BGH Urteil v. - VI ZR 51/23

Ersatzfähigkeit von Kfz-Reparaturkosten im Falle des sogenannten Werkstattrisikos

Leitsatz

1. Auch bei unbezahlter Werkstattrechnung kann sich der Geschädigte auf das sogenannte Werkstattrisiko berufen und in dessen Grenzen Zahlung von Reparaturkosten, Zug um Zug gegen Abtretung seiner diesbezüglichen Ansprüche gegen die Werkstatt an den Schädiger, verlangen, allerdings nicht an sich selbst, sondern an die Werkstatt (Festhaltung , zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

2. Der aufgrund eines Verkehrsunfalls Geschädigte darf bei der Beauftragung einer Fachwerkstatt mit der Reparatur des Unfallfahrzeugs grundsätzlich darauf vertrauen, dass diese keinen unwirtschaftlichen Weg für die Schadensbeseitigung wählt und nur die objektiv erforderlichen Reparaturmaßnahmen durchführt. Er ist daher aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht gehalten, vor der Beauftragung der Fachwerkstatt zunächst ein Sachverständigengutachten einzuholen und den Reparaturauftrag auf dessen Grundlage zu erteilen.

Gesetze: § 249 Abs 2 S 1 BGB, § 287 Abs 1 S 1 ZPO

Instanzenzug: LG Waldshut-Tiengen Az: 2 S 12/22vorgehend AG Schopfheim Az: 1 C 169/21

Tatbestand

1Die Klägerin macht nach einem Verkehrsunfall weitere Ansprüche auf Ersatz ihres Sachschadens geltend.

2Im August 2021 wurde das Fahrzeug der Klägerin durch ein bei der Beklagten haftpflichtversichertes Fahrzeug beschädigt. Die volle Eintrittspflicht der Beklagten für den Schaden ist dem Grunde nach unstreitig. Die Klägerin gab ihr Fahrzeug am bei einem Autohaus zur Reparatur. Ein Mitarbeiter des Autohauses gab am "i.A. des Anspruchstellers" ein Sachverständigengutachten in Auftrag. Der Sachverständige kalkulierte in seinem Gutachten vom Nettoreparaturkosten in Höhe von 10.663,24 €, in denen Kosten für eine Covid-19-Reinigung in Höhe von insgesamt 38,70 € netto enthalten waren. Das Autohaus stellte für die am durchgeführte Reparatur einen Nettobetrag von 14.702,77 € in Rechnung, der von der Beklagten bis auf die in Rechnung gestellten Kosten für Covid-19-Maßnahmen in Höhe von 39,04 € netto beglichen wurde. Diesen Betrag fordert die Klägerin mit ihrer Klage von der Beklagten und behauptet dabei, die in Rechnung gestellten Desinfektionsmaßnahmen seien tatsächlich durchgeführt worden, kausal auf den Unfall zurückzuführen und erforderlich gewesen. Sie habe den auch der Höhe nach angemessenen Rechnungsbetrag bereits bezahlt. Etwaige Schadensersatzansprüche gegen die Werkstatt hat die Klägerin in Höhe des Klagebetrages an die Beklagte abgetreten.

3Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß zur Zahlung verurteilt. Das Landgericht hat die Berufung der Beklagten entsprechend dem Antrag der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Gründe

I.

4Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung unter anderem ausgeführt, das Amtsgericht habe der Klägerin zu Recht Ersatz der in Rechnung gestellten Desinfektionskosten unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitspostulats gemäß § 249 Abs. 2 BGB zugesprochen. Aus der hier maßgeblichen Perspektive eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage der unfallgeschädigten Klägerin seien die von der Werkstatt gegenüber der Klägerin in Rechnung gestellten Reinigungskosten zur Schadensbehebung erforderlich sowie angemessen gewesen und dürften hier selbst fiktiv beansprucht werden. Die Rechnungsposition "Covid-19-Reinigung" sei in der damaligen, von Beschränkungen und Hygieneauflagen bestimmten pandemischen Zeit ohne weiteres als unfallspezifischer Wiederherstellungsaufwand und nicht lediglich als von betrieblichen Gemeinkosten gedeckte Maßnahme anzusehen.

5Mit dem notwendigen Blick auf den konkreten Einzelfall habe das Amtsgericht eine Erstattung der Desinfektionskosten gestützt auf die Grundsätze des Werkstattrisikos zu Recht bejaht. Gesehen und gewürdigt habe das Ausgangsgericht insbesondere, dass die von der Werkstatt in Rechnung gestellten Kosten der Klägerin nur einen Anhalt zur Bestimmung des erforderlichen Reparaturaufwandes gäben und nach den Erkenntnismöglichkeiten der unfallgeschädigten Klägerin auf Plausibilität zu überprüfen seien. Es sei nicht ersichtlich, dass die abgerechneten 45 Minuten der Art oder der Höhe nach in Zweifel gezogen werden müssten.

6Die Beklagte habe überdies keinen Sachgrund vorgebracht, der es rechtfertige, im konkreten Fall dem Schädiger bzw. dessen Haftpflichtversicherung das Werkstattrisiko, das der Schädiger grundsätzlich trage, abzunehmen. Insbesondere genüge der Umstand, dass die Reinigungskosten noch nicht bezahlt seien, nicht für eine Verlagerung auf die unfallgeschädigte Klägerin. Auch aus der Tatsache, dass sich die Klägerin direkt an die Werkstatt gewandt habe, die zunächst eine sachverständige Schadensbegutachtung vermittelt und nach Vorlage des Gutachtens die Reparatur durchgeführt habe, lasse sich eine Verlagerung des Werkstattrisikos nicht ableiten. Dass die Klägerin den hier angebotenen Schadenservice genutzt habe, begründe kein das Werkstattrisiko tangierendes Auswahlverschulden.

II.

7Diese Erwägungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit der Begründung des Berufungsgerichts kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen der - dem Grunde nach gemäß §§ 7, 18 StVG, § 115 VVG schadensersatzberechtigten - Klägerin kein Anspruch auf Ersatz der streitgegenständlichen Desinfektionskosten nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB zugesprochen werden.

81. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs ist in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom - VI ZR 271/19, NJW 2020, 3591 Rn. 7 mwN). Solche Fehler liegen im Streitfall vor.

9a) Ist wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen (sogenannte "Ersetzungsbefugnis"). Im Ausgangspunkt ist sein Anspruch auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags gerichtet (vgl. nur , NJW 2022, 2840 Rn. 12; vom - VI ZR 315/18, NJW 2020, 1001 Rn. 14).

10Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht (, VersR 2023, 330 Rn. 10; vom - VI ZR 315/18, NJW 2020, 1001 Rn. 14).

11Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung, st. Rspr., vgl. nur , VersR 2023, 330 Rn. 11; vom - VI ZR 315/18, NJW 2020, 1001 Rn. 15 mwN).

12Darüber hinaus gilt für die Ersetzungsbefugnis des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB das Verbot, sich durch Schadensersatz zu bereichern. Der Geschädigte soll zwar volle Herstellung verlangen können (Totalreparation), aber an dem Schadensfall nicht "verdienen" (st. Rspr., vgl. nur , VersR 2020, 174 Rn. 11; vom - VI ZR 17/11, NJW 2012, 50 Rn. 6 mwN). Die dem Geschädigten zur Verfügung zu stellenden Mittel müssen so bemessen sein, dass er, sofern er wirtschaftlich vernünftig verfährt, durch die Ausübung der Ersetzungsbefugnis weder ärmer noch reicher wird, als wenn der Schädiger den Schaden gemäß § 249 Abs. 1 BGB beseitigt (, NJW 2022, 2840 Rn. 12; vom - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 184, juris Rn. 9).

13b) Übergibt der Geschädigte das beschädigte Fahrzeug an eine Fachwerkstatt zur Instandsetzung, ohne dass ihn insoweit ein (insbesondere Auswahl- oder Überwachungs-)Verschulden trifft, sind dadurch anfallende Reparaturkosten im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger aufgrund der subjektbezogenen Schadensbetrachtung auch dann vollumfänglich ersatzfähig, wenn sie etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt unangemessen, mithin nicht erforderlich im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB sind (vgl. , NJW 2022, 2840 Rn. 12; vom - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 186, juris Rn. 12); in einem solchen Fall gegebenenfalls bestehende Ansprüche des Geschädigten gegen den Werkstattbetreiber spielen nur insoweit eine Rolle, als der Schädiger im Rahmen des Vorteilsausgleichs deren Abtretung verlangen kann (, NJW 2022, 2840 Rn. 12; vom - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 187, juris Rn. 13). Das Werkstattrisiko verbleibt damit - wie bei § 249 Abs. 1 BGB - auch im Rahmen des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB im Verhältnis des Geschädigten zum Schädiger beim Schädiger (, NJW 2022, 2840 Rn. 12; vom - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 185, juris Rn. 10; ferner , DAR 2022, 84 Rn. 7; vom - VI ZR 258/06, NJW 2007, 2917 Rn. 11; vom - VI ZR 314/90, BGHZ 115, 364, 370, juris Rn. 15; LG Saarbrücken, NJW 2022, 87 Rn. 6, 10).

14Zur Begründung hat der Senat in seinem diesbezüglichen Grundsatzurteil vom - VI ZR 42/73 (BGHZ 63, 182) ausgeführt, dass sich der Geschädigte zwar bei der Auftragserteilung sowie bei den weiteren Vorkehrungen für eine ordnungsmäßige, zügige Durchführung der Reparatur von wirtschaftlich vertretbaren, das Interesse des Schädigers an einer Geringhaltung des Schadens mitberücksichtigenden Erwägungen leiten lassen muss, dass aber nicht außer Acht gelassen werden darf, dass seinen Erkenntnis- und Einwirkungsmöglichkeiten bei der Schadensregulierung regelmäßig Grenzen gesetzt sind, dies vor allem, sobald er den Reparaturauftrag erteilt und das Unfallfahrzeug in die Hände von Fachleuten übergeben hat. Es würde dem Sinn und Zweck des § 249 Absatz 2 Satz 1 BGB widersprechen, wenn der Geschädigte bei Ausübung der ihm durch das Gesetz eingeräumten Ersetzungsbefugnis im Verhältnis zu dem ersatzpflichtigen Schädiger mit Mehraufwendungen der Schadensbeseitigung belastet bliebe, deren Entstehung seinem Einfluss entzogen ist und die ihren Grund darin haben, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss. Insoweit besteht kein Sachgrund, dem Schädiger das sogenannte Werkstattrisiko abzunehmen, das er auch zu tragen hätte, wenn der Geschädigte ihm die Beseitigung des Schadens nach § 249 Abs. 1 BGB überlassen würde. Die dem Geschädigten durch § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB gewährte Ersetzungsbefugnis ist kein Korrelat für eine Überbürdung dieses Risikos auf ihn (Senat aaO, 185, juris Rn. 10).

15c) Die genannten Grundsätze, an denen der Senat festhält, gelten auch für Rechnungspositionen, die sich auf - für den Geschädigten nicht erkennbar - tatsächlich nicht durchgeführte einzelne Reparaturschritte und -maßnahmen beziehen. Denn auch diese haben ihren Grund darin, dass die Schadensbeseitigung in einer fremden, vom Geschädigten nicht kontrollierbaren Einflusssphäre stattfinden muss (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 185, juris Rn. 10). Soweit dem Urteil des Senats vom (VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 14-16) etwas anderes zu entnehmen sein sollte, hält der Senat hieran nicht fest.

16d) Die Anwendung der Grundsätze zum Werkstattrisiko setzt nicht voraus, dass der Geschädigte die Reparaturrechnung bereits bezahlt hat. Soweit der Geschädigte die Reparaturrechnung nicht beglichen hat, kann er - will er das Werkstattrisiko nicht selbst tragen - die Zahlung der Reparaturkosten allerdings nicht an sich, sondern nur an die Werkstatt verlangen. Ansonsten hat er im Schadensersatzprozess gegen den Schädiger oder dessen Haftpflichtversicherer gegebenenfalls zu beweisen, dass die abgerechneten Reparaturmaßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden und dass die Reparaturkosten nicht etwa wegen überhöhter Ansätze von Material oder Arbeitszeit oder wegen unsachgemäßer oder unwirtschaftlicher Arbeitsweise der Werkstatt nicht erforderlich sind (vgl. dazu näher Senatsurteil vom heutigen Tag - VI ZR 253/22, Ziffer II.2.e, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).

17e) Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Klägerin - wie von ihr nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen tatbestandlichen Feststellungen des Amtsgerichts behauptet - die von der Werkstatt abgerechneten Kosten für die Covid-19-Reinigung bezahlt hat. Revisionsrechtlich ist daher der Vortrag der Beklagten als richtig zu unterstellen, wonach dies nicht der Fall war. Nach den genannten Grundsätzen ist es dann aber rechtsfehlerhaft, dass das Berufungsgericht die Verurteilung der Beklagten unter Berufung auf das von ihr zu tragende Werkstattrisiko aufrechterhalten hat. Denn die Klägerin verlangt vorliegend von dem beklagten Haftpflichtversicherer des Schädigers Zahlung von Schadensersatz an sich selbst, kann sich also auf die Verlagerung des Werkstattrisikos auf den Schädiger nur berufen, wenn sie die streitige Rechnungsposition bereits bezahlt hat. Ist dies der Fall, trägt die Beklagte hier auch das Werkstattrisiko hinsichtlich der für die Klägerin nicht erkennbaren tatsächlichen Durchführung der abgerechneten Desinfektionsmaßnahmen.

18f) Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Hat die Klägerin die streitige Rechnungsposition noch nicht bezahlt, kann der auf Erstattung des Rechnungsbetrags an die Klägerin gerichteten Klage nur stattgegeben werden, wenn die - von der Beklagten nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen tatbestandlichen Feststellungen des Amtsgerichts bestrittene - tatsächliche Durchführung und objektive Erforderlichkeit der Reinigungsmaßnahmen nachgewiesen ist. Feststellungen hierzu hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Die Erwägung des Berufungsgerichts, die Klägerin habe den Ersatz der Reinigungskosten "selbst fiktiv" beanspruchen können, macht insoweit Feststellungen zur Durchführung der Covid-19-Reinigung nicht entbehrlich. Die Klägerin hat sich vorliegend für die konkrete Schadensabrechnung entschieden und Ersatz der erforderlichen Reparaturkosten nicht auf der Grundlage des eingeholten Sachverständigengutachtens, sondern anhand der ihr für die durchgeführte Reparatur in Rechnung gestellten - insgesamt höheren - Beträge geltend gemacht. Dann ist es unzulässig, hinsichtlich einer einzelnen Rechnungsposition - hier der Desinfektionskosten - auf die Möglichkeit einer fiktiven Abrechnung abzustellen (vgl. zur st. Rspr. zur unzulässigen Kombination von konkreter und fiktiver Schadensabrechnung nur Senatsurteil vom - VI ZR 513/19, VersR 2022, 250 Rn. 18 mwN).

192. Anders als die Revision meint, ist dagegen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht in der Inanspruchnahme des der Klägerin von der beauftragten Werkstatt angebotenen Schadenservices keinen Umstand gesehen hat, der einer Verlagerung des Werkstattrisikos auf die Beklagte entgegensteht. Dass sich die Klägerin direkt an die Werkstatt wandte, die zunächst "i.A. des Anspruchstellers" ein Sachverständigengutachten einholte und nach Vorlage des Gutachtens die Reparatur durchführte, stellt kein relevantes (Auswahl- oder Überwachungs-)Verschulden der Klägerin dar. Die Revision meint, das Verschulden der Geschädigten bei Inanspruchnahme eines solchen "Schadenservices aus einer Hand" bestehe darin, dass sich die Geschädigte damit jeglicher Möglichkeit einer Plausibilitätskontrolle begeben habe. Sie habe ihren Reparaturauftrag nicht auf der Grundlage eines von ihr eingeholten Sachverständigengutachtens erteilt und könne sich daher nicht auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung berufen. Diesem Einwand liegt bereits ein fehlerhaftes Verständnis der Senatsrechtsprechung zum Inhalt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu Grunde. Zudem wird er dem im Streitfall festgestellten Sachverhalt nicht gerecht.

20a) Die Grundsätze zur Verteilung des Werkstattrisikos dürfen allerdings nicht dazu führen, dass sich - letztlich zum Schaden der Allgemeinheit - mangelndes Interesse der Vertragsbeteiligten an einer marktgerechten Abwicklung der Instandsetzung im Kostenniveau niederschlägt. An den vom Geschädigten zu führenden Nachweis, dass er wirtschaftlich vorgegangen ist, also bei der Beauftragung aber auch bei der Überwachung der Reparaturwerkstatt den Interessen des Schädigers an Geringhaltung des Herstellungsaufwandes Rechnung getragen hat, dürfen deshalb nicht zu geringe Anforderungen gestellt werden (Senatsurteil vom - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 184, juris Rn. 14).

21Daher wird der Geschädigte, soweit ihm von der aufgesuchten Werkstatt verschiedene, mit unterschiedlichen Kosten verbundene Reparaturmöglichkeiten aufgezeigt werden, bei seiner Auswahl die berechtigten Interessen des Schädigers berücksichtigen müssen. Zwischen Alternativen der Instandsetzung muss er nach wirtschaftlicher Vernunft wählen und im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren zu der preiswertesten greifen (vgl. Katzenstein in Geigel, Haftpflichtprozess, 28. Aufl., § 249 BGB Rn. 11). Der Geschädigte darf aber bei der Beauftragung einer Fachwerkstatt grundsätzlich darauf vertrauen, dass diese keinen unwirtschaftlichen Weg für die Schadensbeseitigung wählt und nur die objektiv erforderlichen Reparaturmaßnahmen durchführt. Er ist daher aufgrund des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht gehalten, vor der Beauftragung der Fachwerkstatt zunächst ein - mit zusätzlichen, vom Schädiger zu tragenden Kosten verbundenes - Sachverständigengutachten einzuholen und den Reparaturauftrag auf dessen Grundlage zu erteilen.

22b) Im Übrigen konnte die Geschädigte nach den tatbestandlichen Feststellungen zu dem im Streitfall gegebenen Geschehensablauf davon ausgehen, dass die Reparatur auf der Grundlage des in ihrem Auftrag eingeholten Sachverständigengutachtens in objektiv angemessener Weise durchgeführt werden würde. Der von der Beklagten geltend gemachte und im Revisionsverfahren mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts zu unterstellende Umstand, dass der beauftragte Sachverständige nicht von der Klägerin selbst, sondern von der Werkstatt ausgesucht wurde, bot für sich genommen insoweit aus Sicht der Geschädigten keinen Anlass für durchgreifende Zweifel. Soweit die Beklagte meint, eine subjektbezogene Schadensbetrachtung verbiete sich, wenn die Auswahl des Sachverständigen nicht durch den Geschädigten allein, sondern nach Vermittlung einer Werkstatt oder eines Rechtsanwalts im Rahmen eines "Schadenservice aus einer Hand" erfolge, ist dies in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Allein aufgrund der Einschaltung eines "Unfallhelfers" kann dem Geschädigten noch keine unwirtschaftliche Verfahrensweise vorgeworfen werden (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 42/73, BGHZ 63, 182, 186, juris Rn. 16). Der Umstand, dass der für die Reinigungsmaßnahme abgerechnete Betrag geringfügig über den insoweit vom Sachverständigen veranschlagten Kosten lag, ist ebenfalls nicht geeignet, den Vorwurf eines Verschuldens der Klägerin im Zusammenhang mit der Beauftragung der Werkstatt zu begründen (vgl. Senatsurteil vom - VI ZR 147/21, NJW 2022, 2840 Rn. 14).

III.

23Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2024:160124UVIZR51.23.0

Fundstelle(n):
NJW 2024 S. 8 Nr. 8
PAAAJ-58604