Zu den Anforderungen an ein elektronisches Fahrtenbuch
Leitsatz
NV: Ein Fahrtenbuch muss in geschlossener Form geführt werden. Eine mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugte Datei genügt diesen Anforderungen nur, wenn nachträgliche Veränderungen an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder zumindest in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert und offen gelegt werden (Bestätigung des , BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410).
Gesetze: EStG § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Satz 3; EStG § 8 Abs. 2 Satz 4; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2; FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3;
Instanzenzug:
Gründe
1 Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
2 1. Die Revision ist nicht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zuzulassen. Das Finanzgericht (FG) ist nicht von den angeblichen Divergenzentscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH) abgewichen.
3 a) Eine Divergenz im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist gegeben, wenn das FG mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung des BFH, eines anderen obersten Bundesgerichts oder eines FG abgewichen ist. Das angefochtene Urteil und die vorgebliche Divergenzentscheidung müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (z.B. BFH-Beschlüsse vom - IX B 90/17, Rz 2 und vom - VIII B 124/17, Rz 11; Senatsbeschluss vom - VI B 13/20, Rz 15). Nicht erforderlich ist, dass der abstrakte Rechtssatz nach Art eines Leitsatzes in den Gründen des angefochtenen Urteils formuliert ist; er kann sich auch aus scheinbar nur fallbezogenen Rechtsausführungen ergeben (, BFHE 167, 488, BStBl II 1992, 671 und Senatsbeschluss vom - VI B 53/15, Rz 3). Keine Abweichung liegt dagegen vor, wenn das FG offenkundig von der Rechtsauffassung des BFH ausgegangen ist, diese aber aus Sicht des Beschwerdeführers falsch angewendet hat (, Rz 4).
4 b) Nach diesen Maßstäben ist im Streitfall keine Divergenz gegeben.
5 aa) Die Klägerin entnimmt der Vorentscheidung folgenden Rechtssatz: „Nach den zuvor dargestellten Rechtsgrundsätzen des BFH müssen nachträgliche Veränderungen bei gewöhnlicher Einsichtnahme in die Datei offengelegt werden und erkennbar sein [.].“
6 Die Klägerin hat damit schon keinen für eine Divergenzprüfung ausreichenden abstrakten Rechtssatz aus dem FG-Urteil herausgestellt. Darüber hinaus ergibt sich aus der von der Klägerin zitierten Stelle der Vorentscheidung und aus den weiteren Ausführungen des FG, dass das Gericht seiner Entscheidung die Rechtsprechung des BFH zu den Anforderungen, die ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch erfüllen muss, ausdrücklich zugrunde gelegt hat.
7 Das FG ist insbesondere nicht von dem klägerseits als angebliche Divergenzentscheidung angeführten Senatsurteil vom - VI R 64/04 (BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410) abgewichen. Der Senat hat dort unter anderem ausgeführt, dass eine mittels eines Computerprogramms erzeugte Datei, an deren bereits eingegebenem Datenbestand zu einem späteren Zeitpunkt noch Veränderungen vorgenommen werden können, ohne dass die Reichweite dieser Änderungen in der Datei selbst dokumentiert und bei gewöhnlicher Einsichtnahme in die Datei offen gelegt wird, kein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch im Sinne von § 8 Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes darstellt (Senatsurteil vom - VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410, unter II.1.c).
8 Hiervon ist die Vorinstanz nicht —auch nicht in nur fallbezogenen Ausführungen— abgewichen. Aus der angeblichen Divergenzentscheidung des beschließenden Senats ergibt sich vielmehr, dass die nachträglichen Veränderungen in der Datei dokumentiert und offen gelegt werden und damit also auch „erkennbar“ sein müssen.
9 Wie Dokumentation und Offenlegung im Einzelnen (technisch) zu erfolgen haben, hat der Senat hingegen weder in seinem Urteil vom - VI R 64/04 (BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410) noch in den weiteren, von der Klägerin angeführten Entscheidungen (Senatsurteil vom - VI R 33/10, BFHE 236, 497, BStBl II 2012, 505 und Senatsbeschluss vom - VI B 125/07) im Einzelnen festgelegt. Soweit das FG angenommen hat, an der Erkennbarkeit nachträglicher Veränderungen fehle es, wenn sich diese erst durch weitere Abfragen offenlegen ließen, zu denen (nur) der Systemadministrator der Klägerin die Möglichkeit habe, weicht es jedenfalls nicht von der genannten Senatsrechtsprechung ab.
10 bb) Die Klägerin entnimmt der Vorentscheidung des Weiteren den Rechtssatz, es fehle an der Geschlossenheit des Fahrtenbuchs, falls die Finanzverwaltung im Rahmen der Überprüfung erst weitere Unterlagen anfordern müsse.
11 Auch damit weicht das FG nicht von der Senatsrechtsprechung zur Ordnungsmäßigkeit eines Fahrtenbuchs ab. Denn der Senat hat entschieden, dass ein Fahrtenbuch insbesondere in geschlossener Form geführt werden muss und eine mit Hilfe eines Computerprogramms erzeugte Datei diesen Anforderungen nur dann genügt, wenn nachträgliche Veränderungen an den zu einem früheren Zeitpunkt eingegebenen Daten nach der Funktionsweise des verwendeten Programms technisch ausgeschlossen sind oder zumindest in ihrer Reichweite in der Datei selbst dokumentiert und offen gelegt werden (Senatsurteil vom - VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410, unter II.1.). Müssen somit erst weitere Listen angefordert oder Abfragen bei Dritten (zum Beispiel dem Systemadministrator) durchgeführt werden, um feststellen zu können, dass es sich bei dem in elektronischer Form geführten Fahrtenbuch um ein in sich geschlossenes Verzeichnis und damit ein Fahrten-"Buch“ handelt, stellt eine solche Datei keine geeignete Aufzeichnungsmethode dar.
12 cc) Letztlich entnimmt die Klägerin der Vorentscheidung noch den „Rechtssatz“:
„Hieraus [aus den Vorgaben des BFH, Anm. Verfasser] kann nach Ansicht des Gerichts jedoch nicht geschlussfolgert werden, dass hinsichtlich der Frage der Ordnungsmäßigkeit des Fahrtenbuchs die Anforderungen an ein manuell geführtes Papierfahrtenbuch und an ein elektronisch geführtes Fahrtenbuch identisch sein müssen. Denn ein handschriftlich geführtes Fahrtenbuch, welches in dem PKW verbleibt, ist nur bedingt vergleichbar mit einem anhand eines elektronischen Datenbanksystems erstellten Fahrtenbuchs [sic!].“
13 Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass sich das vorgenannte Zitat —entgegen der Anmerkung des Verfassers der Beschwerdebegründung— nicht auf die „Vorgaben des BFH“ sondern auf das in dem vorstehenden Satz des FG-Urteils genannte (BStBl I 2022, 232) bezieht, auf das die Klägerin im Klageverfahren verwiesen hatte.
14 Im Übrigen ergibt sich aus der Rechtsprechung des beschließenden Senats, dass die Anforderungen an ein Fahrtenbuch auf Papier und an ein elektronisches Fahrtenbuch nicht identisch sein können. So hat zum Beispiel das Erfordernis, dass nachträglich vorgenommene Änderungen in der Datei dokumentiert und offen gelegt werden müssen (Senatsurteil vom - VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410, unter II.1.c), nur für ein elektronisches Fahrtenbuch Bedeutung. Bei einem in Papierform geführten Fahrtenbuch gibt es demgegenüber keine „Datei“ in dem vorgenannten Sinne, sondern lediglich auf Papier festgehaltene Eintragungen (Daten). Auch hier müssen nachträgliche Änderungen allerdings „deutlich als solche erkennbar“ sein (Senatsurteil vom - VI R 64/04, BFHE 211, 513, BStBl II 2006, 410, unter II.1.a), so dass eine lose Ansammlung einzelner Daten (Blätter, Seiten) ohne äußeren Zusammenhang schon in begrifflicher Hinsicht kein „Fahrtenbuch“ sein kann. Die hiernach erforderliche „buch"-förmige äußere Gestalt kann dabei wiederum selbstverständlich nur ein in Papierform, nicht aber ein elektronisch geführtes Fahrtenbuch aufweisen.
15 2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.
16 Der von der Klägerin gerügte Verstoß gegen Denkgesetze stellt —selbst wenn er vorliegen würde— entgegen der Ansicht der Klägerin keinen Verfahrensfehler sondern einen materiell-rechtlichen Fehler (Rechtsanwendungsmangel) dar (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom - VI R 16/09, BFHE 232, 34, BStBl II 2011, 966, Rz 21; Senatsbeschluss vom - VI B 29/20, Rz 13, jeweils m.w.N.). Die Geltendmachung falscher materieller Rechtsanwendung führt jedoch grundsätzlich —von im Streitfall nicht gegebenen Ausnahmen abgesehen— nicht zur Zulassung der Revision (Senatsbeschluss vom - VI B 65/21, Rz 8, m.w.N.).
17 3. Von der Darstellung des Sachverhalts und einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
18 4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BFH:2024:B.120124.VIB37.23.0
Fundstelle(n):
BB 2024 S. 277 Nr. 6
BFH/NV 2024 S. 389 Nr. 4
EStB 2024 S. 89 Nr. 3
NWB-Eilnachricht Nr. 6/2024 S. 376
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StuB-Bilanzreport Nr. 5/2024 S. 192
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LAAAJ-58225