BGH Beschluss v. - 1 StR 223/23

Instanzenzug: Az: 4 KLs 730 Js 21302/17nachgehend Az: 1 StR 223/23 Beschluss

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorteilsgewährung in neun Fällen und wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Zudem hat das Landgericht zwei Monate wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung für bereits vollstreckt erklärt. Die gegen seine Verurteilung gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und sachlichen Rechts beanstandet, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg, weil die mit der Einsatzstrafe geahndete Tat verjährt ist (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Zum Verfolgungshindernis der (absoluten) Verjährung (§ 78 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 5, § 78c Abs. 3 Satz 2 Alternative 1, § 78a StGB) bezüglich Tat 13 der Urteilsgründe hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt:

„Nach § 353b Abs. 1 und Abs. 2 StGB ist die vorsätzliche Verletzung von Dienstgeheimnissen mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Hiervon ausgenommen ist die Vorsatz-Fahrlässigkeitskombination nach § 353b Abs. 1 S. 2 StGB, die in drei Jahren verjährt. Infolgedessen beträgt die Verjährungsfrist nach § 78 Abs. 3 Nr. 5 StGB drei Jahre und das doppelte der gesetzlichen Verjährungsfrist nach § 78c Abs. 3 StGB sechs Jahre. Die Verjährung beginnt mit dem Eintritt der Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 78a StGB).

3Diese Frist war bei Erlass des angefochtenen Urteils […] abgelaufen.

Die dem Angeklagten vorgeworfene Tat der (fahrlässigen) Verletzung von Dienstgeheimnissen nach § 353b Abs. 1 S. 1 Nr. 1, S. 2 StGB war spätestens mit der Weitergabe des Dienstgeheimnisses an den Mitangeklagten J.   am 15./ vollendet: Der Angeklagte F.   erfuhr im September 2016 als Polizeibeamter, dass gegen einen Mitarbeiter der Firma M.        (Vor-)Ermittlungen wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Kokain eingeleitet worden waren und der Verdacht bestand, der Angeklagte  Mi.    sei einer der Abnehmer des dortigen Beschuldigten. Hierüber informierte er zwischen dem Abend des und dem Morgen des auf nicht näher feststellbare Art und Weise den Mitangeklagten J.   , obwohl er bei der ihm möglichen und zumutbaren Sorgfalt hätte erkennen müssen, dass der Mitangeklagte J.   für Geheimnisse, die mit dem Mitangeklagten   Mi.   und der Firma M.       zu tun haben, nicht zuverlässig verschwiegen war und mögliche Folge des Verrats sein könnte, dass der Mitangeklagte J.   diese Informationen nicht für sich behält, sondern weitererzählt und dadurch die Betroffenen Gelegenheit erhalten, sich auf etwaige strafprozessuale Maßnahmen einzustellen [,] und dass sein Handeln mithin die Gefahr der störenden Einflussnahme auf den ordnungsgemäßen Ablauf der Ermittlungen nach sich ziehen könnte. Der Mitangeklagte J.   , der eine begangene Straftat des Angeklagten   Mi.   für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, informierte sodann zwischen dem Abend des und dem Morgen des tatsächlich den weiteren Geschäftsführer der Firma M.       und vereinbarte mit diesem, dass jener, der weitere Geschäftsführer, den Mitangeklagten   Mi.   informieren und warnen wird, um eine Bestrafung des Angeklagten   Mi.   zu verhindern. Nach Erhalt der Information am 17. September 201[6] verließen der Mitangeklagte   Mi.   für zwei Monate und auch der (ebenfalls informierte) Beschuldigte Ma.   für eine Woche Deutschland (UA S. 5, 30 ff.). Gegen den Beschuldigten Ma.   wurde am ein Ermittlungsverfahren eingeleitet (UA S. 147), ab dem wurde er observiert und am schließlich festgenommen. Das Landgericht verurteilte ihn am wegen Betäubungsmitteldelikten, begangen ab Ende 201[6]. Gegen den Mitangeklagten   Mi.   wurde kein Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Die Beendigung des Geheimnisbruchs tritt regelmäßig erst mit einer Erhöhung der Gefährdung bzw. dem Eintritt des Schadens/der Gefährdung oder mit dem Wegfall der Gefährdung, also mit dem Geschehensabschluss, ein (Fischer, StGB 70. Aufl. § 353b Rn. 27; Puschke in MüKo-StGB, § 353b StGB Rn. 100; Perron/Hecker in S/S-StGB, 30. Aufl. § 353b StGB Rn. 23). Bei Gefährdungsdelikten, bei denen der Gesetzgeber den Gefährdungseintritt genügen lässt, die Tatbestandsvollendung also vorverlegt hat, kann es zu einem Fortwirken der tatbestandsmäßigen Handlungen kommen, die den vollen Unrechtsgehalt überhaupt erst herbeiführen oder auch nur steigern und diesen daher nicht etwa nur tatbestandsneutral unberührt lassen (Murmann in LK-StGB, 13. Aufl. vor § 22 Rn. 25, 35 ff.).

Spätestens mit der Flucht der vom Mitangeklagten J.   gewarnten   Mi.   und Ma.   war danach jedenfalls die Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen erhöht.“

42. Der Wegfall der Einsatzfreiheitsstrafe von sechs Monaten bedingt die Aufhebung der Gesamtstrafe. Die Feststellungen bleiben bestehen, weil sie von der Verfahrensteileinstellung nicht betroffen sind (§ 353 Abs. 2 StPO). Der Senat hebt, sich dem Antrag des Generalbundesanwalts insoweit nicht verschließend, vorsorglich die verbleibenden neun Einzelgeldstrafen auf, um dem nunmehr zur Entscheidung berufenen Tatgericht eine in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen. Die Strafgewalt des Amtsgerichts – Strafrichter – ist ausreichend (§ 354 Abs. 3 StPO). Neue Feststellungen sind möglich, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen. Der Vollstreckungsabschlag ist dem Angeklagten weiterhin, nunmehr durch Umrechnung in eine Anzahl von Tagessätzen (vgl. § 51 Abs. 4 Satz 1 Alternative 2 StGB; vgl. zum umgekehrten Fall Rn. 4), gutzubringen.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BGH:2023:291123B1STR223.23.0

Fundstelle(n):
OAAAJ-57560