC Federations ohne eine Mitwirkung anderer Stellen ein Chapter durch Beschluss aus der Federation ausschließen, wenn es mit Mitgliedsbeiträgen im Rückstand ist und ihm zwei Mahnungen zugestellt worden sind. Durch Beschluss ausschließen kann er - nach vorheriger Anhörung durch die Führung der Federation - gemäß § 8 Abs. 4 der Muster-Statuten für BMC Federations ferner ein Chapter, das die Statuten, Regeln oder ethischen Anforderungen der BMC Federation Europe in grober Weise verletzt hat.
136Starken hierarchiegeprägten Einfluss auf ihre Mitgliedschapter können die BMC Federations zudem bei der Aufnahme und Beförderung von Chaptermitgliedern ausüben. So setzt die Beförderung eines Mitgliedschaftsbewerbers vom Prospect zum Probationary nach § 8 Abs. 2 Buchst. b und c der Muster-Statuten für BMC Chapter nicht nur die Zustimmung des jeweiligen Chapters, sondern auch diejenige des National Vice Presidente der Federation voraus. Gehört der Mitgliedschaftsaspirant als Prospect oder Hangaround einem Prospect- oder Hangaroundchapter an, hängt die Entscheidung über seine Beförderung zum Probationary ausweislich von Ziffer 5.b) des ersten Abschnitts der Standards für BMC Member ausschließlich von der Entscheidung des National Vice Presidente der Federation ab. Weitere Zustimmungserfordernisse von Seiten des National Vice Presidente in Personalangelegenheiten bestehen, wenn ein aktives Chaptermitglied passives Mitglied oder ein passives Chaptermitglied wieder aktives Mitglied werden will - Ziffer 1.a) und 3 des vierten Abschnitts der Standards für BMC Member - oder wenn ein im "Good Standing" ausgeschiedenes Chaptermitglied wiederaufgenommen werden möchte - Ziffer 8 des fünften Abschnitts der Standards für BMC Member. Die Kläger relativieren diese Befugnisse zu Unrecht, wenn sie sie auf eine rein notarielle Funktion des National Vice Presidente reduzieren.
137Die in den beschriebenen Regelungen angelegte Abhängigkeit und hierarchiebedingte Unterordnung der BMC Chapter in dem Verhältnis zu den BMC Federations wird dadurch verstärkt, dass die Chapter nach Maßgabe von Ziffer 12.1. der Statuten der BMC Federation Europe und § 14 Abs. 5 Buchst. c der Muster-Statuten für BMC Federations keine Beteiligungsrechte auf der europäischen Ebene des BMC haben. Sie sind vielmehr darauf angewiesen, dass die National Vice Presidentes als Vertreter der Federations an dem Round Table - zugleich Mitgliederversammlung und höchstes Entscheidungsgremium der BMC Federation Europe - ihre Interessen wahrnehmen. Dabei fällt zusätzlich ins Gewicht, dass nach § 14 Abs. 2 der Muster-Statuten für BMC Federations die Amtszeit des jeweiligen National Vice Presidente grundsätzlich nicht befristet ist und er zwar von der Mitgliederversammlung seiner Federation, in der deren Mitgliedschapter gemäß § 13 Abs. 1 der Muster-Statuten für BMC Federations durch ihre Präsidenten vertreten werden, abgewählt werden kann, dass die Ernennung eines neu gewählten National Vice Presidente jedoch nach Ziffer 13.14. der Statuten der BMC Federation Europe dem National Presidente Europe vorbehalten ist.
138Dass den Funktionären - insbesondere den Nationals - der BMC Federations gegenüber den örtlichen Chaptern generell Weisungsbefugnisse zustehen, ergibt sich bereits aus der eingangs beschriebenen Aufgabe der Federations, die Bestimmungen der BMC Federation Europe gegenüber ihren Mitgliedschaptern durchzusetzen, sowie ihrer ungeschriebenen Kompetenz zum Vollzug der eigenen Regelungen. Ausdrücklich geregelt ist die hierarchisch exponierte und mit Weisungsrechten versehene Funktion des Sargento de Armas einer BMC Federation. Eine solche Funktion im Sinne eines "direkten Vorgesetzten" für ihre Mitgliedschapter muss gemäß Ziffer 7.6.h) der Statuten der BMC Federation Europe und § 4 Abs. 5 Buchst. h der Muster-Statuten für BMC Federations jede Federation einrichten. Die Aufgaben des Sargento de Armas bestehen laut § 14 Abs. 7 Buchst. a und b der Muster-Statuten für BMC Federations und Ziffer 2.5.a) und b) der Standards für BMC Federations in der Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit während der Meetings der jeweiligen BMC Federation sowie in der Durchsetzung der Einhaltung der in den Statuten der BMC Federation Europe festgelegten ethischen Anforderungen. Die Funktion umfasst allerdings - entsprechend der ausdrücklich als nicht erschöpfend gekennzeichneten Aufzählung - ersichtlich weitere Befugnisse innerhalb und außerhalb einer Federation, und nach Maßgabe der Funktionsbezeichnung insbesondere solche, die in Verbindung mit dem potentiellen oder tatsächlichen Einsatz von Waffen stehen. Mit der Blickrichtung nach innen obliegt dem Sargento de Armas einer Federation ganz allgemein die Disziplinierung der Mitgliedschapter. Der Versuch der Klägerseite, die Funktionsbezeichnung unter Bezugnahme auf die Historie der von ehemaligen Soldaten gegründeten Bandidos-Bewegung zu erklären und die Funktionsträger - jedenfalls was ihre Binnenaufgaben anbetrifft - als bloße Streitschlichter darzustellen, geht ersichtlich fehl. Dies ergibt sich deutlich aus der Beschreibung der Funktion durch L. H., National Vice Presidente der Klägerin zu 1, und P. M., National Vice Presidente Europe der BMC Federation Europe, in ihrem Buch "Ziemlich böse Freunde - Wie wir die Bandidos in Deutschland gründeten" (S. 240): "Der Sergeant at Arms ist so etwas wie der Verteidigungs- und Innenminister in Personalunion. Er kümmert sich um die Ausstattung seines Clubs, die Sicherheit nach außen und nach innen - also die Einhaltung der Clubregeln und der inneren Disziplin. Wenn es nötig ist, spricht der Sargento de Armas, wie er bei den Bandidos heißt, bei Verstößen gegen die Clubdisziplin auch die Strafen aus und kümmert sich um deren 'Vollstreckung'."
139(b) Die Abhängigkeit der örtlichen Chapter von der Klägerin zu 1 wird des Weiteren dadurch illustriert, dass die Nationals der Klägerin zu 1 bei der Behandlung von Angelegenheiten der Mitgliedschapter von nicht in spezifischer Weise hierarchiebegründenden Bestimmungen des BMC Satzungsrechts aus eigener Machtvollkommenheit abweichen konnten und abgewichen sind. So sind jedenfalls in zwei Fällen Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 entgegen den Vorgaben des § 30 Satz 1 der Muster-Statuten für BMC Chapter nicht durch einen Beschluss der Mitgliederversammlung des jeweiligen Chapters, sondern durch Nationals der Klägerin zu 1 aufgelöst worden. Nach den tragfähigen Feststellungen des Landgerichts Hagen in dem bereits mehrfach erwähnten Urteil vom - 34 Ks-600 Js 1005/19-1/20 - (UA S. 32 f., 79 ff.) handelt es sich um die vormaligen Mitgliedschapter Köln und Hagen der Klägerin zu 1. Der Senat erachtet diese Feststellungen als überzeugend. Die Klägerseite ist ihnen nur in Bezug auf das Kölner Chapter und insoweit unsubstantiiert entgegengetreten.
140(c) Schließlich haben Nationals der Klägerin zu 1 mehrfach gegenüber den Mitgliedschaptern des Vereins Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse wahrgenommen, ohne dass dafür eine Grundlage in dem BMC Satzungsrecht bestanden hätte.
141Dieser Einschätzung steht nicht entgegen, dass die vormaligen Präsidenten der Dortmunder und Duisburger Mitgliedschapter der Klägerin zu 1, P. K. und M. D., bei ihrer informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ebenso wie zuvor vier weitere Chapterpräsidenten im Rahmen ihrer gerichtlichen Vernehmungen im vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahren die Unabhängigkeit ihrer Chapter von Weisungen seitens der Klägerin zu 1 betont haben. Dass die Nationals der Klägerin zu 1 ihre Kompetenzen überschreitende Weisungen und Entscheidungen in manchen der Mitgliedschapter häufiger und in anderen wenig oder gar nicht vorgenommen bzw. getroffen haben mögen, ändert nichts daran, dass es diese Kompetenzanmaßungen in überaus gewichtigem Ausmaß gegeben hat.
142Genannt werden kann zunächst das Eingreifen von Nationals in der Angelegenheit des J. N., Angehöriger des Mitgliedschapters Bochum City/Ruhrpott der Klägerin zu 1. Dieser musste, nachdem er im Oktober 2018 auf einer Party im Clubhaus des Mitgliedschapters Unna in einen Streit mit einem Mitglied eines anderen Mitgliedschapters der Klägerin zu 1 geraten war und ein versuchtes Tötungsdelikt zu dessen Nachteil begangen hatte, nach einer Entscheidung der mit der Angelegenheit befassten Nationals der Klägerin zu 1 den Bandidos MC verlassen. Wenn die Kläger meinen, sich insoweit auf einen Verweis auf die vermeintliche Streitschlichtungsfunktion der - neben dem National Vice Presidente beteiligten - Sargentos de Armas der Klägerin zu 1 zurückziehen zu können, geht dies ins Leere.
143Zudem haben Nationals der Klägerin zu 1 auf Grund eigenständig beanspruchter Kompetenz gezielt Bandidos zwischen Mitgliedschaptern der Klägerin zu 1 verschoben. Dies ist jedenfalls insoweit geschehen, als nach gesicherter Feststellung des Landgerichts Hagen in dem Urteil vom - 34 Ks-600 Js 1005/19-1/20 - (UA S. 47, 158 ff.) in der Zeit von Dezember 2018 bis Anfang Januar 2019 F. A., B. G. und F. G., Angehörige des Mitgliedschapters Dortmund Iron City der Klägerin zu 1 von deren National Vice Presidente, L. H., und deren Sargento de Armas, S. E., in das seinerzeitige Chapter Köln transferiert worden sind, um dieses in dem Konflikt mit den Kölner Hells Angels personell zu verstärken. Die Kläger zu 2 bis 35 haben zwar behauptet, der Chapterwechsel habe darauf beruht, dass den Betroffenen in dem Dortmunder Chapter Abneigung und in dem Kölner Chapter Freundschaft entgegengebracht worden sei. Hierdurch können sie indes zur Überzeugung des Senats die stringenten Feststellungen des Landgerichts Hagen nicht entkräften.
144Am stärksten fällt ins Gewicht, dass der National Vice Presidente der Klägerin zu 1, L. H., im September 2018 auf Grund seiner autonom getroffenen Entscheidung eine Bewaffnung der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 mit Schusswaffen in die Wege geleitet hat. Er hat, wie bereits dargelegt, den seinerzeitigen Sergeant at Arms des Mitgliedschapters Bochum City/Ruhrpott der Klägerin zu 1, C. N., damit beauftragt, 16 illegal hergestellte Pistolen Walther P22 zum Zweck der chapterübergreifenden Bewaffnung der Klägerin zu 1 zu erwerben und C. N. zu diesem Zweck 12 000 € aus der Nationalkasse der Klägerin zu 1 übergeben.
145(d) Die Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 haben ihre Eigenschaft als Teilorganisationen der Klägerin zu 1 nicht vor dem Erlass der Verbotsverfügung vom infolge ihrer Zuordnung zu den Ende Mai/Anfang Juni 2021 gegründeten, aber bis zum Verbotserlass noch nicht in Vollzug gesetzten Klägerinnen zu 156 bis 158 verloren. Sie hatten die Klägerin zu 1, wie bereits ausgeführt worden ist, zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt faktisch noch nicht endgültig verlassen.
146bbb. Das BMI hat nicht dadurch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, dass es keinen der Kläger zu 2 bis 35 gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 VereinsG von dem Verbot der Klägerin zu 1 als Gesamtverein ausgenommen hat.
147Die in der genannten Vorschrift vorgesehene Möglichkeit der Ausnahme von einem Verbot des Gesamtvereins soll nach dem Willen des Gesetzgebers vor allem solchen Teilorganisationen zugutekommen, die sich von verfassungswidrigen Bestrebungen des Gesamtvereins distanzieren und einen grundsätzlich anderen, nicht verfassungswidrigen Kurs verfolgen (BT-Drs. IV/430 S. 15; dazu: 1 A 3.76 - BVerwGE 55, 175 <186>). Es ist indes nicht ersichtlich, dass sich einer der Kläger zu 2 bis 35 von den oben beschriebenen, von Angehörigen mehrerer Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 begangenen, in das Bewusstsein einer großen Öffentlichkeit gedrungenen schweren Straftaten im Zusammenhang mit deren Begehung oder jedenfalls vor Erlass der Verbotsverfügung vom distanziert hätte. Die Distanzierungserklärungen, die mehrere Chapterpräsidenten im gerichtlichen Verfahren für ihre Chapter in Bezug auf den Erwerb, den Besitz und die Benutzung von Schusswaffen, auf die Beteiligung an Revierkämpfen oder als szenetypisch betrachteten Gewalttaten sowie auf die Vorgänge in Hagen und Köln und das "angeklagte[n] Geschehen auf Ebene der Officers" der Klägerin zu 1 abgegeben haben, sind wegen ihres jeweils identischen Wortlauts als unglaubhaft zu bewerten. Sie sind unabhängig hiervon schon deshalb unbeachtlich, weil sie nach dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nachgeschoben worden sind. Eben deshalb und zudem mangels gesicherter Zuordnung sind auch die im Gerichtsverfahren von der Klägerseite vorgelegten, in der Mehrzahl nicht unterzeichneten Ausführungen über die Entstehungsgeschichte von Chaptern sowie deren Koexistenz mit anderen Rockergruppierungen ohne Belang.
1483. Die Anfechtungsklagen der Kläger zu 39, 48, 59, 64, 74 und 104 bzw. zu 43, 49, 56, 65, 131, 133 und 135 - Nationals bzw. Nomads der Klägerin zu 1 - sind, im Ergebnis mit der Beurteilung der Klagen der bisher behandelten Kläger übereinstimmend, zulässig (a.), aber unbegründet (b.).
149a. Die klageführenden Nationals und Nomads sind als Mitglieder der Klägerin zu 1 nach der oben beschriebenen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gemäß § 42 Abs. 2 VwGO befugt, die Verbotsverfügung vom , gestützt auf ihre allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, anzugreifen.
150b. In der Sache müssen die Klagen nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO erfolglos bleiben. Nach der genannten Rechtsprechung können die in Rede stehenden Kläger auf Grund ihres Rechts aus Art. 2 Abs. 1 GG eine Prüfung der Frage, ob die Klägerin zu 1 bei Erlass der Verbotsverfügung vom noch einen verbotsfähigen Verein im Sinne des § 2 Abs. 1 VereinsG dargestellt hat, und, wenn die Frage zu verneinen ist, eine Aufhebung der Verfügung erreichen. Die Frage ist indes, wie den Ausführungen zur Klage der Klägerin zu 1 entnommen werden kann, zu bejahen.
1514. Die Anfechtungsklagen der Kläger zu 36 bis 38, 40 bis 42, 44 bis 47, 50 bis 55, 57 und 58, 60 bis 63, 66 bis 73, 75 bis 103, 105 bis 130, 132, 134 sowie 136 bis 155 - Mitglieder der Mitgliedschapter der Klägerin zu 1 - sind unzulässig.
152Diesen Klägern fehlt es an der nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen Klagebefugnis. Sie sind weder Mitglieder der Klägerin zu 1 noch gibt es eine tragfähige Grundlage für ihr Begehren, ihre Mitgliedschaft für die Anfechtung der Verbotsverfügung vom zu fingieren. Die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anerkannte Herleitung einer Klagebefugnis für Mitglieder einer als Verein verbotenen Gruppierung aus Art. 2 Abs. 1 GG steht ihnen deshalb nicht zur Seite. Wer nicht Angehöriger einer mit einer vereinsrechtlichen Verbotsverfügung belegten Gruppierung ist, kann durch das Verbot - unabhängig davon, ob die Gruppierung (noch) einen Verein im Sinne von § 2 Abs. 1 VereinsG darstellt und deshalb als solcher verboten werden kann oder nicht - nicht in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG betroffen sein (vgl. 6 A 9.20 - BVerwGE 176, 224 Rn. 22, Beschlüsse vom - 1 VR 14.17 - Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 73 Rn. 11, vom - 6 PKH 4.19 - juris Rn. 5 und vom - 6 PKH 6.19 - juris Rn. 7 f.).
1535. Die Klagen der Klägerinnen zu 156 bis 158 - vorgebliche identitätswahrende Nachfolgeorganisationen der Klägerin zu 1 - sind mit dem als Hauptantrag gestellten Anfechtungsantrag unzulässig (a.). Dagegen ist die hilfsweise erhobene Klage auf Feststellung, dass diese Klägerinnen durch die Verbotsverfügung vom nicht erfasst werden, zulässig und begründet (b.).
154a. Die Anfechtungsklage der genannten Klägerinnen ist unstatthaft. Die angefochtene Verbotsverfügung enthält keine Regelung des Inhalts, dass es sich bei ihnen um identitätswahrende Nachfolgeorganisationen der Klägerin zu 1 handele. Zwar wird in der Begründung der Verfügung dargelegt, weshalb nach Einschätzung des BMI den Klägerinnen zu 156 bis 158 ein derartiger Charakter zukommt. Hierfür findet sich jedoch im Tenor der Verfügung keine Anknüpfung. Das dort ausgesprochene Vereinsverbot bezieht sich allein auf die Klägerin zu 1 und ihre aufgeführten Mitgliedschapter als ihre Teilorganisationen. Dies ist maßgeblich, denn die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung ist von seiner Begründung zu unterscheiden. Die Begründung ist gegebenenfalls zur Auslegung des Verwaltungsakts heranzuziehen, enthält aber regelmäßig - und so auch hier - keinen über den Tenor hinausgehenden Regelungsgehalt (dazu allgemein: 6 C 3.19 - BVerwGE 169, 1 Rn. 20 und vom - 6 A 9.20 - BVerwGE 176, 224 Rn. 16).
155b. Das von den Klägerinnen zu 156 bis 158 hilfsweise angebrachte Feststellungsbegehren ist als allgemeine Feststellungsklage im Sinne von § 43 VwGO zulässig (aa.) und hat auch in der Sache Erfolg (bb.).
156aa. Der Umstand, dass der Feststellungsantrag erst während des bereits mit dem Anfechtungsantrag anhängigen Klageverfahrens hilfsweise angebracht worden ist, ist nicht als Klageänderung zu bewerten, die mangels Einwilligung der Beklagten und - wegen des Erfordernisses der Verweisung der geänderten Klage durch das nach § 50 Abs. 1 Nr. 2 VwGO nicht weiter zuständige Bundesverwaltungsgericht - gemäß § 91 Abs. 1 VwGO unzulässig wäre und deswegen die Unzulässigkeit der Feststellungsklage zur Folge hätte (dazu allgemein: 6 A 9.20 - BVerwGE 176, 224 Rn. 28 ff.). Das Feststellungsbegehren unterscheidet sich hinsichtlich des Klagegrundes nicht von der bereits anhängigen Anfechtungsklage. Der zu Grunde liegende Lebenssachverhalt war und ist durch die Frage nach der Reichweite des gegenüber der Klägerin zu 1 mit der Verfügung vom ausgesprochenen Verbots, konkret die Einbeziehung der Klägerinnen zu 156 bis 158 in dieses Verbot gekennzeichnet. Gegen diese Einbeziehung der Klägerinnen zu 156 bis 158 auf Grund ihrer von dem BMI ausweislich der Begründung der Verbotsverfügung angenommenen Eigenschaft als identitätswahrende Nachfolgeorganisationen der Klägerin zu 1 haben sich die besagten Klägerinnen bereits mit ihrer zunächst allein erhobenen Anfechtungsklage nicht anders als mit der später als Hilfsantrag hinzugekommenen Feststellungsklage gewehrt. Die Veränderung des Klageantrags, die in dieser Konstellation mit dem Übergang von der Anfechtungsklage auf die Feststellungsklage verbunden ist, unterfällt der Vorschrift des § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 2 ZPO und ist deshalb nicht als Klageänderung anzusehen.
157Auf Grund der von dem BMI vorgenommenen Einordnung der Klägerinnen zu 156 bis 158 als identitätswahrende Nachfolgeorganisationen der Klägerin zu 1 ist zwischen den Beteiligten eine Rechtsbeziehung in Gestalt eines konkreten, streitigen und mithin feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses entstanden. Die Klägerinnen zu 156 bis 158 haben ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung, weil sie, würden sie durch das ausgesprochene Vereinsverbot erfasst, nicht länger existent wären. Wie sich aus den Darlegungen zur Unzulässigkeit der mit dem Hauptantrag verfolgten Anfechtungsklage ergibt, scheitert die Zulässigkeit der Feststellungsklage nicht an dem Subsidiaritätsgebot des § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
158bb. Die Feststellungsklage ist begründet, da die Klägerinnen zu 156 bis 158 nach den entsprechenden Darlegungen zu der von der Klägerin zu 1 erhobenen Klage keine identitätswahrenden Nachfolgeorganisationen der Klägerin zu 1 darstellen und deshalb durch die gegen die Klägerin zu 1 und ihre Teilorganisationen gerichtete Verbotsverfügung vom nicht verboten sind.
1596. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 und § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO. Sie berücksichtigt das Maß des Obsiegens und Unterliegens sowie den Umstand, dass die Beteiligung der 158 Kläger an dem Rechtsstreit wertmäßig in unterschiedlicher Weise zu Buche schlägt.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BVerwG:2023:190923U6A12.21.0
Fundstelle(n):
TAAAJ-58766